Protokoll der Sitzung vom 12.10.2000

Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat nunmehr der Kollege Wolf. – Bitte schön!

[Landowsky (CDU): Hört doch auf! Wegen 160 DM! Denkt doch an den Stundenlohn! – Doering (PDS): Das ist für uns viel Geld!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Abgeordnete Müller-Schoenau offensichtlich darum gebeten hat, dass noch einmal die Mehrheitsposition der PDS-Fraktion dargelegt wird, habe ich die Gelegenheit zu einer Kurzintervention gewählt. Wir halten es gemeinhin für eine Selbstverständ

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lichkeit, dass bei Allparteienanträgen auch Vertreterinnen und Vertreter von Minderheiten aus unserer Fraktion die Möglichkeit haben, ihre Position zu artikulieren.

[Beifall bei der PDS]

Aber wenn das Bedürfnis besteht, hier noch einmal eine offizielle Stellungnahme der Mehrheit der Fraktion zu bekommen – gerne!

Was ich nicht verstehe, Herr Müller-Schoenau, ist die Empörung über die Erhöhung der Fraktionszuschüsse und die Zustimmung zur Diätenerhöhung, weil ich finde, man muss in gewisser Weise konsequent sein. Wenn man ein Argumentationsmuster verfolgt und sagt: Wenn das Abgeordnetenhaus die umstrittene 5-%-Kürzung bei den freien Trägern vornimmt, dann dürfen wir keine Erhöhung bei den Fraktionszuschüssen vornehmen, die u. a. – um das noch einmal zu sagen – in der Höhe danach bemessen worden ist, um die Tariferhöhung auch an die Beschäftigten der Fraktionen weitergeben zu können. Das ist ein richtiges Anliegen.

[Zurufe von den Grünen]

Wenn dann auf der anderen Seite gesagt wird: Aber bei den Abgeordneten nehmen wir die Erhöhung mit –, dann ist das ein Widerspruch. Da fallen Sie zurück in den Populismus, den Sie selbst kritisiert und gesagt haben: Davon müssen wir bei der Diätenerhöhung weg. – Ich finde, dann muss das generell so sein. [Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Ich bin auch nicht der Auffassung, dass bei einer Regelung, die von der Opposition zu Recht gemeinsam bekämpft wird – nämlich der pauschalen 5-prozentigen Kürzung bei den freien Trägern –, die Solidarität darin besteht zu sagen: Na gut, dann muss das bei allen so sein. Dann müssen wir bei uns kürzen. Dann müssen wir womöglich auch noch in anderen Bereichen kürzen und dann als Maßnahme der Solidarität vielleicht auch noch vorschlagen, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auch noch einen 5-prozentigen Abschlag bekommen.

Entschuldigen Sie, Herr Kollege, ich möchte Ihnen Gehör verschaffen. – Ich bitte die Kollegen, die Ihre Verhandlungen im hinteren Teil des Raumes pflegen, den Plenarsaal zu verlassen! Draußen können Sie dann um so lauter sprechen.

Danke, Herr Präsident! Aber ich rede im Moment hauptsächlich zur Fraktion der Grünen.

Das macht nichts! Die können das auch nicht verstehen, wenn dort hinten alle reden. Wir wollen, dass das ankommt. Ich bitte die anderen Kollegen, die dort hinten so angeregt ihre Verhandlungen pflegen, auch noch einmal, den Saal zu verlassen und hier die Sitzung nicht zu stören! Herr Kollege Köppl! Herr Kollege Schuster! Draußen können Sie alles viel besser beraten. Die Spandauer will ich nicht aufrufen. – Bitte schön, Herr Wolf!

[Wieland (Grüne): Die Spandauer sind auch lernfähig!]

