Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

(Zuruf: Die Hälfte!)

Die hier genannten Zahlen sind also mehr oder weniger will kürlich. Diese Nennung von Zahlen würde übrigens sofort auf hören, wenn wir eine Legaldefinition des Begriffs Massentier haltung hätten. Dann wäre vieles etwas einfacher.

Ich stelle aber auch ganz bewusst die Frage in den Raum: Wie so brauchen wir überhaupt einen Filtererlass, wie Sie ihn for dern? Im Bundes-Immissionsschutzgesetz und der zugehörigen Verordnung ist doch alles geregelt. Die zuständigen Behörden können bereits Filter vorschreiben.

Die AfD-Fraktion ist der Meinung, dass wir bereits eine ausrei chende gesetzliche Grundlage haben. Man müsste sich eher über die Grenzwerte für solche Anlagen und über deren Kon trolle näher unterhalten. Das greifen Sie in Ihrem Antrag auch auf, indem Sie die Gewährleistung einer ausreichenden Wirk samkeit der Abluftreinigungsanlagen fordern. Eigentlich ist das aber eine Selbstverständlichkeit - genauso wie die regelmä ßigen Kontrollen, die Sie verlangen. Aber wer soll das eigent lich kontrollieren - in einem Bundesland, in dem nicht einmal die Stelle des obersten Veterinärs besetzt ist?

Ich komme zu einem weiteren Punkt in Ihrem Antrag: Wegen der Bioaerosol-Problematik wollen Sie Gutachten verlangen. Haben Sie aber einmal darüber nachgedacht, wer diese Gut achten bezahlen soll? Sie kosten schließlich vierstellige Beträ ge!

Ich finde es auch problematisch, wenn Sie letztlich so tun, als wäre das mit den Filtern alles ganz einfach machbar. Weiter unten schreiben Sie dann, dass die obligatorischen Filter für große Anlagen in der Geflügelhaltung noch zu prüfen seien. Was denn nun? Funktionieren diese Anlagen oder funktionie ren sie nicht?

Die Kosten der Filterpflicht insgesamt haben Sie auch ausgespart. Also wer soll das letztendlich alles finanzieren? Wahr scheinlich die Betreiber, davon gehe ich zumindest einmal aus.

(Vogel [B90/GRÜNE]: Richtig!)

Aber wissen Sie, was dann passieren wird? Die Folge wird sein: Wir werden dann nur noch große Anlagen haben. Ich will nicht von Riesenanlagen sprechen, aber ich gehe von solchen Zahlen aus: 10 000 oder mehr Tiere werden sicher wirtschaft licher sein als weniger. Wieso wird das so sein? Weil sich nur noch der Betrieb solcher Anlagen rentieren wird und nur noch finanzkräftige Gesellschaften in der Lage sein werden, diese

Ställe überhaupt zu bauen. Nur sie werden das notwendige Ka pital aufbringen können, Filteranlagen für ein paar hunderttau send Euro zu installieren.

Auf der Strecke aber - das ist das, was wir alle nicht wollen - wird der kleine Bauer bleiben, der nicht solche Finanzkraft be sitzt. Wie soll er diese auch haben, wenn er 0,3 Cent am Ei verdient und die Milch für 52 bis 89 Cent pro Liter über die Ladentheke geht?

Mit derart nicht durchdachten Anträgen werden Sie das Pro blem eher nicht lösen, sondern es vielmehr verschlimmern. Große Betriebe können leichter neue Vorschriften und Kosten wegstecken als kleine. Ein kleiner Betrieb kann das nicht schaffen und wird früher oder später aufgeben müssen. Das kann nicht unserer Idee zugrunde liegen, eine neue oder besse re Landwirtschaft in Brandenburg zu installieren. Denn wir ha ben dann nur noch größere Anlagen - über die Anlagen der USA will ich jetzt gar nicht sprechen -, sie werden erheblich größer werden, und das will wirklich keiner von uns.

Ich gebe Ihnen aber Recht, dass wir ein Problem mit den Emis sionen derartiger Anlagen in der sogenannten - ich sage jetzt wieder das böse Wort mit dem M - Massentierhaltung haben. Aber es lässt sich nicht vermeiden. Wir haben keinen defi nierten Begriff für diese großen Anlagen.

Deshalb haben wir auch eine Überweisung an den Landwirt schaftsausschuss beantragt. Ich hoffe, dass wir dort das Pro blem noch einmal von allen Seiten beleuchten und eine Lösung finden können, die auch den kleinen Bauern gerecht wird. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Vo gelsänger.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte wieder einmal das Weltbild ein Stück geraderü cken, auch das Weltbild der Grünen. Wir haben im Land Bran denburg 5 400 landwirtschaftliche Betriebe; 70 % davon haben Tierhaltung. Wir haben kleine und große Betriebe, und mir ist jeder landwirtschaftliche Betrieb wichtig; mir ist wichtig, dass er in Brandenburg weiter existieren kann.

