Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Wohin die CDU möchte, weiß ich nicht. Ihr billiger Populis mus - Stichworte: „Latte macchiato“ und „Prenzlauer Berg“ - hilft uns keinen Millimeter weiter. Wir müssen sagen, wohin wir wollen, wie wir dort hinkommen. Das, was in diesen Anträ gen steht, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Dann machen Sie doch Vorschläge dazu, wie man die Energiewende weiter entwickeln kann, und behaupten Sie nicht, die Grundrichtung sei komplett falsch. Das hilft uns nämlich nicht weiter.

(Beifall B90/GRÜNE)

Vielen Dank. - Jetzt spricht die Abgeordnete Schülzke. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Mit Ihrem Antrag wollen Sie die Ak zeptanz für die Windenergie verbessern. Windenergieanlagen beeinflussen die Gesundheit der Menschen, wenn sie in ihrer Nachbarschaft stehen. Sie zerstören Landschaften und töten Tiere. Ohne Subventionen und hohe Kosten bei Energiever brauchern können sie nicht errichtet werden. Beschwerden der Einwohner in der Nähe der Windenergieanlagen werden selten ernsthaft bearbeitet. Menschen klagen über Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit; Lärm, Infraschall oder auch Körperschall bedrängen die Menschen. Den Ursachen der Beschwerden wird nicht nachgegangen. In der Bevölkerung spricht man von der Ignoranz der Politik. In vielen Orten ist der Ärger in Wut umge schlagen. Die Akzeptanz ist und war nur bei denen vorhanden, die nicht betroffen sind.

Ihrem Antrag ist zu entnehmen, dass Sie die derzeitige Pla nungspraxis beibehalten wollen. Die Gemeinden sollen etwas besser beteiligt werden. Dieses Versprechen gibt es schon viele Jahre.

In Brandenburg stehen ca. 3 800 Windenergieanlagen. Deutsch land gehört zu den Schwachwindgebieten. Es hat auf dem Land die wenigsten Volllaststunden. Die abwechslungsreiche Natur landschaft ist zerstört. Man spricht vom „Propellerland“. Un zählige Tiere fallen den sich schnell drehenden Flügeln zum Opfer. Wälder werden gerodet und Ackerflächen versiegelt. Das alles wird unter Umweltverträglichkeit subsumiert. Bäume und besonders Wälder binden CO2 und auch Stickoxide. Sie schaffen es, die Temperaturen um bis zu drei Grad zu senken. Das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens war es, mehr Bäume und Wälder zu schaffen.

Als vor Jahren mit der Energiestrategie das Ziel herausgegeben wurde, 2 % der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie zu nutzen, hatten diese Kraftwerke eine Leistung von etwa ei nem Megawatt. Heute können diese Anlagen die dreifache Leistung und mehr erbringen. Es könnte eine erheblich kleinere Fläche beansprucht und die Abstände zu den Wohnbebauungen könnten vergrößert werden.

So entsteht der Eindruck, dass es gar nicht um die benötigte Leistung für Elektroenergie, sondern um das Zubauen einer Fläche mit möglichst vielen Anlagen geht. Die bisher installier te Leistung liegt jetzt schon bei ca. 7 000 Megawatt, wenn der Wind kräftig weht.

In Ihrem Antrag verweisen Sie auf Versorgungssicherheit. Die ist eben nicht gegeben, wenn der Wind nicht weht. Dann gibt es keinen Strom. Auch die Wirtschaftlichkeit wird angeführt. Bür ger wissen um die Subventionen für die Windenergie. Dabei geht es um mehrere Milliarden Euro. Unsere Brandenburger kennen ihre Energiekosten, mit denen die Subventionen finan ziert werden. Gemunkelt wird von der größten Umverteilung des Geldes von Arm nach Reich.

(Beifall AfD)

Der bevorstehende Netzausbau wird die Kosten weiter nach oben treiben. Bundesweit steigen die Kosten für die Noteingrif fe ins Stromnetz; zurzeit betragen sie fast eine Milliarde Euro. Bei Abschaltung von Ökostromanlagen wegen Netzengpässen müssen auch die Verbraucher für die Entschädigungen aufkom

men. Dabei geht es um weitere 20 bis 30 Millionen Euro jähr lich, berichtet die Bundesnetzagentur.

