Herr Kurth! Würden Sie die soeben gemachten Ausführungen auch auf das geplante Einheitsunternehmen Krankenhäuser beziehen, bei dem zunächst der alleinige Gesellschafter das Land Berlin sein wird?
Der Prozess der Liberalisierung der Märkte kommt schneller und umfassender voran als von den meisten von uns erwartet. Der Wettbewerb wird intensiver. Er wird grenzüberschreitend. Die Zeit der öffentlichen Monopole ist vorbei, ob wir das wollen oder nicht. Und wie sich dieser Wettbewerb auswirkt, haben wir beispielsweise auch bei der Entscheidung des Berliner Abgeordnetenhauses gesehen, als Stromlieferanten ein anderes Unternehmen zu wählen als den vor Ort ansässigen ehemals landeseigenen Stromproduzenten.
Das ist ein Beispiel für den Druck, unter dem diese Unternehmen stehen und der natürlich auch innerbetriebliche Konsequenzen hat.
Aber dieser Druck gilt unabhängig davon, ob die Unternehmen nun private Eigentümer oder das Land Berlin zum Eigentümer haben. Dem Wettbewerb können sich diese Unternehmen nicht entziehen, auch nicht dadurch, dass man auf die Privatisierung verzichten würde.
In den letzten Jahren haben wir etwa 14 Milliarden DM – das sind 14 000 Millionen DM – aus der Veräußerung insbesondere landeseigener Beteiligungen und auch von Grundstücken eingenommen. Natürlich ersetzt Privatisierungspolitik nicht Konsolidierungspolitik, aber diese erheblichen Einnahmen waren geeignet und unverzichtbar, um den Kurs der Absenkung der Netto-Neuverschuldung zu halten. Das gilt auch für die Haushaltsjahre 2000 und 2001. Sie wissen, dass wir nach unserer Finanzplanung für die Zeit danach derartige Einnahmeerwartungen nicht mehr haben. Dabei galt und gilt: Kaufpreise sind sehr wichtig, aber sie sind nicht allein entscheidend, und es hat etliche Fälle gegeben, wo wir auf höhere Kaufpreise – auch in dreistelliger Millionenhöhe – verzichtet haben, weil wir uns für das richtige Konzept entschieden haben. Entscheidend sind die Konsequenzen und Auswirkungen auf das jeweilige Unternehmen und den Standort Berlin.
Damit komme ich zu der aktuellen Diskussion um die Bewag. Preussen-Elektra und VIAG haben bei der Fusionsanzeige zum Energiekonzern E.on die Auflage des Kartellamtes bekommen,
sich aus den jeweiligen Beteiligungen zurückzuziehen. Davon sind auch die Bewag und die VEAG betroffen. Anstatt nun auf diese vom Kartellamt gesetzte Auflage so zu reagieren, dass sich E.on mit dem Land Berlin zusammensetzt, um über die Frage der Modifizierung des seinerzeit geschlossenen Vertrages zu reden, haben wir genauso wie die Öffentlichkeit der Presse entnehmen können, dass die vertragliche Verpflichtung, nämlich 20 Jahre die Anteile zu halten, gebrochen werden sollte. Wir haben noch am selben Tag rechtliche Schritte eingeleitet, und ich bin sehr froh, dass das Landgericht Berlin in zwei Entscheidungen die Rechtsansicht des Senats bestätigt hat.
Das belegt zweierlei: Erstens halten unsere Verträge einer gerichtlichen Prüfung stand. Die von Ihnen unterstellten Zitate hat der vorsitzende Richter des Landgerichts nicht getan, sondern im Gegenteil die Rechtsansicht des Senats auf Grund der geschlossenen Verträge bestätigt. Und zweitens – das wird möglicherweise von dem einen oder anderen unterschätzt – hat das Land Berlin seine rechtlichen Möglichkeiten sehr konsequent wahrgenommen und wird das auch in Zukunft tun.
Noch mehr als der juristische Erfolg hat mich gefreut, dass es ein sehr breites Berliner Bündnis für die Zukunft der Bewag und für Arbeitsplätze in diesem Bereich gegeben hat. Es hat eine abgestimmte Reaktion und ein gemeinsames Auftreten der Gewerkschaften, des Unternehmens und der Senatsverwaltungen gegeben. Ich bin froh, dass sich im Nachhinein auch die PDS hier einschließen will. Aber es geht nicht allein um die Bewag. Ginge es nur um die Eigentümerstellung der Bewag, dann wären wir mit dieser Diskussion sehr schnell zu Ende. Doch geht es auch und entscheidend um die zukünftige Anteilseignerstruktur bei der VEAG. Denn die eben genannte Auflage des Kartellamtes bezieht sich ja auch auf die Verpflichtung, dass E.on seine Anteile an VEAG aufgeben muss. Hier werden wir eine Lösung vor Gericht nicht finden können, sondern diese ist am Verhandlungstisch – und nur dort – zu finden.
