Hartwig Berger

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage den Senat:
1. Trifft es zu, dass Ausländer, die nur eine Duldung für den Aufenthalt in Berlin haben, keinen Wohnberechtigungsschein erhalten und deshalb trotz des Beschlusses des Hauptausschusses zum Haushaltsplan 2001 weiterhin gezwungen sind, in Wohnheimen zu leben?
2. Was unternimmt der Senat, um die von der Innenministerkonferenz beschlossene Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis an traumatisierte Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina entschieden zu beschleunigen, und kann er bestätigen, dass dieses Versäumnis – weil Wohnheime mehr kosten als Wohnungen mit Wohnberechtigungsschein – Berlin jährlich Millionen DM kostet?
Herr Senator, es handelt sich sicher um ein komplexes Thema, aber ich versuche trotzdem, eine einfache Frage zu stellen: Stimmen Sie mir zu, dass der Kern des Problems nur darin liegt, zu sehen, ob die Menschen, die ein Bleiberecht beantragen, seelisch traumatisiert sind? Warum trauen Sie dabei nicht der Einschätzung fachkundiger Ärzte – die einen Kriterienkatalog der Ärztekammer im Hintergrund haben – mehr als den in dieser Frage nicht sachkundigen Verwaltungsmitarbeitern?
Herr Senator! Theoretische Überlegungen Ihrer Verwaltungsmitarbeiter haben hier ganz gravierende praktische Konsequenzen für die Menschen. Da will ich Sie mit meiner Frage auf einen Punkt noch einmal besonders hinweisen. Was raten Sie den vielen jungen Leuten, den Kindern dieser Familien, die schon seit Jahren hier sind, die seit dem 1. September eine Ausbildungsstelle antreten wollen oder ab Mitte Oktober an die Universität gehen und studieren wollen – es sind viele Hunderte von diesen Kindern –, was raten Sie denen, die das unter den gegenwärtigen Umständen nicht können, wenn ihre Eltern weiterhin eine Duldung und damit einen ganz unsicheren Aufenthaltsstatus in Berlin haben?
Herr Senator! Es bleiben viele Fragen offen, deswegen frage ich Sie noch einmal zu einem Punkt. Sie haben von den vielen Nachnominierungen gesprochen, dass also erst ab März/April über 2 000 Menschen nachträglich einen Antrag gestellt haben, Menschen, die sagen, dass sie traumatische Erlebnisse und seelische Schädigungen aus dem bosnischen Bürgerkrieg haben. Darum frage ich Sie, weil Sie sicher die Diskussion in der Stadt – sie waren damals ja nicht Senator – um die polizeiärztliche Begutachtung mitbekommen haben: Können Sie sich vorstellen, Herr Senator, dass sehr viele den Antrag deshalb nicht gestellt haben, weil dieser polizeiärztliche Dienst über Monate, wenn nicht über Jahre regelmäßig ablehnende Gutachten ausgestellt hat? Können Sie hier auch bestätigen, dass erst ab Frühjahr eine andere Regelung eingeführt worden ist, so dass sich die Menschen erst dann Chancen für ein Bleiberecht ausrechnen konnten?
Herr Vizepräsident! Meine spontane Frage geht an die Wirtschaftssenatorin. Frau von Friesen! Wir sind heute ja mit einer Hiobsbotschaft für die Energiepolitik geweckt worden, nämlich dass die Bildung eines großen nordostdeutschen Energiekonzerns an der Bewag in Berlin vorbeizugehen scheint und auch der Sitz dieses neuen Konzerns nicht Berlin, sondern Hamburg sein wird. Darum frage ich Sie: Was kann der Senat tun? Es ist sicher nicht ganz leicht. Haben Sie da Ideen und Vorschläge, dass durch diese Entwicklung die Bewag, der Berliner Stromkonzern, nicht ganz von den Giganten zerdrückt und an den Rand gedrängt wird zum Schaden unserer Wirtschafts-, Energie- und Arbeitsmarktpolitik?
Frau Senatorin! Ihre Bemerkung brachte mich darauf, Sie daran zu erinnern oder darauf aufmerksam zu machen – Sie gehörten diesem Hause ja nicht an –, dass gerade
meine Fraktion bei dem Totalverkauf der Bewag auf solche Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten des Senats vergeblich heftig gedrungen hat. Dies ist wirklich dem alten Senat als Verfehlung zuzurechnen.
Meine Frage, Herr Vizepräsident, in dem Zusammenhang ist: Können Sie jetzt nicht einen alten Vorschlag der Grünen wieder aktualisieren und verfolgen, nämlich eine Verflechtung von Bewag und dem Hamburger Unternehmen HEW stärker ins Auge zu fassen, so dass es so doch eine Verbindung zu dem nordostdeutschen Stromkonzern gibt und die Geschicke dieser Energiepolitik dann von Hamburg und Berlin aus gemeinsam gesteuert werden könnten?
Danke schön, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist guter Brauch, dass es in einem Parlament auch über den Tag hinaus sogenannte Enquetekommissionen, die über den Tag hinaus denken und arbeiten, gibt. Hinter diesem stolzen Namen verbirgt sich ein gewisser Unterschied zu den Untersuchungsausschüssen, die wir auch heute noch auf der Tagesordnung haben. Die Aufgabe der Enquetekommissionen ist mehr, langfristige Strategien für bestimmte Politikfelder zu entwickeln. Als eine solche stelle ich Ihnen das Zwischenergebnis unseres Arbeitsberichts der Enquetekommission „Zukunftsfähiges Berlin/Lokale Agenda 21“ vor. Sie haben das Buch alle erhalten.
Zum Arbeitsablauf und den Ergebnissen: Wie Sie wissen, sollten wir bis zum Ende des Jahres 2002 arbeiten. Der Regierungswechsel und die vorgezogenen Neuwahlen haben dazu geführt, dass wir jetzt schon Mitte des Jahres 2001 einen Arbeitsbericht vorlegen mussten, um überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen. Das haben wir getan. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht die Mitglieder der Kommission, die Abgeordneten und die zugeladenen Sachverständigen, die Hauptarbeit selbst geleistet hätten, statt sie nach außen zu vergeben.
Ich verlasse die Etikette und danke den Mitgliedern der Kommission ganz herzlich für die Arbeit und die konstruktive und auch aus meiner Sicht angenehme Arbeitsatmosphäre. Dazu haben auch ganz wesentlich die Mitarbeiter des Hauses – speziell Herr Keßler, Herr Weber und Frau Stölting – beigetragen. Auch ihnen gilt mein herzlicher Dank!
Ein schöner Nebeneffekt dieser Selbstarbeit war, dass wir unseren Finanzetat nur zu 23 Prozent ausgenutzt haben. Wir haben 1,2 Millionen DM bewilligt bekommen. Davon haben wir 920 000 DM nicht in Anspruch genommen, die wir Ihnen zurückgeben. Trotz oder wegen dieser sparsamen Wirtschaft danke ich dem Präsidenten, Herrn Führer, der immer sehr darauf achtet, und dem Hauptausschuss, der zu Recht auch immer sehr darauf achtet, dass Sie uns diese Mittel zur Verfügung gestellt und die Arbeit ermöglicht haben.
Ich danke auch all denen, die wir zu Anhörungen, die für die Bestimmung und Orientierung unserer Arbeit sehr wichtig waren, eingeladen haben. Ich möchte sie nicht einzeln nennen. Auch nicht den Senat, mit dem wir in dieser Frage immer sehr kooperativ gewesen sind, insbesondere Frau Staatssekretärin Krautzberger.
Wie Sie wissen, waren wir die zweite Enquetekommission, die mit dem Anspruch, über etwas wie Zukunftsfähigkeit der Stadt nachzudenken und Schlüsse zu ziehen, gearbeitet hat. Ich erinnere an unseren Auftrag. Wir werden nachher diskutieren, ob und inwieweit wir ihn erfüllt haben. Wir sollten Ziele setzen für etwas, das ich „das magische Fünfeck einer langfristigen Stadtpolitik“ nennen würde, entwickeln. Ich sage es in meinen Worten und nicht technisch. Mit dem Begriff „nachhaltige Entwicklung“ können die meisten nämlich nichts anfangen. Es ist ein Kaugummibegriff. Wir sollten Vorschläge für langfristige Strategien in dieser Stadt machen, mit denen die Lebensqualität gesichert sein soll, wobei die Stadt nicht weiter dazu beitragen soll, die Naturressourcen der Erde auszuplündern, wie das de facto alle großen Metropolen heute tun. Gleichzeitig soll die Gesellschaft nicht in sich einander bekämpfende oder ungleiche Gruppen aus
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Armen und Reichen auseinander fallen, in hohe soziale Ungerechtigkeit. Alle Bürgerinnen und Bürger sollen ein menschenwürdiges Leben führen, und dabei soll das Wirtschaften in dieser Stadt noch gut funktionieren. Das ist das erwähnte magische Fünfeck der Aufgabe, zu der wir Vorschläge machen sollten. Nicht nur das: Wir sollten nicht nur vage beschreiben, wie das läuft, sondern wir sollten auch sogenannte Indikatoren entwickeln. Es soll messbar sein, ob Berlin sich auf dem Weg zu einer solchen zukunftsfähigen Entwicklung befindet oder ob es sich weiter davon entfernt. Gerade Politiker müssen darauf achten, ihre Ziele auch messbar und überprüfbar zu gestalten.
Wegen der kurzen Redezeit will ich ich zu unseren Zielsetzungen keine weiteren Erläuterungen geben. Diese Aufgabe konnten wir in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfüllen. Wir sind zu keinem Endbericht gekommen, in dem man den Konsens und Minderheitenvoten feststellt, wie es üblich ist, sondern wir sind dazu gekommen, Vorschläge zu machen. Dabei haben zwei Fraktionen einen gemeinsamen Vorschlag und zwei andere Fraktionen jeweils einen eigenen vorlegt. Wir sind nicht dazu gekommen, die Ähnlichkeiten und Unterschiede abzugleichen, sondern wir stellen Ihnen dies zur Diskussion – nicht nur Ihnen, sondern auch der interessierten Stadtöffentlichkeit, die sich unter dem Titel Agenda 21 bewegt und diskutiert.
