Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Blechinger hat die Intention dieses Antrags infrage gestellt. Sie meinte, es sei genug Information zu diesem Problem vorhanden, es gebe Studien und Veröffentlichungen. Jedoch habe ich, Frau Blechinger, die Hoffnung, dass Sie nach dem Beitrag von Herrn Beyer doch ein wenig anders denken; denn hier zeigt sich, dass es in unserer Gesellschaft nötig ist, bei diesem Problem Verstand und Vernunft walten zu lassen. Ich hoffe, dass sich irgendwann auch bei Herrn Beyer die Vernunft durchsetzt.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Nun bin ich nicht mehr ganz so jung und habe meine Hoffnung dahin gehend, dass sich Vernunft im Denken einer Gesellschaft

durchsetzt. Viele Jahre gab es dieses schreckliche Bild vom alten Menschen als einen Menschen, der siech bzw. krank und nicht mehr ganz richtig im Kopf ist. Diesbezüglich hat sich in der Gesellschaft viel verändert. Ich hoffe, es setzt sich in der Gesellschaft auch die Tatsache, dass die demografische Entwicklung uns zwingt, uns über dieses Problem Gedanken zu machen und Lösungen zu finden, die es derzeit eventuell noch nicht gibt, durch.

Frau Nonnemacher, vielen Dank für Ihren Beitrag. Sie haben all das, was über Pflegestützpunkte zu sagen ist, gesagt. Die Ungeduld bzw. die Fragen der Seniorenbeiräte zu den Pflegestützpunkten werden insbesondere aus dem Verständnis hervorgerufen, dass sie die Pflegestützpunkte unbedingt brauchen. Wer einmal in die Lage gekommen ist, von heute auf morgen Pflege zu organisieren bzw. von heute auf morgen ein Pflegender zu sein, weiß, was an gesellschaftlicher Unterstützung nötig ist. Diesbezüglich setzen wir unsere Hoffnung in die Pflegestützpunkte.

Frau Prof. Heppener, Ihre verbliebene Redezeit von einer Minute ist leider vorbei.

Ich denke, unser Antrag sagt all das, was wir auf dem Herzen haben. Wir müssen damit beginnen und dieses Problem ernst nehmen. - Schönen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Prof. Dr. Heppener, für diese ermunternden letzten Worte. - Da es keine weiteren Wortmeldungen gibt, schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 5. Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt Ihnen der Antrag - Gesellschaft und Wirtschaft für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sensibilisieren - der Fraktionen SPD und DIE LINKE in der Drucksache 5/280 vor. Wer diesen Antrag annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Gründung einer Task-Force zum S-Bahn-Chaos und Durchsetzung aller rechtlich verfügbaren Sanktionsinstrumente

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/289

in Verbindung damit:

Konsequenzen aus dem S-Bahn-Chaos ziehen: S-BahnNetz in Berlin und Brandenburg ab 2017 komplett ausschreiben - Fahrgäste entschädigen

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 5/292 (2. Neudruck)

Zudem liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und DIE LINKE in der Drucksache 5/333 vor.

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Genilke erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Dr. Heppener hat es gerade angesprochen: Wenn Vernunft sich durchsetzt. Vernünftig wäre es gewesen, wenn nicht wir den vorliegenden Antrag hätten einbringen müssen, sondern die Regierung dies bereits getan hätte. Sie hätten es auch nicht Task-Force nennen müssen. In Anbetracht dessen, was uns derzeit bei der S-Bahn geboten wird, wäre es jedoch sinnvoll gewesen, hier adäquat zu reagieren. Schließlich kostet uns dies etwa 30 Millionen Euro.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Die Geschehnisse bei der S-Bahn als Chaos zu bezeichnen,

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

fällt mir schon sehr schwer; denn Chaos ist ein sehr hoch gegriffenes Wort.

