Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Vielen Dank. - Wir kommen zum dritten Redner, dem Abgeord neten Kosanke. Er spricht für den Änderungsantrag mit der Drucksachennummer 6/9066.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Mensch ist Geist und Körper - diese Einsicht, diese Über zeugung, ja dieses Wissen teilen die großen Religionen und Weltanschauungen. Was den Geist, die Seele, für manche auch nur profan die Psyche, das Ich oder das Selbstbewusstsein aus macht und was nach dem Tod damit geschieht, darüber gehen die Ansichten auseinander, und darüber haben wir heute auch nicht zu befinden.

Worüber wir heute reden, ist der Körper, ist die stoffliche Hülle, die es braucht, damit Geist, Seele oder Psyche sich in dieser Welt manifestieren können. Ohne den Körper kann der Geist nicht sein, jedenfalls nicht auf dieser Welt. Das ist auch der Grund, warum wir mit unserem Körper auf eine besondere Art und Weise umgehen, ihn vor Schaden bewahren. Das ist auch der Grund, warum unsere Volkswirtschaft viel Energie und Kraft dafür aufwendet, die Körper der Menschen gesund zu halten. Und das ist auch der Grund dafür, dass wir den Men schen nicht erlauben, mit ihrem Körper alles zu tun, was sie selbst für richtig halten.

Der Staat schützt den lebenden Körper, und er schützt auch den toten Körper, den Leichnam. Er tut dies aus der tiefen Überzeu gung, dass der Mensch etwas Besonderes ist. Deshalb ist die Grundintention des Brandenburgischen Bestattungsgesetzes, dafür zu sorgen, dass dem nichtgeistigen Teil des Menschen nach dessen Ableben die gleiche Würde zugeschrieben und mit dem gleichen Respekt begegnet wird wie dem gesamten Men schen. Auch nach dem Tod soll der menschliche Körper nicht

zur Sache werden, über die nach Belieben verfügt, die geteilt und verarbeitet werden kann.

Genau das, meine Damen und Herren, beginnt im Kleinen. Wenn der Geist den Körper verlassen hat und dann - je nach Glauben und Überzeugung - bei Gott ist, in Kindern, Freunden oder auch im gesellschaftlichen Vermächtnis fortbesteht, als Blume oder Schmetterling oder als anderer Mensch wiederkehrt oder auch einfach nur erlischt und nicht mehr ist, dann soll der Körper aufhören zu existieren. Er ist Erde, und Erde soll er wer den, und er soll nicht weiterverwendet werden. Aber genau das wird mit der Ascheentnahme getan, auch wenn, wie im Gesetz entwurf vorgetragen wird, nur ganz wenig entnommen wird.

Alles beginnt mit einem kleinen Schritt. Das ist mit dem klei nen Schritt in die richtige Richtung so; das ist mit dem kleinen Schritt in die falsche Richtung so. Wenn ein kleiner Schritt ge gangen wird, dann gibt es keine guten Gründe mehr dafür, wei tere Schritte zu untersagen. Wenn der menschliche Körper nicht mehr davor geschützt wird, dass kleine Teile von ihm verwen det werden, dann gibt es keinen Grund, zu untersagen, dass grö ßere Teile oder auch der ganze Körper in der gleichen oder in anderer Weise verwendet werden. Das gilt auch für die Herstel lung harmloser Erinnerungsstücke, ganz gleich, ob es sich hier bei um Amulette handelt, die die Asche enthalten, oder um die Erzeugung von Diamanten aus der Asche. Damit wird der Kör per zum Gegenstand, dem all die Probleme anhaften, die Ge genstände und Sachen so haben. Der Körper wird zur Sache; er kann verkauft, vererbt, verschenkt, gestohlen und verloren wer den. Damit werden wir dem, was wir mit unserem Menschsein verbinden, nicht mehr gerecht.

