Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

(Vereinzelt Beifall SPD)

So sind die CDU-Vorschläge nicht wirklich neu und helfen in der Sache auch nicht weiter. Denn was soll uns - das haben mehrere Redner angesprochen - eine Haushaltsstrukturkom mission der Landesregierung - ausgerechnet der Landesregie rung, wie im Antrag gefordert - bringen?

Seit Jahren bilden die einzelnen Ministerien wie auch die ge samte Landesregierung unter immer neuen Namen immer neue Zirkel, die sich mit immer neuen Einsparungen und Umstruktu rierungsvorschlägen überbieten. Von der damaligen Stabsstelle Verwaltungsoptimierung im Finanzministerium - eingerichtet unter Rainer Speer - bis zur heutigen Stabsstelle Verwaltungs strukturreform im Innenministerium zieht sich ein kontinuier licher Faden geplanter, bereits vollzogener, aber auch geschei terter Personaleinsparungsprogramme - sowohl unter der rotschwarzen als auch der rot-roten Landesregierung hindurch.

Zu diskutieren wäre bestenfalls eine - ähnlich einer Enquete kommission aufgebaute - parlamentarisch besetzte Einspar kommission. Aber bis diese ihre Arbeit aufgenommen hat und die von der CDU gewünschten Experten befragt wurden und ihre Gutachten geliefert haben, dürfte die Legislaturperiode fast schon wieder vorbei sein.

Viel hilfreicher fände ich, wenn die derzeit durchgeführten An hörungen zur Verwaltungsstrukturreform im Innenausschuss ihren Alibicharakter verlören und echte Konsequenzen für die Ausgestaltung der Reform hätten.

(Beifall B90/GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kern des CDU-Antrags ist die Forderung nach einem systematischen Benchmarking unter den Ostländern. Damit sollen deren Strukturen und deren Leistungsfähigkeit möglichst vergleichbar gemacht werden. Derar tige Benchmarks zwischen Brandenburg und den finanzschwa chen westdeutschen Flächenländern gibt es bereits.

Herr Ludwig hat die Kienbaum-Studie von 2007 angespro chen. Die Auswertung dieser Studie macht vor allem deutlich, wie trügerisch und irreführend Vergleichszahlen sein können. Dies gilt allein schon aufgrund unterschiedlicher Verwaltungs gliederungen und Interpretationen der gemeinsamen Haus haltssystematiken von Ländern und Kommunen. In Bremen wurde deshalb im Jahr 2009 - nach sechs Jahren - ein solches umfassendes Benchmarking - die sehr umfassenden Berichte kann man sich aus dem Internet herunterladen - eingestellt.

Versuche zur Verknüpfung fachpolitischer Ziele mit Kenn zahlen, die zumindest eine teilweise Vergleichbarkeit von Zie len und Zielerreichungsgraden mit anderen Ländern ermögli chen, gelangen nicht. Versuche, mit dem Benchmarking Maß stäbe für Planungen zu erlangen, seien wenig erfolgreich ge wesen. Dies waren die Gründe für die Einstellung.

Natürlich kann man fragen, wie gut oder wie teuer die Ausstat tung mit Polizisten im Vergleich zu Sachsen oder Thüringen ist. Aber die von der CDU kritisierte Polizeireform beruhte ja - wie Herr Lüttmann ausführte - gerade auf solchen Benchmarks, die dem Land einen überdurchschnittlich hohen Bestand an Po lizisten bescheinigten. Ich erinnere: Im Jahr 2009 hatte Bran denburg 9 300 Stellen, also 375 Polizisten je 100 000 Einwoh ner, bei einem deutschlandweiten Durchschnitt von 304 Poli zisten je 100 000 Einwohner.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Auf diesen Durchschnitt wäre man durch die Absenkung der Zielzahl auf 7 600 Personen gekommen. Davon ist heute keine Rede mehr. Wir werden am Ende deutlich über dem Durch schnitt liegen. Was soll also Benchmarking in diesem Zusam menhang bringen?

Noch schwieriger ist Benchmarking bei den Aufgaben, die ge rade erst auf uns zukommen, deren Analyse aber nur auf Zah len der Vergangenheit beruhen kann.