Wir erwarten jetzt, dass die Ergebnisse des Berichts diskutiert und zurücktransportiert werden – hoffentlich in das kommende Abgeordnetenhaus. Ich gebe nicht nur meine Hoffnung, sondern auch die der jetzigen Kommission wieder, wenn ich sage, dass die Ergebnisse dann von einer neuen Enquetekommission, die zu abschließenden Empfehlungen und Umsetzungsschritten auf den schwierigen Weg einer nachhaltigen Entwicklung kommen kann, aufgegriffen werden sollten.
Um Ihnen zu veranschaulichen, wie schwierig es ist, eine Stadt zukunftsfähig zu machen, habe ich Ihnen das Ergebnis einer Studie auf den Tisch gelegt, in der es um den ökologischen Fußabdruck von Berlin geht. Es handelt sich um ein Messverfahren, mit dem der Naturverbrauch, den wir uns leisten, um jährlich lebensfähig zu sein, dargestellt werden kann. Das Ergebnis der Untersuchung lautet: Wenn wir so bleiben, wie wir sind, müsste der gesamte Raum von Berlin aus bis Hamburg und Poznan in Polen, vom Erzgebirge in Tschechien bis zu den Kreidefelsen auf Rügen leer geräumt sein. Er dürfte nur dazu dienen, um unsere Naturverschwendung und unseren Naturverbrauch zu regenerieren. Sie können daraus entnehmen, dass wir in Berlin weit über unsere Verhältnisse leben. Und Sie können sehen, dass es ein langer aber auch wichtiger Weg ist, um zu einer langfristigen, nachhaltigen, ökologischen Entwicklung in der Stadt zu kommen. Das kann dieses kleine Schaubild veranschaulichen.
Zu den Debatten, die wir geführt haben und die auch kontrovers waren – zum Glück ist das in einem Parlament so –, werden die folgenden Rednerinnen und Redner aus den Fraktionen etwas beitragen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, es irritiert mich ein wenig, dass die Diskussion über den Bericht der Enquetekommission zu einem verkorksten Kabarettprogramm zu später Stunde zu werden scheint. Das weist darauf hin, dass vielleicht die Aufgabe nicht so ganz verstanden worden ist. Ich will sie daher noch einmal formulieren und dann auf Herrn Bornschein eingehen. Es lohnt sich, darüber Gedanken zu machen, wie die Stadt im Jahr 2020 aussehen muss damit eine vernünftige Sozialpolitik mit mehr sozialer Gerechtigkeit, eine kluge Umweltpolitik, die die Welt nicht mehr ausplündert und eine Wirtschaftspolitik, mit der die Stadt nicht verarmt und nicht abgehängt wird, zusammengeben kann. Wir wissen, dass sich diese drei Politikfelder durchaus wechselseitig widersprechen. können. Sie zusammenzuführen und weitere Ziele und Strategien zu entwickeln, ist eine neue Aufgabe, auch wenn sie nicht ganz leicht ist und zu später Stunde nicht klargemacht werden kann.
Es ist richtig, über hier aufgeworfene Kontroversen zu reden. Ich fand gut, dass Sie das, Herr Bornschein – wo sind Sie denn jetzt? – Ja, Entschuldigung! –, gemacht haben. Ich würde Ihnen in einem Punkt Recht geben: Es wird immer beklagt, dass wir in den Diskussionen die Menschen zu wenig mitgenommen hatten – und in einem anderen Punkt Unrecht geben: dass SPD und Grüne hier eine Verzichtspolitik gepredigt hätten. Sie haben völ
lig Recht, dass wir ein bisschen im Elfenbeinturm gearbeitet haben. Das hat aber auch einen wichtigen Grund, und das möchte ich dem kommenden Abgeordnetenhaus mitgeben. Es hat seinen Sinn, dass Untersuchungsausschüsse, in denen es um schräge Dinge geht wie um Bankenskandal oder um Privatisierungsverfahren beim Flughafen oder den merkwürdigen Verkauf eines Stadtgutes zu billigen Preisen, dass die nicht öffentlich tagen. Es macht aber überhaupt keinen Sinn, dass eine Enquetekommission, die Fragen wie diese behandelt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt. Das sollten das künftige Abgeordnetenhaus endlich abschaffen. Dieser Mangel, Herr Bornschein, ist uns natürlich von Anfang an bekannt gewesen. Darum haben wir zwei Schritte gemacht. Wir haben Ihnen diesen Bericht vorgelegt. Wir wissen, dass nicht jeder Abgeordnete den sehnlichen Wunsch hegt, ihn zu lesen. Aber es gibt doch eine interessierte Öffentlichkeit in dieser Stadt, die ihn diskutiert, auch die Gruppen für Agenda 21, Umweltorganisation, auch Universitäten, etwa eine richtige neue Fakultät an der TU, die Fragen durchaus behandeln, die im Bericht aufgerufen sind. Wir erwarten, dass Diskussionen über den Bericht geführt und Rückmeldungen gegeben werden. Diese Rückmeldungen können auch ein Verriss sein. Sie können das Ganze in der Luft zerreißen. Auch das ist wichtig. Vielleicht macht die Arbeit auch keinen Sinn. Wir hatten den Auftrag, wir haben versucht, ihn auszuführen. Wir brauchen die Rückmeldung. Dann sieht man weiter, und dann wird in einer nächsten Phase ein vielleicht gutes Zielsystem von Berlin im Jahre 2020 beschlossen oder es wird gelassen. Aber diesen Schritt sollten wir uns gönnen, wenn das Abgeordnetenhaus der Kommission den Auftrag gegeben hat.
Nun zu Ihrem zweiten Punkt, Herr Bornschein, Er betrifft ein Vorurteil ist, das mich jedenfalls begleitet, seit ich als grüner Abgeordneter im Parlament bin: Hier würde eine Verzichtspolitik gepredigt. Herr Bornschein, gucken Sie sich diesen ökologischen Fußabdruck an! Er steht auf der Vorlage, die ich in der Plenarrunde verteilt habe. Zu sagen, dass eine Stadt sehr gefräßig ist in ihrem Umweltverbrauch, und zu verlangen, dass sie diese Gefräßigkeit reduziert, ist nicht einfach Verzichtspolitik.
Ich höre an Ihrer Stimme, Herr Bornschein, dass Sie aus Sachsen kommen.
Ich komme jedenfalls aus der Lüneburger Heide. Wenn ich mir diesen ökologischen Fußabdruck ansehe und sagen würde, Berlin müsse sich den Naturverbrauch aus seiner Umgebung holen, dann müsste ganz Sachsen geräumt werden und fast die gesamte Lüneburger Heide. In Soltau wäre gerade noch zu leben. Meine eigene Heimatstadt Uelzen wäre nicht dabei. Herr Bornschein, ich bin damit nicht einverstanden, und wären Sie Sachse, wären Sie sicher damit auch nicht einverstanden.
Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, dass unsere Stadt einen weitaus zu hohen Naturverbrauch hat, und zu verlangen, dass er reduziert werden muss.
Ich wollte noch etwas zu Kontroversen sagen, die wir in der Kommission geführt haben und die mir wichtig waren. – Ach – wie ich sehe – ich bin in meiner letzten Minute. Ich möchte sie nicht mit irgendeiner, wenn auch wichtigen Kontroverse vertändeln, sondern noch etwas Grundsätzliches sagen, was mit der Arbeit dieser Kommission zu tun hat. Gestatten Sie mir das noch, Herr Präsident, weil es meine letzte Rede ist!
Ich habe gelernt, dass es ganz wichtig ist, sich mit Einzelheiten und konfliktreichen Fragen der Tagespolitik zu beschäftigen. In dieser Tätigkeit gehen wir als Abgeordnete zumeist auf. Ich habe das selbst mit voller Überzeugung und mit von Herzen getan. Aber zweitens ist es wirklich wichtig, dass wir uns sehr langfristige Gedanken darüber machen, ob und wie diese Stadt in Jahrzehnten und am Ende dieses Jahrhunderts noch überlebensfähig
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sein kann. Dies ist zwar in der Politik nicht besonders populär. Man kann damit auch keine Wahlen gewinnen. Meine Partei hat nun bittere Erfahrungen gemacht. Es ist aber zentral und wichtig, und wir werden auch später einmal danach gefragt. Ich plädiere sehr dafür, dass wir beides tun. Ich habe als Öko-Politiker gelernt, dass wir einerseits global denken müssen und dass wir andererseits nach dem Prinzip „small is beautiful“ durchaus im Kleinen wirken und arbeiten sollen. Ich wünsche dem künftigen Abgeordnetenhaus, den künftigen Abgeordneten, und zwar von allen Fraktionen, dass es ihnen gelingt, eine Politik, die sich auf die Tageskonflikte einlässt, kleine Schritte macht, Trippelschritte macht, zu verbinden mit einer Politik des langen Atems, die langfristig denkt. Wenn das gelingt, dann ist mir um die Zukunft und das Ansehen eines Abgeordnetenhauses in dieser Stadt Berlin nicht bange. Wenn es nicht gelingt, dann sehe ich allerdings duster. – Vielen Dank!
Herr Senator! Die Bauarbeiten dort finden ja schon einige Monate statt, und erst jetzt ist das PCB-haltige Material entdeckt worden. Deswegen frage ich Sie: Muss man nicht befürchten, dass in den vergangenen Monaten insbesondere die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter dort durch das PCB-haltige Material belastet worden sind, ohne es zu wissen? Muss man nicht auch befürchten, dass, wenn es schon keine großräumigen Verseuchungen gibt – das ist eine erfreuliche Meldung –, sozusagen in der Nachbarschaft dieser Baustellen auch Zuschauer und Sportler im Olympia-Stadion gefährdet worden sind in den letzten Monaten?
Danke, Herr Präsident! – Meine Frage geht an den Umweltsenator, also ebenfalls an Herrn Strieder. Berlin ist die waldreichste Gemeinde in Deutschland. Die Förster, Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter haben in den letzten Jahren sehr viel getan, um eine umweltgerechte Waldwirtschaft voranzubringen. Wann können wir damit rechnen, dass diese Bemühungen durch eine Beurkundung international anerkannter Verbände honoriert werden, dass wir also eine naturgemäße Waldwirtschaft in Berlin betreiben?