Deshalb, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, bitte ich Sie, dieses vermeintlich harmlose, vermeintlich unbedeu tende und vermeintlich niemandem schadende Ansinnen zu un tersagen. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und CDU sowie des Abgeordneten Königer [AfD])

Vielen Dank. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht die Abgeordnete Geywitz für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Der Juni vor zehn Jahren war über Wochen sehr heiß. Ge radezu angenehme Temperaturen herrschten dagegen auf der Intensivstation des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam. Hier hatte mein Vater seit einigen Tagen im Koma gelegen. Sein Körper war schwächer geworden, und es war wahrscheinlich, dass er in der kommenden Nacht sterben würde. Ich beschloss, diese Nacht bei ihm zu verbringen, auch wenn mir bewusst war, dass er es höchstwahrscheinlich nicht mehr mitbekommen wür de. Mir war es wichtig, dass er nicht alleine stirbt.

Nach seinem Tod wurde mein Vater zu einer - wie es in unserer Gesetzesnovelle heißt - toten Person, zu einem Leichnam. Wie wir mit Leichen umgehen, regelt der Staat im Bestattungsge setz. Warum das so ist? Artikel 1 des Grundgesetzes besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, und für mich be

deutet das, dass die Würde des Menschen auch nach seinem Tod unantastbar ist und durch uns alle geschützt werden muss. Daraus folgt, dass wir Sorge tragen müssen für einen ehrenhaf ten Umgang mit den Toten und dass es gerade nicht egal ist, was nach dem Tod mit einem Leichnam passiert,

(Beifall SPD, CDU und B90/GRÜNE sowie des Abge ordneten Galau [AfD])

und zwar verstanden als abstraktes ethisches Prinzip und nicht nur aus Rücksicht auf den Wunsch des Verstorbenen. Mein Va ter zum Beispiel war ein prototypischer DDR-Atheist. Er sagte immer: Wenn ich mal umfalle, dann ist mir total egal, was mit mir passiert; Hauptsache, es macht nicht so viel Mühe. - Wenn er es sich hätte aussuchen können, hätte es wahrscheinlich bei einer praktischen, preiswerten Bestattung auf einer Aschestreu wiese geendet.

Doch da war natürlich noch seine Frau. Für meine Mutter ist der Friedhof in unserem kleinen Heimatdorf ein wichtiger Ort der Trauer. Regelmäßig um den 1. März schickt sie die Enkelkinder mit dem Fahrrad zum Friedhof, um kontrollieren zu lassen, ob das Wasser schon angestellt ist. Der Friedhof ist für sie ein le bendiger Trauerort, aber auch ein Ort des gesellschaftlichen Le bens in unserem Dorf. Und durch die regelmäßigen Besuche am Grab konnten auch meine Kinder eine Beziehung zu ihrem Opa aufbauen, obwohl sie ihn nie kennengelernt hatten. Wie schon seit Jahrzehnten folgt die Grabbepflanzung dem Lauf der Na tur - von den frühen Stiefmütterchen über die Sommerbepflan zung bis hin zu den Herbstastern -, und natürlich wird das Grab vor Totensonntag abgedeckt und winterfest gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Schon in meiner Familie gibt es vollkommen unterschiedliche Auffassungen über Bestattung. Wie muss es erst in diesem Haus mit seinen 88 Abgeordneten sein? Der Umgang mit den Toten ist eine der ältesten Kulturfragen der Menschheit. Sie ist tief verbunden mit religiösem und ethischem Empfinden. Deswegen halte ich es für eine große Leistung dieses Parlaments, dass wir bei der Diskussion über das Bestattungsgesetz unsere eingespielten Pfade verlassen und nicht als Oppositions- bzw. Regierungs fraktionen entscheiden. Heute geht es nicht um Sieg oder Nie derlage.

(Allgemeiner Beifall)

Es geht darum, ein Bestattungsgesetz zu schaffen, das dem Empfinden der Mehrheit dieses Hauses entspricht. Herzlichen Dank allen, die dieses Verfahren ermöglicht haben.

