Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! „Vor Ort wird Politik konkret“ - das war die Überschrift, die ich kürzlich einem Artikel über das Verhältnis von Landes- und Kommunalpolitik gegeben habe, und dies ist auch meine feste Überzeugung. Nachdem ich nun fünf Jahre hier im Landtag die Landesperspektive kennen lernen konnte - zuvor habe ich sechs Jahre als kommunaler Angestellter gearbeitet -, muss ich sagen: Vieles im Land Bran denburg läuft wirklich gut bis sehr gut, aber einiges ist sicher lich noch zu tun, sowohl vonseiten des Landes als auch von seiten der kommunalen Vertretungen.
Die nun ablaufende Legislaturperiode - das ist bereits ange sprochen worden - sollte ursprünglich von einer umfassenden, grundlegenden Neuordnung kommunaler Aufgaben geprägt sein. Landkreise sollten - mit der Kreisgebietsreform - neu zu
geschnitten werden, Aufgaben zwischen Land, Landkreisen und Städten und Gemeinden sollten - mit der sogenannten Funktionalreform - neu sortiert werden. Und woran auch im mer diese Großreform am Ende scheiterte - ob an der man gelnden Kompromissfähigkeit auf beiden Seiten, an
Kommunikationsproblemen zwischen den Ebenen oder viel leicht auch an der Priorität anderer Aufgaben; ich denke da ins besondere an die Aufnahme und Eingliederung von Flüchtlin gen in unserem Land -, sei dahingestellt.
Die Folgen der Absage dieser Reform - das sage ich auch in Hinblick auf das von Herrn Lakenmacher Gesagte - werden wir erst in ein paar Jahren wirklich feststellen können, denn dann werden wir sehen, ob es die richtige Entscheidung war, Landkreise nicht zusammenzulegen, und es nicht besser gewe sen wäre, es zu tun.
Fest steht: Die Reform wurde abgesagt, aber der Auftrag an Land und Kommunen, weiterhin gemeinsam nach Verbesse rungsmöglichkeiten zu suchen, ist nicht erloschen.
Kollege Lüttmann, verstehe ich Sie richtig, dass Sie und die SPD-Fraktion der Auffassung sind, dass weiterhin eine Kom munalreform auf der Landkreisebene notwendig ist?
Wenn Sie meinen folgenden Ausführungen zuhören, Herr Red mann, werden Sie feststellen, dass das nicht der Fall ist. Ich wollte damit lediglich zum Ausdruck bringen,
dass wir heute noch kein Fazit ziehen können, welche Folgen es hat, dass die Reform nicht durchgeführt wurde.
Die Zeit der Reformdebatte - um daran direkt anzuschließen - war hier eine Zeit der intensiven Auseinandersetzung, ja, des Streits. Wir hatten hier auch nächtliche Auseinandersetzungen in den Ausschüssen: zwischen Vertretern des Landes, des Landtags und der kommunalen Ebene. Deshalb ist es gut, dass seit anderthalb Jahren eine Atmosphäre herrscht, in der man an den Verhandlungstisch zurückgekehrt ist, um miteinander das Machbare zu besprechen und auf freiwilliger Basis umzu
setzen. In dieser weitgehenden Einigkeit sind in den letzten Monaten Gesetze zur Weiterentwicklung der gemeindlichen Ebene, zur Stärkung der kommunalen Zusammenarbeit, zur Verbesserung von Beteiligungsmöglichkeiten vor Ort sowie der Bericht und der Antrag zum Ausbau demokratischer Teil habe im Land Brandenburg gemeinsam produziert worden.
Mit den genannten Gesetzen gibt es ein neues Modell haupt amtlicher Verwaltung: die Verbandsgemeinde als Weiterent wicklung des Amtsmodells mit Direktwahl eines Verbandsge meindebürgermeisters. Und es gibt jetzt die Möglichkeit der Mitverwaltung von Gemeinden durch eine andere hauptamt liche Verwaltung. Damit stehen den Städten und Gemeinden Brandenburgs nun vier Modelle der Verwaltung zur Verfügung, um auf freiwilliger Basis Synergieeffekte zu heben.