Wir wollen, dass neben E.on, RWE und NBW ein vierter großer Anbieter entsteht und dass dieser seinen Sitz in Berlin hat. Wir wollen, dass unter Einbeziehung von Bewag und VEAG der Energiestandort Berlin aufgewertet wird, und zwar im Interesse der Arbeitsplätze und auch im Interesse der Wirtschaftsund Steuerkraft Berlins. Das ist das Ziel des Senats bei den laufenden Verhandlungen, aber eben auch vor dem Hintergrund einer sehr gefestigten rechtlichen Position.
Bei diesen Verhandlungen geht es natürlich auch um die weiteren vertraglichen Verpflichtungen. Wir sind bei fast allen Investoren – ob das die GASAG betrifft, die Wasserbetriebe oder die Bewag – sehr zufrieden mit dem Stand der erreichten Zusagen bzw. der Umsetzung dieser Zusagen. Sehr erfolgreich ist sowohl das Engagement von Southern Energy wie auch von Gaz de France bei der Akquise neuer Unternehmer und der Suche nach neuen Unternehmen aus dem jeweiligen Mutterland für ein Engagement in Berlin. Allein die Tätigkeit von Southern Energy hat nach Auskünften der Wirtschaftsförderung zu Ansiedlungen mit Arbeitsplatzeffekten von mehr als 1 000 Arbeitsplätzen geführt.
Die VIAG hat ihre Verbindlichkeiten bisher nicht erfüllt. Dies betrifft insbesondere die Zusage, 800 Arbeitsplätze im Bereich der Telekommunikation in einem Regionalzentrum Nord zu schaffen. Zwar beruft sich VIAG – und jetzt E.on – darauf, dass diese Verpflichtung erst bis zum Jahr 2003 zu erfüllen sei, gleichwohl verhehle ich nicht, dass wir eine gewisse Skepsis haben, ob das ursprünglich zugesagte Projekt noch von Viag oder Eon verwirklicht werden soll, weil ja, wie wir wissen, in Teltow ein ähnliches Zentrum aufgebaut wird. Wir haben aber sehr großen Wert darauf gelegt – und auch nochmals sehr aktuelle schriftliche Zusagen von E.on bekommen –, dass es bei diesen Zusagen bleibt und es diese Zusatzverpflichtungen auch von E.on geben wird, so dass also zusätzliche Arbeitsplätze in dieser Größenordnung geschaffen werden. Wir werden dieses bei den Verhandlungen in den kommenden Wochen noch einmal sehr konsequent nachfragen. Sollte auf diese Verpflichtung dann mit Zustimmung des Landes verzichtet werden, geht das nur durch eine mindestens
gleichwertige Gegenleistung. Ich kann Ihnen ebenfalls zusagen, dass das Land Berlin auch hier nicht zögern wird, seine klare rechtliche Position durchzusetzen.
Ebenfalls in diese Gespräche einbezogen – das ergibt sich auch aus der schriftlichen Beantwortung – werden die Konsequenzen, die sich möglicherweise hinsichtlich der GASAG ergeben, wo ja sowohl die Bewag wie auch Eon Anteilseigner sind.
Die Termine sind klar: Mitte November werden die Angebote für den Erwerb der VEAG-Anteile abgegeben werden müssen. Bis Mitte Dezember läuft die vom Kartellamt gesetzte Frist des Rückzugs aus den Tochterunternehmen. Das sind enge Fristen. Wir lassen uns deshalb aber nicht unter unbilligen Zeitdruck setzen. Es geht um die bestmögliche Zukunft der Unternehmen, denen wir uns unverändert verpflichtet fühlen. Es geht um die Stärkung – auch das so aktuell wie eh und je – des Standorts Berlin und um die Sicherung der Arbeitsplätze. Dieses ist der Hintergrund für die Gespräche, die im Moment sehr konzentriert geführt werden.