Herr Senator! Berlin gehört sehr viel Wald – fast so viel wie in Berlin – in Brandenburg. Wir arbeiten mit Brandenburg in der Waldwirtschaft eng zusammen. Können wir davon ausgehen, dass sich diese Beurkundung der naturgemäßen Waldwirtschaft auch auf die Berliner Forsten in Branden
burg erstreckt? Und können wir davon ausgehen, dass die naturgemäße Waldwirtschaft im Zuge der regionalen Zusammenarbeit in der gesamten Region Berlin-Brandenburg verankert werden kann?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Galland, es freut mich ja, dass Ihr Antrag im Plenum zu so später Stunde so viel Anklang findet. Wir sollten uns wirklich Gedanken machen, wie wir bei zum Beispiel 40 % Arbeitslosigkeit unter den Berlinerinnen und Berlinern türkischer Herkunft ihnen eine Perspektive eröffnen, und tatsächlich eröffnet dieser Antrag einen kleinen Weg. Wir freuen uns über ihn, wir unterstützen ihn von unserer Fraktion auch.
Ich kann die skeptischen Bemerkungen meines Vorredners von der PDS nicht ganz nachvollziehen. Ich sage Ihnen auch, dass es einen Grund darüber hinaus gibt, warum mich dieser Antrag freut. Ich habe nämlich befürchtet, dass die Abwahl und Ihr Landen in der Opposition bei der CDU die Tendenz, sich ins Gehäuse von fremdenfeindlichen Stimmungen zurückzuziehen – ich meine nicht Sie persönlich, Frau Galland –, doch sehr befördert. Ihren Antrag durchweht dagegen geradezu ein weltoffener Geist,
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und ich finde es gut, wenn die Oppositionsbank auch Kräfte zu mehr Liberalität in der CDU insgesamt freisetzt. Insofern ist das ein Hoffnungszeichen.
Zu Ihrer Fraktion insgesamt gesprochen: Dieser Antrag veranlasst auch etwas zum Weiterdenken. Gerade aus Ihren Kreisen gibt es ja sehr viel Skepsis gegenüber der Eigenständigkeit von ethnischen Gemeinschaften in Berlin.
Sie sagen, das bedroht und und gefährdet die Integration. Wenn wir uns nun gerade die Entwicklung von ethnischen Unternehmungen oder Unternehmungen von Nichtdeutschen in Berlin angucken, so haben die ja eine ganz besondere Geschichte. Sie können Sie etwa an Reisebüros sehr gut nachvollziehen. Ein Unternehmen, das gegründet wird, braucht zuerst eine Kundschaft, und diese Kundschaft finden Sie in den ethnischen Gemeinschaften, denn das sind vor allen Dingen Gemeinschaften zur Bewältigung von Altagsproblemen und Altagssituationen. Und wenn Sie ethnisches Gewerbe, also die Gründung von Unternehmen aus dem Bereich der Berliner ausländischer Herkunft ernst nehmen, dann müssen Sie auch diese ethnischen Gemeinschaften positiv bewerten. Denn das ist der Beginn, und dann können Sie erst weitergehen, wie bei den Reisebüros, die dann die Nachfrage des allgemeinen Tourismus in die Türkei befriedigen und sich dann zu Unternehmen für weltweite Charterflüge von und nach Berlin entwickelt haben. Wer ja sagt zu Unternehmungen aus dem Bereich Berlinerinnen und Berliner ausländischer Herkunft, muss auch ja sagen zu ethnischen Gemeinschaften. Vielleicht gibt es dann auch den Lernprozess, den Sie, Frau Galland, vielleicht schon mitgemacht haben, in der CDU insgesamt.
Ich möchte noch eine zweite Bemerkung zu dem Antrag machen, wo ich Ihre Intention nicht teile. Sie sagen: jenseits von Wirtschaftsfördermaßnahmen. Wir sind der Meinung, dass die Berliner Wirtschaftsförderung durchaus auch gezielt auf die Förderung von ethnischem Gewerbe abzielen soll. Ich komme an den Anfang zurück: In einer Stadt, in der wir insbesondere unter den Berlinerinnen und Berlinern ausländischer Herkunft eine derart hohe Arbeitslosigkeit haben, müssen wir natürlich ernsthaft Wege suchen, in denen diese Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Sie, Frau Galland, haben richtig gesagt: Ein großer Teil etwa der türkischen Jugendlichen hat eine Hoffnung und eine Perspektive darin, sich selbständig zu machen. Wir sollen und müssen dies fördern. Das heißt, eine gezielte Wirtschaftsförderung für ethnisches Gewerbe ist auch ein Mittel zum Abbau von Arbeitslosigkeit gerade in diesen Bevölkerungsgruppen. Deswegen plädiere ich für eine Erweiterung Ihres Antrags in diesem Bereich. Im Kern werden wir ihn auf jeden Fall in den Beratungen unterstützen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Trifft es zu, dass am 23. März 2001 neun Flüchtlinge, die sich im polizeilichen Abschiebungsgewahrsam befanden, von dort mit auf dem Rücken gefesselten Händen zur zahnärztlichen Behandlung transportiert und beim Zahnarzt gefesselt behandelt wurden?
2. Teilt der Senat die Auffassung, dass dieser Umgang eklatant die Menschenwürde verletzt und dass die Grundrechte auch für Menschen gelten müssen, die sich ohne staatliche Erlaubnis in unserem Land aufhalten?
Dieser Bitte würde ich nicht stattgeben, wäre ich hier Präsident. interjection: [Heiterkeit]
Denn ich meine schon, dass der Sachverhalt der Fesselung von Häftlingen nicht so komplex, allerdings ziemlich skandalös ist, dass Sie sich schon im Stande fühlen müssen, hier zu antworten. Ich nehme das jetzt so hin. – Vielleicht könnte Herr Werthebach einmal zu hören, ich habe mich auch gewundert, dass Sie vorhin, bei meiner Frage, geredet haben.
Den Eindruck habe ich nicht, es tut mir Leid.
Ich frage Sie darum jetzt generell: Gibt es eine Anordnung in Berlin, die diesen schweren Bruch der Menschenwürde ermöglicht, nämlich Abschiebungshäftlinge bei Transporten und bei der ärztlichen Behandlung zu fesseln, ja oder nein?
Ich möchte das Ganze doch von der bürokratischen auf die menschliche Ebene heben.
Ich möchte noch einmal nachfragen: Sie haben doch eine gewisse Handlungsfreiheit, Herr Senator. Und wenn Sie schon auf mich nicht hören, ich glaube, Sie sind katholisch, hören Sie vielleicht auf den Bischof und Kardinal von Berlin, Herrn Sterzinsky, der vor wenigen Tagen noch einmal ganz ausdrücklich erklärt hat, dass für Menschen, die sich ohne Erlaubnis in diesem Land aufhalten, auch der Anspruch auf Menschenwürde voll zu gelten hat. Deswegen frage ich Sie, dieses Mal nicht als Bürokraten, sondern als wachen Bürger dieses Landes: Meinen Sie nicht, dass die Fesselung von Menschen, die aus rein verwaltungstechnischen Gründen in Gefangenschaft gehalten werden, nicht weil sie Kriminelle seien, die Menschenwürde eklatant verletzt?
Danke schön! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie steht der Senat zur Initiative des Innenministers von Brandenburg, der Umweltorganisation „Robin Wood“ auf der nächsten Bundesinnenministerkonferenz wegen der sehr erfolgreichen und gewaltfreien Aktion gegen den Castor- Transport bei Dannenberg die Gemeinnützigkeit aberkennen zu wollen?
2. Teilt der Senat meine Auffassung, dass ein demokratischer Staat von jedem Verdacht frei bleiben muss, in einem politischen Konflikt Nichtregierungsorganisationen durch Austrocknen ihrer materiellen Unterstützung aus der Zivilgesellschaft zu „bestrafen“?
Herr Senator, dass Sie sich da ganz raushalten, kann mich nicht zufrieden stellen. Deswegen frage ich noch einmal nach: Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass, wenn eine Bundesinnenministerkonferenz eine Überprüfung der Gemeinnützigkeit beantragt – das ist ja nicht irgendein Gremium –, sie damit den Stein ins Rollen bringen kann und eben doch damit bewirken kann, dass in einem andauernden politischen Konflikt einer dort aktiven Organisation die materielle Unterstützung entzogen wird? Und meinen Sie nicht, dass sich der Senat dazu eine Meinung bilden sollte, ob er nun mit diese Überprüfung beantragt oder, wie ich hier vorschlage, eine solche Überprüfung aus demokratiepolitischen Erwägungen verweigert?
Herr Senator, Sie haben hier eine Verordnung zitiert mit der Zusammenfassung, dass eine Organisation gegebenenfalls gegen die Verfassung verstößt mit gewaltfreien Aktionen. Jetzt frage ich Sie als lebendigen und offenen Bürger
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dieses Gemeinwesens: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass gewaltfreie und friedliche Aktionen, die hier in diesem Fall im Wendland stattgefunden haben, auch von den Anhängern von Robin Wood, keineswegs gegen die Verfassung verstoßen und dass die Menschen, die das getan haben, viel mehr Recht haben, sich auf die Verfassung zu berufen, in der Sorge, dass Leben und Gesundheit durch die andauernde Produktion von Atommüll nun wirklich gefährdet sind?
Danke, Herr Präsident! Meine Frage geht wieder an den Finanzsenator: Herr Kurth, wollen Sie nicht doch endlich von dem Kaufvertrag zum Projekt Teufelsberg zurücktreten, seitdem über zweieinhalb Jahre dort keine Bautätigkeiten stattfinden, und auch der groß angekündigte Termin 1. April verstrichen ist, und wollen Sie dieses Gelände endlich einer umweltverträglichen Nutzung zuführen?
Das ist nur eine kurze Nachfrage auf eine erfreulich deutliche Auskunft:
Also, Sie werten diese Initiative der Gründung einer Stiftung so, dass sie die Rückabwicklung dieses Geschäftes und einen neuen Weg zu einer umweltverträglichen Nutzung befördern könnte?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz, das Integrationsgesetz, das die PDS heute vorgelegt hat, hat doch etwas mehr Aufmerksamkeit verdient als die etwas trübe Nachmittagsstimmung, die ich hier bemerke.