Wenn in der letzten Woche Fahrgäste vor Wannsee zwei Stunden und fünfzig Minuten in einer S-Bahn sitzen, bevor jemand kommt und diesen Zug erden kann - nach 50 Minuten musste der Bundesgrenzschutz anrücken, um diesen Zug zu bewachen, damit ja keiner aussteigt -, wenn man erlebt, dass kurz vor der Station Alexanderplatz eine S-Bahn 45 Minuten lang stehenbleibt und die Menschen diesen Zug natürlich nicht verlassen können, ohne Informationen sind, Panik bekommen, weil Türen und Fenster natürlich nicht aufgehen - das gehört sich ja auch so; bei Fenstern kann man ja noch streiten; aber die haben dann nach 40 Minuten die Türen aufgerissen und sind auf das Bahngleis gerannt -, dann wird deutlich, dass Lebensgefahr für die Reisenden bestand. Ich glaube, ich brauche Ihnen das nicht zu erläutern.

Und Chaos ist es eben auch, wenn ein Zug unterwegs brennt oder wenn er sein Wagenmaterial verliert.

So summieren sich die Probleme, die wir mit der S-Bahn haben, und sie betreffen natürlich zu 90 % Berlin. Jetzt werden Sie sagen: Na gut, was geht uns das an? - Wir sind eben mit 10 % am Berliner S-Bahn-Verkehr beteiligt, und wir haben Pendler, die jeden Tag in die Hauptstadt fahren müssen und dieses Chaos hautnah zu spüren bekommen.

SPD und DIE LINKE haben sich schließlich kurzfristig mit einem Entschließungsantrag darauf geeinigt, dies heute mit einzubringen, und zwar in Abänderung unseres Antrags, und sie versuchen, auch auf die angestoßenen Vorschläge einzugehen. Ich weiß das zumindest als Ihren ersten Schritt zu würdigen. Jedoch zeigt dieser Antrag, dass das Grundproblem offensichtlich immer noch nicht erkannt worden ist und Sie es noch nicht ganz verstanden haben. Darauf möchte ich auch eingehen.

Erstens gründen wir eine Task-Force. Das tun wir, weil wir...

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

- Das hat nichts mit Privatisierung zu tun. Die Folgen? - Da werden wir mal sehen, welche Folgen wir da noch haben. Herr Grube hat gesagt, die Folgen sind, dass wir noch zwei Jahre lang mit diesem Chaos leben müssen. Das ist der eigentliche Skandal an der Geschichte.

(Beifall CDU und FDP)

Ich werde darauf noch zu sprechen kommen.

Warum brauchen wir diese Task Force, warum brauchen wir eine Gruppe, die sich zusammensetzt? - Wir müssen analysieren, wir müssen sehen, dass wir die begangenen Fehler aufarbeiten. Das kann ich nicht - wie Sie es mit Ihrem Antrag tun - als Grund dafür nehmen, zu sagen, wir nehmen nur die Brandenburger und die Berliner Regierung. Das haben wir ja jetzt schon, und das Chaos ist doch offensichtlich.

Wir brauchen in dieser Task-Force eine Beteiligung aller, die mit der S-Bahn zu tun haben. Das sind natürlich die Landesregierungen, das ist aber zumindest auch aus jeder Fraktion ein Abgeordneter, das ist der VBB, das ist die S-Bahn GmbH, das ist aber auch der Triebwagenhersteller Bombardier; die gehören zur Lösung des Problems an einen Tisch. Ansonsten werden wir immer nur aneinander vorbeireden. Wir müssen in dieser Frage einfach miteinander reden, damit das, was derzeit passiert, jetzt auch einmal ein Ende finden kann.

Es ist ganz wichtig, diese Gruppe zu bilden. Ein toskanisches Sprichwort besagt: Den guten Seemann erkennt man nur bei schlechtem Wetter. - Schlechtes Wetter haben wir schon eine ganze Weile. Nun seien wir mal ein guter Seemann und fangen wir mal an zu reagieren.

(Vereinzelt Beifall CDU)

Es nutzt uns nämlich nichts, wenn in diesen Gesprächen zwischen den Landesregierungen immer nur heiße Luft erzeugt wird, gesagt wird, was man alles machen sollte und könnte. Da fällt eine Schneeflocke, da fällt ein Zug aus. Das müssen wir alles in Kauf nehmen. Dann können wir die Züge nicht richtig beheizen, dann müssen wir sehen, dass wir die Züge den ganzen Tag in Hallen stehen haben. - Das, denke ich, kann nicht sein. Diese Züge sind dafür ausgelegt - dafür bürgt auch der Hersteller -, dass sie bis minus 30 °C fahren können. - Die hatten wir ja noch nicht einmal. Nicht auszudenken, was passiert, wenn das eintritt, was uns für die nächsten Tage vorausgesagt worden ist. Man hat da ja Schlimmes vorausgesagt. Was wird dann noch alles anstehen, um hier Verbesserungen erreichen zu können?