Ich finde es jedenfalls nicht sinnvoll, die Solidarität auf diese Art zu praktizieren, sondern indem wir – was wir in der Vergangenheit getan haben und in der gegenwärtigen Haushaltsberatungen auch tun – gegen diese 5-%-Regelung angehen und nicht sagen: Wir beschneiden jetzt auf der Ebene der Fraktionszuschüsse, auf der Ebene der Abgeordneten oder in einem anderen Bereich. Die Solidarität kann sich nicht im Abbau ausdrücken, sondern nur, indem man versucht, gegen diese Maßnahme vorzugehen und dagegen einzutreten.

[Beifall bei der PDS – Frau Dr. Klotz (Grüne): Das ist ja das Neueste!]

Konsequent wäre in dieser Frage, wenn man den Ansatz teilt, dann auch gegen die Diätenerhöhung zu stimmen. Oder man sagt: Die Erhöhung der Fraktionszuschüsse und damit auch die

Frage der Finanzierung von Tariferhöhungen – die wir jedenfalls in unserer Fraktion entsprechend den Tarifabschlüssen der ÖTV vorgenommen haben – drückt sich auch in der Erhöhung der Fraktionszuschüsse aus. Das kann man machen. Aber jetzt zu erklären, die Erhöhung der Fraktionszuschüsse sei ein Skandal, das halte ich für dumpfen Populismus, und das machen wir nicht mit. [Beifall bei der PDS]

Danke schön, Herr Kollege! – Zur Entgegnung hat nunmehr der Kollege Müller-Schoenau wieder das Wort. – Bitte!

[Landowsky (CDU): Habt ihr keine anderen Sorgen?]

Herr Wolf! Es ist schön, dass auf diesem Weg wenigstens noch einmal die Mehrheitsposition der PDS-Fraktion hier deutlich wird, aber ich bin der Meinung, dass die Position, die Sie öffentlich zu machen versuchen, garantiert bei all denen, für die Sie einzutreten vorgeben, nicht ankommen wird. Das Gegeneinander-Ausspielen der Diäten und der Fraktionszuschüsse ist genau der falsche Weg. Wir kämpfen auch bei sämtlichen freien Trägern dafür – übrigens, wir gemeinsam –, dass Tariferhöhungen dort weitergegeben werden, dass es möglich ist, dass freie Träger ihre Tariferhöhung bekommen. Wir finden, dass alle das Recht auf Tariferhöhungen haben. Dazu gehören dann aber auch die Abgeordneten. Deswegen sagen wir, den Teil Diätenerhöhung tragen wir mit. Jetzt sagen Sie, wir müssen zusammen gegen die Kürzung bei den freien Trägern kämpfen. interjection: [Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Ich weiß nicht, ob die Erhöhung der eigenen Zuschüsse der richtige Weg ist, deren Kürzung zu bekämpfen. Nun gebe ich zu, dass die Summe nicht ausreichte, um diese Kürzung zu kompensieren. Wir müssen aber auf der anderen Seite sagen: Wenn wir es damit ernst meinen, dass in diesem Land gespart werden muss, und wenn wir es nicht nur auf dem Rücken der Schwächsten machen wollen, dann müssen wir bei uns anfangen. Ich verlange gar keine Kürzung, aber im nächsten Jahr auf die Erhöhung der Fraktionszuschüsse zu verzichten, wäre wirklich nicht zu viel verlangt. [Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe somit die Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Antrages. Wer dem Fünfzehnten Gesetz zur Änderung des Landesabgeordnetengesetzes zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Bei fünf Gegenstimmen frage ich nunmehr nach den Enthaltungen. interjection: [Over (PDS): Es waren mindestens sieben!]

Ich habe sie alle gezählt! – Es gibt eine Enthaltung. Damit ist das so beschlossen!

