Protokoll der Sitzung vom 08.07.2015

Meine Damen und Herren, wer die Wirtschaft stärken will, muss - unnötigen - Bürokratieballast abwerfen, um den Unternehmen Luft zu geben, ihre wertschöpfenden Arbeiten optimal zu erbringen. Das schafft Stabilität und Wachstum, das wir dringend brauchen.

Wie belastet sind denn unsere Unternehmen momentan mit der Bürokratie? Auch hier mal ein paar Beispiele, damit Sie wissen, wovon ich rede: Als Dienstleister erbringen unsere Unternehmen kostenfreie Pflichtaufgaben für den Staat - mit dem Abführen von Sozialabgaben - an die Rentenversicherung, die Krankenversicherung, die Pflegeversicherung usw. Teilweise haben wir aufgrund unterjährig geänderter Bestimmungen mehrmals im Jahr Anpassungen in der Buchhaltung. Wir sind zum Beispiel zur Erfassung umfangreicher Datensätze zum Nachweis der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes verpflichtet. Weitere Auflagen drohen in Form der Arbeitsstättenverordnung. Und die Kontroll- und Prüfungspflichten werden hier äußerst unterschiedlich gehandhabt. Das haben wir heute übrigens auch von der Landesregierung gehört, als es um den Bericht ging.

Schauen wir den Kontrollen im Rahmen des Brandenburgischen Vergabegesetzes einmal auf die Finger: Laut Bericht vom Februar 2014 gaben 78 % der Vergabestellen an, Arbeitsentgeltkontrollen nie durchzuführen. 49 % der Auftragnehmer gaben an, noch nie kontrolliert worden zu sein. Die Landesregierung geht sogar davon aus, dass viele Auftraggeber von den Kontrollen überfordert sind. - Ach? In diesem Punkt stimmen wir der Landesregierung ausnahmsweise uneingeschränkt zu. Nur sollte sie jetzt auch die Konsequenzen daraus ziehen und Überflüssiges entfernen.

Ganz nebenbei verstößt das Vergabegesetz gegen gesetzliche Grundlagen. Aber schauen Sie selbst in die entsprechenden Unterlagen des hauseigenen Parlamentarischen Beratungsdienstes!

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Geben Sie uns gemeinsam die Chance, den großen Herausforderungen der kommenden Jahre mit einem richtigen - wenn auch kleinen - Schritt entgegenzugehen. Leisten wir gemeinsam unseren Beitrag zur ideologiefreien Entlastung der Wirtschaft!

Stimmen Sie der Abschaffung des Brandenburgischen Vergabegesetzes zu! Wenn Sie das heute - aus welchen Gründen auch immer - nicht tun können, dann geben Sie uns wenigstens die Chance, das Gesetz im Ausschuss auf den Prüfstand zu stellen und das Für und Wider sachlich und fachlich abzuwägen. Machen wir es wie ein Unternehmer: Ein guter und erfolgreicher Unternehmer prüft ein Angebot erst und entscheidet dann. Mein heutiges Angebot an Sie: Stimmen Sie einer Überweisung in den zuständigen Ausschuss zu! - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD sowie des Abgeordneten Hoffmann [CDU])

Zu uns spricht nun für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Lüttmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Seit dem 1. Januar 2015 erhalten circa 3,7 Millionen Deutsche höhere Löhne. In Brandenburg profitiert sogar fast ein Drittel der Beschäftigten vom allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland.

Es war die SPD, die den Mindestlohn zur Bedingung für eine Große Koalition auf Bundesebene gemacht und ihn somit durchgesetzt hat. Dass der allgemeine Mindestlohn in Deutschland eingeführt wurde, ist aber auch ein Erfolg der rot-roten Koalition hier im Brandenburger Landtag, denn gemeinsam haben SPD und DIE LINKE mit dem sogenannten Vergabemindestlohn bereits in der letzten Legislaturperiode ein Zeichen gesetzt. Bei öffentlichen Aufträgen werden auf der Grundlage des Vergabegesetzes bereits seit Anfang 2012 keine Löhne mehr unter damals 8 Euro, danach 8,50 Euro akzeptiert. In Brandenburg ist Lohndumping bei der Erbringung von Leistungen für öffentliche Auftraggeber seitdem nicht mehr möglich.

In Richtung des Bundes hat der Vergabemindestlohn Druck aufgebaut, damit sich auch hier endlich etwas bewegt.

(Beifall SPD)

Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns scheint also das Ziel erreicht; auch Sie haben eben davon gesprochen. Warum schaffen wir dann das Brandenburgische Vergabegesetz nicht einfach ab, wie es die AfD mit ihrem heutigen Gesetzentwurf fordert? Das will ich beantworten:

Erstens, weil das Ziel zwar fast, aber doch nicht ganz erreicht ist. So gibt es beim gesetzlichen Mindestlohn Übergangsregeln und Ausnahmeklauseln, die in einigen Branchen noch bis 2017 niedrigere Löhne zulassen. Wir wollen aber in Brandenburg nicht wieder hinter die selbst gesetzten Standards - derzeit 8,50 Euro - zurückfallen.

