Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Der Mindestlohn ist volkswirtschaftlich der richtige Weg - das zeigen viele Studien. In Brandenburg müssen in diesem Jahr mehr als 3 000 Leute nicht mehr zum Amt gehen, weil die entsprechenden Regelungen auf Bundesebene greifen. Wirtschaft und auch der Arbeitsmarkt profitieren von einem spürbaren

Wachstum der Löhne und der inländischen Nachfrage - auch dazu tragen der Mindestlohn und auch unser Vergabegesetz bei.

An die CDU-Fraktion: Ihr Vorschlag, Herr Homeyer, ist nicht neu; Sie haben ihn im November hier bereits vorgestellt. Selbstverständlich haben wir einen gewissen Novellierungsbedarf, dem wollen wir uns auch gar nicht verschließen. Aber, meine Damen und Herren, heute werden wir Ihren Antrag ablehnen und auch nicht der Überweisung in den Ausschuss zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Vielen Dank. - Jetzt spricht die Abgeordnete Schinowsky für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu uns.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenig überraschend werden wir uns der AfD-Meinung nicht anschließen, dass das Brandenburgische Vergabegesetz …

(Zurufe von der AfD: Nein!)

- Oh, mal zuhören!

Wir werden uns nicht der Meinung anschließen, dass das Vergabegesetz überflüssig geworden ist. Einen Antrag mit einem ähnlichen Ansatz hatte die CDU-Fraktion letztes Jahr schon eingebracht. Unsere Einschätzung dazu hat sich wenig verändert. Die Einschätzung, dass die Synchronisierung sinnvoll ist, teilen wir; man wäre auch irre, wenn man das anders einschätzen würde. Allerdings hat Herr Loehr auch darauf hingewiesen - zum Ende der Debatte im letzten Jahr waren wir uns schon einig, dass eine Novellierung ansteht -, dass das da eingearbeitet werden muss. Von daher kommt Ihr Ansinnen, das jetzt komplett abzuschaffen, einfach zur Unzeit und geht überhaupt in die falsche Richtung. Die Debatte damals hatte bereits gezeigt, wo die Unterschiede zur Bundesregelung liegen und warum das Vergabegesetz auf der Landesebene auch nach einem Mindestlohngesetz des Bundes nicht überflüssig wird.

Ich vertiefe das kurz: Neben der Frage des Mindestlohns geht es nämlich hierbei um die Nachfragemacht der öffentlichen Hand. Das Land Brandenburg gibt jährlich rund 1 Milliarde Euro für Beschaffungen aus, die Kommunen erhöhen die Nachfrage um weitere 2 Milliarden Euro, und mindestens 1 Milliarde Euro gewährt das Land Unternehmen, Vereinen und Verbänden in Form von Zuwendungen. Das heißt, ein entsprechend ausgestaltetes Vergabegesetz könnte wichtige Impulse zu einer sozial und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweise geben. Aus der Evaluation des Gesetzes im letzten Jahr wissen wir allerdings auch, dass das bisher leider noch zu wenig der Fall ist. Der bundesweite Mindestlohn hat diese eingeschränkte Wirkung der Brandenburger Regelung noch weiter geschmälert. Der Ansatz müsste also sein, das zu verbessern das sagte ich bereits -, und nicht, es abzuschaffen.

Genau in diese Richtung hatten wir uns bei der Evaluation des Vergabegesetzes im Mai vergangenen Jahres auch verständigt. Die Landesregierung hatte darauf hingewiesen, dass sie das

Vergabegesetz den Anforderungen der Praxis anpassen und damit vor allem eine breitere Akzeptanz herbeiführen möchte. Vielleicht sagt der Herr Minister im Anschluss noch etwas dazu.

Ziel muss es jedenfalls sein, bei öffentlichen Auftraggebern das Bewusstsein zu schärfen, dass Sinn und Zweck des Vergabegesetzes letztlich der ganzen Gesellschaft zugutekommen und eben auch die Wirtschaft vor Dumpingangeboten konkurrierender Unternehmen schützt - das kommt hier immer ein wenig zu kurz. In diesem Sinne gewinnen wir als Gesellschaft insgesamt. Es wird Zeit, dass die Überarbeitung angegangen wird.