Auch im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit - wenn sich Verwaltungen nicht gleich zusammenschließen wollen, sondern einfach gemeinsam Möglichkeiten suchen, um zusammenzuarbeiten und am Ende vielleicht effektiver zu arbeiten - haben wir etwas getan. Die eingesparten Gelder sol cher Synergien verbleiben künftig stärker auf der kommunalen Ebene. - Womit wir beim lieben Geld wären:
Natürlich steht und fällt auch auf der kommunalen Ebene vor allem mit der Frage, ob das notwendige Geld zur Verfügung steht, fast alles. Um es vorab zu sagen - das ist auch schon an gesprochen worden -: Die starken Steuereinnahmen der letzten Jahre sind natürlich auch in den Kommunen angekommen, auch die Kommunen haben profitiert, und auch ohne Zutun des Landes sind hier die Spielräume deutlich größer geworden. Dennoch ist klar, dass bei der Auseinandersetzung zwischen Land und Kommunen immer wieder die Verteilung der finanzi ellen Mittel im Mittelpunkt der Diskussionen hier im Landtag steht. Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren hier im Land tag kaum ein Wort so häufig gehört wie „Konnexitätsprinzip“. Ich fürchte, das wird in der nächsten Legislaturperiode nicht anders sein.
Kommen wir in Hinblick auf die finanziellen Mittel zum Er freulichen: Die Kommunen bekommen künftig ein größeres Stück vom Kuchen namens Landeshaushalt. Den Anteil, den wir über das kommunale Finanzausgleichsgesetz künftig weiterreichen werden, erhöhen wir von jetzt 20 % auf 22,4 % im Jahr 2021; das ist eine Erhöhung von etwas mehr als 10 %. Die Kommunen werden dadurch in den nächsten Jahren viele Hundert Millionen Euro mehr zur Verfügung haben. Und auch die hochverschuldeten kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) erhalten aus dem Landes haushalt zusätzliche Unterstützung, um ihre Schulden abzu bauen und im besten Fall loszuwerden.
Doch es gibt auch Risiken, wie bereits angesprochen wurde - „Sind die fetten Jahre vorbei?“ hat Frau Dannenberg gefragt -: die sich eintrübende Konjunktur und die gestiegenen Ansprü che an Politik, die sich aus den steigenden Einnahmen ergeben. Ich möchte nur an den Wunsch, die Kitabeiträge abzuschaffen, und die aktuell diskutierte Abschaffung der Straßenbaubeiträge erinnern. Auch in der immer noch nicht beendeten Altanschlie ßerthematik und in den Verhandlungen über die Zukunft der Grundsteuer liegen weitere Risiken für die kommunalen Haus halte.
Zum brennendsten Thema - meine Vorrednerinnen und Vorred ner sind darauf eingegangen -, den Verhandlungen zur Grund steuer im Bund: Dort darf es nicht zu dem Ergebnis kommen, dass Brandenburgs Eigenheimbesitzer künftig genauso viel zahlen wie die Eigenheimbesitzer in Bayern.
Das müssen wir gemeinsam auf jeden Fall verhindern. Und wir als Koalition - das steht auch in unserem Entschließungsantrag - stehen klar hinter dem modifizierten, wertabhängigen Modell, das von Olaf Scholz entwickelt wurde und dem vor allem die CSU widerspricht. Ich habe gerade mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass auch die CDU Brandenburg sich hier einen Steuerwettbewerb vorstellen kann. Wenn ich an die Europa wahl und die europäische Ebene denke, muss ich sagen: Ich wünsche mir eher weniger Steuerwettbewerb - auch auf euro päischer Ebene -, als einen weiteren auf bundesgesetzlicher Ebene zu eröffnen.
Insofern wäre mein Appell an die Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion hier im Landtag, entsprechend auf die Unionsfraktionen im Bundestag einzuwirken.
Die kommunalen Finanzen, die Finanzierungsströme zwischen Land und Kommunen werden uns in der nächsten Legislatur periode also weiter beschäftigen.
Vielen Dank, Kollege Lüttmann. Ich habe mich über Ihre Aus führungen zum Thema Steuerwettbewerb in der Bundesrepu blik Deutschland sehr gefreut. Würden Sie mir die Frage beant worten, warum die Landesregierung Brandenburgs, warum Ihre Koalition eine andere Steuer, nämlich die Grunderwerbs steuer, erhöht hat und damit aktiv einen Beitrag zum Steuer wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland geleistet hat?
Wie Sie vielleicht wissen, ist die Grunderwerbssteuer eine Steuer des Landes und die Grundsteuer im Moment - und hoffentlich bleibt das so - bundesweit einheitlich geregelt. Das ist das eine.