(Beifall SPD)

Deshalb muss man genau überlegen. Einige Vorredner - Frau Schwarzenberg sowie Herr Folgart und Herr Gliese - sind da rauf eingegangen, dass auch die kleinen Betriebe von solchen zusätzlichen Auflagen, vor allem nachträglichen Auflagen, be sonders betroffen sind. Es hängt auch nicht von der Anzahl der Tiere ab; es kann auch zu Konflikten kommen, wenn jemand nur 20 Schweine hält - und das mitten im Dorf. Dann wird es auch Belastungen und entsprechende Diskussionen geben.

Die TA Luft wird überarbeitet, und es ist damit zu rechnen, dass die Vorschriften verschärft werden. Das ist nun einmal bei einer Überarbeitung so. Wir müssen schauen, was dort zu ma

chen ist, wie wir hier das Gleichgewicht wahren, Mensch und Umwelt mehr zu schützen - das betrifft nicht nur Tierhaltungs anlagen, sondern auch industrielle Anlagen -, und dafür sorgen, über diesen Schutz bessere Lebensbedingungen zu schaffen, aber nicht dafür sorgen, dass die entsprechenden Betriebe ins Ausland abwandern. Daran kann niemand Interesse haben.

Ich komme zu Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Machen wir einen kleinen Ländervergleich; das ist hochinteressant. Die Tierbesatzdichte in diesen Ländern beträgt ein Vielfaches der des Landes Brandenburg. Damit sind dort erhebliche Belastungen verbunden. Das muss man hier deutlich sagen. Ein Landkreis in Nordrhein-Westfalen, der Kreis Borken, hat mehr Schweine als das gesamte Land Bran denburg. Im Bereich der Schweinemast hatten wir einen Rück gang von 2,8 Millionen Tieren zum Ende der DDR-Zeit auf jetzt 800 000. Insofern sind die Probleme in Nordrhein-Westfa len, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ganz andere, was die Tierbesatzdichte betrifft.

Wir können den Vergleich weiterführen. Das hören die Grünen immer ungern, weil dort grüne Landwirtschaftsminister im Amt sind: Diese drei Länder haben das Schlusslicht, was die Anteile des Ökobereichs betrifft. Herr Gliese ist auch Ökobau er und leistet hier in Brandenburg einen guten Beitrag in die sem Bereich.

(Beifall des Abgeordneten Folgart [SPD])

Wir können die Länder noch weiter vergleichen; sie haben auch eine Gemeinsamkeit. Es gibt Länder, die bei Neuinvestitionen in Tierhaltungsanlagen den höchsten Standard ansetzen wollen. Das sind Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Nie dersachsen. Diesem Beispiel ist als viertes Bundesland Bran denburg mit der Premiumförderung gefolgt. Ich halte das für eine richtige, eine gute Entscheidung des Landes Brandenburg.

(Beifall des Abgeordneten Folgart [SPD])

Man sollte überlegen, was man tut. Wir werden dieses Thema selbstverständlich weiter ernst nehmen. Aber man muss auch eines sagen: Wir sind jetzt kurz vor den Weihnachtsfeiertagen. Die Präsidentin oder der Präsident wird Ihnen frohe Weihnach ten wünschen, davon gehe ich schon einmal aus; ich tue das natürlich auch. Das Weihnachtsfest wird mit einem Gabentisch verbunden sein. Dazu gehört dann der Mittagstisch, und einige hunderttausend Enten, Puten und Gänse gehören mit dazu. Diese müssen irgendwo produziert werden. Am besten werden sie dort produziert, wo es hohe Standards gibt, was das Tier wohl, aber selbstverständlich auch, was Umweltbedingungen betrifft. Daran werden wir auch in Brandenburg arbeiten, ins besondere auch mit der Premiumförderung für Tierhaltungsan lagen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort erhält noch einmal die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Kollege Raschke, bitte schön.

Ich versuche, auf die drei oder vier wichtigsten Punkte einzu gehen. Herr Folgart hat gesagt, wir hätten kein flächende

ckendes Problem. Die Frage ist: Was ist flächendeckend? Wir haben einmal überschlagen: Es müssten etwa 100 Betriebe sein, die davon eventuell betroffen sind. 100 Betriebe, das heißt wahrscheinlich 100 Orte. Das ist ein sehr großes punktu elles Problem. Ich denke, dass jeder Bürger und jede Bürgerin an diesen 100 Orten es auch verdient hätte, dass er oder sie or dentlich geschützt ist.