Ich finde, das Gesetz ist ein guter Vorstoß und es kommt durchaus zu einem richtigen Zeitpunkt. Wir haben hier fraktionsübergreifend von verschiedenen Richtungen in dieser Stadt in den letzten Monaten uns endlich einmal zu dem Schritt durchgerungen, zu sagen, dass Berlin eine Einwanderungsstadt ist. Wenn wir das sagen, reicht es nicht aus, ein solches Bekenntnis abzulegen, das nun wirklich – das sage ich als alter Westberliner – für diesen Teil der Stadt und dann für die Gesamtstadt mehr als 20 Jahre überfällig ist. Dann reicht es nicht aus, das nur zu bekennen, sondern dann müssen wir auch Berlin als Einwanderungsstadt gestalten.
Dann ist es ganz wichtig, diesen zentralen Grundsatz aus diesem Gesetz wirklich ernst zu nehmen, nämlich die Forderung nach politischer und sozialer Gleichstellung von Migranten in unserer Stadt. Frau Hopfmann hat das Dilemma noch einmal richtig dargestellt, in den Zahlen, die ich nicht noch einmal wiederholen will – von der Arbeitslosigkeit über die Bildungsabschlüsse. Es ist doch beunruhigend, wenn in der dritten Generation von Einwanderern deutlich schlechtere Bildungsabschlüsse, deutlich schlechtere Chancen, einen Beruf zu ergreifen, deutlich schlechtere Chancen, eine Arbeit zu finden, anzutreffen sind. Das ist doch beunruhigend.
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Ich füge hinzu, es ist auch beschämend, wenn ein großer Teil der ausländischen Menschen in dieser Stadt in Sammellagern leben muss, an oder unter den Grenzen der Menschenwürde, oder wenn viele Menschen dieser Stadt, nur um ein bestimmtes Verwaltungshandeln durchzusetzen, über Monate in Abschiebehaft eingesperrt werden. In einer solchen Situation finde ich es richtig, von der Politik aus zu sagen, dass es eine klare Zielsetzung für die Stadt der politischen, rechtlichen Gleichstellung geben muss. Hierfür ein Gesetz einzubringen, ist selbstverständlich keine Lösung des Problems. Ich glaube, dass ist von Frau Hopfmann auch nicht beansprucht worden, sondern kann nur der Anfang eines langen Weges sein. Es ist aber wichtig, dass diese Stadt die politische und rechtliche Gleichstellung als eine klare Zielsetzung formuliert.
Dazu kann auch die Einbringung eines Gesetzes dienen. Es ist richtig, in diesem Gesetz deutliche Selbstverpflichtungen an die Politik zu formulieren, auch wenn durch die Formulierung der Selbstverpflichtung diese noch nicht nicht eingelöst werden. Das enthält das Gesetz von der Verpflichtung zur interkulturellen Erziehung zu dem Anspruch auf Muttersprache – ich füge hinzu, weil es mir nicht deutlich genug ist – und auch die Verpflichtung der Stadt, für die Erwerbung der deutschen Sprachkompetenzen zu sorgen. Es gibt mehrere solcher Selbstverpflichtungen der Politik. Ein solches Gesetz zu machen – man sollte nicht vergessen, dass Politik viel mit Symbolik zu tun hat – ist auch ein unüberhörbares Signal an die ethnischen Minderheiten dieser Stadt. Insofern unterstützen wir die Einbringung eines solchen Gesetzes, auch wenn wir wissen, dass die landesgesetzlichen Möglichkeiten sehr begrenzt sind und dass Gesetze bestenfalls der Anfang eines langen Weges zur Integration sein können.
Es ist auch richtig – dies muss ich deutlich sagen –, dass mit dem Gesetz selbst keine einzige praktische Verbesserung in Berlin erreicht ist. Es ist auch richtig, dass durch ein Gesetz allein fast nichts an praktischen Verbesserungen erreicht werden kann. Die Grenzen der gesetzlichen Regelungen werden etwa an dem Thema der öffentlichen Auftragsvergabe deutlich. Wir haben darüber bereits in diesem Parlament ausführlich diskutiert. Wir haben von unserer Fraktion selbst vorgeschlagen, die Ausbildungsungerechtigkeit für Migranten dadurch zu verbessern, dass der Senat sowohl im eigenen Haus als auch bei den Firmen dieser Stadt stärker darauf achtet, dass sie mehr Migranten als Auszubildende einstellen. Aber davon die Auftragsvergabe abhängig zu machen, wird wahrscheinlich schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gelingen. Wir sollten uns diesbezüglich keinen Illusionen hingeben.
Deswegen sage ich, ohne auf Einzelheiten einzugehen, dass ein Gesetz selbst keine offensive Integrationspolitik in dieser Stadt ersetzt. Es ist richtig, dass wir uns bei einem solchen Gesetz nicht nur auf die Integrationsförderung konzentrieren müssen, sondern – das fehlt mir ein wenig in dem Gesetz – auf die Überwindung – was Sie nennen – der rassistischen – ich würde eher sagen – ethnischen Diskriminierung selbst. Im öffentlichen Bereich ist noch ein weites Feld zu bearbeiten. Denken Sie an die Realität der Sammellager! Denken Sie an den Umgang von Behörden mit Ausländern. Denken Sie an die beschämende Wirklichkeit der Abschiebehaft in dieser Stadt. Deswegen treten wir auch dafür ein, dieses Gesetz als Integrationsfördergesetz gerade in dem Bereich Selbstverpflichtungen, –
– was den Bereich der ethnischen Diskriminierung betrifft, gerade durch die öffentliche Hand zu ergänzen. An dem Tag, an dem die jungen Migranten in dieser Stadt nicht in erster Linie auf die Frage, wer sie sind, antworten, sie seien Türken oder Araber, sondern erwidern, sie seien Berliner, weil sie sich in dieser Stadt wirklich zugehörig, angenommen und aufge
nommen fühlen, haben wir einen mächtigen Schritt zu einer wirklichen Integration erreicht. Dazu kann auch ein solches Gesetz ein erster bescheidener Schritt sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gewalt! Ihre Anwürfe gegen meine Partei muss ich in aller Entschiedenheit zurückweisen.
Wir haben keineswegs dazu aufgerufen, gegen die eigene Regierung zu demonstrieren. Wir haben allerdings klar gesagt, dass es in diesem Land ein uneingeschränktes Recht zur
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Demonstrationfreiheit gibt und dass es auch die Aufgabe einer Regierung ist, Demonstrationen zu respektieren, die ihr vielleicht gar nicht lieb sind.
Wir wissen auch, dass sie, je konsequenter sie gewaltfrei verlaufen, umso wirkungsvoller sind. Das wissen auch die Demonstranten im Wendland sehr viel besser als Sie, Herr Gewalt.
Nun zum Thema: Herr Werthebach, für Sie stellt sich die Frage, ob Berliner Polizisten demnächst dem Ansinnen einer Transportfirma – nicht einer Regierung – nachkommen sollen, dass ihr Transport hoch gefährlicher Stoffe vom Ärmelkanal in die Norddeutsche Tiefebene unterstützt werden soll.
Soll die Berliner Polizei einen solchen hoch gefährlichen Transport schützen, oder soll sie lieber zu Hause bleiben? – Die Antwort unserer Fraktion ist: Sie sind klug beraten, wenn Sie der Berliner Polizei keinen Einsatzbefehl in das Wendland zu dem anstehenden Atomtransport geben. Ich will Ihnen dafür drei wichtige Gründe nennen.
Erstens meinen wir, dass diese Beteiligung Berliner Polizisten voraussichtlich dem Ansehen unserer Stadt schaden wird,
denn wir haben die Erfahrung der letzten Transporte 1997 im Wendland und 1998 in Ahaus. Herr Gewalt, im Unterschied zu Ihnen habe ich das Auftreten der Berliner Polizei im Wendland 1997 sowohl erlebt wie erlitten.
Das war keine Visitenkarte für Berlin, das war eine Schande für Berlin, wie die Berliner Polizei damals aufgetreten ist.
Die Aktivitäten der Demonstranten damals im Wendland – und so wird es auch diesmal sein – waren strikt gewaltfrei. Gewalttätig war allerdings das Auftreten der Polizei.
Ich nenne den zweiten Grund. Wenn ich weiß, dass es bei der Berliner Polizei sehr vernünftige und besonnene Kräfte gibt,
die ja auch in das Wendland kommen können: Die Berliner Polizisten werden sich mit einem Einsatz im Wendland vor allen Dingen selber schaden, denn die Gefahren, die von den CastorBehältern ausgehen, sind brisant, und sie sind nicht beherrschbar. Ich will nicht davon reden, dass ein solcher Castor das radioaktive Potential von etwa 20 Hiroshimabomben hat, und es ist kein Spaziergang, einen solchen Transport zu begleiten. Sondern ich will davon reden, dass aus diesen Transportbehältern permanent radioaktive Strahlung austritt und auch die Polizisten
Nun komme ich zum dritten Grund, und den haben Sie anfangs genannt, nämlich Sie haben die vielberühmte nationale Verantwortung für die Zurücknahme des Mülls angedeutet. Der Atomtransport aus der Normandie in das Wendland löst überhaupt keine Probleme, sondern das Mehrfache an neuen Schwierigkeiten. Dieser Transport wird der Türöffner für etwa 10 weitere Transporte sein, die deshalb – und das war die Vereinbarung mit der französischen Regierung – aus deutschen Atomkraftwerken, die in einem akuten Entsorgungsnotstand stehen, in die Normandie und an die Irische See nach England gehen. Wenn der jetzige Castor-Transport an sein Ziel kommt – und ich weiß, er wird an sein Ziel kommen –, dann wird das etwa zehnmal soviel Strahlenmüll erzeugen, der dadurch eben in die Normandie transportiert und dort wieder aufbereitet werden kann.
Das Problem dieses Transportes ist nicht die nationale Verantwortung, sondern die Vergrößerung des Atommülls.
