Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

nicht nur bei der FDP, sondern auch bei Verbänden, Vereinigungen, mittlerweile auch bei Krankenhäusern. Es ist praktisch das Modell der Public Private Partnership. Wir können als Beispiel die Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg nehmen; wir haben die Wissenschaftliche Hochschule Lahr, die Universität Witten/Herdecke, die wunderbar funktionieren und eine hervorragende klinische Ausbildung anbieten, jedoch nicht durch die entsprechenden Länder finanziert werden bzw. nicht in dem Maße, wie es dargestellt wird.

(Zuruf von der SPD)

- Ich rede im Moment ausdrücklich noch gar nicht über ein Vorklinikum, sondern nur über die klinische Ausbildung vor Ort in Brandenburg.

Da wir diese Idee auch weiter verfolgen werden, wird die FDPFraktion noch im Februar eine Anhörung von Fachleuten durchführen, um sich in dieser Richtung weiter zu qualifizieren. Wir wollen die Landesärztekammer, auch die Kassenärztliche Vereinigung zu Wort kommen lassen und schon einmal bei den Hochschulen Gehör finden. Dann werden wir uns in den entsprechenden Anträgen weitergehend dazu äußern. - Ich bedanke mich.

(Beifall FDP)

Die Abgeordnete Wöllert spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Herr Prof. Schierack, Sie sagten, es sei ein guter Antrag. Ich sage es ein bisschen modifiziert: Es ist ein gut gemeinter Antrag. - In der Hinsicht stehe ich voll hinter Ihnen, weil ich denke, es ist legitim, bei Problemen der Daseinsvorsorge und bei dem, was wir im Land zu bewältigen haben, alle Ideen und Gedanken auf den Tisch zu legen. Ob sie dann zu verwirklichen sind und wie das geschehen soll, ist wieder eine andere Seite. Dazu sind wir hier, um uns gegenseitig zu überzeugen, welches der beste Weg sein könnte, das Ziel einer guten gesundheitlichen Versorgung auch in der Fläche zu erreichen. Darüber haben wir heute zu befinden.

Bei allem, was an Negativem gesagt wurde, lassen Sie mich bitte auch eines sagen - eine aktuelle Zahl der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg -: Im Jahr 2005 hat ein brandenburgischer Vertragsarzt noch 823 Einwohner versorgt, aktuell sind es 779. Damit befindet sich das Land Brandenburg immer noch an letzter Stelle. Aber ich denke, die Daseinsvorsorge und die gute gesundheitliche Versorgung ist mehr als nur - „nur“ ist im Sinne von qualitativ und nicht quantitativ zu verstehen - eine Frage der ärztlichen Versorgung. Das sollten wir auch immer im Blick behalten. Dies klang hier auch schon an.

Nun zu Ihrem Antrag. Die Frage, die uns gemeinsam bewegt, ist die nach einer Einbindung der brandenburgischen Lehrkrankenhäuser in die medizinische Ausbildung. Ich möchte noch einmal richtigstellen: Das Praktische Jahr und auch die Ausbildung in der studienfreien Zeit können weiterhin an unseren Lehrkrankenhäusern erfolgen. Sie sind nicht gekündigt worden, sie sind nicht Gegenstand des Kündigungsschreibens der Charité. Nun geht es darum: Wie können wir gute Wege finden, damit wir Ärztinnen und Ärzte an uns binden, die eventuell auch ihr Praktisches Jahr bei uns gestalten und dann vor Ort bleiben?

Sie gehen davon aus - da ist durchaus etwas dran -, dass die Ärzte, die einmal in unseren Lehrkrankenhäusern sind, durchaus die Schönheit zum Beispiel der Lausitz, aus der ich komme, erleben und merken: Das ist eine Gegend, in der es sich angenehm leben und arbeiten lässt. Deshalb sind wir gefordert, gemeinsam etwas zu tun. Ich denke, dieser Ausgangspunkt ist legitim.

