(Heiterkeit SPD - Lachen des Abgeordneten Königer [AfD] sowie Zuruf: Guter Witz! - Zuruf von der AfD: Wir werden Sie daran erinnern, wenn es so weit ist!)
Ich versuche es trotzdem. - Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gäste haben wir auch noch - herzlich willkommen!
Mit unserem Antrag fordern wir heute die Fortschreibung des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms ein. Sie werden vielleicht sagen: Das haben wir jetzt jahrelang gemacht, nun muss es auch mal gut sein! - Ich will nicht hoffen, dass von den Kollegen jemand so denkt.
Andere werden denken: Na, das ist doch selbstverständlich, da müssen und werden wir weitermachen! - Aber, das sage ich Ih nen, nicht alles, was selbstverständlich ist, funktioniert auch automatisch. Da muss man dranbleiben, schieben, drücken, ziehen, damit es weitergeht.
Die Interessierten unter Ihnen werden noch wissen, dass nach der Landtagswahl 2009 im Koalitionsvertrag die Ausarbeitung eines Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms beschlos sen wurde. Am 8. März 2011, dem 100. Internationalen Frau entag, wurde es für die Jahre 2011 bis 2014 in Kraft gesetzt.
Was Sie vielleicht nicht wissen, ist, dass wir damit nach Berlin erst das zweite deutsche Bundesland waren, das seine Frauen- und Gleichstellungspolitik in dieser Form - also als Landespro gramm mit Maßnahmenkatalog - auf den Weg gebracht hat. Andere Bundesländer wie Hamburg und Niedersachsen folgten, weil auch sie erkannten, dass auf diesem Wege am ehesten Erfolge in der Gleichstellungspolitik zu erreichen sein werden.
Ehe ich nun auf die Notwendigkeit der Fortschreibung zu spre chen komme, muss ich auf das Programm selbst und seine Wir kung eingehen. Dieses Programm sollte die Geschlechterge rechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen und Politik feldern voranbringen und helfen, strukturelle geschlechtsspezi fische Benachteiligungen abzubauen. Es geht um gleiche Chancen für Frauen und Männer, Mädchen und Jungen in allen Lebensphasen, um ein faires Verhältnis der Geschlechter. Da Sie, meine Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, fortschritt lich und im Hier und Jetzt leben, wissen Sie, dass eine aktive Gleichstellungspolitik alle Lebensbereiche des modernen, vor- und nachsorgenden Sozialstaates entscheidend mitprägt. Die Gewährleistung von Schutz, Beteiligung, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit gibt Frauen wie Männern die notwendige Sicherheit. Darum ist Gleichstellungspolitik eine zentrale Vo raussetzung für die Überwindung sozialer Ungleichheiten und ein wichtiger Standortvorteil im Wettbewerb der Regionen.
Nun konkret zum Programm: Es besteht aus drei Teilen. Es existiert ja nach wie vor, auch wenn es zeitlich bereits abge laufen ist. Teil I ist das Gleichstellungspolitische Programm der Landesregierung Brandenburg und beinhaltete die Pro grammatik für die Legislaturperiode. Es formulierte Ziele und Handlungsschwerpunkte, und zwar politikfeldübergreifend - es ist entscheidend, dass alle Ministerien davon betroffen sind. Dabei wurden Gruppen mit besonderen Bedarfslagen berück sichtigt, zum Beispiel Alleinerziehende, Ältere oder Zugewan derte.
Wesentliche Ziele des Programms waren die Veränderung von Rollenbildern, Geschlechtergerechtigkeit in der Gesundheit, die Förderung von Chancengleichheit in Bildung, Ausbildung, Studium und beim Berufsübergang, die Sicherung gleicher Er werbschancen von Frauen und Männern - die Betonung liegt auf „gleicher“ -, eine Balance von Arbeit, Familie und Frei zeit - auch für Männer -, die Förderung der Partizipation von Frauen - zum Beispiel in der Politik -, die Verbesserung der Lebensqualität in den ländlichen Räumen sowie die Stärkung von Kooperationen und Netzwerken.
