Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Danke schön! Wunderbar!

[Kittelmann (CDU): Jetzt wollen wir mal hören, ob es sich lohnt!]

Sie haben ohne Abzug der Redezeit das Wort – bitte schön, Herr Kollege Klemm!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Senator! Ich wollte Sie schon deshalb herbeizitieren lassen, weil ich Sie zumindest an einer Stelle loben will.

[Oh! von der CDU]

Da Sie eher selten in den Genuss kommen, habe ich gedacht, das wollen Sie sich nicht entgehen lassen.

[Heiterkeit bei der PDS und bei den Grünen – Dr. Steffel (CDU): Für Lob offen!]

Herr Senator, immerhin sind jetzt beim Landesamt für Verfassungsschutz 2 Millionen DM Einsparung geplant, die Stellen von 100 Mitarbeitern sollen abgebaut werden – das sind richtige Schritte in eine richtige Richtung. Im Übrigen, Herr Senator, da

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waren Sie noch nicht Senator, sondern Ihr Vorgänger noch im Amt: Das war die erste Rate zum Abbau des Landesamtes in einem Antrag der PDS von 1996,

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Das kann ich mir vorstellen!]

den ich damals hier verteidigt habe. Den haben Sie als ersten Schritt mit Ihren Ankündigungen offensichtlich erfüllt.

Aber, Herr Werthebach, reicht das? – Ein Ende mit Schrecken ist oftmals besser als ein Schrecken ohne Ende. Und ein Schrekken ohne Ende war bislang das Markenzeichen des Landesamtes für Verfassungsschutz,

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Pleiten, Pech und Pannen sein stetiger Begleiter. Die Geheimdienstskandale in Berlin, die auch immer Skandale der politischen Führung waren, sind weit über die Stadt hinaus bekannt geworden. Die Tätigkeit des Amtes hat in den vergangenen 12 Jahren zu insgesamt fünf parlamentarischen Untersuchungsausschüssen geführt, zu „Fehlentwicklungen im Landesamt“, Lummer-Ausschuss, Schmücker-Ausschuss, Mykonos-Ausschuss, Ausschuss zur Untersuchung der Ereignisse am Israelischen Konsulat.

[Frau Künast (Grüne): Stasi nicht vergessen!]

Es wären vermutlich noch mehr dazugekommen, wenn das Parlament die Zeit und die Möglichkeit gehabt hätte, auch noch über andere Affären zu reden – Stichwort Scientology-Vorwurf gegen den Leiter des Polizeilichen Lagezentrums: eine Posse unter dem Motto „V-Mann P. – ein greiser Spitzel geht seinen Weg. Der letzte Fall der Quelle ,Junior‘“.

Überhaupt – Ihre V-Leute: der Auftritt von Adolf P., dem V-Mann vor dem zuständigen Ausschuss war ein behänder Beleg für die Qualität dieser Leute. Das Entsetzen einiger Kollegen, auch ihrer Partei, als der Herr da geredet hat, was da für Leute für die Informationsbeschaffung herangezogen werden, war vielen ins Gesicht geschrieben.

Nehmen wir das Stichwort: Ihr 007 Schachtschneider, der Topagent in der PDS. Der Mann hätte eher den Namen Aufschneider verdient, weil er sich gern bei der Darstellung seiner Rolle mit vielen großen und zu großen fremden Federn schmückte. Die Frage ist also bei solchen Leuten:

[Andrae (CDU): Das haben wir alles schon gehört!]

Dann hören Sie mal zu und ziehen Schlussfolgerungen, genau dazu rede ich. – Welche Qualität hatten denn die Informationen, und welche Qualität haben dann die Schlussfolgerungen, was sollte man denen glauben? Ich kann dazu nur sagen: Denen konnte man schlichtweg nichts glauben. Es ist und bleibt im Zusammenhang mit Schachtschneider, aber auch Junior ein Skandal, dass Leute für den Verfassungsschutz herangezogen werden, Zuträger des Verfassungsschutzes sind, die zu DDRZeiten Opposition schikaniert und ausspioniert haben. Das kann nicht sein.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Die bisherige Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz beweist weiter, dass diese Institution mit dem Demokratieprinzip nicht vereinbar ist. Ich habe am Montag in die 13 Aktenordner der Kommunistischen Plattform gucken dürfen. Da war ja nicht viel zu sehen: 80, 90 % Leerblätter, die mir also nicht gezeigt werden. Wie sollen wir denn parlamentarisch kontrollieren, wenn wir keine Chance haben, überhaupt in die Akten einzusehen? – Also, mit dem Landesamt war kein Staat zu machen, weder mit seinen Aufklärungsergebnissen noch mit seinen Mitarbeitern, die der Senat nun scharenweise in die Wüste schicken muss, mit seinem Chef eher auch nicht. Sechs Jahre im Amt zu sein, um dann am Ende zu merken, dass man den Laden schon vor zehn Jahren hätte auflösen sollen, ist auch für Herrn Vermander kein Qualitätsmerkmal. Die letzte Lösung war nun also die Auflösung. Die Frage ist: Was kommt danach? Neue Anbindung, neue Leute, neue Strukturen – kommen mehr Transparenz und mehr Zuverlässigkeit? Der Worte habe ich viele gehört dazu, allein, mir fehlt der Glaube. Herr Senator, mein Vorschlag zur Zukunft des

