Protokoll der Sitzung vom 21.01.2010

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Genilke. - Damit sind wir am Ende der Rednerliste. Ich schließe die Debatte zum Tagesordnungspunkt 7. Wir kommen zur Abstimmung.

Der Antrag in der Drucksache 5/284, eingebracht von der CDU-Fraktion - Überprüfung des S-Bahn-Verkehrsvertrages zur Wahrung eines effizienten Einsatzes öffentlicher Gelder -, liegt zur Abstimmung vor. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Klinische Ausbildungstätigkeit für Medizinstudenten mit Staatsvertrag regeln

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/283

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion der CDU. Herr Abgeordneter Prof. Dr. Schierack hat das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Schüler der Sachsendorfer Oberschule! Brandenburg hat eine gute medizinische Versorgung. Dennoch haben wir Probleme - und in Zukunft werden sie größer werden - bei der Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung vor allen Dingen auf dem Land. Darauf reagiert als ein Baustein unser Antrag, denn Brandenburg hat jetzt schon die geringste Vertragsarztdichte bei den Hausärzten. Ich habe mir die Zahlen angesehen: Über 500 Hausärzte sind bereits über 60 Jahre alt. Das sind 28 % aller Hausärzte. Das entspricht einem durchschnittlichen Lebensalter von 52 Jahren. Wenn Sie das in die Zukunft extrapolieren, werden Sie feststellen, dass auch in Zukunft große und ernstzunehmende Lücken gerissen werden.

Aber es fehlen auch Fachärzte auf dem Land. Es sind vor allem Fachärzte auf dem Gebiet der Kinder- und der Frauenheilkunde, Augenärzte und Hautärzte.

Auch Krankenhäuser klagen zunehmend darüber, dass sie qualifizierte Ärzte in ihren Krankenhäusern nicht mehr halten können. Im stationären Bereich fehlen laut Nachfrage ca. 160 bis 180 Ärzte.

Krankenhäuser, Kassenärztliche Vereinigung, Krankenkassen waren aber nicht untätig. Sie haben in den vergangenen Jahren sehr viel unternommen. Ich will das nur stichpunktartig anführen, sonst wird mein Redebeitrag zu lang: Es wurde das Sicherstellungsstatut verändert. Es gibt Umsatzgarantien, Einstellungsmöglichkeiten, es gab eine Neuordnung des Bereitschaftsdienstes, einen Investitionszuschuss für Ärzte, die sich niederlassen wollen, und eine entsprechende Werbung bei den Jobbörsen im In- und Ausland und bei den Universitäten. Ja, ich weiß auch, dass die Landespolitik hier nur begrenzte Möglichkeiten hat, aber es ist die Aufgabe der Landespolitik, auf allen Ebenen alles nur Mögliche zu versuchen, damit die Rahmenbedingungen stimmen und sich verbessern, damit der Arztberuf auch in Brandenburg attraktiver wird.

Was ist zu tun? Einiges ist getan; ich will nur einzelne Bausteine nennen. So etwa: Anpassung der Kreditformen, ich sage, es muss der Zuschnitt der Zulassungsbezirke verändert werden; sie müssen nämlich kleiner werden. Die Zuschläge für die unterversorgten Gebiete müssen fortgesetzt, der Bürokratieabbau muss vorangetrieben werden. Dazu gehören intelligente Kooperationsformen, integrierte Versorgungskonzepte, auch Gemeindeschwester AGnES, die Telemedizin, MVZ, zentrale Gesundheitshäuser. Sie merken, es ist eine ganze Reihe. Dennoch: All diese Dinge, die ich gerade aufgezählt habe, werden das eigentliche Problem in der Fläche nicht lösen. Deshalb meinen wir, dass auch der Gewinnung des Berufsnachwuchses mehr Beachtung geschenkt werden sollte.

Sie wissen: Brandenburg hat keine medizinische Fakultät. Es gibt eine Absprache mit dem Land Berlin, dass die Brandenburger Studenten in Berlin ausgebildet und dafür in Brandenburg die Reha-Maßnahmen für die Region Berlin-Brandenburg durchgeführt werden. Damit hatten die Studenten durchaus die Möglichkeit, konzentriert an der Berliner Hochschule ihr Studium zu absolvieren und dann regional an den fünf Lehrkrankenhäusern ihre praktische Tätigkeit auszuüben. Und sie hatten

die „charmante“ Chance, wenn sie einmal das Land und die wunderbaren Leute in Brandenburg kennengelernt haben, ihre klinische Tätigkeit in Brandenburg auszuüben.