Teil II enthält das Maßnahmenpaket der Landesregierung mit dem Titel „Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit“. Dieser Teil enthält in 76 Maßnahmen konkrete Schritte zur Er reichung der genannten Ziele.
Teil III, ein besonders wichtiger Teil, umfasste die Fortschrei bung des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder. Der Aktionsplan wurde 2001 von der damaligen Landesregierung erstellt und in den Jahren 2006, 2009 und 2011 überprüft und weiterentwickelt. Dieser Plan zur Bekämpfung von Gewalt gliedert sich in sieben Hand lungsfelder, von Prävention und Öffentlichkeitsarbeit bis zu Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt. Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt: ein gerade sehr aktuelles, aber auch ein uraltes und in den weitaus meisten Fällen häusliches Thema. 45 konkrete Maßnahmen sind in Teil III aufgelistet.
Das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm sollte eine Plattform bieten, auf der neue Aktivitäten angestoßen und be reits laufende effektiv aufeinander abgestimmt werden. Die Frage ist, ob und wie das nun gelungen ist. Im Jahr 2014 zog die damalige Landesgleichstellungsbeauftragte Sabine Hübner eine Zwischenbilanz dieses umfassenden Programms, und zwar anhand der konkret geplanten Maßnahmen. Darauf stüt zen wir uns nun.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel vortragen, mit dem Sie in dieser Bilanz wahrscheinlich nicht rechnen würden. Sie erinnern sich an das politische Ziel der Geschlechtergerechtigkeit in der Ge sundheit. Ich zitiere aus dem Resümee von Frau Dr. Bargfrede, Geschäftsführerin der Landesarbeitsgemeinschaft Onkologische Versorgung Brandenburg e. V.:
„Es mag in diesem Kontext paradox klingen, aber Gleich stellung in der Gesundheit heißt unter anderem, bestehen de Unterschiede zu berücksichtigen. Zum Beispiel neh men Frauen deutlich häufiger Angebote zur Krebsfrüher kennung in Anspruch. Um mit unseren Angeboten mehr Männer zu erreichen, müssen wir sie anders und gezielter ansprechen.“
Sie ahnen es vielleicht: Es geht um Öffentlichkeitsarbeit und Früherkennungsmaßnahmen bei Darmkrebs, von dem Männer ab 50 Jahren besonders häufig betroffen sind. Hier sind schon große Erfolge erzielt worden, nämlich eine Halbierung der Zahlen. Die Initiative der Landesarbeitsgemeinschaft Onkolo gische Versorgung Brandenburg zur Prävention von Darm krebs wurde durch unser Rahmenprogramm unterstützt. Das ist, wie ich finde, eine Maßnahme, die man hier zunächst eher nicht vermutet hätte.
Ein anderes Beispiel, das ich nennen möchte, ist die Gewalt gegen Frauen. 35 % der deutschen Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden im Jahr 2013 im Land Brandenburg 3 843 Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt registriert - eine unvorstellbare Menge. Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder ist seit Jah ren Schwerpunkt der Frauen- und Gleichstellungspolitik in Brandenburg. Ich glaube, ich sage nicht zu viel, wenn ich da rauf hinweise, dass wir hier ganz neu denken müssen, wenn wir an die Flüchtlingsfrauen, die Migrantinnen denken, die jetzt in dieses Programm aufgenommen werden müssen - auch das gehört dazu. Jedenfalls waren es viele Maßnahmen, die man hier nicht alle aufzählen kann. Ja, es wurden Erfolge er zielt, es ging voran, aber vieles kann eben noch verbessert wer den.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen allen wird klar sein, dass diese Aufgaben nie fertig und erledigt sein werden; eine Fortschreibung ist unabdingbar. Es muss neue Maßnah menkataloge geben, die Ergebnisse des Vorgängerprogramms müssen selbstverständlich einfließen, die Erarbeitung eines Leitbildes nach dem Vorbild anderer Bundesländer wird emp fohlen - das hatten wir bisher nicht -, und ein breiter Beteili gungs- und Kommunikationsprozess, begleitet durch gute Öf fentlichkeitsarbeit, soll erfolgen. Besondere Berücksichtigung und Unterstützung sollen unsere kommunalen Gleichstellungs beauftragten erhalten. All das können Sie in unserem Antrag nachlesen.
Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Durch meine Ausführungen werden Sie zweifellos erkannt haben, dass auf dem Gebiet der Gleichstellung immer noch große Aufgaben vor uns liegen, die wir durch viele einzelne Maßnahmen in un serem täglichen Leben bearbeiten und erledigen wollen und müssen. Daher bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 19. November 2015 lag uns ein Antrag der Koalitionsfrak tionen zur Fortschreibung des Behindertenpolitischen Maßnah menpaketes vor. Im Dezember 2015 haben wir dann über die Fortschreibung des Seniorenpolitischen Maßnahmenpaketes gesprochen,
und - wen überrascht es? - jetzt im Januar sprechen wir über die Fortschreibung des Gleichstellungspolitischen Maßnahmen paketes.
Wissen Sie was? Ich habe geahnt, dass der Antrag kommt. Ich hatte sogar schon überlegt, ob ich meiner Fraktion empfehle, den Antrag selbst zu stellen.
Nun gut, wir behandeln jetzt einen Antrag der Koalitionsfrakti onen. Worüber sprechen wir? Ina Muhß hat es schon ausgeführt: Das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm für Branden burg war für den Zeitraum 2011 bis 2014 konzipiert. Die Eva luierung sollte im Umsetzungsprozess durch die Träger und Projekte erfolgen. Die Evaluierung des Gesamtprogramms war zum Ende der Laufzeit entsprechend der im Maßnahmenpaket dargestellten Indikatoren und der dann vorliegenden Projektbe richte vorgesehen. Eine Zwischenbilanz erfolgte im Jahr 2014. Diskutiert wurde darüber auch in der Sitzung des damaligen Ausschusses für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie am 13. Juni 2014. - So viel zur Allgemeinhistorie.
Diese geht aber noch weiter, denn wir haben am 8. Juni 2015 eine mündliche Anfrage meiner Kollegin Frau Bader hier im Plenum behandelt. Sie hat eine Frage zum Gleichstellungspoli tischen Rahmenprogramm gestellt, die die Ministerin unter an derem wie folgt beantwortet hat:
„In Absprache mit allen Ressorts der Landesregierung wurde der Fortschreibungsprozess bereits eingeleitet. Er ist breit angelegt und partizipativ ausgestaltet.... Den Auftakt wird eine Veranstaltung am 24.07.2015 bilden.... Diesen anspruchsvollen Kommunikationsprozess werden
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich das also richtig in terpretiere, fordern Sie die Landesregierung heute dazu auf, aktiv zu werden, obwohl die Ministerin es laut eigener Aussage seit sechs Monaten sogar schon ist. Das muss ich nicht verste hen. Die Antwort im Plenum war für mich übrigens auch der Grund, warum wir den Antrag nicht selbst eingereicht haben. Wahrscheinlich wollten Sie nur noch einmal darüber reden. Manchmal genießt man es, bestimmte Dinge immer wieder zu thematisieren. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Erhöhung des Landespflegegeldes, die wir allein im vergange nen Jahr dreimal debattiert haben.
