Während der Abgeordnete Kurth zum Rednerpult schreitet, be grüße ich Gäste im Plenarsaal: Teilnehmerinnen und Teilneh mer des Projektes dialogP 2017/2018, das uns allen gut bekannt ist. Herzlich willkommen hier bei uns im Landtag! Schön, dass Sie da sind!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Bevor ich auf die konkreten Punkte der vorliegenden Gesetzentwürfe zu sprechen komme, möchte ich mich ausdrücklich bei den Mitgliedern des Aus schusses für Bildung, Jugend und Sport bedanken. Nicht nur wir im Ausschuss für Inneres und Kommunales, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für Bildung, Ju gend und Sport haben zu den vorliegenden Gesetzentwürfen eine eigene Anhörung durchgeführt, naturgemäß mit anderer Schwerpunktsetzung. Ich danke insofern für die inhaltliche Diskussion und die gute Stellungnahme.
In beiden Anhörungen vor beiden Ausschüssen wurde deutlich, dass es zwar insgesamt eine breite Zustimmung zu dem Gesetz entwurf der Koalitionsfraktionen gibt, wir aber an der einen oder anderen Stelle noch nachbessern müssen. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen drei Anträge zur Änderung ihres eige nen Gesetzentwurfs in die abschließende Debatte im Ausschuss für Inneres und Kommunales Donnerstag vergangener Woche eingebracht.
Mit dem Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg haben die Koa litionsfraktionen Vorschläge mit dem Ziel unterbreitet, die Be teiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene auszubauen.
Im Zuge der Anhörungen wurde deutlich, dass es eine große Bereitschaft gibt, Einwohnerbefragungen als zusätzliches Ele ment der direkten Demokratie zu nutzen. Auch wenn dies be reits jetzt möglich ist, sollten wir diese Form ausdrücklich in der Kommunalverfassung verankern. Als Gesetzgeber machen wir damit deutlich: Wir bieten den Kommunen ein zusätzliches Instrument zur Ermittlung des Bürgerwillens an. Wir verbes sern so die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an kom munalen Entscheidungen.
Die Erfahrungen aus der Stadt Falkensee, wo die Bürgerinnen und Bürger zum Bau eines Schwimmbades befragt wurden, oder aus der Stadt Brandenburg an der Havel, wo über den Neu bau eines Hotels befunden wurde, zeigen, dass die Menschen erreichbar sind, sich beteiligen wollen und bei Fragen zu Sach entscheidungen vor Ort alles andere als politikverdrossen sind.
Bereits in der 1. Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes habe ich dazu ausgeführt, dass zukünftig kein Kostendeckungs vorschlag mehr von den Initiatoren eines Bürgerbegehrens ein gebracht werden muss. Vielmehr soll - so unser Gesetzesvor schlag - eine Kostenschätzung von den Verwaltungen selbst übernommen werden.
In der Anhörung wurde nun deutlich, dass die Erstellung dieser Kostenschätzung durch die Verwaltung Zeit kostet. Das ist nachvollziehbar. Diese Zeit darf jedoch nicht zulasten der Frist für das eigentliche Begehren gehen. Deshalb haben wir im Aus schuss für Inneres und Kommunales im Änderungsantrag vor geschlagen, dass der Zeitraum für das Sammeln der Unter schriften erst beginnt, wenn die Kostenschätzung durchgeführt und von der Verwaltung mitgeteilt wurde.
Die dritte Änderung betrifft den neuen § 18a, der die Beteili gung und Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen stärken soll. Hier haben wir nachgebessert und die Hinweise, Präzisie rungen und Empfehlungen aus der Anhörung des mitberaten den Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport weitestgehend übernommen.
