Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich freue mich, aber zunächst nicht über die große Harmonie, die wir offensichtlich zu diesem Thema haben, sondern darüber, dass wir in der ersten Sitzung des Landtages hier in diesem neuen Saal nicht nur über Gesundheitsversorgung und Musik und Kunst reden, sondern auch über Wissenschaft. Ich glaube, das ist ein gutes Signal für diesen Landtag.

Wir haben im alten Gebäude des Öfteren über Hochschulentwicklung diskutiert, mit sehr unterschiedlicher Qualität der Redebeiträge - ich befürchte, dass sich das auch in diesem Saal fortsetzen wird. Aber wir haben im alten Gebäude auch über die zentralen Themen der Weiterentwicklung der Wissenschaftslandschaft gesprochen, und das sind einige, die sich in der letzten Zeit abzeichnen. Ich will nur ein paar ansprechen: Das ist zunächst die Annäherung der Fachhochschulen und der Universitäten, und da, Herr Kollege Lipsdorf, liegen Sie eben falsch, weil auch die Fachhochschulen forschen, und auch die Universitäten sich stärker der Praxis nähern müssen. Insofern gibt es seit Jahren eine Annäherung dieser beiden Hochschultypen, das ist ein ganz großes Thema. Es geht um die gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, es geht um mehr Demokratie an Hochschulen, es geht um die Verhinderung von prekärer Beschäftigung in der Wissenschaft. Es geht darum, den Zugang zur Hochschule zu erleichtern und zu verbreitern, und es geht darum, Qualität in der Lehre zu sichern und zu verbessern. Das sind zentrale Themen der wissenschaftlichen Diskussion - nicht nur im Land Brandenburg, auch deutschlandweit. Auf diese zentralen Themen gibt der vorliegende Gesetzentwurf Antworten. Deswegen, meine Damen und Herren, ist dieser Gesetzentwurf ein Hochschulzukunftsgesetz, auch wenn wir das nicht - wie in Nordrhein-Westfalen - auf den Gesetzentwurf schreiben müssen. Bei uns steckt die Zukunft im Text des Gesetzes.

Ich sage aber für meine Fraktion auch ganz deutlich, dass die Antworten, die der Entwurf auf die von mir benannten Themen gibt, aus Sicht der Linken nicht an allen Stellen ausreichend ist, sondern wir noch einmal genauer hinschauen müssen, noch bessere Antworten brauchen, als bis jetzt darin sind. Dafür werden wir sicherlich die Diskussionen im Ausschuss und die Anhörung nutzen. Ich hoffe, dass wir dann in der einen oder anderen Richtung doch noch einmal ein Stück weit bessere - weil linkere - Antworten auf die Fragen geben können.

Ich will einige Schwerpunkte benennen; die Kolleginnen und Kollegen vor mir haben schon einige benannt. Was mir gerade bei der Annäherung von Fachhochschulen und Universitäten sehr wichtig ist: Wir streichen den benachteiligenden Zusatz „FH“ in den Namen; das ist nur eine Kleinigkeit, aber immerhin. Wir verbessern die Möglichkeiten für kooperierende Studiengänge zwischen Fachhochschulen und Universitäten, und wir verbessern die Zusammenarbeit bei Promotionen von Fachhochschulen und Universitäten. Das sind drei ganz entscheidende Merkmale, um die Fachhochschulen und die Universitäten näher zusammenrücken zu lassen.

Wir haben Regelungen zur guten Arbeit in der Wissenschaft aufgenommen, zum Beispiel die Verpflichtung der Hochschu

len, angemessenen Beschäftigungsverhältnissen Rechnung zu tragen. Ich glaube, zu dem Thema werden sich die Hochschulen einiges ausdenken müssen. Wir haben sehr explizite Regelungen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen aufgenommen, also zum Nachteilsausgleich für solche Studierende und Mitarbeiter. Und wir haben für die Studierenden eine ganze Reihe von Verbesserungen eingeführt, nicht nur die politischen, mit dem Mandat verbundenen, und die Anhörung im Ausschuss, sondern auch - was so Kleinigkeiten sind -, dass die Exmatrikulation nicht sofort, wenn man das Zeugnis hat, erfolgt, sondern erst zum Ende des Semesters, in dem man das Zeugnis bekommen hat - das schafft noch einmal einen Überbrückungszeitraum. Oder die Frage der Organisation von Studium und Lehre oder die Verpflichtung, dass sich Lehrende didaktisch weiterbilden müssen; das wird gut zur Qualität der Lehre beitragen.