Nun das Problem: Berlin hat diese Kooperationsvereinbarung mit dem Land gekündigt. Es ist eine Kündigung der akademischen Lehrkrankenhäuser erfolgt, und dies angeblich aufgrund eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts, weil sich Abiturienten anscheinend Medizinstudienplätze einklagen können, die nach der Anzahl der Plätze in den Lehrkrankenhäusern bemessen werden. Aber das kann man doch regeln!

Auch die Verantwortlichen an der Charité stehen durchaus mit dem Rücken an der Wand; denn sie wissen aufgrund der widersprüchlichen Entscheidungen des Senats nicht, wie es an der Charité weitergehen wird. Das führte zu erheblicher Verunsicherung.

Die Kündigung der Lehrkrankenhäuser in Brandenburg ist eine Abkehr von der bisher guten bilateralen und fruchtbaren Praxis. Sie ist kontraproduktiv und muss daher zurückgenommen werden. Aus diesem Grund halte ich den Staatsvertrag für den richtigen Weg. Absprachen bringen immer nur dann etwas, wenn sie von beiden Seiten eingehalten werden. Das betrifft sowohl das bereits skizzierte Problem als auch das Problem der abgestimmten Krankenhauspläne. Dies führte dazu, dass in Brandenburg - im Gegensatz zu Berlin - mehr Betten abgebaut worden sind.

Gestern war unter anderem im Zukunftsbericht Berlin-Brandenburg zu lesen, dass die Übereinkunft, in Brandenburg finde ausschließlich die Reha statt, von Berlin zunehmend gebrochen werde. Auch in dieser Hinsicht sollte man - Stichwort: Staatsvertrag - faire Verhandlungen führen können.

(Beifall CDU)

Es reicht nicht mehr aus, lediglich Gespräche zu führen. Zum Teil helfen dann nur gesetzliche Regelungen. Wir kennen das aus dem Bereich der Kita-Betreuung. Diesbezüglich war ein Staatsvertrag nötig, damit die Kinder im jeweils anderen Bundesland ordentlich betreut werden. Insofern sollten wir den Weg des Staatsvertrages gehen.

Die Charité bildet nach wie vor viele Studenten aus. Von dort sind aber auch demotivierende Signale zu hören. Derzeit gibt es 8 000 Medizinstudenten; geplant sind 5 000, und manchmal höre ich auch etwas von 3 000 Medizinstudenten. Das hat einen Effekt, den wir in Brandenburg nicht wollen. Insofern lohnen sich Verhandlungen mit Berlin.

Der Staatsvertrag sollte unserer Meinung nach die Blockpraktika während der klinischen Ausbildung - von Beginn des Studiums an bis zum zweiten Staatsexamen - beinhalten. Dabei sollten die Curricula so attraktiv sein, dass man sich freiwillig dazu entschließen kann, an die akademischen Lehrkrankenhäuser in Brandenburg zu kommen. Zudem sollte eine Garantie für das Praktische Jahr gegeben werden. Es gibt zwar unterschiedliche Signale, aber das Praktische Jahr scheint noch möglich zu sein. Bei Schließen eines Staatsvertrages sollte man dies mit aufnehmen.

Weiterhin ist wichtig, im Staatsvertrag zu klären, wie unsere akademischen Kollegen bzw. unsere habilitierten Ärzte in den

Lehrbetrieb einer Universität aufgenommen werden können; denn dies stellt ein großes Problem dar. Wir brauchen diese Spitzenmediziner - das hat natürlich nur Sinn, wenn Studenten vor Ort sind -, um das Weiterbildungsnetzwerk für unsere Ärzte in Brandenburg zu halten und um attraktive Standorte für die Krankenhäuser in Brandenburg zu schaffen. Insofern sollte alles unternommen werden, diesen Staatsvertrag zu schließen.