Sie möchten eine E r k l ä r u n g z u m A b s t i m m u n g s v e r h a l t e n abgeben? – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es ans Eingemachte geht, dann gehen die Meinungen schon auseinander. Es ist auch eine Frage der Kriterien, die jeder in puncto Diätenerhöhung persönlich hat, nach denen er seine Entscheidung letztes Endes ausrichtet. Ich persönlich vertrete die Auffassung, dass die Entscheidungen der Diätenkommission für mich nicht das Kriterium sein kann, weil ich weiß, dass meine Wählerinnen und Wähler mehrheitlich diese Zustimmung nicht verstehen, nicht etwa, weil sie der Sozialneid triebe, sondern weil sie mir erzählen, wie es in den Initiativen und Projekten in dieser Stadt aussieht, die sich mühen, eine Infrastruktur am Leben zu erhalten, die ihre Arbeit machen,

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die sie gut und engagiert machen, und die mit ständigen Kürzungen konfrontiert werden, nicht nur der Sachmittel dieser Projekte, sondern vor allen Dingen mit Kürzungen der Arbeitseinkommen, auch was die Förderung über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen betrifft. Als Flüchtlingspolitikerin habe ich in erster Linie mit der Situation von Flüchtlingen in dieser Stadt zu tun.

Frau Kollegin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Nach § 65 der Geschäftsordnung sind persönliche Bemerkungen nach Abschluss der Aussprache, jedoch vor der Abstimmung zulässig oder nach Annahme eines Vertagungsantrages. Sie dürfen nur persönliche Angriffe zurückweisen oder eigene Ausführungen berichtigen. Sie sprechen inzwischen ziemlich genau – –

Das ist eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten. Insofern liege ich, glaube ich, richtig.

§ 72 – Entschuldigung, bitte!

Ich habe in meiner täglichen Arbeit als Flüchtlingspolitikerin in erster Linie mit der Situation von Flüchtlingen in dieser Stadt zu tun. Da bin ich auch schon mit der Meinung konfrontiert gewesen – ich nenne einen Betrag, ohne dass er auf den Pfennig stimmen muss –: 7,37 DM Versorgungsbedarf für Nahrung am Tag müssen reichen. – Ich sage Ihnen, das ist ein dürftiges Leben, wenn dies reichen soll, zumal dann noch die Möglichkeit beschnitten wurde, dass sie sich persönlich versorgen, sondern es werden ihnen einfach Lebensmittelpakete in die Hand gedrückt, und es werden im Prinzip noch Betrug und Geldschinderei damit getrieben. Es gibt einen Skandal, nicht in Berlin, aber woanders, und da wurde sehr deutlich gezeigt, dass man momentan auch Millionen verdienen kann, indem man Flüchtlinge um das ihnen Zustehende bringt. Es ist ausschlaggebend, welche Kriterien man persönlich wählt, wonach man sich ausrichtet. Ich richte mich danach aus, dass wir in dieser Stadt ein Haushaltsdefizit haben und nicht wissen, wie wir das jemals aus der Welt schaffen können, dass wir als Abgeordnete in diesem Hause Kürzungen über Kürzungen für viele wichtige Projekte und Leute beschließen, die engagiert in dieser Stadt arbeiten und für die öffentliche Hand und im öffentlichen Interesse tätig sind. Als Politikerin habe ich so etwas wie eine politische Moral, die ich mit gutem Gewissen vertreten möchte. Wenn ich hier über Kürzungen abstimmen soll, wogegen ich mich in vielen wichtigen Bereichen auch wende, dann kann ich nicht gleichzeitig meine eigenen Diäten per Abstimmung erhöhen. Das steht mir dann als Politikerin nicht zu.

[Beifall der Frau Abg. Simon (PDS) – Zurufe von der CDU]

Danke schön, Frau Hopfmann!

Die lfd. Nrn. 2 und 3 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3 A, Drucksache 14/717:

I. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Staatsvertrag über die Zusammenführung der Landesbausparkasse Berlin mit der LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Hannover zwischen dem Land Berlin und dem Land Niedersachsen vom 6. Oktober 2000

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Wird Beratung gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie. Wenn dem nicht widersprochen wird, dann ist das so!

