Protokoll der Sitzung vom 17.12.2015

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales

Drucksache 6/2962

Die Aussprache wird von der SPD-Fraktion eröffnet. Herr Ab geordneter Kosanke, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Änderung des Polizeigesetzes, die wir heute vor uns haben, handelt es sich nicht um eine schwerwiegende inhaltliche Än derung, weil die Befugnisse, um die es heute geht, in diesem Polizeigesetz schon seit vielen Jahren enthalten sind. Heute geht es darum, dass die Befristung für diese Befugnisse dauer haft entfällt und diese Befugnisse für die Arbeit unserer Polizei in Brandenburg auch in Zukunft bestehen.

Es geht darum, Handys zu orten und Kennzeichen automatisch zu erfassen. Das sind Dinge, die heute technisch möglich sind. Sie gewährleisten, dass unsere Polizei auch in größerem Maße davon Gebrauch macht. Sie hat es bisher in größerem Maße nicht getan. Regelmäßige Überprüfungen und Evaluationen so wie entsprechende Nachfragen haben ergeben, dass die Bran denburger Polizei mit diesen freiheits- und grundrechtsein schränkenden Maßnahmen sehr verantwortungsbewusst umge gangen, sehr mit Maß an die Sache herangegangen ist und dass die Maßnahmen in den Fällen, in denen sie benutzt worden sind, auch geholfen haben.

Heute geht es darum, der Polizei zu sagen, dass sie dieses Instrument mit Maß benutzt hat, dass sie es verantwortungsvoll genutzt hat und wir deswegen kein Verfallsdatum mehr in diese Regelung schreiben, sondern sagen: Solange ihr diese Instru mente mit Maß und Richtung benutzt, könnt ihr es tun. - Natür lich ist der Landtag immer in der Lage, ein Polizeigesetz zu ändern. Sollten wir feststellen, dass die Brandenburger Polizei in irgendeiner Art und Weise die Befugnisse, die sie hat, zu Un recht oder im Übermaß benutzt, würde dieser Landtag - da bin ich mir ganz sicher - auch entsprechend hart reagieren.

Wir haben noch eine Änderung zu dem Änderungsvorschlag der Landesregierung vorgeschlagen und gesagt, dass bei der jährlichen Berichtspflicht, die es bisher gab, der Adressat geän dert wird. Bisher ging der Bericht der Polizei, der Bericht des Ministeriums über die Verwendung dieser Maßnahmen an den Innenausschuss. Künftig, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden Sie alle in den Genuss kommen, zu hören, ob und inwieweit die Polizei des Landes Brandenburg von diesen Maßnahmen Gebrauch gemacht hat. Sie können sich dann gemeinsam mit den Innenpolitikern ein Bild davon machen, ob dies - davon ge he ich aus - mit Verantwortung und Augenmaß geschehen ist. Dazu gab es eine entsprechende Mehrheit im Innenausschuss.

Ich kann Sie nur ganz herzlich bitten, dieser Empfehlung zu folgen, um die Polizei in die Lage zu versetzen, weiter für Si cherheit und Ordnung in diesem Land Sorge zu tragen. Ich glaube, dass wir dazu auf einem guten Weg sind. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Danke. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Lakenmacher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war im Jahre 2006, als von den damaligen Regierungsfraktionen CDU und SPD die Standardmaßnahmen zur Datenerhebung durch Ein

griffe in die Telekommunikation und zur anlassbezogenen au tomatischen Kennzeichenfahndung beschlossen wurden.

Kollege Kosanke hat es gerade erwähnt: Heute entfristen wir diese Maßnahmen und Vorschriften, die damals von der Links fraktion abgelehnt worden waren. Warum tun wir das? Die da mals seitens der Linkspartei beschworenen Orwell’schen Hor rorszenarien haben sich alles andere als erfüllt.

Die Standardmaßnahmen haben sich bewährt, und die Polizei hat gezeigt, dass sie damit sehr verantwortungsvoll umgeht. Die Evaluation der Datenerhebung durch die Landesregierung hinsichtlich der Eingriffe in die Telekommunikation schließt sich an die bereits erfolgte wissenschaftliche Evaluation des Max-Planck-Instituts in den Jahren 2009 und 2010 an. Bei spielsweise beschränkt sich die Standortermittlung eines Mo bilfunkendgerätes auf punktuelle Einsätze, maximal vier je Kalenderjahr. Mit anderen Worten: Die Handyortung hat sich bewährt.