(Beifall B90/GRÜNE)

Herr Gliese hat gemeint, wir träfen auch kleine Anlagen. Ich versuche dies einmal geradezurücken. Unser Antrag zielt hauptsächlich auf große Anlagen. Natürlich muss man sagen: Wenn es kleine Anlagen gibt, deren Emissionen deutlich über den Grenzwerten liegen, muss man etwas tun. Genau dafür, Herr Gliese, sind Grenzwerte da. Wenn sie überschritten sind, muss man handeln. Deswegen kann es aus meiner Sicht Aus nahmen geben, wenn auch kleine Betriebe betroffen sind. Das sollten aber wirklich nur Ausnahmen sein.

Ein dritter Punkt: Frau Schwarzenberg hat gesagt, welche Fol gen die Ausrüstung mit den Filtern hat, und auf die kleinen Be triebe abgestellt. Natürlich kann es, wie gesagt, passieren, dass kleine Betriebe deutlich über dem Grenzwert liegen. Dann sind wir in der Verantwortung, etwas zu tun. Hier könnten Filter ei ne gute Möglichkeit sein. Sollte dies für die kleinen Betriebe zu teuer sein, kann ich mir vorstellen, wenn wir an einem Leit bild Landwirtschaft arbeiten und sagen, dass uns die kleinen Betriebe besonders wichtig sind - nicht, wie Herr Vogelsänger gerade gesagt hat, dem jeder Betrieb gleich wichtig ist - und bevorzugt werden, dass ein Minister dafür eine Förderung aus reicht.

Letzter Punkt: Reicht aus, was wir bisher haben? Es geistert ja immer das Argument herum: Wir haben gute Gesetze, wir hal ten uns daran. - Wir haben gerade vom Minister noch einmal etwas über die Premiumförderung gehört. Premiumförderung heißt - ich will es wiederholen, Sie erinnern sich vielleicht an den Bildschirm und die vielen Tiere, die auf den Bildschirm passen - in Brandenburg, wenn wir über Hühner reden: 16 Hühner pro Quadratmeter. Das ist nicht das, was sich der Verbraucher vorstellt, wenn er Eier kauft.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Sehr gern, wenn ich hinterher dort anschließen könnte, wo ich gerade war.

Die Zwischenfrage bezieht sich auf die kleinen Betriebe. Das, was wir mehrfach gehört haben, was ich auch ins Feld geführt habe, war des Öfteren auch ein Argument gegen die Filteranla gen.

Jetzt ist meine Frage: Sie sprechen von Ausnahmen. Woran machen Sie Ausnahmen für kleine Betriebe, ob sie von einer solchen neuen Regelung betroffen sind oder nicht, fest? Sie würden damit eine Ungerechtigkeit schaffen. Wie würden Sie das gerecht auf diese kleinen Betriebe verteilen?

Die Grundidee ist: Jeder größere Betrieb sollte Filter einfüh ren. Jeder kleinere Betrieb, der über den zulässigen Grenz werten liegt, muss es auch tun. Wir gehen davon aus, dass die meisten Landwirte diese Grenzwerte einhalten. Deswegen sollte es tatsächlich die Ausnahme bleiben.

Zurück zum Thema: Reichen die bisherigen Gesetze aus? Schon die Debatte um die Premiumförderung zeigt, dass sie nicht ausreichen. Es war im Gespräch, dass die TA Luft verbes sert, also verschärft wird. Ich glaube, Herr Minister Vogelsän ger, dass sie nicht in dem Sinne verschärft wird und Grenz werte eingehalten werden, wie das unsere Filterregelung tun würde. Wenn Sie dazu anderer Meinung sind, lasse ich mich gern davon überraschen, dass Brandenburg solche Verschär fungsanträge auf Bundesebene einbringt. Wir werden uns das genau anschauen. Sie werden unseren Antrag heute ablehnen. Wenn Sie diese Verschärfung auf Bundesebene nicht einfüh ren, kommen wir mit einem neuen Antrag. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstim mungen.

Die AfD-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags auf Drucksache 6/3149 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Einführung einer Filterpflicht für große Tierhaltungsanlagen zum Schutz von Mensch und Umwelt“, an den Ausschuss für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft. Wer möchte diesem Überweisungsantrag zustimmen? - Gibt es Ge genstimmen? - Stimmenthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Überweisungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe den Antrag auf Drucksache 6/3149 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Einführung einer Filterpflicht für große Tierhaltungsanlagen zum Schutz von Mensch und Umwelt“ in der Sache auf. Wer möchte diesem Antrag zustim men? - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungs punkt 6 auf:

Elftes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Polizeigesetzes

Gesetzentwurf

der Landesregierung

Drucksache 6/2326

2. Lesung