An bestimmten Tagen wird zu viel Wind- und Solarstrom er zeugt. Dann wird und muss der überflüssige Strom ins Ausland verschenkt werden, oder es muss sogar draufgezahlt werden. „Focus“ und das ZDF berichteten im Januar, dass 2008 15 000 Stunden überflüssiger Strom ins Ausland verschenkt wurden. 2017 waren es 146 000, und schon am Neujahrstag 2018 flossen Tausende Megawattstunden ins Ausland. Die Ab nehmer erhielten für den Überflussstrom 221 Euro pro Mega wattstunde. Profiteure sind die Stromkonzerne im In- und Aus land. Die Verbraucher sind dem hilflos ausgeliefert. Die Verbraucherschutzzentrale hat im ZDF auf diese Dinge hingewie sen. Vor wenigen Tagen hat die IHK Potsdam die Energiestrate gie kritisiert - besonders, weil der Strom in Brandenburg am teuersten ist.

Wenn Sie Ihren Antrag weiterverfolgen, werden noch Tausende Windenergieanlagen in Brandenburg dazukommen. Die Kosten werden davonlaufen, die gesundheitlichen Belastungen für die Bürger weiter steigen.

Wenn Sie ehrlich mit sich sind, erkennen Sie, dass mit Wind kraftanlagen weder Umweltverträglichkeit noch die Versor gungssicherheit und schon gar nicht die Wirtschaftlichkeit gesi chert werden können. Wir brauchen ein Umdenken in der Energiepolitik. Die Forschung ist schwerpunktmäßig auf Ener gieumwandlung - sprich: auf Speicher - ausgerichtet. Sie muss wieder stärker auf Energieerzeugung gelenkt werden. Auch Effizienzsteigerungen an den Turbinen können bei der Wasser kraft erreicht werden. In Sachsen-Anhalt arbeitet man daran.

Die BTU forscht an der Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Rolls-Royce-Turbinen. Es gibt also auch hier gute Voraus setzungen. Und Wasser kann lange viel Energie speichern. Auch Holz kann viel Energie speichern. Das sollten wir nutzen und dort aktiv forschen.

Sie alle wissen, dass die ökologischen und finanziellen Folgen verheerend sein werden, wenn der Ausbau der Windenergie so intensiv weiterbetrieben wird.

Mehr Akzeptanz werden Sie mit Ihrem Antrag nicht erreichen. Ich bitte Sie und fordere Sie auf, diesem Antrag nicht zu folgen und ihn abzulehnen.

(Beifall AfD)

Vielen Dank. - Jetzt spricht der Abgeordnete Vida.

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, können Sie mir sagen, ob es auch ein Lobbyregister hier im Landtag gibt und ob Abgeordne te darin verzeichnet sind? Wenn ja, müssten einige der Vorred ner dringend drinstehen.

(Zuruf der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE])

Dieser Antrag ist ein Hohn angesichts der Windkraftbetroffen heit von Mensch, Tier und Umwelt. Die Hälfte der neuen Wind eignungsgebiete wird in Wäldern geplant, geschützte Vogelar

ten und Fledermäuse werden zu Tausenden von Windrädern getötet oder vergrämt. Es erfolgt ein massiver Eingriff in Kul turlandschaften, und wir haben aufgrund der Überkapazitäten den teuersten Strom Europas.

Und dann genieren Sie sich nicht, einen Antrag vorzulegen, der feststellen soll, dass die Menschen bloß ein Akzeptanz- und Verständnisproblem haben? Die Menschen verstehen das nicht. Dann wollen Sie Beratungen anbieten, bei denen den Menschen erklärt werden soll, wie toll doch alles ist und dass man es nur nicht richtig versteht?

Die Menschen verstehen ganz genau, was vor Ort vor sich geht. Sie brauchen auch keine Erklärung von Ihnen, sondern eine Veränderung des Handelns. Seit Jahren wird gefordert, dass vernünftige Abstände festgelegt, dass Schallmessungen durch geführt, dass wenigstens die Wälder ausgespart werden. Und was bekommen wir hier präsentiert? Prüfung, ob man die Nachtkennzeichnung eventuell zurückfahren kann, bei gleich zeitigem Bekenntnis zum 2-%-Ausbauziel - das steht im An trag -, was hier euphemistisch „Entwicklungspotenzial“ ge nannt wird.

Im Antrag lesen wir dann, dass die Bürger im Planungsprozess unterstützt werden sollen. Eine echte Unterstützung der Betrof fenen würde so aussehen, dass man die Orte nicht 180 Grad oder 270 Grad umzingelt und dass Einwände in Regionalen Planungsgemeinschaften aufgegriffen und nicht brüsk abgetan werden. Denn das passiert: Jeder Einwand wird vor Ort mit dem Hinweis auf die Energiestrategie des Landes abgelehnt.

Auch die Bürgerbeteiligung bei regionalen Windenergieprojek ten - wie Sie es nennen - ist eine weitere Umverteilung von unten nach oben. So können sich interessierte Kreise an Wind parks beteiligen - sie sind häufig nicht unmittelbar betroffen -, kassieren ihre Anteile auf Kosten der Allgemeinheit, und das wird dann in „Bürgerwindpark“ umgetauft.