Die Eingriffsbefugnisse sind hierbei gesetzlich auf schwerwie gende Gefahrenlagen beschränkt und unterliegen dem Richter vorbehalt. Die Einsätze im Bereich der anlassbezogenen auto matischen Kennzeichenfahndung haben sich nach einem deut lichen Anstieg wieder erkennbar abgeschwächt und sind seit dem stabil, mit leicht fallender Tendenz. Diese Maßnahme hat sich insbesondere bei der Bekämpfung schwerer und organi sierter Kriminalität - zum Beispiel Rockerkriminalität - be währt. Deshalb ist durch die Aufhebung der Befristung gemäß § 90 Brandenburgisches Polizeigesetz keine grundlegende Ver änderung der Polizeipraxis zu erwarten.

Die Berichtspflichten, die schon vom Kollegen Kosanke be nannt wurden, garantieren im Übrigen die regelmäßige Kon trolle der Polizeipraxis durch den Gesetzgeber, die Landesbe auftragte für den Datenschutz und natürlich auch durch die Öffentlichkeit.

Darüber hinaus sollte von dem Nichteintritt einer bestimmten Gefahrenlage innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht zwingend auf die generelle Verzichtbarkeit einer entspre chenden Regelung geschlossen werden.

Meine Damen und Herren, die Datenerhebung durch Eingriffe in die Telekommunikation und die anlassbezogene automa tische Kennzeichenfahndung wurden von einem Anzuhörenden in der Anhörung als teilweise verfassungswidrig bezeichnet, weil die Grenze zur polizeilich repressiven Tätigkeit über schritten werde und es an der Normenklarheit und -bestimmt heit fehle. Aus unserer Sicht, der Sicht der CDU-Fraktion, ist der Kettenverweis auf Vorschriften, die auf Straftatbestände verweisen, unschädlich, weil die Gefahrenabwehr und die Ab wehr möglicher Straftaten mithin keine Strafverfolgung ist. Deshalb ist dieser Bereich nicht abschließend durch die Straf prozessordnung geregelt und kann vom Landesgesetzgeber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgefüllt wer den, und das wird er in diesem Falle tun.

In Zukunft geht es darum, ob die Eingriffsbefugnisse und Zu griffe auf Daten der Telemedienanbieter wegen der deutlichen Zunahme des Diebstahls von Kfz auf die Fahndung nach ent wendeten Kfz erweitert werden können.

Meine Damen und Herren, abschließend bleibt zu sagen: Die Menschen haben ein Recht auf innere Sicherheit in Branden

burg - überall, ob in den Städten oder in ländlichen Gebieten. Die Vorschriften stellen eine klare und, wie erwiesen, notwen dige Rechtsgrundlage für die Polizistinnen und Polizisten dar, damit sie ihren Dienst zum Schutz der Brandenburgerinnen und Brandenburger verrichten können. Deshalb werden wir dem Antrag heute zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht nun der Abgeordnete Dr. Scharfenberg zu uns. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behandlung des vorliegenden Gesetzentwurfs im Ausschuss für Inneres und Kommunales hat bestätigt, dass Änderungen im Polizeigesetz meist mit Kontroversen verbunden sind. Schließlich geht es dabei einerseits um die Befugnisse der Polizei, die es ihr über haupt erst ermöglichen, für öffentliche Sicherheit zu sorgen. Andererseits geht es darum, wie weit die persönlichen Rechte der Bürger eingeschränkt werden dürfen, um die Handlungsfä higkeit der Polizei zu sichern. Genau dieser Konflikt zwischen Sicherheit und persönlicher Freiheit spiegelt sich zugespitzt in den besonderen Eingriffsbefugnissen der Polizei - der Erfas sung der Telekommunikation und der automatischen Kennzei chenerfassung - wider, die mit diesem Gesetz entfristet werden sollen.

Dies ist keine neue Diskussion, sondern etwas, was den Land tag in der Vergangenheit grundsätzlich und wiederholt beschäf tigt hat. Deshalb hat es mehrfach Befristungen und auch das hier beschriebene wissenschaftliche Begleitprogramm gege ben.

