Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

„Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lie ben, aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.“

Später fällt sich Fontane selbst in den Rücken - oder uns.

„Nicht so ganz unbedingt mit dem Neuen. Lieber mit dem Alten, soweit es irgend geht, und mit dem Neuen nur, soweit es muß.“

Es muss! Frank-Walter Steinmeier sprach in seiner Neuruppi ner Rede zur Eröffnung des Fontane-Jahres vom Konflikt zwi schen Tradition und Moderne - stimmt.

Fünftens - da habe ich vielleicht gesucht - Ehrenamt, Vereins förderung. Immerhin gibt es in den Spreeland-Wanderungen im Kapitel „An Bord der ‚Sphinx‘“ einen Seglerklub der Seg lerschule Stralau-Treptow; ansonsten spielen Vereine, Verbin dungen, Verbände, Feuerwehr keine Rolle bei Fontane. Gesell schaften versteht er anders. Nicht einmal der Berliner Mon tagsklub kommt vor, und ein Chor ist bei Fontane ein Altar raum. Da hat sich etwas verändert - zum Glück: Künstler und Kulturschaffende sind gemeinsam stärker geworden und mi schen sich auch gemeinsam als Seismografen von Entwicklun gen ein. Das wollen wir weiter fördern.

Sechstens - jetzt kommt das Wichtigste -: Wir haben viele klei ne Kulturprogramme, Formulare, Förderkriterien. Es ist nicht leicht, für sich und das eigene Anliegen das richtige Förderinstrument zu finden. Wir brauchen ein gutes Kulturfördergesetz für Brandenburg. Und so etwas wie „freiwillige Pflichtaufga ben“ ist und bleibt unverständlich. Wir wollen kein Monstrum, sondern wirkliche Kulturförderung, der sich auch eine Kom mune nicht entziehen kann. Fontane sagt:

„Man muß es so einrichten, daß einem das Ziel entgegen kommt.“

Siebtens: Fontane misstraute dem Wagnerschen „Kunstwerk der Zukunft“.

„Immer die Vorstellung, daß ein Dichter, ein Maler oder überhaupt ein Künstler etwas Besonderes sei […].“

Nein, das will ja gar keiner sein. Wenn die Arbeitsbedingungen der Künstler und Kulturschaffenden denen in anderen Arbeits bereichen entsprächen, wären wir schon sehr viel weiter.

Das heißt - achtens: Netzwerkarbeit stärken, bürokratische Hür den abbauen, Kulturverbände unterstützen. Das ist nicht einfach, und Fontane meint ein bisschen süffisant:

„Immer klingt es noch daneben: Ja, das möcht’ ich noch erleben.“

Neuntens: In der Demokratie, also von unten nach oben, setzen wir uns für eine Kulturförderung des Bundes ein, etwa die fi nanzielle Untersetzung „Regionaler kultureller Ankerpunkte im ländlichen Raum“, für die Entwicklung neuer Programme und Fortführung bewährter Förderprogramme, „TRAFO - Mo delle für Kultur im Wandel“, Orgelsanierungsprogramm - be darfsgerecht ausgebaut.

Kooperationsformen kulturpolitischer Partnerschaften könnten auf einer Plattform von Bund und Ländern zu finden sein; der Ausbau der Leuchttürmeförderung in Ostdeutschland, der „In vestitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutsch land“ sowie die Weiterentwicklung überregional bedeutender Kultureinrichtungen sind unsere Themen.

Bei alldem vergessen wir nicht, dass wir Nachbarn haben und die europäische Grenze weit nach Osten rückt. Denn - Fontane warnt -:

„Dem Nationalen haftet immer etwas Enges an.“

Und - zu den Staatsaufgaben -:

„Es gibt nicht zwei Sorten von Anständigkeit, und was ein anständiger Mensch nicht darf, das darf auch ein an ständiger Staat nicht. Verstößt der Staat gegen diesen ein fachen Satz, so gibt er nur ein schlechtes Beispiel.“

(Kalbitz [AfD]: Oh!)

Das wäre jetzt ein schöner Schluss gewesen,

(Frau Schade [AfD]: Ja, absolut!)

wäre da nicht noch ein wesentlicher Hinweis auf den „Stech lin“ als PS: Dort wird Dubslav zum konservativen Kandidaten für eine fällige Nachwahl des Reichstags gekürt. Die Wahl fin det statt; das Wahllokal ist - tatsächlich - in Rheinsberg. Der konservative Dubslav verliert und geht erleichtert nach Stech lin zurück. Es siegt der sozialdemokratische Kandidat. - Fonta ne weist halt immer wieder in die Zukunft!

(Heiterkeit und Beifall SPD - Vereinzelt Beifall DIE LIN KE - Kalbitz [AfD]: Haben Sie mal Ihre Prozente ange guckt?!)

Vielen Dank. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Koch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle gen! Ich werde jetzt nicht mit einem Fontane-Zitat starten, wie es vielleicht der ein oder andere vermuten würde,

(Zuruf von der SPD: Schade!)

sondern mit einem kurzen Rückblick in die Zeit der Industriali sierung, die Fontane durchaus geprägt hat.

Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse waren im Um bruch: Nichts war mehr so, wie es war; Althergebrachtes wurde infrage gestellt und wurde teilweise zum Leitmotiv der literari schen Epoche. Kritiker haben in dem Zusammenhang oft von einer Verklärung der Wirklichkeit gesprochen; da wären wir dann gerade bei „Unwiederbringlich“, „Effi Briest“, den „Ir rungen, Wirrungen“ - eine schöne Überschrift auch für politi sche Debatten - oder den „Wanderungen“, also bei Theodor Fontane. Fontane erlebte und lebte diese Widersprüchlichkeit, er war einerseits ein durch und durch urban geprägter Mensch, lebte auch den Großteil seines Lebens in Berlin, hatte aber überhaupt keine Berührungsängste in Bezug auf die Landbe völkerung oder die Provinz.