Das andere ist - und damit argumentieren Sie ja selber -, dass wir die Mehreinnahmen der Grunderwerbssteuer nutzen, um jetzt auch die Abschaffung der Straßenbaubeiträge zu finanzieren.
Die kommunalen Finanzen und die Finanzierungsströme zwischen Land und Kommune werden uns also in der nächsten Legislaturperiode weiter beschäftigen. Ich denke, dass wir hier wirklich großes Optimierungspotenzial haben. Dabei denke ich auch an die Klarheit der Zuständigkeiten: in den Bereichen Kita und Schule mit dem Kita- und dem Schulgesetz, bei der Finanzierung des Straßenbaus - da sind wir wieder bei den Straßenbaubeiträgen - und auch bei Investitionen. Wer ist eigentlich dafür zuständig, vor Ort die Kitas, die Schulen usw. zu bauen? Und wie bringt sich das Land da ein?
Ich hoffe deshalb sehr, dass es in der kommenden Legislatur periode - in guter Übereinkunft zwischen Land und Kommu nen, in der Atmosphäre, die ich vorhin beschrieben habe - eine Art Kommunalpakt geben kann, in dem gegenseitig etwas Planungssicherheit gegeben wird und man die Dinge gemein sam anpackt.
Lassen Sie uns noch einmal konkret auf die kommunale Ebene blicken: Welche Herausforderungen stehen dort eigentlich an? Ich meine ein Thema, das hier noch gar nicht genannt wurde: den Fachkräftemangel. Schon seit einigen Jahren ist die Be werberinnen- und Bewerberlage nicht nur in der freien Wirt schaft, sondern gerade in den Städten und Gemeinden nicht gerade rosig. Und war die Sicherheit einer Arbeit im öffent lichen Dienst in der Vergangenheit oft ein gutes Argument, um dort Nachwuchskräfte zu gewinnen, so lässt die Stärke dieses Arguments in der Zeit einer wachsenden Konkurrenz der freien Wirtschaft deutlich nach. Ich will es zuspitzen: Wenn ein Bau ingenieur die Alternative hat, im Bauamt einer Stadt mit 2 800 Euro Anfangsgehalt einzusteigen oder in der freien Wirt schaft 4 000 Euro oder mehr zu verdienen: Wofür wird er sich dann entscheiden? Und da rede ich noch gar nicht von den dringend benötigten IT-Spezialistinnen und -Spezialisten. Ich glaube, da gibt es schon heute große Probleme und wird es weitere in Zukunft geben.
Deshalb brauchen wir die finanziellen Spielräume der Kom munen, von denen ich eben sprach. Wir brauchen vor allem aber auch bessere Bezahlungsmöglichkeiten im Rahmen des kommunalen Tarifvertrages. Es kann nicht sein und wird zu riesigen Problemen vor Ort führen, dass in den Kommunen, al so dort - und das beschwören wir ja hier immer wieder -, wo die Arbeit direkt bei den Menschen gemacht wird, schlecht be zahlt wird und oft auch schlechter als zum Beispiel im öffentli chen Dienst des Landes oder des Bundes.
Gar nicht bezahlt hingegen werden unsere ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und -politiker. Erstaunlich oft musste ich dies in den letzten Wochen an den Wahlständen betonen, denn ich stelle immer wieder fest, dass viele Menschen in un serem Land glauben, dass die Vertreterinnen und Vertreter in den Stadtverordnetenversammlungen, in den Gemeindevertre
tungen für ihre Arbeit fürstlich entlohnt würden. Jedenfalls werden sie oft so angesprochen. Ich finde, dass es deswegen aller Ehren wert ist, noch einmal hervorzuheben, dass diese Menschen, die sich hier ehrenamtlich zur Wahl stellen, um für die Mitmenschen vor Ort Politik zu gestalten, unsere größte Hochachtung verdienen.
Denn die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind es, die auch vor Ort als Erste die Probleme mitbekommen und nicht selten auch zu spüren bekommen. Es ist deswegen wichtig, dass wir auch in unserer Landesgesetzgebung immer darauf achten, dass diese ehrenamtliche Tätigkeit ohne finanzi elle Nachteile für unsere Kommunalpolitiker abgeht und auch ohne nervige Bürokratie ausgeführt werden kann. Deshalb ist es gut - und da möchte ich mich beim Innenminister bedanken -, dass wir jetzt eine Ausführungsverordnung für die Auf wandsentschädigungen auf dem Tisch haben. Hier können wir einiges glattziehen.