Amtes greift einen Wahlslogan der Ost-CDU von 1990 auf: Keine Experimente! Das Beste, was nach diesem Amt kommen sollte, ist nichts. Jedes Mehr, was danach kommt, ist schlechter als nichts.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Das Wort für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gram!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Klemm! Das war PDS pur rückwärts gewandt.

[Gelächter bei der PDS]

Ich hätte mich gefreut, wenn Sie mal irgend was über die Zukunftspläne gesagt hätten. Aber das überfordert Sie offenbar.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie und Ihre Fraktion und die Staatsmachtallergiker der Grünen, die quälen uns ja nun seit Jahren mit entsprechenden Anträgen zur Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz, einer Ersetzung des Landesamtes durch eine Art Landeszentrale politischer Bildung – Frau Künast, Ihre Lieblingsidee. Dass das von der PDS kommt, wundert mich nicht. Sie ist schließlich selbst auch selbst ein Teil Beobachtungsobjekt. Da ist es natürlich willkommen, wenn man das Landesamt abschafft. Solchen Anträgen aber ist meine Fraktion in der Vergangenheit immer entgegengetreten. Die Absicht, die dahinter stand, war erkennbar: Es ging um die Zerschlagung eines der wehrhaften Instrumente der wehrhaften Demokratie, nämlich des Landesamtes für Verfassungsschutz.

Ich will nicht bestreiten, dass in der Vergangenheit in Berlin seit Jahren der Verfassungsschutz immer wieder in die Negativschlagzeilen geraten ist. Er hat damit seinen Gegnern willkommene Anlässe geliefert, seine Abschaffung zu versuchen. Wir alle, insbesondere auch die Kollegen im Ausschuss, haben dies über Jahre leidvoll miterlebt. Wie leider oft im politischen Leben werden durch das inakzeptable, zum Teil strafbare Verhalten von anonymen Durchstechern und Intriganten innerhalb und außerhalb des Amtes letztlich diejenigen Mitarbeiter getroffen, und zwar in Ruf und in Motivation, die gute und solide Arbeit leisten. Hinzu kommt eine leider zu oft tendenziöse Berichterstattung in den Medien.

Von den Erfolgen des Landesamtes erfahren und lesen wir leider nie etwas. Das liegt aber nicht daran, dass es sie nicht gibt. Vielmehr gehen die loyalen Mitarbeiter aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflicht nicht mit ihren Erfolgen hausieren und verhalten sich sozusagen zu ihrem eigenen Nachteil pflichtgemäß. Und dann gibt es noch die Binsenweisheit, die Schlagzeile „Landesamt arbeitete erfolgreich“ verkauft sich eben nicht. Ich will aber doch an dieser Stelle ein Beispiel für gute Arbeit hervorheben. Die kürzlich im Ausschuss diskutierten Berichte des Landesamtes über Links- und Rechtsextremismus zeichneten sich durch eine solide Erkenntnislage und ein erfreulich hohes Niveau aus. Dafür danke ich dem Amt!

