Ich will kurz mitteilen, worum es politisch geht: Im Jahre 2005 wurde unter Rot-Grün beschlossen, die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge vorzuverlegen. Es ist schon öfter so gewesen, dass Sozialdemokraten, wenn sie in Regierungsverantwortung kommen oder sind, wegräumen müssen, was andere vorher verbockt haben. Davor haben wir uns nie gescheut. Das wurde gemacht, weil es notwendig war, und es ist ja völlig …
Es gibt ja auch andere große Parteien, die sich der Vernunft beugen. Deswegen wurde das nämlich in den Jahren 2005 bis 2009, wo die SPD ja nur als Juniorpartner der erstarkten CDU
regieren durfte, nicht geändert. Und es wurde auch im Jahr 2009, als die FDP in Regierungsverantwortung kam und da auch einige Jahre war, nicht geändert. Stattdessen hatte man viel Zeit, sich mit Hoteliers und anderen gutzustellen, aber die kleinen Handwerker waren da nicht im Fokus.
Jetzt ist es so, dass die FDP nicht mehr im Bundestag ist, demnächst auch in immer weniger Landtagen, und da wird natürlich geguckt, wie man die eine oder andere Gruppe bedienen kann. Da geht es nicht darum, etwas Gutes zu tun, sondern eigentlich nur darum - das haben Sie auch sehr deutlich gezeigt, indem Sie hier einzelne Abgeordnete anderer Parlamente zitieren -, vorzuführen, was andere nicht machen und was Sie täten, wenn Sie denn regieren würden. Das werden Sie aber in absehbarer Zeit hier in Brandenburg nicht tun.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir als Rot-Rot sind einfach nicht in der Situation, dass wir Einzelgruppenpolitik machen können. Wir müssen den Blick fürs Ganze wahren.
Wir können nicht Einzelnen sagen: Heute haben wir etwas für euch getan, morgen tun wir etwas für euch. - Wir müssen sehen, dass wir insgesamt alles im Blick behalten.
- Wir lehnen ab, Herr Vogel, das war klar, das wissen Sie doch. Nun tun Sie nicht so überrascht. Wir lehnen es ab, wir haben das Ganze im Blick.
Meine lieben Kollegen von der CDU! Lieber Herr Bommert, ich verstehe ja, dass Sie als Mitglied im Kammervorstand diesem Antrag Ihre Zustimmung geben müssen. Ich finde es auch super, dass die CDU-Fraktion sich einmal mit einem ihrer Mitglieder solidarisch zeigt und nicht Frau Merkel folgt, die das im Bundeskabinett weiter ablehnen wird. Insofern habe ich volles Verständnis dafür, dass Sie hier diesem Antrag Ihre Zustimmung geben werden. Ich habe auch volles Verständnis dafür, dass die FDP auch in Zukunft immer wieder Anträge einbringt, von denen sie weiß, dass sie abgelehnt werden, wo sie dann immer mal wieder versuchen, uns oder andere vorzuführen. Das ist Politik, gerade in einem Wahljahr. Damit können wir leben, aber wir werden ablehnen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kosanke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion fort. Der Abgeordnete Bommert hat das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Erstes muss ich feststellen - ich stehe ja das erste Mal hier -: Der Blick zu
Ministerpräsident Woidke - den sehe ich, er hat sich wahrscheinlich extra für mich in Blickrichtung gesetzt, das ist natürlich toll.
Kollege Kosanke, jetzt muss ich ehrlich sagen: Ich bin etwas enttäuscht über das, was der Wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion hier von sich gegeben hat. Denn eigentlich dachte ich, der Wirtschaftspolitische Sprecher - auch wenn er von der SPD oder von der Fraktion DIE LINKE kommt - sollte etwas zur Wirtschaftspolitik sagen und dazu, was die Wirtschaft im Land bewegt.
Das merke ich aber nicht. Denn auch, wenn ich jetzt vielleicht als Lobbyist hingestellt werde - ich bin ja auch noch Unternehmer, das kommt dazu -, muss ich sagen: Wir sprechen hier nicht nur für das Handwerk, sondern wir sprechen auch für die Bauindustrie, für alle anderen Unternehmen. Und wie viele Unternehmen haben wir gerade in Brandenburg, die mit ihrer Beschäftigtenzahl weit unter 250 Leuten sind, die alle von dieser Regelung betroffen sind?