Ich sage ganz explizit, dass sich in dem Gesetzentwurf auch Punkte wiederfinden, die die Linke in die Diskussion eingebracht hat. Das ist zum Beispiel die Ethikkommission - der Kollege Lipsdorf ist nicht einmal mehr da -, weil wir richtig finden, dass an einer Hochschule darüber diskutiert wird: Was darf geforscht und was darf gelehrt werden? Das ist die Frage der Anerkennungsprüfung von Leistungen und das ist die Frage der Zwangsexmatrikulation, die jetzt gegenüber dem bisherigen Gesetz deutlich zurückgenommen ist. Ich glaube, dass wir mit dem Gesetzentwurf einen guten Schritt in die richtige Richtung gehen. Ich würde mir an der einen oder anderen Stelle noch eine Verbesserung wünschen. Deswegen freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir setzen mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Die Abgeordnete von Halem spricht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Unter der Überschrift „Brandenburgisches Hochschulgesetz“ reden wir über einen ganzen Sack voll Themen, nicht nur kritikwürdiger, sondern durchaus auch positiv zu bewertender.

Dass wir im Mai letzten Jahres schon einen ersten Blick in diesen Sack werfen durften, als der Referentenentwurf in die erste, vorparlamentarische Debattenrunde ging, ist ein dicker Pluspunkt in dem Verfahren. Dass die Kritikpunkte in dem jetzt vorliegenden Entwurf nur ansatzweise aufgenommen wurden, enttäuscht. Andere SPD-Länder sind da weiter. Vielleicht war hier nichts anderes zu erwarten, denn es gab ja nie Anzeichen, dass die Landesregierung an der miserablen Grundausstattung der Hochschulen etwas ändern würde.

Von den vielen strittigen Punkten in dem großen Sack „Hochschulgesetznovelle“ greife ich vier Themen heraus. Erstens: Arbeitsbedingungen und Perspektiven des wissenschaftlichen Mittelbaus. Die Kritik der Beteiligten hat sich immerhin niedergeschlagen in dem Satz:

„Die Hochschulen tragen dem berechtigten Interesse ihres Personals auf angemessene Beschäftigungsbedingungen Rechnung.“

Das ist als Appell zwar grundsätzlich zu begrüßen, ohne konkrete gesetzliche Regelung jedoch mitnichten ausreichend. Wir wollen die Mindestvertragslaufzeit für akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf zwei Jahre festschreiben, so, wie es die Universität Potsdam auch tut. Befristungen wären dann weiter möglich, aber nur mit einem triftigen Grund. Die Hamburger Landesregierung macht gerade vor, wie das zu regeln wäre.

Zudem fordern wir gemeinsam mit GEW und der Brandenburger Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich Beschäftigten, die Kategorie der wissenschaftlichen Hilfskräfte im Hochschulgesetz zu streichen. Es kann doch nicht sein, dass in diesem rotroten Bundesland, wo die alte Arbeitnehmerkümmertante SPD zusammen mit der Linken regiert, die im Bundestagswahlkampf plakatiert hat „10 Euro Mindestlohn jetzt!“, im eigenen Haus aber sang- und klanglos hingenommen hat, dass Beschäftigte mit teilweise nur 6 Euro und Beschäftigte mit Hochschulabschluss mit 8 Euro entlohnt werden.

