Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

was jetzt als Ergebnis vorliegt, ist jenseits jeder Rechthaberei. Das Ansinnen Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand hat zu keiner Zeit bestanden, sondern wir wollen in diesem Diskussionspro zess - er wird im Laufe der parlamentarischen Beratung ja wei tergehen - erreichen, dass es ein Ergebnis gibt, das den Bedürf nissen bzw. dem Bedarf im Land möglichst weit angenähert ist. Das ist die Diskussion, die wir führen. Die Veränderungen, die an diesem Gesetzentwurf im Vergleich zum Referentenentwurf vorgenommen worden sind, sprechen für sich. Ich will sie nicht alle wiederholen.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Frage zu?

Das geht nicht von meiner Zeit ab?

Nein, geht es nicht.

(Frau Schade [AfD]: Das sollte doch langsam mal bei al len angekommen sein!)

Bitte, Herr Petke.

Dr. Scharfenberg, ich möchte gern aufgreifen, dass wir in der Sache diskutieren. Der Innenminister des Landes hat ja genau wie der Fraktionsvorsitzende der SPD die finanzielle Entwick lung des Landes als eine Begründung für die Reform genannt. Nun haben wir im Haushalts- und Finanzausschuss folgende Zahlen erhalten: 2009 haben wir pro Brandenburger 2 000 Eu ro eingenommen. 2017, also in diesem Jahr, sind es bereits 2 991 Euro, und für 2020 sind 3 258 Euro prognostiziert. Dr. Scharfenberg, wenn in einer so überschaubaren Zeit die Steuereinnahmen, man kann sagen: steil nach oben gehen - worüber wir uns alle freuen -, ist es dann wirklich sachlich richtig, dass man die finanzielle Situation hernimmt, um die Zwangsfusion von Landkreisen und die Rückstufung von kreisfreien Städten zu beschließen?

Herr Petke, wenn Sie Mike Bischoff vorhin zugehört hätten, wüssten Sie die Antwort schon. Er hat genau dahin gehend ar gumentiert. Ich halte es gerade von Ihnen als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses für verantwortungslos, wenn Sie die gegenwärtige Situation auf das Jahr 2030 hoch schreiben wollen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Wir machen eine Struktur für 2030. Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten - Sie wissen auch, dass es da Zyklen gibt, die in dieser Gesellschaft ganz normal sind -, dass das der Dau erzustand ist! Nicht mehr und nicht weniger ist Grundlage die ser Diskussion.

Herr Abgeordneter Scharfenberg, es gibt weitere Fragewün sche.

Oh. Das ist aber die letzte Zwischenfrage. Die Kollegen wol len, glaube ich, in die Mittagspause.

Genau. - Herr Bretz.

Vielen Dank, lieber Herr Kollege, dass Sie mir die Möglichkeit geben, eine Zwischenfrage zu stellen.

Für Sie tue ich doch fast alles.

Sie beklagten gerade den Prognosezeitraum bis 2030 und sag ten, das sei unverantwortlich. Ist Ihnen bekannt, dass die Grundlagen für die Reform, die wir hier heute diskutieren, auch auf Prognosen der Bevölkerungsentwicklung bis in die Jahre 2040 und 2050 zurückgehen, und ist es nicht sehr dialek tisch, anderen vorzuwerfen, dass das unseriös sei, und selbst davon Gebrauch zu machen?

Ich antworte mit einer Gegenfrage: Sind Ihnen Prognosen zur Einnahmesituation des Landes und der Kommunen im Jahr 2030 und 2040 bekannt? Gibt es diese Prognosen, die belastbar sind wie eine Bevölkerungsprognose?

(Genau! bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, hören Sie auf! Hören Sie auf! - Ich lasse keine Zwischenfrage mehr zu, ich setze fort.

Herr Bretz, ein Dialogverfahren ist nicht vorgesehen. Der Ab geordnete Scharfenberg setzt seine Rede fort. - Ihre Zeit läuft wieder. Bitte.

Meine Damen und Herren! Wir halten Wort. Es gibt eine Ein heit von Gebietsreform und Funktionalreform. Die gleichzeiti ge parlamentarische Behandlung des Kreisneugliederungsge setzes und des Funktionalreformgesetzes, die keine Selbstver ständlichkeit ist - es hat Anstrengungen gekostet -, ist deutli cher Ausdruck eines unmittelbar abgestimmten Vorgehens. Ich weiß allerdings auch, dass ein Vergleich des Ausgangspakets mit 22 Aufgaben mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf nicht so leicht vermittelbar ist. Da bitte ich einfach um eine faire, objektive Betrachtung dieser Entwicklung.

Herr Petke, wenn Sie sich darüber aufregen - ich wiederhole mich, so, wie Sie sich wiederholt haben -, dann sage ich Ihnen: Sie wissen ganz genau, dass Sie in der Enquetekommission die Hälfte der zur Kommunalisierung vorgeschlagenen Aufgaben abgelehnt haben. Sie haben dieses Paket eindampfen wollen.

Und jetzt legen Sie es der Bewertung dieser Gesetzentwürfe zugrunde? Ich bitte Sie! Das ist doch nicht in Ordnung.

(Bischoff [SPD]: Dreist!)

- Das ist dreist, jawoll!

Zur Erklärung: Allein durch die Herausnahme des LASV ist das Reformpaket deutlich ausgedünnt worden. Genau das ist jedoch ein typisches Beispiel für Interessenkollisionen, die mit einer Aufgabenübertragung vom Land auf die Kreise verbun den sind.