Es bringt uns auch nichts, dagegen vorzugehen, wenn wir nicht wissen, wie hoch die Entschädigung - das wird ja auch in Ihrem Antrag gesagt - sein wird. Dazu muss ich aber auch noch eines sagen: Die Zahlen, die derzeit vorliegen, haben wir vor allem dem SPD-Fraktionsvorsitzenden zu verdanken. Nicht nur, dass er gestern - natürlich unparteiisch - hier vorn Platz nehmen musste, ist er jetzt auch noch der Sprecher des Ministeriums. Er hat nämlich vor eineinhalb Wochen gesagt, dass es 2 Millionen Euro seien, die erst einmal einbehalten worden seien. Gestern haben wir vom Staatssekretär erfahren, es seien schon 2,3 Millionen Euro. Deshalb fordere ich die Landesregierung auf, dazu Stellung zu nehmen und einmal zu erklären, wie viel Geld überhaupt einbehalten worden ist. Das ist natürlich auch eine Aufgabe der Task-Force.

Herr Abgeordneter Genilke, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Das tut mir leid, dann komme ich jetzt zum Schluss. Aber ich darf ja nachher noch einmal sprechen.

Stehen Sie zu unserem Antrag, eine transparente Überprüfung zuzulassen und hier im Sinne der Bürger, der Pendler Brandenburgs aktiv zu werden! - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Genilke. - Das Wort erhält die einbringende FDP-Fraktion. Der Abgeordnete Beyer hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da bin ich schon wieder. Es wird also weiterhin erheiternd, zumindest für all jene, die der Meinung sind, sie wären in der Interpretationshoheit bezüglich des Terminus „Vernunft“.

(Heiterkeit)

Aber schauen wir mal, wie es ausgeht.

Ich komme zur Sache.

(Schulze [SPD]: Das ist was Neues!)

In der letzten Sitzung des Plenums im vergangenen Jahr habe ich meine Bemerkungen in der damaligen Aktuellen Stunde mit der Aussage begonnen, dass sich das Hohe Haus wieder einmal mit dem großen Verkehrsvertrag von 2002 beschäftigen müsse, dass aktuell vorliegende Zahlen wieder einmal belegen, dass fehlender Wettbewerb - ganz gleich, an welcher Stelle - im Ergebnis zu höheren Kosten führen werde. Vier Wochen später ist es nun wieder an der Reihe, dass wir uns mit einem vergleichbaren Thema im gleichen Kontext beschäftigen müssen. Die Muster der sich ergebenden Defizite und Probleme sind ähnlich, die Ursachen sind annähernd identisch.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sich dieser Tage im persönlichen Gespräch mit Berlinern und mit Brandenburgern, am besten jedoch selbst als betroffener Fahrgast der S-Bahn mit dem Thema beschäftigt, der wird schnell feststellen, dass es hier für den Betroffenen nicht vordergründig um die Frage gegebenenfalls zuviel entrichteter Gelder für den Betrieb irgendeiner Bahnverbindung geht - ein Thema, mit dem wir uns ja gleich im folgenden Tagesordnungspunkt ohnehin noch beschäftigen werden -, nein, es geht vielmehr um deutlich Wichtigeres. Es geht um viel mehr und nicht weniger als das Funktionieren wesentlicher Lebensadern von Berlin und von Brandenburg. Sehr zu Recht fühlen sich unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger der S-Bahn in besonderer Art und Weise verbunden. In der Tat ist es richtig, wenn in einer Imagebroschüre der S-Bahn Berlin GmbH zu lesen ist, dass die Berlinerinnen und Berliner ihre S-Bahn liebten, dass sie bereits mit ihr durch dick und dünn gefahren seien.