Protokoll der Sitzung vom 15.11.2017

(Beifall DIE LINKE, SPD und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Christoffers. - Das Wort er hält zu guter Letzt der fraktionslose Abgeordnete Vida.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Landesregierung! Auftrag jeder politischen Vereini gung ist es, das Land zusammenzuhalten. Das steht nicht für Emotionen oder Angstmacherei, sondern für die Erkenntnis, dass die Menschen über die Strukturen, in denen sie leben, mit bestimmen wollen. Denn wir wollen Verwaltung nicht bloß als eine Sammlung von Leistungskennzahlen begreifen, sondern daran glauben, dass die Identifikation mit den örtlichen Struk turen der Boden ist, auf dem Demokratie wächst und gedeiht. Diese Erkenntnis haben Sie von der Landesregierung aus mei ner Sicht massiv unterschätzt.

Es gab im Land kaum jemanden, der eine Verwaltungsmoder nisierung oder -optimierung abgelehnt hätte. Doch Sie haben all die kleinteiligen Probleme zu einer Glaubensfrage gemacht, als würde der normale parlamentarische Streit zwischen Regie rung und Opposition eine Trennlinie zwischen vermeintlich vernünftiger Zukunftsgerichtetheit und angeblich kleinteiliger Heimatverbundenheit darstellen. Dabei waren alle Beteiligten bemüht, gemäß ihrem Auftrag aus der Verfassung Ideen, Vor schläge und Konzepte zu entwickeln oder einfach nur - auch das gehört dazu - eine andere Meinung zu haben und diese so gar zu äußern. Viel zu lange hat eine viel zu kleine Gruppe von Personen in Potsdam auf all das nicht gehört. Während im Land die Bürger, Fachleute, Ehrenamtler ob der Veränderun gen und Verschlechterungen, die zu kommen drohten, in Sorge waren, wurde in Potsdam das Programm weiter durchgezogen.

Dabei konnten die, die das in mitunter unerbittlicher Schärfe ta ten, sich immer darauf berufen, damit schon Erfahrung zu ha ben, und auf die Erfahrung anderer Länder verweisen. Nun, Er fahrung war und ist gegeben, aber es ist eine schlechte Erfah rung, es sind schlechte Erfahrungswerte, auf die sie das bezogen haben. Denn weder war die Gemeindegebietsreform 2003 mit all den Entwurzelungen, die sie brachte, ein Ruhmesblatt, noch waren es die Vorbilder unserer Nachbarländer, auf die man sich gelegentlich berief. So wäre es auch hier ausgegangen - und das sage ich nicht, weil ich Zweifel daran hätte, dass die, die das gestrickt haben, Fachleute sind. Es stünde mir nicht zu, das Ge genteil zu sagen; ich tat es nicht und tue es auch nicht. Aber für BVB/FREIE WÄHLER und die vielen zu uns gehörenden Wählergruppen kann ich sagen, dass man sich gewünscht hätte, dass früher auf die wertfreien, ideologiefreien und in der Regel gut gemeinten Ratschläge und Töne gehört worden wäre.

Was Brandenburg braucht, ist: der Ausbau interkommunaler Kooperation und eine zehnjährige Test- und Evaluierungspha se der Möglichkeiten, meines Erachtens die Beibehaltung der Ämter, der Ausbau von E-Government-Lösungen und auch ein klares Konzept dafür, welche Aufgaben kommunalisiert und welche privatisiert gehören.

Vor allem aber brauchen wir wieder ein stärkeres Miteinander - ein Miteinander, das nicht nur eine Floskel ist, sondern das ver steht, dass es die Menschen vor Ort, in den Gemeinden, Städ ten und Kreisen sind, die unser Land so einzigartig und lie benswürdig machen. Es war auch die Unterschrift dieser Bür ger, ihre Stimme, die dieses Jahr laut und klar das Land durch drang und sagte: Wir wollen Bürgernähe erhalten, wir wollen diese Kreisreform stoppen - nicht, weil wir irgendjemandem etwas Schlechtes wollten, sondern weil wir gewachsene Struk turen bewahren, lokales Engagement fördern und basisdemo kratische Lösungen ausbauen wollen.

