Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

Angesichts dieser Positionierung der kommunalen Spitzenverbände muss man im Nachhinein erneut bedauern, dass bei der Verabschiedung des Gesetzes die Forderungen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nach Einhaltung der ILO-Arbeitnehmerschutzbestimmungen und das Verbot von Sklaverei

und Kinderarbeit nicht in das Vergabegesetz aufgenommen wurden.

(Beifall B90/GRÜNE sowie der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Die Fraktion der Grünen hält sowohl das Verbot der Sklaverei als auch das Verbot der Kinderarbeit für einen zivilisatorischen Fortschritt. Der nächste Fortschritt - hin zu einem Verbot von Dumpinglöhnen, die keine existenzsichernde Erwerbstätigkeit garantieren - steht hierzulande noch aus. Wir finden die Argumentation des Landkreistages und des Städte- und Gemeindebundes jedenfalls schäbig und hoffen, dass sie von den Mitgliedskommunen nicht geteilt wird.

(Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE sowie der Abgeord- neten Hackenschmidt [SPD])

Eine weitere Kritik des Städte- und Gemeindebundes lässt allerdings aufhorchen, nämlich: Das vorgeschriebene Kontrollund Prüfverfahren stellt nicht sicher, dass die Entgeltsätze auch an die Mitarbeiter der Firmen ausgezahlt werden, obwohl in § 8 des Gesetzes umfassende Kontrollpflichten und -rechte bis hin zur Mitarbeiterbefragung vorgesehen sind. Diese Rechte wurden erstaunlicherweise durch die Durchführungsverordnung des Wirtschaftsministeriums vom 19.10.2012 gleich wieder eingeschränkt.

(Homeyer [CDU]: Noch mehr Verordnungen fordern, Herr Vogel!)

Die Fraktion der Grünen hat von Anfang an die Tatsache, dass jede der mehr als 200 Vergabestellen für sich allein prüfen soll, für bürokratischen Unsinn gehalten und eine Bündelungsfunktion beim Land gefordert. Es kann doch nicht sein, dass ein Auftragnehmer, der für mehrere Kommunen Aufträge erledigt, Besuche von 20 kommunalen Prüfern erhält und eine Vielzahl von Arbeitsstunden hierfür aufwendet, um mehr oder weniger geschulten Beschaffern seine Bücher zu erklären. Richtig dagegen wäre es, Prüfexperten bei einem übergeordneten Träger anzusiedeln, der fachlich korrekt die Prüfungen sicherstellt.

Bemerkenswert ist übrigens auch, was der Städte- und Gemeindebund - das hat Herr Homeyer zu Recht angesprochen - in seiner Stellungnahme herausarbeitet: Die vorgesehene Evaluation wird keine Besserung bringen. Hier besteht akuter Nachholbedarf, der eine Gesetzesnovellierung spätestens nach Einführung des bundesweiten Mindestlohns unvermeidbar werden lässt.

Die nun vorgesehene Anhebung auf 8,50 Euro halten wir für selbstverständlich, weshalb wir selbstverständlich auch dem Gesetzentwurf zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD und DIE LINKE)

Für die Landesregierung spricht Wirtschaftsminister Christoffers.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, zur Diskussion und zu den Inhalten des Landesvergabegesetzes wurde

bereits in mehreren Beiträgen Stellung genommen, weshalb ich mich gern auf einige Redebeiträge beziehen möchte.

Herr Beyer, das Konzept der sozialen Marktwirtschaft wird politisch durchaus unterschiedlich umgesetzt. Die rot-rote Landesregierung und die sie tragende Koalition haben sich entschieden, den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft zu entsprechen.

Die gesamte Debatte um einen Mindestlohn bzw. eine Lohnuntergrenze ist nur deshalb entstanden, weil die Tarifpartner nicht mehr in dem Umfang tarifgebunden sind und wir uns in einer Situation befinden, in der eine Reihe von Entgelten für Tätigkeiten nicht mehr durch die Tarifpartner selbst kontrolliert werden. Wenn wir also eine Stärkung der Sozialpartner in den tariffähigen Institutionen hätten, wären wir in einer völlig anderen Situation. Aber das sind wir nun einmal nicht.

(Beifall DIE LINKE)

Lediglich aus diesem Grund hat sich die Politik - einschließlich der neuen Bundesregierung - entschieden, die Frage eines Mindestlohns oder aber - wie im Fall Brandenburgs - einer Lohnuntergrenze für öffentliche Aufträge ins Gespräch zu bringen und zu entscheiden. Wir in Brandenburg können keinen Mindestlohn einführen, das ist verfassungsrechtlich nicht möglich.