Es war schnell klar, dass man die Aufgaben nicht auseinander reißen sollte, sondern das Zusammenspiel im LASV erhalten bleiben und zugleich eine Kommunalisierung ermöglicht wer den soll. Das hat auch die entsprechende Anhörung im Innen ausschuss gezeigt. Der Kompromissvorschlag eines Kommu nalverbandes war aber nicht vermittelbar und für die Landkrei se nicht akzeptabel.

Was ist dann entschieden worden? Die Entscheidung lautete: Die Aufgabe bleibt beim Land. Der Wille zur Kommunalisie rung war vorhanden, und die Kräfte, die gesagt haben, man solle dieses Amt nicht auseinanderreißen, waren fachlich fun diert. Das muss man doch zur Kenntnis nehmen!

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Deshalb ist in diesem Fall auf eine Kommunalisierung und die Übertragung von über 500 Landesbedienstetenstellen auf die Kreisebene verzichtet worden.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das ist absurd!)

1 000 sollten es ursprünglich sein, jetzt sind es 400. Das ist im Kern das LASV. Das sind die Bedienstetenstellen, die jetzt nicht mehr auf die Kommunen übertragen werden. Im Gegen zug wird die Kommunalisierung der Aufgaben in der ländli chen Entwicklung einschließlich der lukrativen Fördermittel vorgeschlagen, und ich bin mir sicher, dass das von den Krei sen sehr begrüßt wird. Auch wenn wir uns mehr gewünscht hätten, so halte ich dieses Aufgabenpaket doch für diskutabel und vorzeigbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen vor einer anstren genden parlamentarischen Beratung. Der Innenausschuss wird sich am Freitag mit dem Verfahrensvorschlag der Koalitions fraktionen zum weiteren Umgang mit den beiden Gesetzent würfen beschäftigen. Wir schlagen vor, die Anhörungen im In nenausschuss Mitte Oktober durchzuführen. Damit haben die Kreise und kreisfreien Städte, die kommunalen Spitzenverbän de, Gewerkschaften und andere Anzuhörende ausreichend Zeit, um ihre Stellungnahmen vorzubereiten. Wir wollen, dass aus reichend Zeit vorhanden ist und die Stellungnahmen dann wi derspiegeln, was an Problemen gesehen wird.

Nach diesem Zeitplan ist es möglich, die 2. Lesung und Be schlussfassung in der regulären Landtagssitzung im November durchzuführen. Ich bin gespannt, meine Damen und Herren von der CDU, wie Sie sich zu diesem Verfahrensvorschlag ver halten werden.

Herr Abgeordneter, Sie müssten jetzt zum Schluss kommen.

Nein, ich mache jetzt hier weiter.

(Allgemeine Heiterkeit sowie Beifall)

Was haben Sie gerade gesagt? - Dann muss ich Ihnen leider das Mikro abstellen. Ich würde vorschlagen, Sie machen jetzt nicht weiter. Sie sind fertig; Sie haben Ihre Redezeit gnadenlos über zogen.

Es tut mir sehr leid. - Danke schön.

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜ NE)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht nun der Minis terpräsident für die Landesregierung.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht sollte man einmal versuchen, das Ganze ein bisschen einzuord nen, was hier heute als Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt. Es geht nicht nur darum, eine Verwaltungsstrukturreform und eine Funktionalreform für dieses Land auf den Weg zu bringen. Es ist kein Selbstzweck, und keiner von uns wird sich schlussend lich freuen können, wenn die Reformen durch sind. Aber sie sind die Grundlage der weiteren guten Entwicklung unseres Landes.

(Beifall SPD)

Sie sind die Grundlage dafür, dass Brandenburg weiterhin ein wirtschaftlich starkes Land ist, dessen Teile sich gleichmäßig gut entwickeln, und - noch wichtiger - dass wir gemeinsam weiter daran arbeiten, mit dieser Reform, aber auch weit darü ber hinaus das große Ziel zu erreichen, den wirtschaftlichen Fortschritt in unserem Land voranzutreiben und den sozialen Zusammenhalt zu stärken, dass wir dieses Land weiter gestal ten als eine Heimat aller Brandenburgerinnen und Brandenbur ger, egal wie lange sie hier wohnen, woher sie kommen und welcher Konfession sie angehören.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind auf diesem Weg doch schon weit vorangekommen. Einige von Ihnen waren gestern Abend beim Sommerfest und konnten mit vielen Men schen reden, die zu dieser guten Entwicklung beigetragen ha ben. Und wir können alle gemeinsam stolz sein - die Branden burgerinnen und Brandenburger, aber auch alle, die hier im

Landtag heute Verantwortung tragen oder jemals getragen ha ben.

Wer hätte es vor zehn Jahren für möglich gehalten, dass wir heute - im Jahre 2017 - eine Arbeitslosigkeit von unter 7 % im Land haben? Wer hätte es für möglich gehalten, dass wir in ei ner Reihe mit anderen wachstumsstarken Ländern stehen kön nen, dass wir in diesem Bereich in den letzten Jahren deutlich aufschließen konnten? Wer hätte gedacht - um an ein Ereignis von vor zwei Wochen zu erinnern -, dass ein Weltkonzern wie Rolls-Royce einen seiner globalen Hauptstandorte hier in Brandenburg ansiedelt und mittlerweile deutlich mehr als 2 500 Arbeitsplätze geschaffen hat? Wer hätte gedacht, dass die Ratingagentur Moody’s Brandenburg im Gleichklang mit Bay ern und Baden-Württemberg mit Triple A ratet? - Ich könnte die Aufzählung fortsetzen. Viele von uns hätten das noch vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten. Das haben wir ge schafft; das ist eingetreten. Wir sind Gott sei Dank ein erfolg reiches Land, auf das alle Brandenburgerinnen und Branden burger stolz sein können und auch stolz sind.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Brandenburg ist heute, im Jahr 2017, ein Aufstiegsland,