Bei der Überarbeitung werden wir uns neben dem schon Angesprochenen insbesondere dafür einsetzen, dass soziale und ökologische Kriterien wie Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung, Einhaltung der ILO-Arbeitsschutznormen verbindlich verankert werden - bislang müssen diese Vorgaben nicht eingehalten werden. Wichtig ist uns auch ein Vorschlag, der von den Evaluatoren gemacht wurde: Auf Ebene der Landesverwaltung sollte, und zwar dem Beispiel Berlins folgend, eine zentrale Kontrollgruppe angesiedelt werden, welche in Stichproben prüft, ob die Auftragnehmer das Vergabegesetz auch einhalten.

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Sehr gern.

Das ist sehr freundlich, Frau Kollegin. - Ich habe Ihnen jetzt sehr aufmerksam zugehört. Je länger Sie reden, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass alles, was Sie sagen, fast hundertprozentig identisch ist mit dem, was ich gesagt habe und was wir in unserem Entschließungsantrag fordern: Synchronisierung mit der bundesgesetzlichen Regelung, insbesondere Beibehaltung der Bestandteile des brandenburgischen Vergabegesetzes, zum Beispiel Soziales, Ökologisches oder auch Innovatives. Das alles fordern wir auch. Ich frage mich: Warum stimmen Sie unserem Antrag dann nicht zu?

Ich beziehe mich einmal auf Ihre Aussage von vorhin. Sie haben gesagt, das Vergabegesetz sei überflüssig. Zumindest da sind wir nicht einer Meinung. Auf die Gemeinsamkeiten habe ich hingewiesen.

Der zentrale Grund, warum wir dem Entschließungsantrag heute nicht zustimmen können, ist folgender:

(Zuruf des Abgeordneten Bretz [CDU])

- Lassen Sie mich doch einmal ausreden, Herr Bretz. - Der bundesweite Mindestlohn gilt noch nicht für alle Bereiche. Sie wissen das auch. Es wurden unterschiedliche Zeitpunkte für die Einführung festgelegt. Wenn man es jetzt sofort, wie in Ihrem Entschließungsantrag gefordert, mit Nachdruck und

stante pede machen würde, würde das Nachteile für die bedeuten, für die der Mindestlohn noch nicht gilt. Das ist der eine Grund.

Der zweite Grund ist der, den ich schon umrissen habe, nämlich dass für uns ein bisschen mehr dazu gehört. Wenn man das Vergabegesetz anpackt, sollte man all die Punkte mit anpacken. Die für uns noch wichtigen Punkte sind in Ihrem Entschließungsantrag leider nicht enthalten.

(Dr. Redmann [CDU]: Wo ist Ihr Entschließungsantrag?)

Daher können wir ihn nicht unterstützen. Aber schön, dass Sie heute einmal die Gemeinsamkeiten so betont haben.

(Beifall des Abgeordneten Bretz [CDU])

- Vielen Dank. - Letzter Satz: Zudem wäre es sinnvoll, dass die Kontrollgruppe bei Hinweisen auf Verstöße von den öffentlichen Auftraggebern in Brandenburg zur Unterstützung angefordert werden kann. Dann muss sich nämlich nicht jede öffentliche Vergabestelle mit diesen Themen so intensiv befassen, und das Kontrolldefizit wird abgebaut. Auch die Aufteilung des Landesvergabegesetzes auf verschiedene Regelungswerke sollte zusammengefasst werden, um die Unübersichtlichkeit zu vermeiden. Wir warten also jetzt gemeinsam darauf, dass die Landesregierung die Novellierung ansetzt. Dann können wir gern noch einmal über gemeinsame Änderungsanträge, Herr Homeyer, nachdenken. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir danken Ihnen. - Zu uns spricht nun der Minister. Herr Gerber, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich den Rednern der Koalitionsfraktionen und auch der Grünen im Ergebnis nur anschließen. Ich habe bereits im November hier im Landtag gesagt, wie wir uns die Überarbeitung des Vergabegesetzes vorstellen. Dem habe ich inhaltlich nicht sehr viel hinzuzufügen.