Das betrifft zum einen die Streichung jener Formulierung, die für zusätzliche Unklarheit gesorgt hatte, weil die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an deren wachsende Einsichts fähigkeit geknüpft werden sollte. Nun sichert der insoweit ge änderte Gesetzentwurf die Beteiligung von Kindern und Jugend lichen an allen Gemeindeangelegenheiten, von denen sie betroffen sind. Und ich füge hinzu: Diese Änderung ist auch rich tig so.
Zudem soll die Hauptsatzung lediglich die Form der Beteili gung, die unter Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln sind - wie zum Beispiel die Einrichtung von Kinder- und Jugendparlamenten - festlegen, nicht jedoch einen ab schließenden Katalog von Themen, bei welchen die Beteili gung notwendig wäre. Darüber hinaus soll die Gemeinde zukünftig vermerken, wie sie die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen durchgeführt hat.
Insbesondere mit dem Letztgenannten, nämlich der Frage nach Art und Umfang der Dokumentationspflicht, haben wir uns sehr intensiv auseinandergesetzt. Wir meinen das mit der Verpflich tung zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ernst. Des halb wollen wir, dass vor Ort vermerkt wird, wie dies tatsäch lich geschieht. Gleichzeitig wollen wir in der Kommunalverfassung keine neuen Regelungen schaffen, die zu noch mehr Bürokratie und Verwaltungsaufwand führen. Deshalb lehnen wir eine umfangreiche Dokumentationspflicht ab. Es wäre übri gens aus meiner Sicht auch nicht nachvollziehbar, warum die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen einer umfangrei chen Dokumentationspflicht unterliegen soll, jedoch der Auf trag aus § 13 Brandenburgische Kommunalverfassung, nämlich die Beteiligung und Unterrichtung der Einwohner - mithin aller Bürgerinnen und Bürger in der Gemeinde - gänzlich ohne diese Dokumentationspflicht auskommt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Die Kommunalverfassung ist über viele Jahre unverändert geblieben, und das ist auch gut so. Jetzt, wo wir die Debatte zur Änderung der Kommunalverfas sung eröffnet haben, treffen viele Vorschläge ein, manche um fangreiche Änderung quasi auch erst in letzter Minute, so etwa der Änderungsantrag der CDU-Fraktion mit einer umfangrei chen Neufassung von § 13. Dieser war nie Gegenstand einer Anhörung der kommunalen Spitzenverbände. Wir sollten uns also hüten, ihn zu verabschieden.
Den Koalitionsfraktionen geht es mit dem vorliegenden Ge setzentwurf und den dazugehörigen Änderungsanträgen darum,
die Beteiligungsmöglichkeiten in Brandenburg auszubauen. Die Diskussion über weitere Anregungen, die beispielsweise von Bündnis 90/Die Grünen im Zuge der Beratungen im Innenausschuss vorgebracht wurden, lehnen wir nicht ab. Dies trifft beispielsweise auf die Direktwahl der Beiräte - wohlverstanden als Kann-Regelung - zu. Auch ich könnte mir vorstellen, dass direkt gewählte Beiräte eine größere Akzeptanz genießen. Und wenn, wie das Beispiel aus Falkensee zeigt, der Streit vor Ort dazu führt, dass ein viele Jahre direkt gewählter Seniorenbeirat mit Verweis auf unsere Kommunalverfassung nicht mehr direkt gewählt werden darf, dann ist das sicher schlecht vermittelbar. Ich weiß aber auch, dass beispielsweise der Kreisseniorenbeirat Barnim eine Direktwahl ablehnt. Dort ist man mit dem bisheri gen System sehr zufrieden.
Viele von uns sind selbst kommunalpolitisch aktiv. Deshalb meine Bitte: Sprechen Sie mit den Vertreterinnen und Vertre tern der Beiräte und holen Sie deren Meinung ein. Denn schon mit dem derzeit in der Beratung befindlichen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung der gemeindlichen Ebene werden wir die Kommunalverfassung erneut ändern. Ich bin mir sicher, dass es beispielsweise zur Direktwahl der Beiräte die Möglichkeit gibt, auch diese direkt anzuhören.
Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf der Koalitions fraktionen in der vom Ausschuss für Inneres und Kommunales beschlossenen Fassung und danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die Fraktion der CDU zu stimmen. Ich denke, es ist unstrittig, dass solche Veränderungen letztendlich immer eine gute Sache sind, weil sie mehr direkte Demokratie, mehr Bürgerbeteiligung in unserem großen Bun desland ermöglichen.
Ich muss aber gleichzeitig kritisch sagen, dass man diesem Ge setzentwurf anmerkt, dass die Landesregierung, aber auch die Koalitionsfraktionen von SPD und Linken - und da stehen Sie ja ganz vorn, Herr Kurth - in den vergangenen vier Jahren ein Thema hatten, und das ist die gescheiterte Kreisreform.
Dass jetzt die Koalitionsfraktionen beim Thema Kreisreform schon „Buh!“ rufen, hätte ich mir vor drei Jahren nicht vorstel len können; ich nehme es jetzt einfach zur Kenntnis. Es sind Tausende Arbeitsstunden aufgewendet und vergeudet worden - die muss jemand bezahlen,
die bezahlt der Steuerzahler - in der Landesverwaltung, Herr Dr. Scharfenberg, auch in den Kreisverwaltungen und Verwal
Es ist sehr viel Geld aufgewendet worden. Herr Innenminister, wir fragen uns heute noch, wo all die Broschüren sind, die Sie ohne Impressum haben drucken lassen. Wir erinnern uns auch noch sehr beeindruckt an den Radio-Werbespot, in dem zu hö ren ist, wie in 20 Jahren jemand bei der Verwaltung anruft und niemanden erreicht. Das alles hat nicht Ihr persönliches Geld gekostet, auch nicht meins, sondern das alles hat das Geld der Brandenburger gekostet.
Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Tatsächlich ist ja auch viel Zeit verlorengegangen, und das sieht man an diesem Ge setzentwurf.
Kollege Kurth, Sie haben erläutert, dass so viele Änderungsan träge nötig waren. Die haben die beiden Fraktionen der Regie rung eingebracht, das haben wir im Innenausschuss ausführlich diskutiert. Eine Ursache dafür ist eben, dass das Ministerium das nicht auf den Weg bringen konnte, weil es mit anderen Sa chen beschäftigt war.
Wir bringen einen Änderungsantrag ein. Der legt ein Stück weit den Finger in die Wunde und macht einen Vorschlag zur Digi talisierung. Man könnte im Jahr 2018 den Wunsch haben, dass nicht nur - wie von Frau Ernst jetzt plötzlich - für ungefähr 700 000 Euro für unsere 19 000 Lehrerinnen und Lehrer im Land E-Mail-Adressen gekauft werden, sondern dass man Bür gerbefragungen, wie sie heute in Parteien, bei Zeitungen und anderen Gremien allgemein üblich sind, im Internet durchfüh ren kann. Das würde vielen Menschen leichter die Möglichkeit geben, an solchen Befragungen in unseren Kommunen teilzu nehmen. Das würde auch unseren Kommunen das Verfahren erleichtern: Man könnte mehr, schneller und preiswerter abfra gen. Dazu findet sich bei Ihnen gar nichts.
Deswegen haben wir einen entsprechenden Änderungsantrag formuliert, bei dem wir insbesondere auf folgenden Satz Wert legen: Die Gemeinden können elektronische und digitale Verfah ren der Einwohnerbeteiligung erproben und einsetzen. - Warum sollen wir als Brandenburg das nicht machen? Das ist eine sehr gute Gelegenheit, die Menschen wieder mit Themen zu den Din gen, die sich bei ihnen abspielen, zu verbinden, sodass sie eine Entscheidung bei diesen Themen treffen können. Das Gesetz kann sagen: Das Thema kannst du regeln, und der Weg dahin kann einfacher sein: Man muss nicht zur Verwaltung gehen oder einen Brief schreiben, sondern kann das elektronisch erledigen.