Nun wundere ich mich allerdings doch etwas über den Vorschlag hinsichtlich eines Staatsvertrages. Ihre Fraktionschefin war ja in der letzten Legislaturperiode Ministerin für Wissenschaft und somit für die Hochschulen zuständig und in diesen Prozess sehr stark eingebunden. Das belegen alle Protokolle. Sie selbst vertritt auch immer die Autonomie der Hochschulen zu Recht. Ich denke, es ist überhaupt nicht im Sinne unserer Politik, in die Autonomie der Hochschulen einzugreifen, auch nicht mit einem Staatsvertrag. Das ist nicht der richtige Weg. Da teilen wir im Übrigen die Auffassung, die Frau Wanka in der vorhergehenden Koalition vertreten hat.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

- In einem Schreiben von Frau Prof. Wanka wird die Empfehlung gegeben, die Charité um ein flexibleres Herangehen zu bitten und sich in den märkischen Klinikbereichen zu profilieren, in denen Berlin Defizite hat.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

- Sie müssen mal öfter miteinander über Sachthemen sprechen, vielleicht kommen Sie da auch zurande. Das wäre vielleicht ganz angebracht.

(Einzelbeifall DIE LINKE)

Ich denke, das ist ein wichtiger und entscheidender Weg, den die Kliniken auch selbst schon beschreiten. Dazu brauchen sie auch all unsere Unterstützung, und die sollten wir geben. Klar ist, dass das Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz - neben den Bemühungen der Kliniken selbst - weiter und noch intensiver mit der Charité sprechen wird. Wir müssen allerdings auch über den sprichwörtlichen Tellerrand hinausschauen und sollten auch Möglichkeiten der Kooperation mit Sachsen ins Auge fassen, nicht nur mit Berlin. Vielleicht ist das auch noch eine Möglichkeit. Auch Dresden liegt nicht allzu weit von Cottbus entfernt. Auch da haben wir ein Arbeitsfeld, das vor uns liegt. Hierfür werbe ich um die Mitarbeit aller, die hier im Hause sitzen. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Die Abgeordnete Nonnemacher spricht für die Fraktion GRÜNE/B90.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, als Internistin hier zur medizinischen Ausbildung sprechen zu können und nicht immer nur zur Polizei.

(Heiterkeit bei SPD und der Fraktion DIE LINKE - Gör- ke [DIE LINKE]: Die brauchen auch Hilfe!)

- Das ist auch Inneres, ja das stimmt.

Jetzt zum Antrag. Der Antrag der CDU-Fraktion weist dankenswerterweise auf das Problem hin, dass es zur Gewährleistung der ärztlichen Versorgung in Brandenburg nötig und wichtig ist, bereits Medizinstudenten für unsere Kliniken und für unser Land zu interessieren. Leider bleibt der Antrag ansonsten im Detail ziemlich vage, und manche Passagen der Begründung können mit gutem Recht bezweifelt werden. Prof. Schierack hat in seinem Redebeitrag viele wichtige und richtige Dinge genannt, aber sehr wenig zum Antrag selbst.

Im Antrag wird unter dem Begriff „Praktika für Medizinstudenten“ nicht differenziert, ob es sich um die semesterbezogenen Praktika in den klinischen Fächern, um Famulaturtätigkeiten oder um die Ausbildung im Praktischen Jahr handelt.

Tatsächlich hat die Charité-Universitätsmedizin 2008 vor dem Hintergrund von Gerichtsentscheidungen zur Einklagbarkeit von Studienplätzen die semesterbezogenen Praktika ausschließlich auf ihre Häuser begrenzt.

Davon sind auch andere Kliniken in Berlin betroffen, die in anderer Trägerschaft geführt werden.

Mehr als die Angst vor Klagen dürfte aber auch eine Rolle spielen, dass leistungsorientierte Mittel besonders auf der Basis von Lehrtätigkeit und auf der Basis der zu betreuenden Studenten zugewiesen werden. Die recht aggressive Strategie der Charité, die Studenten in ihren eigenen Häusern zu binden, geht vornehmlich auf die internen Geldzuweisungen für die Lehrtätigkeit zurück.