(Beifall B90/GRÜNE)

Worüber haben wir gerade geredet? Über das Vergabegesetz und über Mindestlöhne. Aber an den Hochschulen gelten offensichtlich andere Regelungen.

Bei den Lehrbeauftragten begrüßen wir zwar die vorgenommene Konkretisierung, wann ein Lehrauftrag ein ergänzendes Angebot ist und wann nicht. Wir kritisieren aber, dass die weiteren Änderungen allein zulasten der Beschäftigten gehen.

Zweites Thema: Mitbestimmung. Laut Gesetzentwurf sollen immer noch die Professorinnen und Professoren die Mehrheit in den entscheidenden Hochschulgremien stellen, so wie es das Bundesverfassungsgericht vor mehr als vierzig Jahren einmal vorsah. Für uns ist es längst an der Zeit, die Senate und Fachbereichsräte viertelparitätisch zu besetzen, also zu je 25 % mit Professorinnen und Professoren, Studierenden, wissenschaftlichem Mittelbau und Beschäftigten aus Technik und Verwaltung.

Drittens: Gleichstellung. Je höher der Status, desto geringer der Frauenanteil. Bei den Dozenten und Assistenten liegt der Frauenanteil bei ca. 35 %, bei den Professorinnen und Professoren nur noch bei 20 %. Auch hier hätten wir uns mutigere Schritte gewünscht.

Frau Abgeordnete von Halem, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ja.

Herr Abgeordneter Jürgens, Sie haben das Wort.

Danke, Frau von Halem. Ihre Rede ist zwar jetzt schon etwas fortgeschritten, aber Sie hatten über die Entlohnung von stu

dentischen und nichtstudentischen Beschäftigten gesprochen. Würden Sie mir zustimmen, dass die Zahlen, die Sie genannt haben - 6 Euro und 8 Euro -, eine einzige Hochschule im Land Brandenburg betreffen und die anderen Hochschulen deutlich über diesem Wert liegen, auch deutlich über den vorher in der Debatte angesprochenen 8,50 Euro?

Sie wissen genau, dass die Unterschiede groß sind. Tatsache ist: Die Entlohnung an den Hochschulen ist sehr schlecht und der Ausbildung nicht angemessen. Dieser Umstand findet seine Begründung zum großen Teil darin, dass die Hochschulen in Brandenburg so schlecht ausgestattet werden. Es ist nicht meine Aufgabe, den Schwarzen Peter einzelnen Hochschulen in die Schuhe zu schieben. Das werde ich nicht tun!

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt FDP - Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

- Es geht häufig um Leute mit abgeschlossener Ausbildung. Mit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung so wenig Geld?

(Frau Melior [SPD]: Studentische Hilfskräfte haben keine abgeschlossene Ausbildung!)

Viertens - Hochschulverträge. In Berlin werden sie vom Parlament beschlossen. Warum können nicht auch wir über so etwas nachdenken? Hier wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Wir dürfen zwar erfahren, um welche Inhalte es geht; wie aber die konkreten Vereinbarungen lauten, wie die Ziele, gemessen an welchen Überprüfbarkeitskriterien, verhandelt werden und wie genau die Gelder zwischen den einzelnen Hochschulen verteilt werden - das wird uns erst gesagt, wenn alles unterschrieben ist.

Ein Letztes! Rückmeldegebühren und Zwangsexmatrikulationen lehnen wir - wie laut Peer Jürgens auch die Linke - ab.

Dieser ganze Sack von Themen wird von dem Dauerbrenner Hochschulfinanzierung in Brandenburg gebeutelt. Was wir hier machen - mit den Arbeitsbedingungen im Mittelbau, mit den Hochschulverträgen -, gibt zwar Planungssicherheit - derer rühmt sich die Landesregierung ja -, aber es ist Planungssicherheit in der Hungerzone. Genau deshalb verweigert ja auch die Uni Potsdam die Unterschrift unter den Hochschulvertrag. Wir tragen bundesweit die rot-rote Laterne als Dauerbeleuchtung im Hochschulbereich. Wir geben pro Kopf der Bevölkerung und gemessen am Gesamthaushalt am wenigsten aus. Wir geben weniger als die Hälfte dessen aus, was Flächenländer im Durchschnitt ausgeben, ein wenig mehr als die Hälfte dessen, was die neuen Bundesländer ausgeben, und weniger als die Hälfte des Bundesdurchschnitts der Länder. Diese Priorität hat Bildung in Brandenburg!