Der Verzicht auf neue Eigentümer bzw. auf eine Privatisierung würde den betroffenen Unternehmen nicht nützen. Er hätte ihnen auch nicht genutzt. Wir brauchen innerbetriebliche Reformen. Es wird auch einen bestimmten sozialverträglichen Personalabbau geben. Der ist im Übrigen im Regelfall bereits vor der Privatisierung eingeleitet worden. Wer den Unternehmen und der Stadt vortäuscht, dass mit einem Verzicht auf Privatisierung Strukturund Standortprobleme gelöst werden, der täuscht die Beschäftigten und die Unternehmen und steckt den Kopf in den Sand. Das macht der Senat nicht mit.
Folgendes halte ich ebenfalls für sehr bedeutend: Die Bereitschaft internationaler Investoren, sich mit Milliarden am Standort und für den Standort Berlin zu engagieren und hier zu investieren, besagt über die weltweite Akzeptanz und Attraktivität des Standortes Berlin sehr viel mehr, als es für die meisten unserer Marketingbemühungen gilt.
Wir haben eben anlässlich einer Frage über das Vorgehen der Bundesregierung bei einer für Berlin wichtigen Privatisierung geredet. Wenn die Politik der Bundesregierung – und darauf deutet ja einiges hin – tatsächlich allein auf den Kaufpreis schaut, dann nehmen wir sie uns nicht zum Vorbild.
Aber Sie wenigstens – von Seiten der Grünen vielleicht – könnten sich den auch von Ihnen unterstützten Bundeskanzler zum Vorbild nehmen, der gesagt hat: Der Staat soll gestalten, nicht besitzen! – Ich bedanke mich!
Vielen Dank, Herr Senator Kurth für die Beantwortung! – Wir kommen nun zur Besprechung. Die Fraktionen haben eine Redezeit von bis zu zehn Minuten. Es beginnt die PDS-Fraktion mit dem Abgeordneten Wolf. – Herr Wolf, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben nicht vor, die geschlagenen Schlachten hier noch einmal zu schlagen, dass heißt, ich will jetzt keine Diskussion darüber führen, ob die Privatisierung und die gewählte Form der Privatisierung im Einzelfall sinnvoll gewesen ist oder nicht, sondern ich will versuchen, auf die aktuellen Probleme einzugehen.
Als erstes will ich eine positive Anmerkung machen. Wir halten es nämlich in der Tat für positiv, wenn man sich für die Privatisierung bei der Bewag in der Form des Verkaufs aller Landesanteile entschieden hat, dass dann die Entscheidung damals gefallen ist für das Konsortium unter Einschluss und Führung von Southern Energy, gegen die Stimmen vor allem Dingen aus der Koalition und da wiederum der CDU, die damals heftig polemisiert hat, es müsse ein deutsches Unternehmen sein, auf keinen Fall ein amerikanisches, weil das vaterlandslose Gesellen seien. Ich sage: Genau diese Entscheidung für Southern auf der Grundlage dessen, dass Southern Energy ein Interesse daran haben muss, den
Standort Berlin als einen europäischen Standort für den Ausbau ihrer Position in Europa und auch im Hinblick auf Osteuropa zu nutzen, war dies eine strukturpolitisch richtige Entscheidung. Diese Entscheidung zu verteidigen und um die positiven Effekte dieser Entscheidung geht es jetzt auch in der Auseinandersetzung in der Neuordnung der Anteilstruktur bei der Bewag und den Einstieg der Bewag bei der Veag.
Herr Kurth, es ist nicht so, dass unsere Anwesenheit in diesem Berliner Bündnis jüngeren Datums ist. Sie werden sich erinnern, dass wir beide sehr frühzeitig, nachdem die Absichten von E.on zum Verkauf der Bewag-Anteile an HEW bekannt geworden waren, miteinander gesprochen haben und uns darin einig waren und dass es gerade die PDS war, die sehr frühzeitig gegenüber der Öffentlichkeitskampagne, die auch gegenüber den Berliner Medien teilweise von E.on und der HEW transportiert worden ist, darauf hingewiesen hat, dass es eine Haltepflicht für E.on gibt und dass es keine freie Verfügung gibt für E.on, sondern dass hier eine vertragliche Verpflichtung existiert.
Herr Wolf! Sie haben eben die Entscheidung für Southern Energy als positiv bezeichnet, gerade mit Blick auf die Pläne von Southern mit Europa und speziell Osteuropa. Würden Sie denn die Pläne von Southern Energy, den Stromabsatz aus Atomkraftwerken in der Ukraine und Russland nach Westeuropa zu befördern, irgendwie für positiv halten?