Auch der vorliegende Antrag ist widersprüchlich, allerdings leider nicht im Sinne Fontanes, sondern eher aufgrund seiner inhaltlichen Natur.

(Heiterkeit der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜ NE])

Entkleidet man diesen Antrag nun der schönen Worte, die ich Kollegin Liedtke durchaus zubillige, zeigen sich durchaus eini ge positive Aspekte, aber auch Kritikwürdiges, auf das ich gern eingehen möchte.

Zum einen sind da die Bibliotheken: Ich freue mich wirklich darüber, dass Sie diese nun endlich als wichtige Orte der Kul tur- und Bildungsarbeit begreifen. Das alles hätten Sie natür lich schon viel eher haben können: Wir hatten zum Doppel haushalt 2019/2020 einen Antrag gestellt, die Bibliotheken besser zu unterstützen. Das haben Sie damals noch als unnötig abgelehnt. Zumindest geht das Ganze jetzt in die richtige Rich tung. Es kann auch niemand dagegen sein, dass Sie die Impulse des Jubiläumsjahres für die Zukunft nutzen wollen. Aber auch da wäre es konsequent gewesen, unserem Antrag von 2016 zu zustimmen.

In Punkt 3 wenden Sie sich den infrastrukturellen Maßnahmen zu. Dazu möchte ich gern das Fontane-Zitat der Kollegin Liedtke aufgreifen: Sie wollen darauf vertrauen, dass das Ziel den jeweiligen Menschen entgegenkommt. Wir haben bereits 2016 unter anderem gefordert, dass die Orte des Fontanejubilä ums auch gut erreichbar sein müssen, insbesondere Neuruppin. Dass Sie jetzt, nachdem das Jubiläumsjahr begonnen hat, die Landesregierung auffordern, in der Zukunft darauf hinzuwir ken, ist schon nicht ganz ohne Komik.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE], Schade und Schröder [AfD])

Der Zug, muss ich aber sagen, wäre auch schon längst abgefah ren, wenn er denn überhaupt fahren würde.

Ich komme zu Punkt 9, dem ich mich etwas intensiver widmen möchte, der übrigens der einzige Punkt ist, der überhaupt mit Unterpunkten versehen ist. Er ist beispielgebend dafür, wie Sie Politik in diesem Land begreifen: nämlich permanent mit dem Ruf nach dem Bund. Wir hatten das heute Morgen schon, als es um die Digitalisierung ging, wir haben es im Bereich der inne ren Sicherheit und der Bildung. Wenn man nicht mehr weiter weiß, versucht man, sich anderen Ebenen zuzuwenden. Ich

darf an dieser Stelle aber auf die Kulturhoheit der Länder ver weisen, die gerade die Eigenstaatlichkeit der Länder ausmacht. Deshalb heißen wir auch nicht Regierungspräsidium, sondern Land Brandenburg; das ist der Unterschied.

Zu den einzelnen Punkten: Zu Punkt a) eine kleine Anmer kung: Wir haben seit dem 1. Januar eine Kulturministerkonfe renz. Sie schreiben hier noch von „Kultusministerkonferenz“; das ist schon etwas überholt, zeigt aber auch, mit welch heißer Nadel Sie das gestrickt haben. Übrigens war es Kulturstaatsmi nisterin Grütters, die das Thema Stärkung der Kultur in ländli chen Räumen am 13. März im Gespräch mit den Ministerinnen und Ministern angesprochen und dafür gesorgt hat, dass das auf der Konferenz im Herbst überhaupt Thema wird.

Zu Punkt b): Ja, Projekte der Kulturstiftung des Bundes sind generell Modellprojekte. Denn nur dann lässt sich überhaupt begründen, dass der Bund hier tätig wird. Es hindert aber nie mand das Land Brandenburg daran, erfolgreiche Modellpro jekte fortzuführen.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten von Halem [B90/ GRÜNE])

Darauf sollte man vielleicht den Schwerpunkt legen, anstatt auf andere zu verweisen.

Zu Punkt d): Ja, auch wir sind für die Förderung der kulturellen Leuchttürme in den neuen Bundesländern durch den Bund. Es plant übrigens auf Bundesebene niemand etwas anderes.

(Heiterkeit des Abgeordneten Bretz [CDU])

Es wird fortgeführt.

Der letzte Punkt, auf den ich eingehen möchte, ist die Aufsto ckung des Denkmalhilfeprogramms auf 1,5 Millionen Euro, wofür Sie sich in dem Antrag selbst loben und feiern. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Man muss aber auch sagen: Es liegen Anträge mit einem Volumen von über 5 Millionen Euro vor. Da ist also noch Luft nach oben. All das hilft außer dem nichts, wenn wir nicht genügend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im zuständigen Landesamt für Denkmalpflege ha ben, die diese Anträge sichten und bearbeiten.

Wir werden dem Antrag trotzdem zustimmen, auch wenn er ei nige Schwächen aufweist. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU sowie der Abgeordneten Nonnemacher [B90/GRÜNE], Hein und Königer [fraktionslos])

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abge ordnete Große.

Sehr geehrter Herr Präsident! Die erste Rede des Kollegen Koch

(Frau Lehmann [SPD]: Super!)

wurde solidarisch von seiner Fraktion begleitet.