Wir haben es uns auch diesmal nicht leicht gemacht. In der An hörung im Innenausschuss sind Argumente für die Entfristung genannt worden, so von den Vertretern der Polizeigewerk schaften und von Vertretern des Max-Planck-Instituts. Es ist auch für eine weitere Verlängerung der Befristung geworben worden, so von Prof. Arzt aus Berlin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns nach Abwä gung für die Entfristung entschieden. Dafür war entscheidend, dass die Polizei seit der Einführung der automatischen Kenn zeichenerfassung und der Handyortung sehr verantwortungs bewusst mit der Anwendung dieser Maßnahmen umgegangen ist. Die Entfristung ist auch Ausdruck des Vertrauens in das verantwortungsvolle Handeln der Brandenburger Polizei. Das soll jedoch kein blindes Vertrauen sein. Deshalb haben die Ko alitionsfraktionen vorgeschlagen, dass der jährlich zu erstel lende Bericht über diese besonderen Maßnahmen nicht nur - wie es in den vergangenen Jahren der Fall war - dem Innenaus schuss, sondern künftig dem Landtag vorzulegen ist. Das ist natürlich eine erhebliche Aufwertung des Berichts und hat, wie meine Vorredner gesagt haben, zur Folge, dass sich der Land tag insgesamt mit dieser Frage befasst.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu dieser Änderung und zu dem Gesetzentwurf. - Danke.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Jung zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Zeiten gestiegener Terrorgefahr scheint mir die hier geführte Debatte um Entfristungen von ohnehin sehr restriktiv gefassten Brandenburger Polizeigesetzen als in der Sache beinahe über holt.

Nach den Untersuchungen des Max-Planck-Instituts sehe ich wissenschaftlich fundiert, was ich schon vorher gesagt habe: In den Zeiten, in denen wir leben, brauchen wir jedes Mittel einer effektiven Überwachung.

Angesichts der Bedrohungen sollten alle Möglichkeiten - streng nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit - angemessen häufig und intensiv genutzt werden.

Die hier vorliegende Entfristung befürworten wir. Wie sich in der Debatte des Innenausschusses gezeigt hat, gibt es Beden ken von manchen Seiten. Diese Regelungen haben sich aber bewährt. Ich glaube, die überwiegende Mehrheit hier im Hause teilt diese Ansicht.

Wir befürworten die Entfristung und werden dem Gesetz zu stimmen. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun die Abgeordnete Nonnemacher zu uns.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Den von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeigesetzes lehnen wir Grünen ab. Durch ihn sollen zwei besonders grundrechtsintensive Maßnahmen entfristet und verstetigt werden, nämlich Eingriffe in die Telekommuni kation und die automatisierte Kfz-Kennzeichenfahndung. Die Eingriffe sind deshalb so erheblich, weil sie wesentliche Grundrechte wie das Grundrecht auf Datenschutz tangieren und eine große Anzahl Personen von ihnen betroffen ist.

Die Brandenburger Polizei geht mit ihren Eingriffsbefugnissen sehr behutsam und zurückhaltend um. Das belegen die jähr lichen Berichte über die Anwendungspraxis des Polizeige setzes und das wurde auch in der Anhörung zum Gesetzent wurf noch einmal deutlich. Ich freue mich über diesen verant wortungsbewussten Umgang und finde, die Brandenburger Polizei verdient hierfür unser Lob. Aus diesem maßvollen Um gang muss sich aber keine Generalerlaubnis ableiten lassen.

Die Landesbeauftragte Frau Hartge hat uns in der Anhörung zum Gesetzentwurf ihre aus datenschutzrechtlicher Sicht er heblichen Zweifel am Festhalten an bestimmten Eingriffsbe fugnissen nach einem mehrjährigen Nichtgebrauch mitgeteilt. In der Tat ist es so, dass nur von bestimmten Maßnahmen Ge

brauch gemacht wird, und dies fast ausschließlich zum Auffin den suizidgefährdeter oder vermisster Personen. So wurde aus weislich der jährlichen Berichte des Ministeriums in den ver gangenen acht Jahren im Bereich der präventiven Eingriffe in die Telekommunikation lediglich von der Maßnahme der Standortermittlung eines Mobiltelefons Gebrauch gemacht, und dies überwiegend - in 21 von 23 Fällen - zum Auffinden vermisster oder suizidgefährdeter Personen. Die präventive Kfz-Kennzeichenfahndung wurde ebenfalls weit überwiegend zum Auffinden gefährdeter Menschen eingesetzt: in 529 von 596 Fällen.