Der vorliegende CDU-Antrag schlägt außerdem die Überprü fung von Management- und Controlling-Prozessen sowie die Überprüfung von Standards vor. Ja, das kann man alles ma chen. Dafür gibt es aber bereits eine Kommission, die seit Ende des letzten Jahres im Amt ist und genau die Aufgabe hat, die Landesverwaltung den aktuellen Erfordernissen anzupassen und die Entscheidung vorzubereiten, was sich Brandenburg in Zukunft leisten kann und will. Diese Kommission heißt Lan desregierung. Sie legt die Ergebnisse ihrer Bemühungen die sem Haus vor, und wir setzen uns damit auseinander. Dann müssen auch die Einsparvorschläge konkret werden. Wir wer den uns auch nicht aus der Verantwortung stehlen, wenn es da rum geht, Kürzungen vorzunehmen.

Eigentlich wollten wir uns bei dem heutigen CDU-Antrag der Stimme enthalten, da er zumindest auf ein wichtiges Problem hinweist. Nach der Rede von Gordon Hoffmann über den Koa litionsantrag zum gemeinsamen Lernen und seinem dring lichen Appell an uns, unausgereifte und unbefriedigende An träge abzulehnen, müssen wir den Antrag jetzt allerdings ab lehnen, weil er keinen Sinn macht.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt SPD - Petke [CDU]: Das ist eine sachfremde Erwägung, so kennt man Sie ja gar nicht!)

Zu uns spricht nun Minister Görke für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Meine Damen und Herren! Der Antrag, sehr geehrter Herr Petke, geht von Fehleinschätzungen und auch von falschen An nahmen aus. Ich will Ihre Begründung zur Hand nehmen und zitieren. Nachdem Sie das Benchmarking ausführlich hergelei tet haben, sagen Sie:

„Die positive Einnahmeentwicklung der vergangenen Jahre hat die Notwendigkeit einer systematischen Haus haltskonsolidierung in den Hintergrund treten lassen. Nunmehr wird für das Haushaltsjahr 2016 die schwarze Null - wenn überhaupt - nur mit einer deutlichen Entnah me aus der Allgemeinen Rücklage zu erreichen sein.“

Meine Damen und Herren, die Einnahmeentwicklung ist in der Tat positiv; das ist nicht zu bestreiten. Ihre Wertung jedoch, dass wir hier eine systematische Haushaltskonsolidierung nicht vorgenommen hätten, ist aberwitzig. Richtig ist, dass die Steu ereinnahmen von 2010 bis 2014 um 24 % gestiegen sind. Da gegen wuchsen die bereinigten Ausgaben lediglich um 4 %. Insofern weise ich Ihren Vorwurf der Schönwetterpolitik nun wirklich zurück.

Übrigens: Schwarz-grün oder schwarz regierte Länder wie Hessen oder Bayern wiesen im gleichen Zeitraum bereinigte Ausgabesteigerungen von 20 bis 15 % aus, wobei sie Steuer mehreinnahmen von 27 und 24 % hatten. So weit zu den Fak ten.

Stichwort: Entnahme aus der Rücklage. Ja, wir werden eine partielle Entnahme aus der Rücklage im Nachtragshaushalt vornehmen. Aber hierfür ist die Ursache ganz klar: Es sind die Mehrkosten, um die Unterbringung und vor allen Dingen die Integration der Menschen, die zu uns kommen, zu schultern. So steigen unsere Aufwendungen nach dem Landesaufnahme gesetz, wie es heute in der 1. Lesung eingebracht worden ist, auf 404 Millionen Euro. Im damaligen Doppelhaushalt, Herr Petke, hatten wir 175 Millionen Euro für das Jahr 2016 geplant.

Übrigens bräuchten wir nichts zu übernehmen, wenn uns der Bund bei der Bewältigung der Herausforderung der Flücht lingsunterbringung angemessen unterstützen würde. Aber er übernimmt leider nur 20 % aller Aufwendungen, die wir weg zutragen haben. 20 % entsprechen 100 Millionen Euro. Allein die Aufwendungen aus dem Landesaufnahmegesetz betragen also 404 Millionen Euro im Jahr - das erst einmal vorweg, da mit Sie das richtig eingenordet bekommen.