Bei allem, was jetzt kommt, egal wer wann welche Konzepte auf den Tisch legt: Die Meinung der Brandenburger, die dieses Jahr unmissverständlich erklang, muss für uns alle - ob Regie rung oder Opposition - das Fundament der neuen Schritte sein. Daran werde ich im Landtag und daran werden BVB/FREIE WÄHLER im Land mitwirken. - Vielen Dank für Ihre Auf merksamkeit.

(Vereinzelt Beifall CDU sowie des fraktionslosen Abge ordneten Hein)

Vielen Dank für diese Punktlandung. - Wir sind damit am Ende der Aussprache. Ich schließe Tagesordnungspunkt 1. Wir ma chen eine Mittagspause und setzen die Sitzung um 14 Uhr fort. - Gute Erholung!

(Unterbrechung der Sitzung: 13.15 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 14.01 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Saal füllt sich langsam, und da niemand widerspricht - es sind ausreichend Abgeordne te da -, rufe ich Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde

Drucksache 6/7595

Der erste Fragesteller ist der Abgeordnete Roick von der SPDFraktion. Ist er denn schon da? - Er ist gar nicht da.

(Frau Richstein [CDU]: Dann fahren wir mit der zweiten Frage fort!)

Dann stelle ich das zurück und erteile Herrn Petke das Wort, der Frage 1058 (Kreisreform gestoppt - Neuanfang verspro chen) formuliert.

Herr Präsident! Ich bedanke mich für das Entgegenkommen. - Meine Damen und Herren! In der Regierungserklärung vom 19. November 2014, vor fast genau drei Jahren, sagte Minister präsident Dr. Dietmar Woidke:

„Ich sage es ganz deutlich: Aus meiner Sicht sind 18 komplette Kreisverwaltungen für ein Bundesland wie Brandenburg zu viel.“

Nun hat der Ministerpräsident die Kreisgebietsreform gestoppt. Anstelle der zwangsweisen Zusammenlegung von Landkreisen und der Einkreisung kreisfreier Städte sollen nun Kooperatio nen und freiwillige Zusammenschlüsse erfolgen, die finanziell gefördert werden.

Ich frage die Landesregierung: Welche konkreten Maßnahmen hat sie nach dem Stopp der Kreisgebietsreform ergriffen, um die Reform aufs neue Gleis zu setzen?

(Dr. Schöneburg [DIE LINKE]: Sie wollen doch Neu wahlen! Das ist inkonsequent!)

Es antwortet Herr Minister Schröter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordneten! Herr Petke, der Ministerpräsident erwähnte bereits in seiner Regierungserklärung, dass es Gespräche mit den Prä sidenten bzw. Vorsitzenden des Städte- und Gemeindebundes und des Landkreistages gab und dass es eine Einladung an die Oberbürgermeister der Städte gibt, die eingekreist werden soll ten. Auf dieser Ebene der Gespräche werden die Dinge dann auch weitergeführt.

Es gibt Nachfragen. - Bitte schön, Abgeordneter Petke.

Herr Minister, vielen Dank für Ihre Antwort. Ich habe zwei Nachfragen.

Zum einen: Es liegen also in Ihrem Haus keine Gesetzentwür fe, Entwürfe für Rechtsverordnungen oder andere Dinge vor, mit denen sich die kreisfreie Stadt Cottbus, die kreisfreie Stadt Brandenburg an der Havel oder die kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) jetzt auf eine Zuweisung zum Abbau der Entschuldung berufen könnten?

Zur zweiten Frage darf ich wie folgt formulieren: Sie haben bisher bei all Ihren Ausführungen gesagt, dass freiwillige Ko operationen nicht ausreichend sind. Wir als CDU hatten bereits vor zwei Jahren ein Kooperationskonzept vorgelegt, in dem unter anderem pflichtige Kooperationen vorgesehen waren. Meine Frage: Werden Sie in dieser Legislaturperiode, die ja noch einige Monate andauert, diesen Weg beschreiten?

Die erste Frage beantworte ich mit Nein, die zweite mit: Das werden wir prüfen.

(Heiterkeit DIE LINKE sowie Beifall des Abgeordneten Raschke [B90/GRÜNE])

Der Abgeordnete Wichmann, bitte.