Ich glaube, dass vielen gar nicht klar ist - dir, lieber Kollege Sören Kosanke, wahrscheinlich auch nicht -, dass in den Kassen gerade ein unwahrscheinlicher Überschuss ist. 15,8 Milliarden Euro betrug der Überschuss im Jahr 2012. Warum also sollte man an dieser Regelung festhalten, die den Betrieben einen enormen Aufwand verschafft?
Ein Beispiel - Kollege Beyer hat es ja ein bisschen erklärt, aber es war vielleicht so aufgebaut, dass man es nicht verstanden hat; ich sage es jetzt einfach aus meinem Betrieb -: Diese Woche Montag musste meine Frau die Abrechnung machen, die muss am Montag zu den Kassen geschickt werden. Am Mittwoch buchen die Kassen ab, also am drittletzten Banktag des Monats, wo ich noch gar nicht weiß, was passieren wird. Am Freitag wird mir vielleicht ein Kollege krank. Erst einmal haben wir das schon bezahlt, wir haben einen riesen bürokratischen Aufwand, in der nächsten Woche müssen wir alles noch einmal ändern, alles neu machen. Dann wird es zwar irgendwo verrechnet, aber das Geld ist vorher weg. Für einen solchen Betrieb ist das wirklich Mist.
Früher war das ja so: Die Abrechnung mit der Lohnabrechnung der Mitarbeiter war am 15. Das war eine korrekte Sache, die Leute haben ihr Geld bekommen, die Kassen haben ihr Geld bekommen, denn die Mitarbeiter kriegen es ja sonst auch nicht eher. Darauf sollte man zurückkommen, denn das führt wirklich zu einer Entlastung der Betriebe. Gerade in den neuen Bundesländern haben die viel mehr mit Liquiditätsengpässen und Bürokratie zu kämpfen als anderswo. Denn überall wird immer gesagt: Wir machen Bürokratieabbau. - Hier hätte man die Möglichkeit, Bürokratieabbau zu betreiben, ohne dass es das Land viel kostet.
Wir haben in den Unternehmen halt keine Hellseher, die sich am Montag hinstellen und sagen: Freitag wird mir einer krank oder eine Kollege hat ein anderes Problem und kann nicht
kommen, wir rechnen einen anderen Lohn ab. - Selbst die Landesregierung hat diese Wahrsager nicht. Warum zahlen wir sonst an dubiose Unternehmen Millionen an Fördermitteln aus? Hätten wir die Fähigkeiten als Handwerker, könnte man das so übernehmen, dann könnte man sagen: Nehmt die, macht das nicht.
Hier an dieser Stelle kostet das niemanden etwas, das wäre eine sinnvolle Sache. Deswegen würde ich mich freuen, Herr Wirtschaftsminister, wenn Sie das auf der Wirtschaftsministerkonferenz unterstützen könnten. Wie gesagt, Herr Glawe aus Mecklenburg-Vorpommern hat das auch vorgeschlagen. Nehmen Sie es mit auf. Sie tun etwas Gutes für die Handwerker, für die Bauunternehmer, für alle, die in diesem Land Wirtschaft betreiben, Steuern zahlen und etwas für dieses Land tun. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bommert. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort, weil für die Koalition Herr Kosanke gesprochen hat.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorzeitige Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen wurde durch die rot-grüne Bundesregierung
im Jahr 2005 wegen des damaligen finanziellen Engpasses der Sozialversicherung eingeführt. Nicht zuletzt wegen der ebenfalls von Rot-Grün durchgesetzten Agenda 2010 erzielt die Sozialversicherung aber inzwischen Überschüsse von mehreren Milliarden Euro pro Jahr.
Der vorgezogene Zahlungstermin der Sozialversicherungsbeiträge entzieht den Unternehmen Liquidität und bürdet ihnen zusätzliche Bürokratie auf; das ist ja nun ausdrücklich ausgeführt worden. Darunter leiden vor allem die kleinen und mittleren Betriebe auch in Brandenburg, die bekanntlich die überwiegende Mehrheit der Unternehmen darstellen. Eine Verlegung des Zahlungstermins - wieder auf den 15. des Folgemonats; so war es wohl früher - würde den Unternehmen also nicht nur einen Liquiditätsvorteil verschaffen, sondern auch dauerhaft Verwaltungsaufwand ersparen, weil sie nur noch einmal im Monat die Löhne abrechnen müssen. So ist das hier auch schon geschildert worden. Das ist in der Tat jetzt wieder möglich und auch sinnvoll.