Klar ist, das ist eben schon gesagt worden: Das Bundesmindestlohngesetz schreibt eine Reihe von Ausnahmen und Übergangsfristen vor, die wir mit unserem Vergabegesetz und dem Mindestentgelt abdecken und gewissermaßen ersetzen. Das ist noch nicht vorbei. Deswegen sind wir der Auffassung, dieses Gesetz weiterhin zu brauchen.

Bei der anstehenden Novelle jenseits der Regelungen zum Mindestentgelt - auch das ist hier im Landtag schon gesagt worden - werden wir die Erfahrungen, die wir bisher gesammelt haben, einfließen lassen. Das ist selbstverständlich. Wir werden auch die Umsetzung der anstehenden EU-Vergaberechts-Richtlinie berücksichtigen müssen und wollen.

Frau Kollegin Schade, noch ein Wort zu dem, was Sie bemängeln und beklagen: Bürokratie zum einen und der Fachkräftemangel zum anderen. Ich sage Ihnen einmal, was mir Unter

nehmerinnen und Unternehmer zum Thema Fachkräftemangel sagen: Wir brauchen dringend - dringend! - eine größere Offenheit unseres Landes für den Zuzug qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus anderen Ländern.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Dafür brauchen wir eine Willkommenskultur und eine Offenheit, die Sie schwer vermissen lassen. Sie fügen der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes durch Ihre Politik ganz schweren Schaden zu,

(Beifall SPD und DIE LINKE)

weil Sie ein abschreckendes Beispiel für Menschen aus anderen Ländern sind, die zu uns kommen wollen und die zu uns kommen sollen, weil wir sie dringend brauchen, um unser Land moderner, weltoffener und vor allem wettbewerbsfähig zu machen. Sie würden der brandenburgischen Wirtschaft wirklich einen Dienst erweisen, wenn Sie solche Reden lassen würden. Aber damit ist bedauerlicherweise nicht zu rechnen. Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Es ist eine Kurzintervention angezeigt worden, zunächst von Herrn Jung. Dann gibt es eventuell eine weitere.

(Zuruf des Abgeordneten Homeyer [CDU])

- Das haben wir nicht gesehen. Sie können gleich danach noch kurzintervenieren. Jetzt erhält zunächst Herr Abgeordneter Jung das Wort zur Kurzintervention.

Herr Minister, Sie greifen die AfD an - zum ersten Mal. Es ist interessant, dass Sie uns wieder Ausländerfeindlichkeit unterstellen. Ich kann nur eines fragen, oder Sie können Ihre Fraktion fragen: Wie viele Migranten und Leute mit einem ausländischen Hintergrund beschäftigt Ihre Fraktion, die SPD-Fraktion, und beschäftigen die anderen Fraktionen? Um das gleich zu beantworten: Bei uns sind ungefähr 20 % Leute mit Migrationshintergrund beschäftigt.

(Beifall AfD)

Ich frage Sie, Herr Minister: Möchten Sie auf diese Kurzintervention reagieren? - Dann frage ich Sie, Herr Abgeordneter Homeyer - Sie sollen auch gut behandelt werden -: Möchten Sie noch eine Kurzintervention machen?

Ich hatte eine Zwischenfrage an den Minister und hatte hier das Knöpfchen gedrückt. Aber jetzt hat sich der Minister schon hingesetzt. Ich weiß nicht - vielleicht kommt er noch einmal?

(Heiterkeit)

Das würde ich jetzt glatt für Sie organisieren.

(Heiterkeit)

Danke schön. - Es freut mich, dass wir jetzt wieder freundlich miteinander umgehen. Ich dachte, wir könnten heute eine sachliche Debatte führen. Jetzt gleitet es doch wieder irgendwohin ab.

Zwei Dinge, Herr Minister, die ich Sie fragen möchte. Erstens würde ich gern wissen: Können Sie uns Ihren terminlichen Fahrplan sagen, wann Sie das Gesetz „anfassen“ und den Versuch unternehmen, es zu synchronisieren und anzupassen?