Zweitens, weil wir eine Anpassung des Brandenburgischen Vergabegesetzes an die Bundesvorgaben wollen, aber keine Abschaffung. Vielmehr soll gemäß unseres Koalitionsvertrages Mitte 2019 die Lohnuntergrenze im Vergabegesetz Brandenburgs mit dem gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland übereinstimmen - es soll also ein gleitender Prozess sein.

Drittens lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab, weil die Mindestlohnkommission kürzlich empfohlen hat, den Vergabemindestlohn auf 9 Euro anzuheben. Diese Empfehlung wird geprüft, und wir sehen sie als Auftrag für eine Weiterentwicklung des Vergabegesetzes.

Das Vergabegesetz bleibt somit notwendig und Brandenburg weiter Vorreiter beim Mindestlohn.

(Zuruf von der CDU: Bei der Bürokratie!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die AfD heute die Abschaffung des Brandenburgischen Vergabegesetzes und

damit einen Rückschritt bei der Bezahlung vieler Arbeitnehmer fordert, ist folgerichtig.

(Unmut bei der AfD)

Denn ihre gerade gewählte Bundesvorsitzende, Frauke Petry, hält ja auch den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland für „realitätsferne Sozialromantik“ der „neosozialistischen Ideologen der SPD“, wie sie auf ihrer Internetseite verkündet.

(Unmut bei der Fraktion DIE LINKE)

Trotz aktueller Rekordbeschäftigungszahlen in Deutschland nennt Frau Petry den Mindestlohn ein „Jobkiller-Gesetz“. In welcher Welt, frage ich Sie, lebt diese Frau?

(Beifall SPD, DIE LINKE und B90/GRÜNE - Zuruf von der AfD: In Deutschland! In unserer!)

Einmal unabhängig von der unsachlichen Kritik der AfD: Dass die Umsetzung des Vergabemindestlohns in Brandenburg auch Kontrollaufwand bei den Kommunen zur Folge hatte, ist richtig. Aus meiner Heimatstadt Oranienburg weiß ich allerdings, dass die Verfahren sich eingespielt haben und die Abrechnung der Kontrollkosten mit dem Land sehr gut funktioniert.

Auch, dass es bei der Anwendung der Mindestlohngesetze keine überbordende Bürokratie geben darf, welche die Unternehmen hemmt, stimmt. Doch dürfen wir auch nicht vergessen, dass der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland gerade erst eingeführt worden ist. Die Verfahren werden sich auch hier einspielen und dann genauso reibungslos funktionieren wie in den vielen anderen Ländern Europas, die schon lange einen Mindestlohn haben. Jedenfalls ist der Verweis auf Kontrollnotwendigkeiten überhaupt kein Grund, den gerade erst erreichten Mindeststandard bei der Entlohnung in Brandenburg wieder zu schleifen. Deshalb lehnen wir den vorliegenden Gesetzentwurf der AfD und auch den CDU-Antrag ab.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank. - Zu uns spricht nun für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Homeyer.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist es so: Seit dem 1. Januar 2015 haben wir in Sachen Mindestlohn eine neue Situation in Deutschland. Mit der Einführung des bundeseinheitlichen Mindestlohns von 8,50 Euro wird das Brandenburger Vergabegesetz weitgehend überflüssig.

(Beifall CDU und AfD)

Die Erkenntnis ist: Der Sinn und Zweck weiter Teile des Brandenburgischen Vergabegesetzes ist mit dem deutlich differenzierteren bundeseinheitlichen Mindestlohn entfallen. Seit nunmehr sechs Monaten haben beide Gesetze gleichzeitig - mit den sich daraus ergebenden negativen Nebenwirkungen für Kommunen und die brandenburgischen Unternehmen Rechtskraft im Land Brandenburg.

Meine Damen und Herren, ich habe nicht vor, heute eine weitere Mindestlohnschlacht mit Ihnen zu schlagen. Die Schlacht ist geschlagen; es gibt in Deutschland den bundeseinheitlichen Mindestlohn. Es ist an der Zeit, die Dinge zu versachlichen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, die Chance zu nutzen, das Brandenburgische Vergabegesetz von den mindestlohnrechtlichen Teilen zu entschlacken.

(Unmut bei der SPD)

Das Mindestlohngesetz des Bundes regelt doch das Notwendige. Meiner Ansicht nach regelt es sogar mehr als das Notwendige, wenn ich mir die Durchführungsbestimmungen anschaue.

(Beifall CDU und AfD)

Aber das, meine Damen und Herren, kann ich als brandenburgischer Abgeordneter nicht ändern - ich trage hier Verantwortung.

Das Mindestlohngesetz des Bundes zeigt uns, wie gesagt, auf, dass in Deutschland nun in dieser Frage die Dinge geklärt sind. Nutzen Sie also endlich die Gelegenheit, ohne großen Aufwand das Brandenburgische Vergabegesetz zu ändern und so die Kommunen und auch die Unternehmen von überflüssiger Bürokratie und überflüssigen Kosten zu entlasten. Die Bestandteile des Gesetzes - das sage ich hier auch ganz deutlich -, die den Kommunen und den Unternehmen nutzen, wie zum Beispiel die Möglichkeiten der Präqualifizierung oder die Berücksichtigung sozialer, umweltbezogener und auch innovativer Aspekte, sollen nach meiner Auffassung erhalten bleiben.