Wir haben daher im Innenausschuss einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem wir die Eingriffsbefugnisse auf genau diese Notfälle, für die sie auch gebraucht werden, beschränken. Unser Vorschlag wurde von den Polizeirechts- und Daten schutzexperten in der Anhörung bestätigt. Frau Hartge sprach sich zum einen für unsere Lösung, nämlich für die Streichung bestimmter Eingriffe in die Telekommunikation, und zum an deren für eine erneute Befristung der Maßnahmen aus.

Prof. Arzt hielt unsere Lösung nicht nur aus Sicht des Grund rechteschutzes für vorzugswürdig, sondern auch deshalb, weil die aktuelle Gesetzeslage, die durch den Gesetzentwurf der Landesregierung beibehalten bleibt, verfassungsrechtlich nicht tragbar sei. Er verwies darauf, dass die zu entfristenden Rege lungen aktuell eine Fülle von Auslegungs- und Anwendungs problemen in sich bergen. Insbesondere die Vorschrift zur KfzKennzeichenfahndung widerspreche grundlegenden Anforde rungen an die Normenbestimmtheit und Normenklarheit und sei daher als verfassungswidrig einzustufen.

Vor diesem Hintergrund halte ich es für zu kurz gegriffen, allein auf die behutsame Anwendung der Normen durch die Polizei zu verweisen oder wie Dr. Kilchling vom Max-Planck-Institut da rauf zu verweisen, dass die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ja von der Richterin oder dem Richter überprüft werde. Wir als Gesetzgeber sollten uns die Ziele etwas höher stecken und dafür sorgen, dass nicht nur die Anwendung, sondern auch die Ge setze verhältnismäßig und verfassungskonform sind.

Genauso wie ich unseren Polizeibeamtinnen und -beamten und unseren Richterinnen und Richtern vertraue, sollten Sie auch uns, dem Gesetzgeber, vertrauen können: dass wir nämlich or dentliche Gesetze machen. Ich bedauere, dass unser klar for mulierter Gesetzesvorschlag im Ausschuss abgelehnt wurde. Der von den Koalitionsfraktionen dort eingereichte Änderungs antrag, der lediglich bezweckt, dass die Berichtspflicht zum Polizeigesetz nun nicht mehr gegenüber dem zuständigen Aus schuss, sondern gegenüber dem Landtag besteht, verkennt das Problem und ist ein untaugliches Trostpflaster.

Dem Gesetzentwurf samt Beschlussempfehlung stimmen wir daher nicht zu, und ich denke, es ist gut, dass es in diesem Haus, das Grundrechtseingriffe unisono gut findet, wenigstens eine grüne Opposition gibt, die sich für Bürgerrechte und Da tenschutz besonders einsetzt.

(Beifall B90/GRÜNE - Lachen bei der AfD)

Vielen Dank. - Die Gruppe BVB/FREIE WÄHLER hat Rede verzicht erklärt. Damit erhält jetzt Herr Minister Schröter für die Landesregierung das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordnete! Bei der 1. Lesung des Gesetzentwurfs im Septem ber habe ich Ihnen anhand von statistischen Daten geschildert, wie wichtig die polizeilichen Befugnisse zur Telekommunika tion und zur Kennzeichenfahndung sind. Ich habe Ihnen auch geschildert, wie sensibel die Polizei mit diesen Befugnissen umgeht. Sie nutzt sie - wie bereits gesagt - ganz überwiegend, um vermisste oder suizidgefährdete Menschen aufzuspüren. Sie nutzt sie in der Regel also, um Menschenleben zu retten.

Bislang beschränkte sich die Polizei dabei auf die Ortung von Handys und die Fahndung nach Kennzeichen. Sie hat bislang weder in Telefonverbindungen eingegriffen noch die spezi fische Kennung von Mobiltelefonen ermittelt. Das veranlasste nun einige Abgeordnete der Opposition zu der Forderung, die se Möglichkeiten ersatzlos zu streichen, da sie ja offensichtlich nicht gebraucht würden. Dies jedoch ist ein Irrtum; das zeigen allein die vergangenen Wochen.