Wir haben heute über drei Änderungsanträge zu entscheiden, die im Kern religiöse oder ethische Grundfragen berühren. Eine davon ist die Frage, ab wann das Leben beginnt, oder vielmehr, ab wann man einen Menschen bestatten soll. Der Tod macht es uns leicht; er ist medizinisch sehr gut zu überprüfen. Auf der Intensivstation konnte ich in der Nacht, als mein Vater starb, quasi dabei zusehen: Die kleinen Berge auf dem Monitor wur den immer flacher, das Piepen des EKG wurde zu einem Dau erton, und nachdem das Herz meines Vaters zu schlagen aufge hört hatte, sank die Sauerstoffsättigung im Blut schnell und stetig. Ich saß in dieser Nacht am Totenbett und hatte einen di cken Bauch - ich war im achten Monat schwanger. Ein Leben geht, ein anderes Leben kommt. Aber ab wann ist es denn ein

anderes Leben? Das ist viel schwerer zu beantworten als beim Tod mit seinen eindeutigen Merkmalen.

Zu den Fragen, wann das Leben beginnt und ab wann ein Mensch es wert ist, beerdigt zu werden, liegen uns zwei Ände rungsanträge vor. Es sind schwer zu beantwortende Fragen. Jede Frau, die schon einmal schwanger war, kennt den Moment, wo man selbst nicht weiß, ob im Bauch noch das Mittagessen ru mort oder ob das schon die ersten Bewegungen des Kindes sind.

„Wann beginnt das Leben?“ - dazu sind ganz unterschiedliche Zugänge möglich. Ganz grundsätzlich könnte der Biologe oder Katholik sagen, der Beginn des Lebens ist der Zeitpunkt der Verschmelzung von Eizelle und Samen. Aber kann man getrost von einem Menschen sprechen, wenn er vielleicht nicht mehr als zehn Gramm wiegt? Die potenzielle Lebensfähigkeit eines Babys ist daher durchaus auch ein nachvollziehbares Kriterium für die Beantwortung der Frage, ab wann ein Mensch ein Mensch ist. Der Fortschritt ist hier rasant: Heute können Früh chen ins Leben geführt werden, die vor Jahrzehnten noch sicher dem Tod geweiht gewesen wären. Deswegen ist mir bewusst, dass die Absenkung des Gewichts von 1 000 auf 500 Gramm für die Bestattungspflicht nur eine vom Menschen gesetzte Zahl ist. Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht eine Bestat tungspflicht erst ab einem Gewicht von 1 000 Gramm vor; denn gerade für Frauen mit mehreren Fehlgeburten kann die Bestat tung mehr Belastung als Trost sein. Auf jeden Fall sind Familien, die ihr Kind verlieren, immer in einer seelischen Ausnahmesi tuation. Deswegen begrüße ich es außerordentlich, dass sich der Innenausschuss darauf verständigt hat, dass künftig alle Krankenhäuser des Landes, unabhängig vom Geburtsgewicht, über die Bestattungsmöglichkeit informieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Medizinischer Fortschritt, aber auch der Zeitgeist und die Lebensumstände beeinflussen unsere Bestattungskultur. Eine Erscheinung dieses Zeitgeistes ist der Wunsch, aus Verstorbenen etwa Aschekristalle zu züch ten, Teile der Asche in Kreuze zu verbringen oder Ähnliches. Ursächlich hierfür dürfte zum einen der technische Fortschritt sein, zum anderen der Zerfall der dörflichen Gemeinschaften mit ihrer traditionellen Friedhofskultur sowie das Bedürfnis, in Zeiten der Globalisierung quasi ortsunabhängig zu trauern. Der Gesetzentwurf schafft die Möglichkeit für diese Form der Trau erkultur, die offensichtlich auf Nachfrage in der Bevölkerung trifft. Bisher musste dafür der Umweg ins Ausland gegangen werden. Nach dem Beschluss des Gesetzes wäre das auch bei uns in Brandenburg möglich.