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4, Drucksache 14/611:

Große Anfrage der Fraktion der PDS über Integrationschancen von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern im Land Berlin

Eine schriftliche Beantwortung zu dieser Großen Anfrage liegt Ihnen seit unserer letzten Sitzung vor, dem Ältestenrat bereits seit dem 26. September. Zu einer zusätzlichen mündlichen Begründung der Großen Anfrage erteile ich wunschgemäß der Fraktion der PDS mit einer Redezeit von bis zu zehn Minuten nach unserer Geschäftsordnung das Wort. Für die PDS macht das Frau Dr. Schulze. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die PDS-Fraktion hat mit ihrer Großen Anfrage zu Integrationschancen von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern im Land Berlin ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das wert ist, in diesem Haus besprochen zu werden. Die PDS-Fraktion hat den Senat nach konkreten Vorstellungen und Konzepten zur Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern gefragt. Die Antwort liegt vor. Warum bestehen wir trotzdem in der heutigen Plenarsitzung auf einer Erörterung? – Das Land Berlin hat in den letzten zehn Jahren nach den gesetzlich geregelten Länderquoten rund 30 000 Spätaussiedler aufgenommen. Neben den Berliner Neubürgern, die auf dem Wege des geregelten Spätaussiedlereinreiseverfahrens eingereist sind, gibt es aber im Land Berlin zahlreiche andere Neuberliner, die auf anderen Wegen mit diesen Spätaussiedlern nach Berlin gekommen sind. Auf dem Wege der Familienzusammenführung sind nach Schätzungen ca. 60 000 weitere Neubürger nach Berlin gekommen. Statistisch werden sie nicht erfasst, weil sie nicht über Marienfelde einreisen. Die Gemeinde der Neuberliner wächst ständig. Auch in künftigen Jahren haben wir mit einem ständigen Zuwachs zu rechnen. Diese Gemeinde der Neuberliner verteilt sich nicht gleichmäßig über die gesamte Stadt, sondern die Neubürger von Berlin wählen bevorzugt Bezirke im Ostteil der Stadt wie Marzahn und Hohenschönhausen. Die Wahl der Wohnung ist eine freie Entscheidung dieser Neuberliner. Es entsteht aus unserer Sicht so etwas wie ethnische Kolonien in diesen Bezirken. Es gibt sie, die senkrecht stehenden Dörfer oder Hochhäuser und die langen Straßenzüge, wo man sich untereinander kennt, wo man Russisch spricht und wo man nach Kasachstan schreibt und wohin die, die noch nachkommen wollen, auch gerne ziehen möchten.

Die Bezirke freuen sich in der Regel über Neubürger, zumal diese viele Kinder mitbringen. Es gibt aber auch Mitbürger, die dann solche Meinungen äußern wie die folgende: Ich muss doch hier noch sagen dürfen, sagt einer, dass die Aussiedler in Marzahn ständig provokant Russisch sprechen, in ihrer alten Heimat sprachen sie doch Deutsch. Wo bleibt denn da der Grund, warum sie überhaupt hergekommen sind? – Es gibt auch die rechten Jugendlichen, die gelegentlich durch die Wohngebiete ziehen und Parolen wie „Zick-zack, Russenpack!“ skandieren. Die Zahl der nicht Deutsch sprechenden Jugendlichen unter den Neubürgern wächst. Auf der anderen Seite haben mancherorts die Hilfen zur Ausländerintegration oder – hier korrekterweise – Aussiedlerintegration von zahlreichen Vereinen einen Boom an Aktivitäten hervorgebracht, mit dem die neue Zielgruppe regelrecht umworben wird.

Was ist der Grund dafür? Die Möglichkeit der Fördertöpfe oder das tatsächliche Angebot an Integration? – Damit ist allein aus dem bisher Gesagten die Spannbreite der Problematik des Zuwachses dieser Neubürger in Berlin gegeben und unsere Begründung für die Notwendigkeit einer Diskussion dazu abzuleiten.

Gestatten Sie mir in diesem Rahmen einige Ausführungen und grundsätzliche Bemerkungen zu den vorab gegebenen schriftlichen Antworten des Senats auf unsere Anfrage.

Bei der Anzahl der Aussiedler, die Sie benennen, gehen Sie lediglich von der Zahl aus, die über das Länderkontingent nach