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Frau Ministerin Prof. Dr. Kunst, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich fasse mich ganz kurz, da ich vorhin relativ ausführlich die neuen Ansätze auch in dem Ablösegesetz zum Brandenburgischen Hochschulgesetz erläutert habe.

Noch einmal: Warum ist es ein Ablösegesetz? Den rein praktischen Grund hat Frau Melior genannt. Aber es geht darüber hinaus; denn das neue Hochschulgesetz ist Baustein einer Gesamtneustrukturierung sowohl der Hochschulsteuerung als auch des entsprechenden gesetzgeberischen Hintergrundes, sodass es auch aus einem systematischen Ansatz heraus seine Begründung hat.

Es ist hier im Parlament diskutiert worden, welcher rote Faden sich durch die Hochschulentwicklung des Landes Brandenburg bis 2025 ziehen soll. Sie haben beschlossen, welche Rahmenvereinbarung bzw. Rahmensetzung für mich in Bezug auf die Hochschulverträge gilt, die Frau von Halem gerade ansprach. In diesen ist letztlich niedergelegt, dass die gemeinsame Verpflichtung besteht, Planungssicherheit für einen größeren Zeitabschnitt zu schaffen, sodass wir all das, was ich als Motto über dieses Ablösegesetz stellen würde, nämlich Durchlässigkeit und Qualitätssicherung, tatsächlich systematisch ermöglichen können.

Inhalt der Rahmenvereinbarung, über die Sie hier entschieden haben, sind die Details der Vereinbarungen mit den Hochschulen. Selbstverständlich ist das transparent und öffentlich zu machen, um dann wiederum parlamentarisch darüber diskutieren zu können, insbesondere im Rahmen der Fortschreibung der Landeshochschulentwicklungsplanung.

Das ist quasi das Gesamtsetting.

Ich will auf die Vorwürfe aus der Mottenkiste, die hier anklangen, nicht weiter eingehen. Angesprochen wurden das immer wiederkehrende und auch wichtige Momentum der Begründung und die Forderung nach Viertelparität. Sie wissen, dass Brandenburg in Sachen Gleichstellung und Anteil von Professorinnen gut dasteht. Wissenschaftliche Hilfskräfte müssen gute Entwicklungschancen haben. Aber für sie ist gleichzeitig das Element der Ausbildung wichtig.

Last, not least: Wir haben das Maximale getan, um tatsächlich Verlässlichkeit im Sinne längerer Vertragszeiten und der Absicherung der wissenschaftlichen Mitarbeiter zu schaffen. Aber wir sind auch insoweit an die bundesgesetzlichen Regelungen gebunden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Ministerin Prof. Dr. Kunst. - Frau Ministerin hat die Zeit um eine knappe Minute überzogen. Gibt es das Bedürfnis aus den Fraktionen, diese Zeit zu nutzen? - Das ist nicht der Fall.

(Zuruf: Sie hat die Zeit nicht überzogen!)

- Richtig, sie hat nicht überzogen, sondern länger gebraucht.

Wir sind demzufolge am Ende der Aussprache angelangt und kommen nunmehr zur Abstimmung. Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Entwurfs des Gesetzes zur Neuregelung des Hochschulrechts des Landes Brandenburg - Brandenburgisches Hochschulgesetz -, Drucksache 5/8370, an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Wer dieser Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig überwiesen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und eröffne Tagesordnungspunkt 12:

Der Mittelstand - Rückgrat der brandenburgischen Wirtschaft

Große Anfrage 28 der Fraktion der FDP

Drucksache 5/7411

Antwort der Landesregierung