Ich komme zum Ende. – Deswegen haben die Proteste gegen diese Transporte eine ganz klare Botschaft: Die Leute, die dort dagegen protestieren, sagen, sie sind nicht damit einverstanden, dass diese hoch gefährliche Atomkraft weiterbetrieben wird. Sie wollen nicht, dass mit der Atomkraftnutzung ständig mehr Strahlung erzeugt wird. Deswegen werden sie dort protestieren, nicht nur aus dem Wendland, sondern auch aus anderen Städten. Ich kann darum meinen Beitrag mit der Hoffnung beenden, dass auch aus Berlin möglichst keine Polizisten, aber möglichst viele Demonstranten ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen und im Wendland gegen die Fortsetzung der Atomwirtschaft demonstrieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind nun als Grüne ganz besonders angesprochen von der PDS, deswegen möchte ich noch die Möglichkeit zu einer kurzen Erwiderung haben.
Zunächst freuen wir uns sehr, dass Sie in der Atomkraftkritik so entschiedene Positionen einnehmen, soviel an Rückgrat einfordern, das ist ein Lernprozess, das ist sehr positiv. Sie können vielleicht verstehen, warum von grüner Seite gegenüber der PDS
in solchen Fragen sehr viel mehr Offenheit herrscht. Ich gebe allerdings auch zu, dass ich mir von der PDS eine solche Entschiedenheit auch in Mecklenburg-Vorpommern wünschen würde gegen die Testphase und die Bauphase an dem geplanten Fusionsreaktor in der Kernfusionsforschung in Greifswald. Man soll nicht die Fehler der einen Atomtechnologie kritisieren und dann in die Fehler der zukünftigen Fusionstechnologie hineinstapfen. Aber vielleicht lernen Sie ja auch dazu.
Ich möchte trotzdem auf das Anliegen Ihres Antrags kommen, weil wir die Intention voll unterstützen. Wer wünscht sich nicht ein atomstromfreies Berlin? – Wir lieber heute als morgen. Allerdings wissen wir auch, dass das über marktwirtschaftliche Instrumente schwer erreichbar ist. Wir können den Menschen hier in dieser Stadt – das wissen Sie auch – bei einem freien Strommarkt nicht vorschreiben, von wem sie ihren Strom beziehen sollen.
Wir ärgern uns auch, wenn die Leute Yellow-Strom beziehen, wenn die Bewag oder die E.on weiter über Atomkraftwerke Strom beziehen. Wir haben allerdings begrenzte Möglichkeiten, über den Strommarkt den Atomausstieg zu organisieren. Das sollte sich auch bis zur PDS durchgesprochen haben.
Nun haben wir Verständnis, dass die Dauer des Atomausstiegs – das letzte Atomkraftwerk dürfte nach dem Konsens im Jahr 2023 oder 2024 abgeschaltet sein – auch der PDS zu lang ist. Da finden Sie auch bei uns Grünen viel Verständnis. Nur über einen solchen Antrag, den Sie hier eingebracht haben, den Ausstieg aus der Atomkraft bewerkstelligen zu wollen, ist ein bisschen komisch und schießt am Ziel vorbei.
Sie werden das dadurch nicht erreichen. Es gibt bessere Mittel, es der Atomindustrie in diesem Land und international sehr schwer zu machen, auch jenseits von Konsensvereinbarung zwischen einer Bundesregierung und einem Wirtschaftszweig. Wenn Sie in die Richtung Anträge stellen, etwa in die Richtung – jetzt komme ich auf Bundesebene –: Erhöhung der Haftpflichtversicherung bei Atomkraftunfällen oder vollständige Auflösung der steuerfreien Rückstellungen, das würde 11 Atomkraftwerke in Deutschland auf einen Schlag stilllegen, würden Sie unser großes Verständnis und unsere Unterstützung finden.
An Ihrem Antrag loben wir den guten Willen, deswegen werden wir nicht dagegen sein. Wir glauben nur nicht, dass er zur atomenergiefreien Stadt Berlin führen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um das Thema Einbürgerung in Berlin und damit auch um das Staatsangehörigkeitsrecht in Deutschland insgesamt. Das neue Staatsangehörigkeitsrecht ist jetzt etwa zwei Jahre alt. Ich denke gerade in Berlin müssen wir Bilanz ziehen, wie es darum steht. Ich will nicht um den heißen Brei herum reden –: die Bilanz der Wirkung der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts fällt durchwachsen aus. Wir haben im letzten Jahr etwa 200 000 Einbürgerungsanträge in Deutschland gehabt. Das ist deutlich mehr, 25 Prozent mehr, als im Jahr zuvor, also eine Verbesserung. Aber eine Verbesserung ist kein Paradigmenwechsel in der Staatsangehörigkeitspolitik. Wir müssen uns Gedanken
machen, woran das liegt. Die Gründe liegen eindeutig auf der Hand: Die Verhinderung des Doppelpasses vor zwei Jahren hat viele Menschen davon abgehalten, deutsch zu werden.
Da wir gerade eine Diskussion über Schwarzgelder in der Politik haben, sage ich dazu: Ich finde es unsäglich und schlimm, dass es eine demagogische Kampagne in Hessen vor zwei Jahren gegeben hat, dass diese Kampagne mit ihren fremdenfeindlichen Tönen und Untertönen auch noch durch Schwarzgelder finanziert worden ist.
Wir fühlen uns trotz alldem bestärkt zu sagen, dass wir uns nicht damit abfinden, auf diese Weise der Doppelpass im Staatsangehörigkeitsrecht gestoppt worden ist. Wir haben über Jahrzehnte erkämpft, dass das völkische Blutsrecht abgeschafft worden ist und dass Kinder, die hier im Land geboren worden sind, wirklich deutsch werden können. Wir werden uns dafür einsetzen, dass es ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht gibt, und das schließt den Doppelpass ein. Wir finden uns nicht mit dieser Niederlage im Jahr 1999 ab.
So weit zur Bundessituation. Jetzt zu Berlin: Was die Einbürgerung betrifft, steht Berlin im Bundesvergleich nicht gut da. Positiv ist, dass sich im letzten Jahr die Zahl der Anträge in Berlin leicht erhöht hat. Aber wir sollten uns an den anderen großen Städten in Deutschland messen, und wenn Städte wie München, Hamburg, Bremen, Köln oder Hannover Zuwächse an Einbürgerungsanträgen von 50 bis 100 % zu verzeichnen haben, dann stehen wir sehr schlecht da. Wir müssen in Berlin deutlich mehr tun. Wir müssen unter Einwanderern in dieser Stadt sehr viel stärker dafür werben, dass sie die deutsche Nationalität annehmen. Und das heißt, wir müssen den Menschen auch Angebote machen.
Ich hätte jetzt gerne Herrn Böger angesprochen; er ist nicht da. Also komme ich direkt zu Herrn Werthebach, denn Sie sind aus unserer Sicht – das sage ich auch – der Hauptverantwortliche für dieses schlechte Ergebnis bei den Einbürgerungen.
Ihre Politik in der Einbürgerungsfrage im letzten Jahr in Berlin hat die Menschen nicht ermutigt, zum Amt zu gehen und Einbürgerungsanträge zu stellen, sondern sie hat viele Familien eher abgeschreckt. Sie haben viel zu strikt an den hohen Gebühren für Kinder, die eingebürgert werden sollen, festgehalten, und es ist für Familien, die es knapp haben, einfach zu viel, wenn sie für jedes Kind, das eingebürgert werden soll, 500 DM zahlen müssen.
Sie haben, Herr Werthebach, auch die unsägliche Regelanfrage beim Verfassungsschutz eingeführt. Wo kommen wir denn hin, wenn jeder, der Deutscher werden will, weil er aus dem Irak, weil er aus der Türkei, weil aus dem Libanon stammt, deshalb verdächtigt wird, die Demokratie zu untergraben? Herr Werthebach, diese Menschen, wenn sie Deutsche werden wollen, bekunden in erster Linie doch damit, dass sie am demokratischen Leben hier gleichberechtigt teilhaben wollen, und wir sollen sie deshalb nicht durch eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz diffamieren, sondern wir sollen sie unterstützen und zu diesem Schritt ermutigen. Das ist zukunftsweisende Einwanderungspolitik. Was Sie betreiben, ist aber vielmehr Abschrekkungspolitik.
Und um den dritten Punkt zu nennen: Sie und leider auch Herr Böger, auf einem komplizierten schriftlichen Sprachtest bestanden. Nun wissen wir, dass gerade die Einwanderer der ersten Stunden aus Dörfern kommen, in denen sie nicht die Gelegenheit hatten, Lesen und Schreiben zu lernen. Diese Menschen haben zum Wohlstand dieses Landes, sie haben zum Wohlstand dieser Stadt über Jahrzehnte beigetragen. Jetzt schlagen wir ihnen die Tür zur Einbürgerung zu, wenn wir ihnen
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quasi einen Bildungstest verordnen, wenn sie sich durch schriftliche Sprachtests einbürgern lassen sollen. Ich sage ganz deutlich vorweg: Wir sind die letzten, die sagen, wir sollen nicht alles tun, damit Menschen, die hier im Lande leben und die sich dauerhaft entscheiden, in diesem Lande zu leben, fließend Deutsch lernen. Aber ein Sprachtest darf keine Bildungsbarriere sein. Es soll damit nicht die mittlere Reife erprobt werden. Das tun Sie aber mit diesem Test, den Sie verlangen.
Wir haben mit unseren Anträgen einige Vorschläge gemacht, wie Einbürgerungen in Berlin erleichtert werden können, dass wir nicht tendenzielles Schlusslicht bei den großen Städten sind, wieder vornan. Wir wollen nicht, dass Einwanderern in dieser Stadt Bürger zweiter Klasse sind, und wir wissen, dass die Einbürgerung ein ganz wichtiger Schritt vorwärts ist, um ihnen wirkliche Gleichberechtigung zu geben. Deswegen stehen wir für eine zukünftige mutige Einbürgerungspolitik, die auf die Menschen zugeht und diese nicht abschreckt.
Danke schön, Herr Vizepräsident! Meine Frage geht an die Senatorin für Soziales, Frau Schöttler. Zur Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen hat das Parlament im Juni 2000 den Beschluss gefasst, dass niemand ausgehungert werden oder ohne Obdach sein darf, ganz unabhängig davon, wie sein Aufenthaltsstatus ist oder welches die Gründe seiner Einreise sind. Warum ist bis heute dieser Parlamentsbeschluss nicht in eine entsprechende Senatsanordnung an die Bezirke umgesetzt worden?