Die früher durchaus üblichen Blockpraktika in Brandenburg sind dieser Politik zum Opfer gefallen. Die Famulaturen und das Praktische Jahr - viele Vorredner haben das schon angemerkt - sind ausdrücklich nicht betroffen. Trotzdem klagen die akademischen Lehrkrankenhäuser, dass weniger Studenten kommen. Den genannten Problemen dürfte aus meiner Sicht mit einem Staatsvertrag kaum Abhilfe geschaffen werden können. Es lassen sich keine verbindlichen Kontingente etablieren, wie viele Studenten zu Ausbildungszwecken nach Brandenburg geschickt werden müssen. Außerdem: Selbst wenn das möglich wäre, wäre es kontraproduktiv, weil es keine freiwillige Sache ist. Wenn man Studenten zwingt, in die Provinz zu gehen, dann tut man dem guten Anliegen keinen Gefallen.

Zielführend in diesem Zusammenhang kann nur sein, dass den Studenten hochgradig attraktive Angebote an strukturierter und gut betreuter praktischer Ausbildung in unseren akademischen Lehrkrankenhäusern gemacht werden.

Dem Massenbetrieb in den Charité-Klinika mit vom Ausbildungsbetrieb genervten Patienten und Ärzten müssen überschaubare Ausbildungsplätze mit einer Atmosphäre der persönlichen Wertschätzung für die Studenten und festem Bezug zu den Lehrenden entgegengesetzt werden. Die Studenten wollen eine gute praktische Ausbildung und honorieren solche Angebote sehr.

Tipps, wo solche Ausbildungsbedingungen geboten werden, machen unter den Studierenden schnell die Runde und schaffen entsprechende Nachfrage. Wenn zusätzlich großzügige Wohnraumbeschaffung, kostenlose Verpflegung und Arbeitskleidung, Zuschüsse für Fahrtkosten oder gar Angebote für Kinderbetreuung gemacht werden, ist der Gang in die Provinz allemal lohnend, und die spätere Berufstätigkeit in Brandenburg scheint vielleicht leichter vorstellbar. Damit hätten wir was gewonnen.

In die gleiche Richtung geht eine in der letzten Woche erschienene Pressemitteilung der Landesärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Landeskrankenhausgesellschaft, die gute praktische Ausbildung für Studenten und Hilfe bei der Ausbildungsorganisation analog dem Weiterbildungsnetzwerk für Ärzte in der Facharztausbildung fordert.

Die akademischen Lehrkrankenhäuser in unserem Land gehen zum Teil schon solche Wege. Das Klinikum Brandenburg an der Havel hat zum Beispiel Stipendien ausgelobt. Gegen ein Entgelt von 500 Euro monatlich und Studienhilfen bei Bedarf verpflichten sich die Studierenden höherer Semester, nach ihrem Examen drei Jahre lang am Klinikum als Arzt zu arbeiten.

Innovativ ist sicherlich auch die Idee des Klinikums Frankfurt (Oder) unter dem Motto „Famulatur im interdisziplinären Neurozentrum“, ein integriertes, hervorragend betreutes Famula

turangebot aufzulegen und dies direkt bei der Fachschaft der Charité bekannt zu machen.

Da die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade in der Medizin immer noch sehr zu wünschen übrig lässt, können sich gerade Kinderbetreuung, klinikeigene Kinderbetreuung für Kinder von Studierenden und jungen Ärztinnen als Standortvorteil erweisen.

Ich sehe, vor mir blinkt die rote Lampe. - Noch eine kurze Anmerkung zu der Idee, man müsste in Brandenburg eine eigene Hochschulmedizin auflegen. Herr Kollege Lipsdorf, ich halte das für völlig abwegig. Kollegin Lehmann hat es schon gesagt: Ein Medizinstudienplatz kostet jährlich 60 000 Euro pro Student. Die Diskussion ist schon häufiger geführt worden.

Ich habe hier eine Stellungnahme des Wissenschaftsrats von 2005, welche Minimalanforderungen die Hochschulmedizin erfüllen muss: 1 100 Planbetten, 200 Studenten pro Jahrgang. Das können wir nur sehr schwer auflegen. Außerdem: Dadurch wird der Niederlassungswille in Brandenburg auch nicht zwangsläufig erhöht. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Frau Ministerin Tack spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Prof. Schierack, vielen Dank für den Antrag, hat er doch gezeigt, es gibt Redebedarf. Die Darstellung des Themas in der gesamten Komplexität geht weit über Ihren Antrag hinaus.