In unserer Fraktion gibt es Befürworter dieser Regelung; ich ge höre nicht zu ihnen. Erinnerungsdiamanten sind Ausdruck eines vermeintlich liberalen Zeitgeistes. Die Trauerfamilie privatisiert damit das Gedenken an den Toten, sie nimmt es mit nach Hause. Zugleich freut sich die Bestattungsindustrie, die ein neues, sehr lukratives Geschäftsfeld eröffnet hat. Auf den ersten Blick könn te man meinen: Wen stört es? Beide Seiten sind doch reicher. - Das verkennt, dass man Menschen nicht besitzen kann, nicht während sie leben, aber auch nicht nach dem Tod. Gerade heute, wo viele von uns in Patchworkfamilien leben, mit der dritten Frau das zweite Kind haben, darf man nicht zulassen, dass die letzte Familie das exklusive Recht auf Trauer für sich bean sprucht. Der Friedhof ist eine große kulturelle Errungenschaft, die Platz für die Trauer aller schafft, die den Toten vermissen, unabhängig vom aktuellen Beziehungsstatus.

Den Friedhof als Ort der Trauer zu erhalten war der Anstoß für die Novelle dieses Gesetzes. Es war eine Anregung des Kolle gen Kosanke, die historische Friedhofskultur mit ihren Grabge bäuden und Grüften zu bewahren. Der Anstoß zog eine intensi ve Beschäftigung dieses Hauses mit dem Thema Bestattung nach sich. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen für die besondere Arbeitsweise, in der wir dieses Gesetz diskutieren konnten. Wie das letzte Hemd keine Taschen hat, geht es heute beim Bestattungsgesetz nicht um Sieg oder Niederlage, es geht um die Würde des Menschen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, CDU, DIE LINKE und B90/GRÜNE)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Wir setzen die Aussprache fort, und zu uns spricht der Abgeordnete Petke für die CDU-Frakti on.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lie be Kolleginnen und Kollegen! Der deutsche Papst im Ruhe stand, Benedikt, hatte Anfang Februar Folgendes auf die vielen besorgten Zuschriften zu seinem Gesundheitszustand geschrie ben:

„Ich kann […] nur sagen, dass ich mich innerlich auf ei ner Pilgerfahrt nach Hause befinde. […] Es ist eine große Gnade […], auf diesem letzten, bisweilen anstrengenden Wegstück von einer Liebe und Güte umgeben zu sein, die ich mir nicht hätte vorstellen können.“

Meine Damen und Herren, der Tod eines Menschen ist eine ganz persönliche Angelegenheit, zunächst einmal für den Ver storbenen selbst, der sich auf einen Weg begibt, der uns Leben den verborgen bleibt. Wir wissen nicht, was passiert. Wir glau ben, wir vermuten, aber wir wissen es nicht. Für die Familie, die Hinterbliebenen und die Bekannten ist der Tod eines gelieb ten Menschen auch ein ganz persönlicher Einschnitt. Oft be gleiten sie ihn in den letzten Tagen - soeben haben wir die be merkenswerte Schilderung eines Beispiels gehört. Sie weinen und trauern, sie suchen nach Trost und Zuversicht. Insbesondere der Tod eines Kindes oder eines jungen Menschen ist schmerzhaft, weil es bzw. er eigentlich noch sein ganzes Leben vor sich hatte.