Wenn es Bedenken wegen der Entscheidung des Bundesverfas sungsgerichts gegen den Wahlcomputer gibt: Es geht hier nicht um eine Wahl, sondern nur um eine Befragung. Insofern könnte man den Einstieg in E-Government und Digitalisierung auf der kommunalen Ebene schaffen, der ein Stück weit in den Ausschüs sen des Landtags vom damaligen Chef der Staatskanzlei, Herrn Kralinski, als erforderlich und naheliegend beschrieben wurde.
Zusammenfassend: Die Richtung stimmt. Es ist ein ganz klei ner Trippelschritt, der viel über die Beschäftigung der Landes regierung in den vergangenen vier Jahren aussagt. Meine sehr
verehrten Damen und Herren von der Koalition, Sie werden es auch in den letzten Monaten nicht aufholen. Der Wahltermin ist nun auf den 1. September des nächsten Jahres festgelegt; viel leicht findet die Wahl auch eher statt, ich kann es nicht wissen. Aber Fakt ist: Was in den letzten vier Jahren von Ihnen für die Kreisreform vergeudet worden ist, werden Sie in den paar zur Verfügung stehenden Sitzungen des Landtags nicht aufholen können.
Ich erhoffe mir, dass wir von dieser Gesetzesänderung auch ein Mehr an direkter Demokratie, an Bürgerbeteiligung in Bran denburg erreichen. - Danke schön.
(Zuruf von der CDU: Aber nicht wieder persönlich wer den! - Gegenruf von der Fraktion DIE LINKE: Wird er nie!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition hält Wort. Eines der Ziele der Koalitionsvereinbarung von 2014 ist der Ausbau der Bürgerbeteiligung in den Kommunen. Die Ko alitionsfraktionen haben einen Gesetzentwurf zur Änderung der Kommunalverfassung eingebracht, in dem wir uns auf die Wei terentwicklung der unmittelbaren Demokratie als wichtigen Faktor für eine lebendige kommunale Selbstverwaltung kon zentrieren. Inhaltlich haben wir uns an die Forderungen einer Volksinitiative für mehr Demokratie angelehnt, die allerdings im vergangenen Jahr die erforderlichen 20 000 Unterschriften nicht erreichen konnte. Worum geht es uns?
Erstens: Mit Inkrafttreten dieser Gesetzesnovelle wird es nicht mehr erforderlich sein, dass die Initiatoren einen Vorschlag zur Deckung der mit einem Bürgerbegehren verbundenen Kosten vorlegen müssen. Dieser Kostendeckungsvorschlag hat sich be kanntlich in vielen Fällen als unüberwindbares Hindernis für den Erfolg von Bürgerbegehren erwiesen. Ich weiß, wovon ich rede; ich habe das in mehreren Fällen hier in Potsdam erlebt. Die jetzt vorgesehene Regelung, dass die Verwaltung eine Kos tenschätzung für ein Bürgerbegehren zu erstellen hat, ist eine erhebliche Erleichterung. In diesem Zusammenhang haben wir nach der Anhörung im Innenausschuss noch eine Veränderung vorgenommen, um mit dieser neuen Verfahrensweise die knapp bemessene Frist für Bürgerbegehren, die sich gegen einen Be schluss der Vertretung richten, nicht weiter einzuschränken. Das ist ein echtes Problem, das wir nicht bedacht hatten. Des halb soll die Frist von acht Wochen erst beginnen, wenn die Verwaltung die Kostenschätzung vorgelegt hat. Wir versuchen, das in knappster Form zu regeln; die Änderung könnte wesent lich ausführlicher ausfallen und mit weiteren Vorschriften ver bunden sein. Ich denke, dass auf diese Art und Weise das Anlie gen und die Vorschrift ausreichend definiert werden.