Ich bin beeindruckt, wie aus den Fraktionen heraus Sachkenntnis vorgestellt wird. Es macht Spaß, darüber nachzudenken. Ich würde auch bitten, dass wir uns keine Denkverbote auferlegen. Es ist noch einmal die Medizinische Fakultät, und es sind die Kooperationsbeziehungen mit anderen Ländern angesprochen worden. Ich denke, es geht um einen Abwägungsprozess, wobei ich aus gegenwärtiger Sicht die Meinung teile, dass eine Medizinische Fakultät sehr viel Geld kostet, das wir nicht haben, und sicherlich haben wir auch nicht die personelle Basis dafür.

Ich komme zurück zum Antrag und unterstreiche, dass es sehr dringend ist - wie es von den Kolleginnen und Kollegen schon beschrieben worden ist -, Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner im Land zu haben. Wir brauchen sie dringend, um der drohenden und sich abzeichnenden Unterversorgung in der medizinischen Versorgung in erster Linie auf dem Lande entgegenzuwirken. Dazu brauchen wir die Medizinstudenten. Sie brauchen gute Arbeitsbedingungen, sie brauchen Unterstützung in Form von unterschiedlichen Anreizen.

Praktische Teile der Ausbildung der Mediziner - auch das haben Sie beschrieben - sind uns sehr wichtig. Es geht uns in erster Linie um das Praktische Jahr. Da sind wir uns, glaube ich, einig.

Es ist richtig, es gibt Probleme mit der Charité. Auch die haben Sie beschrieben. Es geht um die abgebrochene Vereinbarung

bezüglich der Blockpraktika im Jahr 2008. Auch das ist deutlich geworden. Es handelte sich ungefähr um 20 Studierende, denen das Blockpraktikum gekündigt worden ist.

Ich will daran erinnern: Blockpraktika sind Bestandteile des klinischen Studiums. Ich bin von meiner Kollegin Dr. Münch darüber informiert worden, dass es eine Reihe von Gerichtsurteilen gibt, die das Blockpraktikum zur Grundlage nehmen, um Studienkapazitäten zu erhöhen. Ich glaube, das spricht für sich.

Die Entscheidung der Charité, die Blockpraktika nicht mehr in Brandenburger Kliniken anzubieten, gehört - auch das ist beschrieben worden - zur Organisationsautonomie der Charité. Sie hat einen hohen Grad an Autonomie, in die auch die Senatsverwaltung nicht eingreifen kann. Deshalb sind wir auch nicht angehalten, einen Staatsvertrag zu schließen. Es wurde bereits darauf hingewiesen - Frau Prof. Wanka, Sie haben es im letzten Jahr mitgeteilt, es gab dazu auch Schriftverkehr -, dass es kaum Möglichkeiten gibt, vom Ministerium aus diesbezüglich tätig zu werden. Das widerspräche - so sehe ich es auch der Autonomie.

Deshalb hat es mich gewundert, dass Sie diesen Antrag unterschrieben haben. Die Idee, darüber nachzudenken, viele Ideen zusammenzutragen, damit wir Nachwuchsmediziner haben, ist sehr gut, aber der Staatsvertrag ist aus meiner Sicht die Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen und der Koalitionsfraktionen haben es beschrieben - das falsche Mittel.

Deshalb noch einmal eindeutig: Die Lösung liegt nicht im Staatsvertrag zwischen den beiden Ländern, sondern wir müssen - das tun wir seit geraumer Zeit - in den Kliniken in Brandenburg Kompetenzen anbieten, die für die Charité letztlich interessant sind. Es gilt also, meine Damen und Herren, in Brandenburg attraktiver Kooperationspartner für die Charité zu sein. Ich bin davon überzeugt, es gibt hier ausreichend Potenziale.

Ich hatte eingangs gesagt, es solle keine Denkverbote geben. Kooperationsbeziehungen zu den Nachbarländern aufzubauen ist also ein legitimes Mittel.