Nein, Herr Berger! Es ist doch so, dass es in dieser Auseinandersetzung im Moment darum geht, ob die Bewag-Anteile und die unternehmerische Führung bei der Bewag bei einem Unternehmen gehalten wird, das ein Interesse daran haben muss, die Eigenerzeugungskapazitäten sowohl der Bewag als auch über den Einstieg bei der Veag und damit auch die Gestaltungsmöglichkeiten für ökologische Energiepolitik und für die Sicherung von Arbeitsplätzen zu gewährleisten gegenüber dem Versuch von HEW/Vattenfall einzusteigen, die genau das Problem haben, dass die Bewag und die Berliner Stromproduktion abgebaut werden und die Bewag zur Verteilerdose wird. Genau um dieses Problem geht es. Deshalb habe ich gesagt: Vor diesem Hintergrund ist es eine richtige Entscheidung gewesen. Dass wir uns im liberalisierten Energiemarkt nicht nur „guten“ Strom aussuchen können, und dass es kein Unternehmen gibt, dass nur „guten“ Strom bezieht, dass dürfte sich mittlerweile auch bei den Grünen herumgesprochen haben und müsste auch bei der Politik, die die Bundesregierung betreibt, bekannt sein. interjection: [Beifall bei der PDS]
Um auf den eigentlichen Punkt zurückzukommen, wir unterstützen die Position des Senats, die Halteverpflichtung von E.on zu nutzen, um Einfluss darauf zu nehmen, dass die unternehmerische Führung bei der Bewag bei Southern bleibt und dass gleichzeitig ein Einstieg der Bewag bei der VEAG und Laubag ermöglicht wird, damit die Bewag mit Bestandteil der sogenannten vierten Kraft auf dem bundesdeutschen Strommarkt wird.
Nichtsdestotrotz gibt es aber auch erhebliche Probleme. Es gibt nicht nur die Halteverpflichtung von E.on und damit das Druckmittel von Seiten des Landes Berlin gegenüber E.on, um die Stellung von Southern bei der Bewag zu verteidigen, sondern es gibt gleichzeitig auch das Druckmittel von E.on über die Frage des Anteilsverkaufs bei der VEAG. Was nun immer noch nicht gebannt ist, darauf will ich hinweisen, ist die Gefahr, dass es eben nicht zu einem wirklich einvernehmlichen Konsortium
zwischen HEW und der Bewag kommt, und die Gefahr, dass die Bewag außen vor bleibt und die vierte Kraft unter Ausschluss der Bewag entsteht, ist nach wie vor nicht gebannt, weil E.on über die Anteile bei der VEAG verfügt. Vor diesem Hintergrund hätte das Land Berlin natürlich eine andere Position gehabt, wenn es wie das Land Hamburg bei der HEW 25,1 Prozent der Anteile behalten hätte, weil man dann nicht nur mittels eines Gerichtsurteils, sondern mit eigenen Anteilen hätte in diesen Poker eintreten können und damit eine ganz andere Stärke und Position in den Verhandlungen gehabt hätte.
Zu dem Punkt Eigentumstitel und der Frage, wie man ökologische Energiepolitik machen kann, hat Senator Kurth sich auch geäußert. Ich will einmal auf die alte Diskussion zurückgreifen. Sie sagen, es gehe nicht einfach um die Eigentumstitel. Ich kann mich erinnern, dass wir in der damaligen Debatte eine intensive Diskussion darüber gehabt haben, wobei von Senatsseite argumentiert worden ist, die Eigentumstitel seien nicht notwendig, weil wir das Ordnungsrecht hätten. Ich zitiere aus der Abgeordnetenhausvorlage aus dem Jahr 1997 zu diesem Thema, mit der die Bewag-Privatisierung beschlossen wurde. Darin hieß es:
Die energiepolitischen Vorstellungen Berlins können eher durch gesetzlich gestützte, ordnungsbehördliche Maßnahmen durchgesetzt werden, wie sie das Energiewirtschaftsgesetz, das Kartell-, Raumordnungs- und Baurecht vorsehen.
So weit damals in der Senatsvorlage. Das war die Begründung dafür, weshalb wir keine Eigentumstitel brauchen. Auf unsere Frage, wie der Senat das denn heute sieht, antwortet er in der schriftlichen Antwort folgendermaßen:
Die Instrumente des Ordnungsrechts, insbesondere Energieaufsicht, Strompreisaufsicht und Kartellrecht sind für die Durchsetzung einer ökologisch ausgerichteten Energiepolitik wenig geeignet.