Sowohl in Brandenburg als auch in Berlin regiert Rot-Rot. Daher müsste dies relativ einfach zu bewerkstelligen sein. Ich bin mir zumindest sicher, dass das von Ihnen zu meistern ist. Der Bevölkerung ist es jedenfalls nicht zu erklären, wenn wir dies nicht hinbekommen. Bei Ärztemangel kann es nicht nur heißen, es gebe Telemedizin oder die Gemeindeschwester AGnES. Man sollte bereits jetzt an den beruflichen Nachwuchs denken und alles dafür tun, die gesundheitliche Versorgung auf einem angemessenen Niveau zu halten. Insofern bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Schierack. - Das Wort erhält Frau Lehmann für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrte Kollegen! Sehr verehrte Gäste! Im Grunde genommen, Herr Prof. Dr. Schierack, wollen wir genau das Gleiche. Jedoch glauben wir, dass dies eventuell auch ohne Staatsvertrag möglich ist.

Richtig ist, dass uns die Informationen bezüglich der Ausbildung an unseren Lehrkrankenhäusern Mitte des Jahres 2008 regelrecht aufgeschreckt haben. Es gab die Nachricht, die Berliner Charité hätte die Praktikumsverträge mit unseren Lehrkrankenhäusern gekündigt. Wir waren insofern aufgeschreckt, weil das ohne jegliche Vorankündigung erfolgte und uns nicht sofort klar war, was das für den Status „Lehrkrankenhaus“ bedeutet. Selbstverständlich waren wir auch ein Stück weit wütend, weil uns bewusst wurde, dass sich die Charité möglicherweise nicht an die Vereinbarungen und Festlegungen im Krankenhausplan hält, nach denen Brandenburg auf Hochleistungsmedizin verzichtet und Berlin auch die Ausbildung für Brandenburg übernimmt.

Aufgrund dessen wurde - auch ein wenig wütend - kurz über das Thema „medizinische Fakultät“ diskutiert. Es wurde sehr schnell recherchiert, und wir waren uns parteiübergreifend auch Ihre damalige Wissenschaftsministerin Wanka war dieser Ansicht - einig, dass eine medizinische Fakultät in Brandenburg nicht die Lösung des Problems sein kann. Schließlich gibt es eine abgestimmte Hochschullandschaft und einen Hochschulpakt. All das, was dort beschlossen ist, ist sinnvoll. Neben dieser sachlichen Begründung können wir eine medizinische Fakultät auch finanziell nicht leisten, da Brandenburg ein sehr kleines Bundesland ist. Der Fachbereich bzw. der Studiengang Humanmedizin ist der kostenintensivste Studiengang. Pro Studienplatz kostet er mehr als 28 000 Euro. In Brandenburg liegen wir - aufgrund der fehlenden Humanmedizin - bei etwa 6 000 Euro. An der Differenz ist erkennbar, welche finanzielle Mehrbelastung bei Einrichtung einer solchen Fakultät auf uns zukäme.

Dieses Thema wurde dann relativ schnell fallen gelassen und der Sachverhalt noch einmal genauer betrachtet. Danach wurde deutlich, dass die Charité das studienbegleitete Praktikum gekündigt hat. Herr Prof. Schierack, Sie haben es bereits erwähnt: Sowohl das Praktische Jahr als auch das Praktikum in der studienfreien Zeit ist nach wie vor möglich. Dies begründete die Charité mit einem Gerichtsurteil und mit ihren Studienkapazitäten. Zudem wird in einem Gerichtsurteil ausgeführt, dass die Praktikumsplätze in Brandenburg auf die Studienkapazität der Charité angerechnet werden. Insofern ist es nachvollziehbar, dass dies für die Charité ein Argument war, dieses Praktikum nicht mehr auf Brandenburg auszudehnen.

Ein entscheidendes Argument dafür ist natürlich auch, dass die Charité selbst ihre Studiengänge verschlankt und rationalisiert, um sie effizienter zu gestalten. Wenn die Studenten im Umfeld der Charité sind, kann man das Praktikum besser organisieren. Fällt ein Dozent aus, ist eine Vertretung relativ schnell gefunden.