Meine Damen und Herren, so verlockend es klingt, einen kom pletten Überblick über das mögliche Sparpotenzial für den ge samten Landeshaushalt durch Benchmarkanalysen zu haben: In der Praxis sieht es leider anders aus. Die Schwierigkeiten stecken im Detail. Kein Flächenland - ob in Nord, Süd, Ost oder West - außer dem Saarland mit der Größe eines Stadt staates

(Wichmann [CDU]: Einnorden können Sie Ihre Partei, aber nicht unsere! Das musste ich mal festhalten! Das ist ein Sprachgebrauch!)

- Sie können sich gern ans Mikrofon begeben - hat ein solches Benchmark erstellt. Es ist nun nicht so, dass wir in Branden burg keine Benchmarkanalysen vorliegen hätten, sondern wir arbeiten mit ihnen und sie sind auch sinnvoll. Deshalb ist auch Ihr Antrag entbehrlich. Allein der Benchmark der KUK zeigt dies: Wir haben die Vergleiche von Schülerzahlen, Klassen, Lehrern, von Absolventen usw. usf. Nehmen wir doch einmal das Benchmark Schüler-Lehrer-Relation. Wir haben in Bran denburg mit heutigem Stand - da ist der Nachtragshaushalt noch nicht enthalten - eine Lehrer-Schüler-Relation von 1:14,0. Wir liegen damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 1:14,8. Wir sind also besser als die alten Bundesländer mit ih rem Durchschnitt von 1:15,1. In Berlin ist das Verhältnis 1:14,4, in Mecklenburg-Vorpommern 1:15,3 usw.

Für die Personalbedarfsplanungen gibt es ebenfalls eine Benchmark. In diesem Zusammenhang sind die Zielzahlen bei der Polizei verglichen worden. Allein mit dem heutigen Stand von 8 117 Polizistinnen und Polizisten hat Brandenburg eine Polizeidichte von 330 Polizisten pro 100 000 Einwohner. Der Bundesdurchschnitt beträgt 314. Sachsen, vergleichbar mit un serem Land, Grenznähe usw., hat 319 Polizisten je 100 000 Ein wohner. Darüber hinaus gibt es weitere Benchmark-Elemente: der 40 Seiten starke Fortschrittsbericht Ost, der Stabilitätsbe richt des Landes Brandenburg mit detaillierten Benchmarks wie Kreditfinanzierungsquote, Steuerzinsquote, Schuldenstand

je Einwohner, struktureller Finanzierungsaldo - alles grüne Ampeln! Wir gehören zu den Ländern, die seit Jahren in allen Bereichen eine grüne Ampel haben.

Vieles ist gesagt worden. Unabhängig von der Frage, ob die Benchmark nun bis zum 30.06. oder zum 01.09. durch Dritte erstellt werden soll, würde allein die europaweite Ausschrei bung dazu führen, dass wir erst im Herbst damit ankämen. Das ist jedoch nicht der Grund für die Ablehnung. Der Grund ist, dass Sie versucht haben, sich einen schlanken Fuß zu machen und uns zu unterstellen, wir würden keine erfolgreiche Haus haltspolitik betreiben. Gleichzeitig haben Sie - darin sind Sie Weltmeister - Mehrkosten und Mehrausgaben kreiert, ohne Vorschläge zur Gegenfinanzierung unterbreitet zu haben. Das ist Ihr Werk!

Wir sehen uns möglicherweise in vier Wochen, wenn der Nachtragshaushalt beraten wird. Ich bin gespannt auf Ihre Vor schläge, wie Sie den Haushalt für Brandenburg zu gestalten gedenken. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das Wort erhält noch einmal die einreichende Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Petke für die CDU.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Vogel sehr dankbar, dass er als Einziger auf die Aussagen des Landesrechnungshofes eingegangen ist - immer hin eine unabhängige Behörde, die den Finger hebt, wenn es notwendig ist. Aus Sicht der Regierungskoalition ist das ja nicht notwendig, aus Sicht des linken Finanzministers offenbar ebenfalls nicht.

Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Rot, die Wahrheit ist doch - das haben wir heute bei mehreren Tages ordnungspunkten gemerkt -: Die politischen Gemeinsam keiten Ihrer Koalition sind erschöpft. Sie sind politisch am Ende.