[Beifall bei der CDU – Gelächter bei der PDS]

Die Opposition hat bisher jeden negativen Vorgang im Landesamt für Verfassungsschutz genüsslich ausgeschlachtet. Jetzt haben Sie aber ein Problem. Geprägt von der Erkenntnis, dass die Arbeit des Landesamtes auch in Zukunft von Querulanten, Intriganten und Durchstechern belastet würde, hat der in Fragen des Verfassungsschutzes nun wahrlich nicht unerfahrene Berliner Innensenator entschieden, den Verfassungsschutz unter Auflösung des Amtes in Berlin neu auszurichten, damit dieser endlich wieder seinen gesetzlichen Aufgaben nachkommen kann. In der Sitzung, in der Dr. Werthebach die Kollegen hierüber informierte, nahm die Opposition dies zunächst mit ungläubigem Staunen hin, dann aber überwiegend zustimmend. Erst wesentlich später merkte man ja, dass man Opposition sei und eigentlich gar nichts billigen dürfte, schon gar nicht etwas Sinnvolles, was von einem CDU-Senator kommt.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ja, man glaubte einfach nicht, dass es dem Innensenator ernst war mit dieser Sache. Statt sich in die sachliche Arbeit einzubringen hat die versammelte Linke dieses Hauses sich wieder in ihre üblichen Rituale und Mätzchen zurückgezogen. Kollegin Künast outet sich am Dienstag dieser Woche im lindgrünen Tarngewand an der Clayallee als jobsuchende Geheimagentin mit Reißwolfausstattung und einem Faible für Entsorgungsfirmen. Nun gut, Frau Künast, Sie müssen ja was für die grüne Seele tun. Über etwaige andere Motive decke ich den Mantel des kollegialen Anstandes.

Dann komme ich zum Kollegen Klemm. Der ist an Originalität nicht mehr zu überbieten, und was macht er?

[Beifall bei der PDS]

Er macht eine Pressekonferenz. Und außer dem „Neuen Deutschland“ haben selbst wohlmeinende Journalisten im Anschluss daran gefragt: Was wollte uns der Künstler eigentlich sagen? – So ist das eben. Während die einen sich aufführen, als habe man ihnen ihr Lieblingsspielzeug geklaut, müssen die andern die Kärrnerarbeit machen.

Meine Fraktion unterstützt den Innensenator und seine sehr engagierte Staatssekretärin Koller bei dieser wirklich nicht beneidenswerten Aufgabe. Nach meiner festen Überzeugung wird es in absehbarer Zeit den modernsten Landesverfassungsschutz in Berlin geben. Folgende Punkte werden ihn auszeichnen: Die Integration des Verfassungsschutzes in die Innenverwaltung wird seine Einbindung in die Willens- und Entscheidungsprozesse der Innenbehörde verbessern. Eine Verselbständigung des Verfassungsschutzes wird es nicht mehr geben. Die Mitarbeiter werden künftig motivierter als bisher ihren Aufgaben nachgehen. Politikberatung wird künftig einen größeren Stellenwert bei der Arbeit haben. Und neben der Gewinnung von Erkenntnissen, die natürlich auch in Zukunft den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erfordern wird, wird künftig auch ein Schwerpunkt bei der wissenschaftlichen Erarbeitung dieser Erkenntnisse liegen. Sehr am Herzen liegt mir der letzte Punkt: Im Bereich des politischen Extremismus, insbesondere von rechts, wird die Beobachtung durch den Verfassungsschutz künftig stärker als bisher auf gewaltbereite und gewaltgeneigte Personengruppen ausgerichtet sein.

Selbstverständlich – das sage ich jetzt hier auch als Parlamentarier – werden wir auch zukünftig die Wahrung unserer Kontrollrechte beachten und gegebenenfalls einfordern. Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass wir in Berlin nunmehr auf einem guten Weg sind. Mir ist klar, dass es keinen von allen Seiten unterstützten Königsweg gibt, schon gar nicht bei einem Nachrichtendienst. Aber jetzt geschieht in Berlin etwas, das den eigentlichen Auftrag des Verfassungsschutzes wieder in den Mittelpunkt rückt, nämlich quasi als Seismograph, sozusagen als Frühwarnsystem, die Verfassung vor ihren Feinden zu schützen. Das ist eine Herzensangelegenheit von mir.

[Beifall bei der CDU]

Eines kann ich Ihnen versichern: Der Berliner Verfassungsschutz wird umgestaltet, aber bestimmt nicht ersatzlos aufgelöst. Frau Kollegin Künast, nehmen Sie doch bitte Ihren so heiß geliebten Reißwolf, packen Sie die heutigen Anträge da rein; das ist der einzige Ort, wo sie wirklich hin gehören. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Gram! – Für die Grünen hat jetzt Frau Künast das Wort.

Lieber Herr Gram!

[Oh! von der CDU – Gram (CDU): Ja, hier!]