Begrüßenswert war das Verhalten des Carl-Thiem-Klinikums in Cottbus mit der Verwaltungsleiterin Frau Grünewald. Sie zog die richtigen Schlussfolgerungen daraus und wollte sich bereits im Jahr 2008 nicht schmollend in die Ecke zurückziehen. Sicherlich schmerzt es ein wenig, diese Plätze nicht mehr zu haben. Dennoch ist sie mit dem Sachverhalt offensiv umgegangen und wollte das Praktische Studienjahr richtig bewerben und alle denkbaren Vergünstigungen anbieten, damit die heutigen Studenten die künftigen Ärzte in dieser Einrichtung sind.

Wir halten das für den richtigen Weg und fühlen uns durch die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenhausgesellschaft bestätigt, die vor wenigen Tagen, am 13. Januar, eine Pressemitteilung herausgegeben und darin noch einmal die Krankenhäuser und medizinischen Einrichtungen darauf hingewiesen hat, dieses Praktische Jahr offensiv zu nutzen. Diesbezüglich führt die brandenburgische Landesregierung Gespräche mit der Senatsverwaltung Berlin, um auch mit dem fachlichen inhaltlichen Know-how entsprechende Unterstützung zu geben.

Das studienbegleitende Praktikum betraf - um die Dimension für Brandenburg zu verdeutlichen - zwei Krankenhäuser: zum einen das Carl-Thiem-Klinikum, das in diesem Bereich im Jahr 2005 zwölf, im Jahr 2006 36 und im Jahr 2007 sechs Studierende hatte, und zum anderen die Asklepios-Klinik in Teupitz, die im Jahr 2005 13, im Jahr 2006 neun und im Jahr 2007 sechs Studierende hatte.

So viel zum Staatsvertrag. Meines Erachtens sollte man im Gespräch bleiben und dies kooperativ und qualitativ verbessern. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Lipsdorf erhält für die FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wurde richtig vorgetragen: In Brandenburg gibt es aufgrund der geringen Anzahl von Ärzten ein Problem. Im Land haben wir bereits eine Notsituation, in den Städten weitestgehend noch

nicht. Wir sehen allerdings, dass die vorhandenen Verträge nicht zu einer Veränderung geführt haben. Deshalb glauben wir auch nicht, dass ein Staatsvertrag per se diese Situation ändern wird.

Ich zitiere aus dem „Brandenburgischen Ärzteblatt“. Darin spricht sich die Landesärztekammer eindeutig für Folgendes aus:

„Wir haben keine medizinische Universität in Brandenburg, was den Zugang von Studenten zu uns deutlich erschwert. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir den klinischen Teil der Arztausbildung in unserem Bundesland ansiedeln können.“

Meine Damen und Herren, genau darum geht es. Wir haben einen Ärztemangel. Kooperationsvereinbarungen haben nicht gefruchtet. Selbst als sie noch existierten, haben sie nicht dazu geführt, dass sich hier deutlich mehr Ärzte angesiedelt haben. Das heißt, das Land Brandenburg muss über eine medizinische Fakultät bzw. darüber nachdenken, wie Rahmenbedingungen für Ärzte so verändert werden können, dass wir Ärzte in unserem Land behalten.

Es wird auf jeden Fall - sicher von dieser Seite - die Frage nach der Klientel kommen, FDP - die Klientelpartei.

(Görke [DIE LINKE) : Die Spender-Klientel!)

Ja, wir haben eine Klientel, und die Klientel sind unsere Patienten, nicht nur Ärzte, sondern auch die Patienten. Um die geht es im Nachhinein. Wenn wir zu den Spendern kommen: Gut, gehen wir gleich einmal auf das Geld ein.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Es liegen bereits mehrere Modelle in den Schubladen,

(Görke [DIE LINKE) : Ihr handelt ja auch danach!)

nicht nur bei der FDP, sondern auch bei Verbänden, Vereinigungen, mittlerweile auch bei Krankenhäusern. Es ist praktisch das Modell der Public Private Partnership. Wir können als Beispiel die Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg nehmen; wir haben die Wissenschaftliche Hochschule Lahr, die Universität Witten/Herdecke, die wunderbar funktionieren und eine hervorragende klinische Ausbildung anbieten, jedoch nicht durch die entsprechenden Länder finanziert werden bzw. nicht in dem Maße, wie es dargestellt wird.