Frau Senatorin! Da muss ich nachfragen. Wenn man sieben Monate auf eine Lösung warten muss, dann nützt den betroffenen Menschen das „schnellstmöglich“ überhaupt nichts, wenn sie so lange keine Zahlung bekommen. Liege ich richtig mit meiner Vermutung, dass die offenbar bestehenden Schwierigkeiten, diesen Menschen endlich eine Grundversorgung zu geben, daher rühren, dass der Innensenator in dieser Angelegenheit der größte Bremsklotz ist, und könnten Sie nicht dem Innensenator deutlich machen, wenn diese Menschen weiter in diesem Zustand bleiben, sie entweder ausgehungert oder in illegale Tätigkeiten gedrängt werden, weil sie sich anders nicht versorgen können?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aktualität des Themas, das wir vorschlagen, ist mit Händen zu greifen; denn nichts bewegt die Berlinerinnen und Berliner in diesen Tagen so sehr wir der Verbraucherschutz und der Zustand der Landwirtschaft. Fragen Sie doch die Menschen, was sie noch ruhigen Gewissens essen können. Selbst die Milch ist inzwischen ins Gerede gekommen. Und es wird immer schwieriger, zwischen wohlbegründeter Furcht und diffuser Panik zu unterscheiden. Aber Panik tritt immer dann auf, wenn über Jahre verdrängt und verharmlost wurde. Auch die Politik in diesem Lande, auch die Politik in dieser Stadt hat über Jahre, Jahrzehnte die Gefahren der Massentierhaltung verdrängt und verharmlost. Heute, und das ist noch mal ein Argument für die Aktualität, beginnt die jährliche Grüne Woche in dieser Stadt. Und da sollten wir doch offen eingestehen und sagen, dass der Verbraucherschutz über Jahrzehnte den Gewinninteressen der Agrarindustrie geopfert worden ist. Und wir sollen auch offen sagen und erklären und heute darüber diskutieren, dass wir einen Kurswechsel brauchen hin zu gesunder Ernährung, das heißt auch hin zu einer umweltgerechten Landwirtschaft, weg von der Käfighaltung, weg von einer quälenden Viehhaltung am Fließband. Darüber will unsere Fraktion, wollen wir, dass das ganze Abgeordnetenhaus heute diskutiert. Vielleicht werden manche einwenden, dass eine verbraucherfreundliche Landwirtschaftspolitik zwar höchst aktuell ist, dass aber der nötige Kurswechsel Bundessache sei. Wo gibt es denn noch Landwirtschaft in Berlin, die Rinderherde ist doch hier in Berlin zu suchen, die wir unter BSE-Verdacht stellen müssen. – Dagegen sagen wir aber, dass der Schlüssel für eine Umkehr in der Agrarpolitik gerade in den bevölkerungsreichen Gebieten liegt, auch in unserer Millionenstadt Berlin. Wenn die Landwirtschaft in diesem Land, wenn die Landwirtschaft in Europa aus der Krise kommen soll, dann muss sie das Vertrauen der Verbraucher und Verbraucherinnen zurückgewinnen. interjection: [Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]
Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Aber Binsenweisheiten kann man ja in der Politik nicht oft genug betonen. Und darum sollten wir gerade am Eröffnungstag der Grünen Woche, wo sehr viele Bäuerinnen und Bauern nach Berlin gekommen sind, diesen Leuten sagen, die jetzt aus Verzweiflung Sitzblockaden organisieren oder Rinderherden auf Autobahnen treiben wollen, wofür wir als Grüne vielleicht auch etwas Sympathie haben wegen des blockierten Autoverkehrs, aber wir sollten ihnen ernsthaft sagen, dass Tierschutz und Verbraucherschutz mit einer artgerechten Tierhaltung beginnen müssen, dass aber auch Tierschutz und Verbraucherschutz dann zu spät gekommen sind, wenn sozusagen die Rinder verrückt geworden sind.
Es geht aber auch beim Verbraucherschutz um unsere Verantwortung als Städter. Wenn wir eine Landwirtschaft mit sanfter Technik, ohne Chemie und Giftspritze, mit glücklichen Hühnern und gesunden Rindern wollen, dann muss sich das Verbraucherverhalten ändern. Eine erfolgreiche Agrarwende verlangt, dass z. B. hier in Berlin der Hamburger und die Aldi-Ernährung zunehmend out sind und die Ökokantine zunehmend in ist.
Das ist eine wichtige Aufgabe gerade der Berliner Politik. Und darum müssen wir, gerade im Schatten der BSE-Krise, darüber reden. Unsere Fraktion hat dazu auch – das will ich jetzt nicht begründen, sie liegen Ihnen vor – Anträge vorgelegt, Vorschläge auf Gründung eines Runden Tisches zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern, zwischen Umweltverbänden und Verbraucherverbänden und dem Einzelhandel. Wir plädieren auch dafür, dass der Umbau, die Regionalisierung und die Ökologisierung der Landwirtschaft eine gemeinsame Aufgabe von Brandenburg und Berlin ist.
Aber noch ein anderes Ereignis, hier ganz direkt in Berlin, gibt unserem Thema besondere Aktualität. Berlin lebt nämlich nicht nur von der Landwirtschaft, Berlin ist auch der größte Landwirt weit und breit. Anders gesagt: Der Senat schlägt vor, die Landwirtschaft der Stadtgüter, die Berlin um Berlin in Brandenburg hat, zu privatisieren. Und wir sagen: Bevor diese Entscheidung unwiderruflich wird, müssen und sollen wir im Parlament darüber ernsthaft diskutieren. Wir meinen nämlich, dass eine Privatisierung der Landwirtschaft der Stadtgüter der falsche Weg ist. Diese Felder und Wiesen sind das Herzstück einer umweltverträglichen Regionalplanung, die wir in Berlin brauchen. Und der zweite Punkt: Wenn wir hier von einer Ökologisierung, von einer umweltgerechten Landwirtschaft reden, dann sollten wir damit beginnen, dann sollten wir die Chance nutzen, auf diesen 15 000 Hektar, die Berlin gehören, eine ökologische Landwirtschaft und eine artgerechte Tierhaltung zu praktizieren. Wir fürchten, dass die Tür für diesen wichtigen Schritt mit einer Privatisierung zugeschlagen wird.
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Entscheiden Sie sich aus diesen genannten Gründen für eine Aktuelle Stunde zur Landwirtschaft und zum Verbraucherschutz. Nutzen wir doch die Gunst der Aktualität, um aus der Politik neue Wege für eine gesunde Ernährung, für einen flächendeckenden Umweltschutz in diesem Land und auch – das sage ich gerade den Bauern heute in dieser Stadt – für eine wieder blühende Landwirtschaft zu eröffnen. – Vielen Dank!
Meine Frage richtet sich an den Innensenator, Herrn Werthebach. – Herr Werthebach, Ihr neben Ihnen sitzender Kollege Herr Strieder hat mit erfrischender Klarheit die Woche mit der Erklärung begonnen, dass diese Stadt weitere Einwanderer aus anderen Ländern braucht. Aber auch Sie haben sich erfreulicherweise letzte Woche für weitere Zuwanderung ausgesprochen.
Darum meine Frage: Warum fangen Sie denn nicht hier an? Warum gewähren Sie dann nicht den breiten Kreisen von Flüchtlingen, die wir in dieser Stadt haben, ein Aufenthaltsrecht – denjenigen, die jung sind, die qualifiziert sind, die arbeiten wollen? Warum machen Sie weiter eine Politik, die diese Menschen weiter an den Rand der Gesellschaft drängt?
Herr Senator, Ihre Antwort zwingt mich dazu, meine erste Frage noch einmal zu präzisieren: Wenn Sie auf das Gemeinwohl abheben, frage ich Sie ganz konkret: Ist es nicht auch im Sinne des Gemeinwohls in dieser Stadt, wenn Sie endlich den Menschen, die als unbegleitete Kinder vor 10 Jahren in diese Stadt gekommen sind – es sind übrigens etwa 100 –, die hier ausgebildet worden sind, die glänzend deutsch sprechen, die Zukunft ausstrahlen und für deren Verbleib sich Vertreter des Gemeinwohls wie die Bischöfe der Katholischen und der Evangelischen Kirche und auch Herr Diepgen einsetzen, ein Bleiberecht gewähren?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kommt nicht so oft vor, dass wir Grünen unsere politischen Vorschläge auf Äußerungen des Senats stützen. Das ist aber hier und heute wirklich angemessen. Ich möchte noch einmal betonen, dass Herr Senator Strieder unsere volle Anerkennung findet, wenn er erklärt, dass Berlin weitere Einwanderungen aus anderen Ländern braucht.
Zuwanderung stärkt nämlich die Lebensfähigkeit unserer Stadt. Berlin wird ohne neue Einwanderer dahinsiechen, denn besonders junge Leute und Familien mit Kindern werden neu in die Stadt kommen. Ohne diese Menschen wird die Stadt an Überalterung leiden, seine Bevölkerung wird schrumpfen. Wer Berlin eine Tür zur Zukunft offen halten will, der muss auch neue Einwanderung bejahen.
Meine Fraktion sagt aber auch: Wer aus anderen Ländern nach Berlin bereits kommt oder gekommen ist, der soll auch die Chance haben, hier dauerhaft zu leben, hier sein Leben zu gestalten und in Berlin wirklich ansässig zu werden. Darum ist es so wichtig, dass wir hier in der Stadt eine aktive und generöse Einbürgerungspolitik betreiben.
Das neue Staatsangehörigkeitsrecht gibt dazu eine Menge an Möglichkeiten, auch wenn ich von grüner Seite zugeben muss, dass die Ablehnung der doppelten Staatsangehörigkeit ein schwerer Rückschlag gewesen ist. Dennoch können mit dem neuen Recht mehr Ausländer deutsche Staatsbürger werden.