(Beifall CDU - Heiterkeit bei den Fraktionen SPD und DIE LINKE)

Uns wurde in der Bildungsdebatte plastisch vorgeführt, dass Sie sich bei ein und demselben Tagesordnungspunkt auf of fener Bühne so widersprechen, weil DIE LINKE offensichtlich die Absicht hat, den großen Koalitionspartner vorzuführen. Wenn es jetzt in einer vergleichsweise guten Situation, in der Geld vorhanden ist, darum geht, die notwendigen finanziellen Entscheidungen zu treffen, so scheuen Sie sich, weil Sie wis sen, dass das eine Belastung für Ihr rot-rotes Bündnis ist und Sie das im Zweifel nicht durchstehen werden.

Ich möchte, weil es ein faires Verfahren sein soll, auf die ein zelnen Punkte eingehen. Wenn gesagt wird, dass wir uns der Kommunalreform verweigerten, so ist mir neu, dass die über fällige Modernisierung der Landesverwaltung Bestandteil der Kommunalreform ist.

(Beifall CDU)

Von Ministerien und Landesämtern ist keine Rede, höchstens am Rande, wenn es um Aufgabenübertragung geht. Keine Re de davon, dass der Justizminister des Landes mit einem so klei nen Ministerium am Beginn der Legislaturperiode nichts Bes seres zu tun hatte, als eine zweite Staatssekretärsstelle mit Bü roleiterin, Fahrer usw. zu schaffen. Es werden nur Kosten pro duziert, politischer Nutzen für die Menschen in Brandenburg gleich null.

(Beifall CDU)

Zur Wahrheit gehört: Sie wollten die Enquetekommission zur Kommunalreform nicht. Es war die Opposition, die diese Re form gegen Ihren ausdrücklichen Willen durchgesetzt hat. In der SPD konnten sich damit mehr Abgeordnete anfreunden als in den Reihen der Linken. Ich erinnere mich. Ich war bei den Veranstaltungen dabei, Herr Dr. Scharfenberg. Sie haben den Text abgelehnt. Es war die Opposition, die mit ihrem Minder heitenrecht darauf gedrungen hat.

Zur Wahrheit gehört, dass die Menschen in Brandenburg da rauf warten, zu erfahren, was die Kommunalreform den betrof fenen Kreisen, den kreisangehörigen und kreisfreien Städten finanziell eigentlich bringt. Wir wissen es schlicht nicht. Zur Wahrheit gehört: Sie und Ihre Landesregierung wissen es auch nicht. Niemand weiß es.

(Beifall CDU)

Wenn Sie diese Reform - darin sind Sie ja begriffen - genauso unprofessionell angehen wie die Inklusion und die Polizeire form in der letzten Legislaturperiode,

(Senftleben [CDU]: Ich sage nur: Schulamtsreform!)

dann wird das Ganze wieder im Chaos enden und letztlich nur Geld des Steuerzahlers verbrennen. Das ist die Realität in Brandenburg.

(Beifall CDU und des Abgeordneten Galau [AfD])

Kollege Lüttmann, jetzt ist das Geld vorhanden, jetzt ist die passende Zeit. In der jetzigen Situation bietet es sich an, hinzu schauen. Wir können uns Gedanken über die mittel- und lang fristige Zukunft machen. Wir hatten einmal einen Ministerprä sidenten, der unter Rot-Schwarz, aber auch unter Rot-Rot deut lich gemacht hat, dass die mittel- und langfristige finanzielle Situation des Landes Reformbedarf nach sich zieht. Vom jet zigen Ministerpräsidenten habe ich solch eine Aussage nie ge hört. Er lebt in den Tag hinein. Das ist das Einzige, wozu Sie bei Rot-Rot noch Kraft finden: in den Tag hinein zu leben.

(Bischoff [SPD]: So ein Quatsch! Nehmen Sie erst ein mal an den Sitzungen teil und kommen Sie nicht immer nur zu Besuch!)

Langfristige Reformen, die diesen Namen verdienen - Fehlan zeige! Kollege Bischoff, die Realität wird Sie einholen!

(Beifall CDU, vereinzelt AfD sowie des Abgeordneten Schulze [BVB/FREIE WÄHLER Gruppe])