Des Weiteren sollte man eine Evaluierung abwarten, bevor man über die Wirkung eines Gesetzes urteilt. Vor allem aufgrund dieser Evaluierung gibt es sehr intensive Gespräche mit dem Städte- und Gemeindebund.

Möglicherweise ist ein Punkt ein Stück weit außerhalb der politischen Betrachtung: Die Evaluierung wird auch deshalb durchgeführt, weil geprüft werden soll, ob wir unter anderem zu pauschalierten Abrechnungssätzen kommen. Wir alle wissen doch, dass das Abrechnungssystem kompliziert ist. Da wir aber keine Daten haben, konnten wir nicht rechtssicher pauschalieren. Auch aus diesem Grund wird die Evaluierung durchgeführt.

Die Ergebnisse dieser Evaluierung werden in den nächsten Wochen vorliegen. Bis dahin werden wir auch mit dem Städteund Gemeindebund Gespräche führen. Ich bin mir sicher, dass dazu dann auch die Diskussion im betreffenden Ausschuss geführt wird.

Meine Damen und Herren, mit der Einführung des bundesgesetzlichen Mindestlohns wird das Gesetz noch nicht überflüssig, weil unter anderem die Zeiträume noch nicht klar zu erkennen sind, wann es tatsächlich flächendeckend gilt. Solange das nicht der Fall ist, bleibt es bei einem Kernstück, das wir mit dem Vergabegesetz geregelt haben: Wir haben für die Vergabestellen Rechtssicherheit in der Anwendung der entsprechenden Normen bei der Vergabe geschaffen. Diesen Punkt aus der Diskussion sollte man hier hervorheben.

Die Empfehlung der Mindestlohnkommission richtet sich nach Kennziffern, die bekannt sind. Das geht von der Entgeltentwicklung bis hin zu den Arbeitsmarktdaten. Ich bin mir sicher, dass die Kommission das umfassend abgewogen hat, bevor sie ihren Vorschlag dem Landtag und der Landesregierung zugeleitet hat.

Insofern bitte ich Sie um Unterstützung des Gesetzentwurfs. Ich würde mich freuen, wenn Sie ihm zustimmen könnten. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Wir sind damit am Ende der Rednerliste angelangt und kommen zur Schlussabstimmung über dieses Gesetz. Ihnen liegt dazu die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drucksache 5/8371 vor. Wer dieser folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mehrheitlich angenommen.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Gesetz zum Abkommen über die gemeinsame Einrichtung einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bei der Ärztekammer Hamburg

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/8140

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 5/8394

Es wurde vereinbart, keine Debatte zu führen. Insofern bitte ich um Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Drucksache 5/8394. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Oder Enthaltungen? Beides ist nicht der Fall. Damit ist das Gesetz in 2. Lesung angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 9 und rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Gesetz zum Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Brandenburg über die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nach dem Energiewirtschaftsgesetz

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/8330

1. Lesung

Auch hier wurde beschlossen, keine Debatte zu führen. Das Präsidium empfiehlt jedoch die Überweisung dieser Drucksache an den Hauptausschuss. Wer mit dieser Überweisung einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Oder Enthaltungen? - Beides ist wiederum nicht der Fall.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10, um Tagesordnungspunkt 11 aufzurufen:

Gesetz zur Neuregelung des Hochschulrechts des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Hochschulge- setz - BbgHG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/8370

1. Lesung

Die Debatte wird durch die Landesregierung eröffnet. Frau Ministerin Prof. Dr. Kunst spricht zu uns.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute bringen wir den Entwurf für das Gesetz zur Neuregelung des Hochschulrechts des Landes Brandenburg in den Landtag ein.

Dieser Gesetzentwurf zielt auf die erhebliche Erweiterung des Hochschulzugangs. Es können also mehr Menschen studieren und bessere Chancen im gesamten Bildungs- und Lebensverlauf erhalten. Er zielt auf die Sicherung guter Arbeitsbedingungen an den Hochschulen, schafft verlässliche Perspektiven für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stärkt die studentische Mitbestimmung.

Lassen Sie mich auf einige Punkte genauer eingehen.

Zunächst zur Regelung des Hochschulzugangs: Künftig berechtigt auch die Fachhochschulreife zu einem Studium an einer Universität. Damit wird gerade für Absolventen aus dem beruflichen Schulwesen - also auch Fachoberschulen - der Studienzugang verbessert. Sie können damit etwa Fächer studieren, die nur an Universitäten angeboten werden und zu denen ihnen der Zugang bislang verwehrt war.

Im Bereich des Zugangs zu einem Masterstudium wird ebenfalls eine Öffnung vorgenommen. Für besondere weiterbildende und künstlerische Masterstudiengänge kann in Zukunft im Einzelfall an die Stelle des Bachelor-Abschlusses eine Eignungsprüfung treten.