(Beifall CDU)

Wir haben etwas dagegen, das Kind mit dem Bade auszuschütten, sondern uns geht es um eine sachliche und auch der Wirtschaft des Landes dienende Betrachtung des Problems. Wir fordern daher die Landesregierung auf, unserem Entschließungsantrag, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Brandenburgische Vergabegesetz an die bundeseinheitliche Regelung anpasst, zuzustimmen. Aus dem derzeitigen Vergabegesetz müssen nach unserer Auffassung alle Bestimmungen gestrichen werden, die einen landesspezifischen Mindestlohn regeln und die damit im Zusammenhang stehenden Nachweisund Kontrollpflichten erledigen.

Selbst das brandenburgische Wirtschaftsministerium, meine Damen und Herren, gesteht sich doch ein, dass das Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes des Bundes parallel zum Brandenburgischen Vergabegesetz die öffentlichen Auftraggeber vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten stellt. In einem Schreiben an die öffentlichen Auftraggeber des Landes vom 1. Oktober 2014 weist das Ministerium auf diese Schwierigkeiten hin und merkt an, dass hier der Gesetzgeber gefragt ist.

(Jung [AfD]: Hört, hört!)

Die Landesregierung hat - das darf ich in diesem Falle sagen einen Verordnungsentwurf für die Durchführungsverordnung, die bürokratische Erleichterung bringen soll, eingereicht. Vollzugsdefizite sollen im Sinne einer geringeren Kontrolldichte zugunsten einer höheren Kontrollintensität aufgelöst werden, wie es heißt. Außerdem soll ein Verzicht auf die Kontrolle unter bestimmten Bedingungen möglich sein, um eine doppelte

Prüfung nach dem Brandenburgischen Vergabegesetz und dem Bundesmindestlohngesetz zu vermeiden. Das wäre in der Tat eine Verfahrenserleichterung. Eine Abschaffung überflüssiger, doppelter Prüfung einer Gesetzeslage, die sich aus einer übergeordneten Bundesgesetzeslage ergibt, ist es mitnichten. Daher bitten wir um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. Den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion werden wir ablehnen, weil er nach unserer Auffassung nicht sachgerecht ist. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun der Abgeordnete Loehr zu uns.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An die Abgeordneten der AfD-Fraktion gerichtet: Wir haben nicht nur in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen, beispielsweise im Umgang mit Flüchtlingen, eine diametrale Auffassung zu Ihren Vorstellungen, sondern auch der vorgelegte Gesetzentwurf entspricht nicht unserer Intention, und daher wollen wir ihn auch nicht vertiefend im Ausschuss diskutieren, sondern heute hier ablehnen.

Zu den Fakten: In 14 von 16 Bundesländern gibt es Vergabebzw. Tariftreuegesetze; 12 Bundesländer haben in ihren Vergabegesetzen auch Regelungen zu allgemeinen Mindestentgelten getroffen. DIE LINKE, meine Damen und Herren, nimmt das Votum der brandenburgischen Mindestlohnkommission ernst. Im Juni erging aus dem Gremium die Empfehlung, den Mindestlohn auf 9 Euro zu erhöhen. Herr Homeyer, Sie ignorieren dieses Votum ganz offensichtlich. Wir wiederum begrüßen diesen Vorschlag und wollen ihn auch schnellstmöglich umsetzen - das sage ich klar und deutlich.

(Beifall DIE LINKE)

Er ist aus unserer Sicht ein weiterer Schritt in Richtung existenzsichernde Löhne, denn nicht nur Sie wissen, sondern auch viele Studien machen deutlich - so auch eine, die am gestrigen Tage bei der DGB-Konferenz in Großräschen ausgehändigt wurde -, dass die Löhne im Osten nach wie vor ungefähr ein Drittel unter denen westdeutscher Flächenländer liegen, dass es uns in den vergangenen zehn Jahren nicht gelungen ist, die Lohnschere zu schließen, und dass die Tarifbindung nach wie vor sinkt. Es ist also bei Weitem noch nicht alles gut, und wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass das allgemeine Lohnniveau im Osten weiter steigt, denn nur dann, meine Damen und Herren, haben wir eine Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Denn eine Lohnuntergrenze hat erstens direkte Auswirkungen auf die Betroffenen und zweitens indirekte Auswirkungen auf jene, die die bessere Ausbildung haben, die Fachkräfte sind. Wie gesagt, das Ziel, das allgemeine Lohnniveau im Osten zu erhöhen, sollte doch ein gemeinsames sein.

Der Mindestlohn ist volkswirtschaftlich der richtige Weg - das zeigen viele Studien. In Brandenburg müssen in diesem Jahr mehr als 3 000 Leute nicht mehr zum Amt gehen, weil die entsprechenden Regelungen auf Bundesebene greifen. Wirtschaft und auch der Arbeitsmarkt profitieren von einem spürbaren