Umso unverständlicher ist es, dass diese Regelung nicht längst zurückgenommen wurde. Es gab ja bereits 2012 aus den Handwerkskammern entsprechende Forderungen. Schon da war der Liquiditätsengpass in der Sozialversicherung nicht mehr gegeben und man hätte dieses Gesetz wieder kassieren können. Wir halten daher einen entsprechenden Vorstoß im Bundesrat für sehr sinnvoll und unterstützen den Antrag ausdrücklich.
Allerdings, Herr Kosanke, Wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD: Ehrlich gesagt, ich bin schon sprachlos, denn ich bin tat
sächlich davon ausgegangen, dass das jetzt einmal ein Antrag aus den Oppositionsreihen ist, zwar von der FDP, mit der wir nicht immer einer Meinung sind, aber doch ein Antrag, den man ernsthaft überhaupt nicht ablehnen kann.
Wollen Sie denn hier zum Ausdruck bringen, dass Sie diese Regelungen nach wie vor für akzeptabel und es für nicht erforderlich halten, dass die Landesregierung von sich aus initiativ wird und dazu beiträgt, dass das abgeschafft wird? Wir haben jetzt in Berlin eine Große Koalition. Sie sind ja hier auch nicht so weit auseinander. Vielleicht können Sie auch noch einmal die Kontakte über diesen Gang hinweg suchen. Das könnte ja wirklich dazu führen, dass der Antrag, der sinnvoll ist, der bei Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, bei wem auch immer, auf breiteste Unterstützung stößt, eine Chance haben wird, im Bundestag eine Mehrheit zu finden. Ich finde es bedauerlich, dass diesem Antrag aus Koalitionsräson nicht zugestimmt wird. Schade!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Vogel. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Baaske, Sie haben das Wort.
Frau Vizepräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Bommert, ich besuche gerne Ihren Betrieb und rede mit den Leuten. Sie sind ja ein Handwerksunternehmen, wo nach Stunden abgerechnet wird, die Stunden werden auch taggenau erfasst - das ist nun einmal nicht anders bei den Leistungen, die Sie erbringen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sie am 30. oder am letzten Tag des Monats bezahlen und an diesem Tag auch schon spitz die Stunden abgerechnet haben, die die jeweiligen Kollegen in diesem Monat erbracht haben. Das heißt, diesen Monat müssen Sie sowieso noch einmal nachrechnen. Das ist in fast allen Betrieben so. Das ist bei uns in der Landesregierung nicht so, weil wir mit Angestellten arbeiten. Da können wir natürlich ganz anders agieren, da sind die Kosten immer die gleichen. Wir müssen genau die gleichen Fristen einhalten, das ist richtig. Wir müssen melden, wir müssen drei Tage vorher zahlen, aber die Fristen sind die gleichen. Da ist es etwas anders.
Aber bei den Handwerksbetrieben - dafür gibt es inzwischen auch die Software; ich habe mir das bei ein paar Kollegen von Ihnen ganz speziell angeguckt - ist es so, dass die Stunden eingerechnet werden, dann wird drei Tage später, wenn der neue Monat angefangen hat, automatisch wieder zurückgerechnet, und dann wird das auch bezahlt oder wieder zurückgenommen. Das funktioniert, glaube ich, ganz gut, das System ist etabliert.
Jetzt will ich eine andere Sache aufmachen, und da, lieber Kollege Vogel, muss ich Ihnen sagen: Ich sehe auch nicht ein, warum man das jetzt zurücknehmen sollte. Wir reden über
Versicherungsleistungen. Wir reden von der Rentenversicherung, wir reden von der Krankenversicherung, wir reden von der Arbeitslosenversicherung. Jetzt nennen Sie mir bitte schön einmal eine einzige Versicherung - Ihre Lebensversicherung, Ihre Kfz-Versicherung, Ihre Haftpflichtversicherung, irgendeine private Versicherung -, die erst leistet oder von mir aus eine Frist abdeckt, ohne zu leisten, und sagt: Erst danach will ich Geld haben.
(Beyer [FDP]: Da ist auch der Abrechnungsgegenstand völlig klar! Das ist doch eine ganz andere Situation!)
Das gibt es gar nicht. Sie müssen immer bezahlen, bevor Sie eine Leistung von einer Versicherung sozusagen abfordern und wenn Sie nur etwas decken soll, gar nicht mal, dass sie etwas bezahlt. Das gibt es gar nicht. Verstehen Sie? Genau darum geht es.