Die CDU-Fraktion hatte bereits vor mehreren Monaten die Einrichtung eines Kompetenzzentrums zur interkommunalen Zusammenarbeit gefordert, um die Kommunen bei Kooperationen zu unterstützen. Ebenso hatten wir bereits vor Monaten einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der interkommunalen Zusammenarbeit vorgelegt.

Herr Minister, ich würde von Ihnen gern wissen, ob Sie die Vorschläge, die damals abgelehnt wurden, jetzt - nach dem Aus der Kreisreform - aufgreifen und unterstützen.

Wir werden prüfen, welche von Ihren Vorschlägen in der kom munalen Familie als gut und zielführend angesehen werden, und dann entscheiden.

(Hoffmann [CDU]: Heißt das, Sie haben abgelehnt, ohne zu prüfen? - Heiterkeit CDU sowie vereinzelt AfD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Dr. Redmann für eine Nach frage.

Wir stellen fest, Sie haben seinerzeit abgelehnt, ohne zu prü fen.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Er hat gar nicht abgelehnt, das war der Landtag, Herr Kollege!)

Ich möchte aber auf den Ministerpräsidenten zurückkommen, der ja noch im Januar auf eine Frage in der „PNN“ sagte:

„Ich bin fest davon überzeugt, dass die jetzige Struktur nicht geeignet ist, Brandenburg durch die nächsten 20 Jahre dieses Jahrhunderts zu bringen“.

Hat der Ministerpräsident, hat die Landesregierung das Poten zial von Kooperationen unterschätzt, oder halten Sie Fusionen weiter für nötig, gegebenenfalls in der nächsten Legislaturperi ode?

Wir haben zunächst einen anderen Weg favorisiert, wie Sie wissen. Dieser Weg ist nunmehr abgebrochen worden, und des halb werden wir über Alternativen nachdenken.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LIN KE] - Wichmann [CDU]: Ich denke, er wurde nur unter brochen!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Die Frage 1067 (Aufnahme Drittes Geschlecht im Geburtenregister) wird von der Abge ordneten Vandre von der Fraktion DIE LINKE gestellt. Diese Frage wurde mit der Frage 1059 getauscht.

Am 8. November 2017 forderte das Bundesverfassungsgericht den Bundesgesetzgeber dazu auf, bis spätestens Ende 2018 die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung eines dritten Geschlechts im Geburtenregister zu schaffen. Damit folgte das Bundesverfassungsgericht der Klage einer Person, die jahre lang vergebens für die Änderung ihres Geschlechts auf „inter“ oder „divers“ im Geburtenregister gestritten hatte. Begründet wurde dieses Urteil mit der Wahrung der Persönlichkeitsrechte sowie dem bestehenden Diskriminierungsverbot.

Ich frage die Landesregierung daher: Wie bewertet sie die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Änderung des Geburten registers?

Es antwortet Herr Minister Schröter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Ab geordnete! Verehrte Frau Vandre, innerhalb der Landesregie rung gibt es noch keine förmliche Abstimmung über eine Be wertung des Gerichtsbeschlusses und die geforderte Änderung des Personenstandsgesetzes. Aber bereits jetzt kann festgestellt werden, dass eine Änderung des Personenstandsgesetzes und die damit einhergehende mögliche Aufnahme eines dritten Ge schlechts im Geburtenregister nicht nur das Selbstbestim mungsrecht betroffener Personen stärken würde; sie könnte auch zum Abbau von Diskriminierung intersexueller Personen beitragen und somit die allgemeine Situation der betroffenen Menschen verbessern.

Vielen Dank. - Die Frage 1060 (Naturschutzfonds und Wind kraftanlagen) wird vom Abgeordneten Schröder von der AfDFraktion gestellt.

Meine Damen und Herren! Mit Stand 2016 sind über 3 500 Windkraftanlagen im Land Brandenburg gebaut worden. Viele neue Windkraftanlagen sind bereits genehmigt bzw. im Genehmigungsverfahren. Ein Überblick über die Standorte der vorhandenen, der bereits genehmigten und der Windkraftanla gen im Genehmigungsverfahren ist auf der Internetseite Ener gie- und Klimaschutzatlas Brandenburg - http://eks.branden burg.de/ - veröffentlicht.