Wenn wir uns aber die Entwicklung in Berlin im letzten Jahr ansehen, dann war gerade hier die Bewegung rückläufig. In anderen Städten wie Hamburg haben sich die Einbürgerungsanträge mehr als verdoppelt. In Bremen hat sich die Zahl der Einbürgerungsanträge fast verdoppelt. Hannover und München melden ähnliche Zuwächse. Von den großen Städten fällt nur Berlin aus dem Trend heraus, denn hier ist die Zahl der Anträge um etwa 10 % zurückgegangen. Das ist eine beunruhigende Entwicklung. Wir müssen über die Gründe dieser Entwicklung nachdenken. Nach unserer Sicht liegen sie auf der Hand. Der Innensenator hat sich trotz mehrerer Vorschläge der Opposition und aus der Gesellschaft dieser Stadt geweigert, die weit überhöhten Gebühren für die Einbürgerung von Kindern – 500 DM pro Kind – zu senken. Herr Werthebach hat auch durchgesetzt, dass jeder Einzubürgernde auf seine Verfassungstreue überprüft wird. Damit werden Einwanderer in dieser Stadt unter den Gene
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ralverdacht gestellt, Verfassungsfeinde zu sein. Das ist diskriminierend und abschreckend. Man muss sich nicht wundern, wenn weniger Leute die Einbürgerung beantragen.
Der Schulsenator ist jetzt nicht da, sonst hätte ich ihm gesagt, dass auch die eingeführten Sprachtests eine Abschreckung sind. Die Menschen, die wenig Möglichkeiten hatten, lesen und schreiben im Leben zu lernen, und Menschen ländlicher Herkunft, Einwanderer, für die ist das in der Regel der Fall. Die fallen durch das Raster, wenn schriftliche Sprachtests verlangt werden. Im Moment sind die Sprachtests mehr eine Bildungsbarriere. Sie setzen praktisch die Erlangung der mittleren Reife voraus. Andere werden ausgegrenzt. Wir müssen uns nicht wundern, wenn Einwanderer reagieren und nicht die Einbürgerung beantragen.
Aber ganz besonders beunruhigend – und darauf zielt vor allem unser Antrag – ist die Entwicklung bei Kindern unter zehn Jahren. Es haben in diesem Jahr für nur knapp 10 % der etwa 30 000 Kinder unter zehn Jahren, die sich hier einbürgern lassen können, die Eltern die Einbürgerung beantragt. Das ist deprimierend, und das ist ein Rückschlag. Da sollen wir jetzt sehen, dass wir die Initiative der Bundesregierung unterstützen. Die Bundesregierung schlägt vor, dass die Frist zur Einbürgerung dieser Kinder um ein Jahr verlängert wird und dass die Gebühren erlassen werden. Das ist wichtig. Familien mit kleinen Kindern haben es in der Regel nicht dicke. Wenn wir auf die Gebühren verzichten, wenn wir die Fristen erhöhen, dann können wir hoffen, dass von den 30 000 Kindern, die einen Einbürgerungsanspruch haben, die meisten auch die deutsche Staatsangehörigkeit jetzt bekommen.
In diesem Sinne schlagen wir eine entsprechende Unterstützung der Bundesregierung im Bundesrat durch Berlin vor, denn diese Initiative ist zustimmungspflichtig durch die Länder.
Ich komme zum Schluss. Gerade weil Berlin eine Einwanderung von außen braucht, müssen wir die Einwanderung, die bereits in dieser Stadt geschehen ist, festigen. Wir haben hier Tausende von qualifizierten Menschen, Flüchtlinge, Menschen, die seit Jahren in dieser Stadt leben. Wir müssen denen eine Chance geben, in dieser Stadt bleiben zu können. Genauso sollen wir froh und stolz sein darauf, dass es so viele junge Menschen gibt unter zehn Jahren, die auf einen Schlag Deutsche werden können. Nutzen wir die Gelegenheit, reißen wir die Hürden, die Barrieren ein, die hier gezogen worden sind, und machen wir auch eine große Werbekampagne, dass die Eltern dieser Kinder sich auch wirklich entschließen und wir mit mehr Kindern deutscher Staatsangehörigkeit, die dann auch wirklich fest hier bleiben können, auch mehr Zukunft für diese Stadt, mehr Leben für das künftige Berlin haben können. – Vielen Dank!
Frau Senatorin, die Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher war nicht nur in Berlin wegen der BSE-Fälle groß. Können Sie sich in dieser – sehr viele Menschen bewegenden – Sache einen Ruck geben und hier öffentlich erklären – wie es auch der Bundeskanzler getan hat –, dass sie das mit Abstand geringste Risiko, an BSE zu erkranken, eingehen, wenn sie Fleisch aus artgerechter Tierhaltung oder besser noch Fleisch von Tieren, die mit Produkten aus biologischem Anbau ernährt wurden, essen?
Herr Senator! Zu der Bebauungsplanung am Stuttgarter Platz gibt es viel Unruhe, Bedenken und Kritik aus der Bevölkerung. Sind Sie bereit, diese Bedenken auch aufzugreifen und gegenüber dem Bezirk Charlottenburg, dessen Mehrheit sich diesbezüglich offensichtlich verrannt hat, zu verdeutlichen, dass die jetzige Bebauungsplanung – nicht die Verlegung des Bahnhofs – am Stuttgarter Platz überdimensioniert ist? Sollte nicht besser auf den Bau eines Hochhauses verzichtet und Tiefgaragen zumindest nicht in dieser Dimension und Anzahl geplant werden? Ist die Bildung eines großen Einzelhandelszentrums für den umliegenden Handel nicht höchst problematisch und bedrohlich?
Herr Senator! Weil Sie die ganze Zeit darstellen, wir hätten eine einzige Erfolgsstory in Sachen Solarenergie und stünden bei erneuerbaren Energien super da, frage ich Sie, wie das zusammenpasst mit den unbestreitbaren Tatsachen, dass wir bezüglich der Photovoltaik pro Einwohner in Berlin im Städtevergleich in Deutschland bestenfalls unteres Mittelfeld sind, dass wir bei den Sonnenkollektoren – also den Solar-Wärmeanlagen – absolutes Schlusslicht unter allen Bundesländern sind, dass wir in Berlin als einigem Bundesland keine Windkraftanlage haben und dass wir auch das einzige Bundesland und vermutlich auch die einzige größere Stadt sind, die, mit Ausnahme einer kleinen Anlage in Wannsee, keine energetische Biogasnutzung betreibt? Wie passen diese Tatsachen mit Ihrer gloriosen Einschätzung zusammen? – Nicht den Kopf hinter den Händen verstecken, sondern antworten, Herr Senator!
Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Werte Gäste! Als wir diese Anträge zum Weltklimaschutz Anfang dieses Monats eingebracht haben, hatten wir noch gehofft, dass wir heute einen Silberstreifen am Horizont sehen können. Seit dem desaströsen Ende der Weltklimakonferenz in Den Haag am letzten Wochenende müssen wir feststellen, dass wir das nicht können. Es gibt in diesem für die Zukunft so wichtigen Gebiet derzeit keinen Hoffnungsschimmer. Der Himmel der Zukunft ist dunkel, regenverhangen und unheilverkündend. Aber wir wissen auch, dass es kein unabwendbares Naturereignis, sondern ein schweres Versäumnis der Weltpolitik ist, und nicht nur der Weltpolitik. Wir wissen auch, dass die Verantwortlichen für dieses Versäumnis – gleich wie nun der zukünftige Präsident der Vereinigten Staaten heißt – Namen und Adressen haben. Es sind nicht nur, aber es sind vor allen Dingen die Vereinigten Staaten, die der Welt weiterhin die mit Abstand pro Kopf und insgesamt höchste Menge an Treibhausgasen zumuten wollen und mit faulen Tricks in Den Haag versucht haben, diese Menge in den nächsten Jahren nicht einzuschränken, sondern sogar ausweiten zu wollen. Die Europäische Union hat richtig gehandelt, dass sie sich auf diesen faulen Kompromiss, der nicht mehr, sondern weniger Weltklimaschutz bedeutete, nicht eingelassen hat.
Wir wollen und dürfen dieses Verbrechen an den nachfolgenden Generationen – so muss man das wohl nennen – nicht schönreden, aber wir wissen auch, dass es nicht weiterhilft, Dinge beim Namen zu nennen, sondern wir müssen sehen, was wir vor Ort tun können. Um den berühmten Satz von Immanuel Kant etwas abzuwandeln: Wenn schon der Weltklimaschutz nicht zu einem allgemeinen Gesetz der Weltpolitik wird, dann müssen wir vor Ort wenigstens so tun und handeln, als ob er es wirklich wäre. Das heißt, wir dürfen im Klimaschutz nicht aufgeben, und wir dürfen auch nicht resignieren. Wir müssen in die Hände spucken und die Dinge, die wir bewirken können, auch tun – ob in Berlin, in Deutschland oder in Europa.
In diesem Sinne haben wir Ihnen mit den vier Anträgen einige Vorschläge unterbreitet, was wir wie in Berlin besser machen können. Ich möchte hinzufügen: Anders als bei einer früheren Bundesregierung stehen wir jetzt in Berlin nicht allein. Anders als noch vor zwei Jahren haben wir jetzt Rückenwind von der Bundesregierung und vom Bundestag und können uns auf Impulse von dort stützen, insbesondere das Anfang November beschlossene Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, das sich sehen lassen kann, weil mit ihm erstmals nicht nur das wichtige Zwischenziel, eine Reduktion der Treibhausgase um
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25 % bis zum Jahr 2005 noch einmal festgeschrieben wird, sondern weil auch verbindlich gesagt und beschlossen worden ist, mit welchen Maßnahmen dieses Ziel erreicht werden soll.
Die Anträge, die wir einbringen, fußen durchaus auf diesen Vorschlägen, und einiges davon wollen wir in der Landespolitik umsetzen.
Ich nenne Ihnen kurz diese vier Punkte – erstens, das Stichwort der „Kraft-Wärme-Kopplung“: Wir alle wissen, dass es demnächst ein Gesetz geben soll, das steigende Anteile an die Kraft-Wärme-Kopplung am gesamten Stromverbrauch festschreibt. Da sagen wir: Nutzen wir diese Chance, um die KraftWärme-Kopplung in Berlin nicht nur zu verteidigen, sondern sogar auszubauen, und zwar durch moderne, hoch effiziente Technologien und nicht durch Steinkohlekraftwerke. An dieser Stelle sage ich auch: Jede Megawattstunde an kraft-wärmegekoppeltem Strom, die wir durchsetzen, schafft und erhält auch Arbeitsplätze in Berlin. Das ist nämlich Strom, der in Berlin erzeugt wird und nicht woanders. Das sollten unsere Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitiker auch bedenken, wenn wir über Klimaschutz reden.