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung bestattungs- und gräberrechtlicher Vorschriften mehr als nur ein besonderes Ordnungsrecht. Durch die Bestattung werden der Leichnam oder die Asche eines Verstorbenen und sein Andenken mit einem festen und endgültig bestimmten Ort in der Erde oder der Natur verbunden. Die Bestattung wird in der Regel durch eine religiöse oder weltliche Trauerzeremonie begleitet, um den Verstorbenen auf seinen Weg vorzubereiten, sich von ihm zu verabschieden und die Trauer zu bewältigen. Dieser Prozess des Trauerns ist von unserer Tradition, unserer Herkunft und unserer Geschichte geprägt. Sie müssen im Be stattungsgesetz abgebildet werden, damit es nicht zu einem Ordnungsrecht der Beliebigkeit verkommt, das unsere kulturel len Wurzeln ausblendet.

Wenn wir also heute über Änderungen des Brandenburgischen Bestattungsgesetzes entscheiden, sollten wir auch auf unsere

kulturellen Wurzeln schauen. Was aber sind unsere kulturellen Wurzeln im Hinblick auf das Sterben und den Tod? Viele Men schen scheinen sich das nicht mehr zu vergegenwärtigen. So greife ich an dieser Stelle auf die Unterstützung des römischen Schriftstellers Tacitus zurück. In seinem Werk über die Germa nen schrieb er zum Umgang mit den Toten:

„Bei den Leichenbegräbnissen gibt es keinen Prunk. Nur darauf halten sie, dass die Leiber angesehener Männer mit bestimmten Holzsorten verbrannt werden. Das Grab baut sich aus Rasen auf. Denkmäler zu Ehren der Verstor benen hoch und mühsam aufzutürmen verwerfen sie als für diese drückend. Wehklagen und Tränen legen sie rasch wieder ab, Schmerz und Betrübnis nur langsam. Für Frauen gilt das Trauern als angebracht, für Männer das Gedenken.“

Das Christentum lehnte die Feuerbestattung zugunsten der Erd bestattung ab. Die Totenklage wurde in dem Glauben an die Auferstehung durch Psalmengesang, Lesung und Gebet ersetzt. Hinterbliebene und die ganze Gemeinde sehen die Sorge um den Verstorbenen als Liebespflicht an.

Diese beiden maßgeblichen Traditionsstränge sind in unserem Bestattungsrecht durch die Erd- und Feuerbestattung auf Fried höfen verankert. Der Friedhof ist ein konkreter Ort der Trauer bewältigung, ein Ort der Erinnerung an einen geliebten Men schen oder an die Vorfahren. Unsere Friedhöfe sind also auch Stück unserer Heimat. Sie können ein lebendiger Ort des Ge denkens sein. Sie fördern die Gemeinschaft, die Verbundenheit der Trauernden und werden dadurch auch zu einem Ort der Be gegnung von Menschen. Menschen unterstützen einander bei der Grabpflege, kommen ins Gespräch, lernen einander kennen.

Im Mai haben Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen mit Herrn Prof. Dr. Erler und Dr. Köhler vom Klinikum Ernst von Bergmann Potsdam das Sternenkinder-Gräberfeld auf dem Neuen Friedhof in Potsdam besucht. Die beiden Ärzte haben eindrücklich beschrieben, wie die Begräbniszeremonie für die Sternenkinder abgehalten wird: Die Eltern stehen in ihrem Leid zusammen, sie trösten und unterstützen einander, sie sind dank bar, ein Teil dieser Zeremonie zu sein.

Ich spreche deshalb nicht von einem Friedhofszwang, sondern von einer Bestattungskultur. Die Bestattungskultur hat seit al ters eine grundlegende Bedeutung für die Menschheit. Sie ist ein Wesensmerkmal des menschlichen Seins. Sie verdeutlicht, woher wir kommen und wer wir sind. In einer globalisierten und immer beliebiger werdenden Welt verleiht sie ein Stück Heimatgefühl. Bestattungs- und Erinnerungskultur legen das Fundament für die Zukunft eines jeden einzelnen Menschen, aber auch einer ganzen Nation. Das bedeutet natürlich nicht, dass wir eine Staatsbestattungskultur einfordern. Mit der Reli gionsfreiheit garantiert das Grundgesetz die Berücksichtigung der Vorstellungen anderer Religions- und Weltanschauungsge meinschaften. Das gilt auch gegenüber muslimischen Flücht lingen und ihrem islamischen Glauben. Der Gesetzentwurf wird diesem Anspruch gerecht.

Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die drei Abgeordne ten-Anträge stellt sich heute natürlich auch eine ganz grund sätzliche Frage: Halten wir an unseren ethischen, religiösen Grundtraditionen fest, oder öffnen wir einem beliebigen Bestat tungspluralismus die Tür? Vertreter dieses Pluralismus verwei

sen darauf, dass der Tod die größte Kränkung des Menschen sei, die er durch Säkularisierung, Liberalisierung, Individuali sierung, Privatisierung und Technisierung zu überwinden ver suche. Dem wolle man mit dem Gesetzentwurf entgegenkom men, indem die Entnahme einer geringfügigen Menge Asche zur Diamantierung geregelt wird.

Bei der Diamantierung wird mit einem speziellen Trennungs verfahren der Kohlenstoff aus mindestens 500 g Asche gelöst und der extrahierte Kohlenstoff in einem weiteren Schritt in Graphit verwandelt. Darin wird ein Startkristall eingebettet, um den herum unter konstant zunehmendem Druck und steigender Hitze langsam ein Diamant wächst. Die Kosten werden je nach Unternehmen und Steingröße mit 4 500 bis 22 000 Euro bezif fert.

Dieser Prozess macht deutlich - das ist jedenfalls meine persön liche Ansicht -, dass aus einem Menschen eine Wertsache ge macht wird. Das steht im Widerspruch zur christlichen und zur germanischen Bestattungskultur. Außerdem gilt die Würde des Menschen auch über den Tod hinaus, indem insbesondere die Totenruhe sichergestellt werden muss. Das hat das Bundesver fassungsgericht zu Recht so entschieden. Dazu gehört auch, dass die Asche vollständig zu bestatten ist.

Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von praktischen Fra gen. Was mich in dieser Woche sehr überrascht hat, war die Tatsache, dass öffentlich ein Vorschlag diskutiert wurde, nach dem auf Friedhöfen Diamantenauffangbehälter aufgestellt wer den sollten, damit Menschen ihre nicht mehr gewollten Todes diamanten darin ablegen können. Als ich das gelesen habe, war ich sehr enttäuscht darüber, dass so etwas überhaupt vorge schlagen werden kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich ausdrücklich für die De batte im Innenausschuss bedanken, und zwar nicht nur bei der Vorsitzenden und den Mitgliedern des Innenausschusses, son dern auch bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem Sozial ausschuss. Diese Debatte war sehr bemerkenswert; sie war offen - deshalb bedanke ich mich auch bei den Fraktionsführun gen -, und sie hat Ergebnisse nach sich gezogen.

Drei dieser Ergebnisse sehen wir heute hier im Landtag zur Ab stimmung gestellt; das sind die Anträge von Abgeordneten. Ich persönlich habe die Debatte als sehr wohltuend empfunden,

(Beifall CDU)

als wohltuend auch für unser Haus, weil das zeigt, zu welchen Fragen wir uns äußern können, wie leistungsfähig wir sind und dass wir uns dieser Frage stellen können. Viele von uns waren vor Ort mit Fragen konfrontiert - ich selbst gestern Abend noch -, die die eigenen Positionen betreffen.

Ich bedanke mich für die Debatte. Von der Abstimmung erwar te ich persönlich, dass wir den Gesetzentwurf an der einen oder anderen Stelle korrigieren können. Damit tun wir ein gutes Werk für unsere Heimat. Kollege Dr. Scharfenberg, ich werde der weiteren Debatte aufmerksam folgen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vielen Dank Ihnen. - Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Dr. Scharfenberg für die Fraktion DIE LINKE.