Sehr geehrte Damen und Herren! Unabhängig von der Entste hungspraxis, liebe Ina, liebe Frau Bader, im Inhalt, in der Rich tung machen Sie es mir schwer, hier freche Gegenreden zu hal ten, denn da stimmen wir überein. Eine Fortschreibung der Maßnahmen und insbesondere des Landesaktionsplanes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder begrü ßen wir natürlich ausdrücklich. Gerade wenn wir von Gewalt gegen Kinder erfahren, sind wir zutiefst erschüttert. Gewalt ge gen Frauen hat viele Gesichter, findet oft im Verborgenen statt. Auch hier sind wir völlig einer Meinung, dass das nicht tole rierbar ist. Alle sind dazu aufgerufen, nicht wegzuschauen, wenn Frauen oder Kinder Opfer von Gewalt werden.
Frauenpolitik bedarf eines starken Fundaments. Dazu gehören auch die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die be fürchten, in der Diskussion um die Kommunalreform noch schlechtere Karten als bislang zu erhalten. Ich erinnere in dem Zusammenhang auch daran, dass ich vergangenes Jahr eine kleine Anfrage zur Situation der kommunalen Gleichstellungs beauftragten gestellt habe. Frau Bader, Frau Nonnemacher, Sie nicken, wir haben uns oft darüber ausgetauscht. Es war leider nicht möglich, eine Information zu erhalten, wie die Situation in den Landkreisen aussieht. Laut Kommunalverfassung ist die Situation der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten nicht berichtspflichtig, also wissen wir nicht, wie viele Aufgaben sie nebenbei erfüllen. Um ihren Job als Vollzeitjob auszuführen, erfüllen sie oft mehrere Aufgaben.
Ich sehe Frau Lieske und Frau Koß an - ich weiß, dass unser Gleichstellungsbeauftragter in Märkisch-Oderland - ein Mann - gleichzeitig der Büroleiter des Landrates, der Pressesprecher des Landkreises und sowohl für die Gleichstellungspolitik als auch die Integrationspolitik zuständig ist. Ich glaube, da kann sich gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Themen jeder ausmalen, welche Aufgaben dieser junge Mann eigentlich er füllen muss. Insofern hätte ich mir erhofft, dass es eine bessere Auskunft gegeben hätte, und plädiere dafür, dass wir in der weiteren Diskussion gerade die Belange der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten nicht aus den Augen verlieren.
Frauenpolitik ist aus vielerlei Gründen ein wichtiges Thema, egal ob es um die im Vergleich zu Männern teilweise schlech tere Bezahlung bei gleicher Qualifikation oder berufliche Auf
stiegschancen geht. Die Liste ließe sich natürlich beliebig fort setzen; Ina Muhß ist schon auf einige Punkte eingegangen. Ich freue mich aber auf die weitere Diskussion über die Evaluie rung und die Fortschreibung des Gleichstellungspolitischen Maßnahmenpaketes. Obwohl wir die Gründe für den Entste hungsprozess des heutigen Antrags nicht wirklich nachvollziehen können, gehen wir mit dem Antrag inhaltlich völlig d‘accord und stimmen ihm zu. - Ich danke.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Frau Augustin, es gibt Themen, über die man nicht oft genug sprechen kann - deswegen dieser An trag.
Von einer wirklichen Gleichstellung der Geschlechter ist Deutschland noch weit entfernt. Oft verdienen Frauen bei ver gleichbarer Tätigkeit immer noch weniger als Männer. Frauen haben es schwerer, in Führungspositionen aufzusteigen, bei Gewalt in Beziehungen sind meist Frauen das Opfer.
Seit der Gründung des Landes Brandenburg hat die Gleichstel lung von Frauen und Männern Priorität in der Landespolitik. Dies manifestiert sich nicht zuletzt in dem entsprechenden Pas sus der Landesverfassung. Die brandenburgische Landesregie rung hat 2011 erstmals ein Gleichstellungspolitisches Rahmen programm unter dem Titel „Gute Lebensperspektiven - Faires Miteinander - Neue Chancen“ aufgelegt, um konkrete Maß nahmen zur Gleichstellung der Geschlechter vorzunehmen. Damit war Brandenburg bundesweit federführend.