Wer glaubt, dass die Konzessionsabgabe, die hier so gutgläubig eingefordert wird, nicht in die EEG-Umlage einfließt und damit den Strompreis erhöht, hat die knallharten Businessinteressen der Windkraftprojektierer und Anteilseigner nicht verstanden oder will sie nicht sehen.

(Domres [DIE LINKE]: Nur Sie verstehen alles! Nur Sie!)

Dieser Antrag ist angesichts der massiven Betroffenheit land auf, landab ein Hohn. Der Antrag stellt keine Abkehr von den Ausbauzielen dar und löst keines der bestehenden Probleme. Es ist ein Schaufensterantrag ohne Mehrwert

(Domres [DIE LINKE]: Damit kennen Sie sich ja aus!)

für die Betroffenen und ein ganz klarer Antrag, um Lobbyinter essen zu bedienen - auf Kosten der Allgemeinheit. - Vielen Dank.

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht Minister Gerber.

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die De batte zeigt, dass überall im Land angekommen ist, welche Ein

griffe in die gewohnte Lebensumwelt gerade Windkraftanlagen darstellen. Die Zeiten, in denen nur an wenigen Standorten der Strom erzeugt wurde, sind längst vorbei, und die Energiewende wird immer sichtbarer - damit auch die Konflikte, die hier so eben angesprochen wurden.

Auch wenn die grundsätzliche Zustimmung zur Energiewende weiterhin groß ist, müssen wir natürlich auch kritische Bürger initiativen ernst nehmen. Mit dem weiteren Windkraftausbau kommen in den betroffenen Regionen immer häufiger Fragen nach der wirtschaftlichen Teilhabe an diesen Anlagen, aber auch zu anderen Themen; ich werde gleich dazu kommen.

Bisherige Maßnahmen wie das Gewerbesteuersplitting bringen kaum Geld in die Kasse der Anrainerkommunen von Wind parks. Freiwillige Leistungen wie das Angebot zur Beteiligung oder verbilligte Strompreise für die Bürgerinnen und Bürger im Umfeld von Windparks sind eher die Ausnahme als die Regel.

Um unsere Bürger stärker einzubeziehen, wollen und müssen wir deshalb Möglichkeiten der wirtschaftlichen Teilhabe einer seits, aber auch Beratungs- und Informationsangebote anderer seits anfassen und verstärken.

Gleiches gilt auch - das ist erst einmal eine ganz praktische Fra ge, die hier teilweise abgetan wurde - für die bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung. Ich glaube schon, dass das ein wichtiger Punkt ist, dass es uns gelingen kann, wenn wir dort eine ver pflichtende Regelung haben, dass die Anlagen in der Nacht zu 95 % der Zeit nicht blinken. Das ist besser, als wenn sie die ganze Nacht blinken.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Das sollte man nicht hintanstellen.

Meine Damen und Herren, im Zuge der Antragstellung wurde eine ganze Reihe von Erwartungen geäußert, und wir haben viele Anregungen erhalten. Das meiste stimmt mit dem überein, was wir uns in der Landesregierung an Maßnahmen zur Steige rung der Akzeptanz von Windkraftanlagen überlegen und dann auch umsetzen werden.

Ich möchte zu zwei, drei Punkten noch etwas sagen, die vorhin eine Rolle gespielt haben.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Vielen Dank. - Herr Minister, habe ich Sie richtig verstanden? Sind Sie der Meinung, dass es ein staatlich finanziertes Förder programm geben sollte, wie es im Antrag steht, das die Ab schaltung der Nachtkennzeichnung an Windkraftanlagen unter stützt? Oder anders ausgedrückt: Sind Sie der Meinung, dass wir das angesichts bereits hochsubventionierter Anlagen sub ventionieren sollten? Eine Doppelsubventionierung kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Herr Homeyer, das Abschalten von Blinklichtern in der Nacht, wenn sich kein Flugobjekt nähert, ist aus meiner Sicht eine Maßnahme zur Steigerung der Energieeffizienz. An dieser Windkraftanlage wird dann weniger Energie verbraucht. Die Bürgerinnen und Bürger haben etwas davon.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Diese Maßnahme der Energieeffizienz ist grundsätzlich über unser RENPlus-Programm förderfähig. Wenn es entsprechende Anträge gibt und die Voraussetzungen erfüllt sind, werden wir es tun. Es dient einerseits der Energieeffizienz und andererseits, wie ich es ausdrücken möchte, der Lichtruhe der Bürgerinnen und Bürger im Umfeld von Windkraftanlagen in der Nacht. Deswegen machen wir das.