Unser Vorschlag zu diesem Punkt ist, dass das Potential der Krankenhäuser genutzt wird. Die Krankenhäuser haben einen enormen Strom- und Wärmebedarf, der ihnen zugleich riesige Kosten aufdrückt. – 15 % des gesamten Bedarfs außerhalb der Personalmittel werden durch die Energie aufgebraucht. – Eine wirksame Modernisierung des Energiesystems durch Blockheizkraftwerke würde nicht nur dem Weltklimaschutz dienen, sondern auch die Krankenhäuser könnten finanziell nur dabei gewinnen.
Der zweite Vorschlag, den wir machen, betrifft die Altbausanierung. Wir haben im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung ein Programm, das mit Investitionszusagen in den nächsten drei Jahren 5 Milliarden DM mobilisiert. Unser Vorschlag lautet: Berlin soll seine Beteiligung an diesem Programm, bei dem enormen Bestand an Miet- und Altbauwohnungen, den wir haben, frühzeitig einbringen. Aber zugleich sollte eine Achillesferse, die die Förderung bisher hatte, kuriert werden. Die Achillesferse ist nämlich die nicht stattfindende Kontrolle. Die Energiemaßnahmen, die in Berlin gefördert werden, sind in ihrer Wirkung nicht überprüft. Deswegen schlagen vor, zu sehen, ob das gesamte Fördersystem nicht umgestellt werden sollte, dass die öffentliche Hand nicht mehr einfach Fördergelder zahlt für Energiesanierungen, sondern dass sie die letzten Raten der Kreditrückzahlung übernimmt. Das hieße, dass dann, bevor die letzten Kredite erlassen werden, sie also von der öffentlichen Hand übernommen werden, noch einmal eine Kontrolle stattfindet, ob der Erfolg der Energiesparmaßnahmen tatsächlich eingetreten ist oder nicht. Das hieße: Wir hätten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, das ist unser Vorschlag in diesem Bereich.
Darf ich noch den letzten Punkt erwähnen, weil sich daran die Debatte und die Gemüter erhitzen werden? – Wir haben vorhin noch einmal darüber gesprochen, wie schlecht wir in der Nutzung erneuerbaren Energien dastehen; insbesondere in der Nutzung der Sonnenwärme sind wir das Schlusslicht unter den Bundesländern. Deswegen schlagen wir vor, eine neue verbesserte Solaranlagenordnung in Berlin einzuführen, die auch für Ein- und Zweifamilienhäuser gilt und insbesondere bei der Altbaumodernisierung die Pflicht zum Einbau von Sonnenkollektoren festschreibt. – Das ist unser Vorschlag in diesem Bereich.
Ich hoffe – damit komme ich auch zum Schluss –, dass Sie sich diesen Vorschlägen, mit denen wir das dahindümpelnde Schiff des Weltklimaschutzes in Berlin wieder in Fahrt bringen
wollen, anschließen werden. Wir laden Sie gern ein, weitere Vorschläge dazu zu machen, und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Vielleicht können wir dann gemeinsam auf lokaler Ebene das Eis der Erstarrung aufbrechen, das derzeit den weltweiten Klimaschutz so dramatisch lähmt.
Vielleicht noch ein Abschlusswort: Ich bedauere sehr, dass der zuständige Senator zu diesem Punkt nicht anwesend ist und hoffe, dass das nicht auf sein mangelndes Interesse an diesem so wichtigen Thema schließen lässt – aber ich befürchte es.
Herr Präsident! Ich darf ja nur den Senat insgesamt fragen; sonst hätte ich Sie, Herr Böger, gern persönlich gefragt, weil Sie mit dem Thema als Schulsenator – Sie haben sich auch in der Öffentlichkeit geäußert – sehr viel zu tun haben. Ich frage den Senat insgesamt, wer immer darauf antwortet: Herr Werthebach, Sie haben eben gesagt, Gebühren können gesenkt werden, wenn es im öffentlichen Interesse des Landes Berlin steht. Ich zitiere Sie und den Gesetzesentwurf. Darum frage ich nun ganz direkt: Sind Sie nicht mir mir und uns der Meinung, das es ein hohes öffentliches Interesse Berlin ist, eine Einbürgerung dieser Kinder unter 10 Jahren zu erreichen? Warum sind Sie nicht unserem Ansinnen, das wir zu Anfang des Jahres in einem Antrag dargestellt haben, gefolgt, in dem vorgeschlagen wurde, a) bei Familien mit mehreren Kindern, die jeweils 500 DM bezahlen müssen – wenn sie 4 Kinder unter 10 Jahren haben, sind das 2 000 DM –, die Gebühren deutlich zu senken und b) auch das gruppennützige Kriterium anzuwenden, also wenn Familien knapp bei Kasse sind und Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe oder Wohngeld beziehen, von Vornherein eine Senkung in Betracht zu ziehen? Sind Sie nicht abschließend mit uns der Meinung, dass dann die Einbürgerungsquote dieser Kinder eine weitaus höhere gewesen wäre als die kläglichen 1 200 von 30 000 Kindern in Berlin, die Sie nun erreicht haben?
Herr Kultursenator! Meine Frage bezieht sich auf den zweiten Teil der Anfrage von Frau Ströver, auf die Zwangsarbeiterentschädigung. Darauf haben Sie ganz unbefriedigend geantwortet. – Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass gegenwärtig in Berlin täglich bis zu 100 Anfragen von ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern eingehen – in einer Stadt, in der es 100 000 von Zwangsarbeiter gegeben hat? Können Sie nachvollziehen, dass das Landearchiv unter diesen Umständen nicht weniger, sondern weit mehr Arbeit hat, um diese Anfragen sachgerecht zu beantworten, wenn z. B. alte Firmennamen gesucht werden müssen? Wie wollen Sie ernsthaft garantieren, dass die Arbeit geleistet wird, wenn das Landesarchiv in der gleichen Zeit auf den Umzugskisten sitzt und mehr mit dem Umzug als mit seiner täglichen Arbeit beschäftigt ist?
Herr Wolf! Sie haben eben die Entscheidung für Southern Energy als positiv bezeichnet, gerade mit Blick auf die Pläne von Southern mit Europa und speziell Osteuropa. Würden Sie denn die Pläne von Southern Energy, den Stromabsatz aus Atomkraftwerken in der Ukraine und Russland nach Westeuropa zu befördern, irgendwie für positiv halten?
Herr Czaja, das war eine sympathische und kompetente Rede. Ich habe damit als Mitglied der Opposition die Schwierigkeit, dass ich nicht das Gift der Kritik ausgießen kann. Bitte verstehen Sie das als Anerkennung.
Wenn man Ihre Rede mit der von Frau Schulze vergleicht, dann haben Sie ein wenig ins Optimistische überzogen und Frau Schulze zu sehr ins Pessimistische. Sie, Frau Schulze können gute Gründe und Beispiele für die Gefahr der Verelendung von Spätaussiedlern und für ihre großen Schwierigkeiten anführen.
Es können aber auch Beispiele dafür angeführt werden, dass sich Menschen aus Kasachstan und aus Russland schnell und gut hier zurecht finden und durchaus auch eine interessante wirtschaftliche Perspektive finden. Das hat Herr Czaja getan. Obwohl aber das von Ihnen genannte Beispiel mit den Weihnachtsbäumen keine großartige Perspektive bietet, sondern eher in die Richtung von Armutsökonomie deutet. Positiv ist dieses Beispiel nicht, wenn es auch interessant zu sein scheint.
Ich möchte ein bisschen mehr über die Frage der Spätaussiedler aus Kasachstan und Russland aus Sicht einer schlüssigen Einwanderungspolitik sprechen. Ich meine, dass die Aufnahme von Spätaussiedlern ein klassisches Beispiel von Einwanderung ist und so auch gesehen werden muss. Wenn diese Stadt und dieses Land eine ausdrückliche und durchaus auch in Teilen erfolgreiche und kluge Einwanderungspolitik betrieben hat, dann ist es in der Aussiedlerfrage. Es sind auf diese Weise seit 1987 fast drei Millionen Menschen nach Deutschland gekommen, und sie sind zumeist auch eingebürgert worden. Das sind weitaus mehr Menschen, als zum Beispiel der Familiennachzug der Arbeitsimmigrantinnen und -immigranten im selben Zeitraum ausmacht, und es ist ein Vielfaches der Zuwanderer, die als anerkannte oder geduldete Flüchtlinge in diesem Land leben. Weshalb sage ich das? – Ich sage das deshalb, jetzt komme ich zu einem weiteren Positivum, weil große Teile der Politik und glücklicherweise der Gesellschaft, mit extremen Ausnahmen am rechten Rand, mit dieser Einwanderung aus ethnischen Gründen, die wir in Deutschland haben, durchaus souverän und tolerant umgeht. Man hört selten im diesem Zusammenhang Sprüche wie: „Das Boot ist voll“, wir hören auch selten Klagen über angeblich unzumutbare Belastungen des Landes durch die drei Millionen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, und vom Gespenst kultureller Überfremdung ist glücklicherweise bei Aussiedlern sehr selten die Rede. Das ist erfreulich, und wir hoffen, dass es so bleibt. Allerdings, das sage ich dazu: Wir erwarten diese Souveränität und Toleranz gegenüber allen Einwanderern in dieser Stadt und in diesem Land. Wir erwarten auch, Herr Czaja, um ihre Partei anzusprechen, dass Volksparteien wie die CDU endlich zu der Realität der Bundesrepublik als Einwanderungsland stehen
und zwar nicht nur bei der Frage Aussiedlerzuzug, wo sie das tun. Ich halte es für zutiefst unaufrichtig und manchmal auch für demagogisch, dass eine Gruppe von Einwanderern unterstützt wird – das ist gut so –, aber dass gleichzeitig auf dem Rücken und auf Kosten anderer Einwanderergruppen Wahlkämpfe bestritten werden. Das tut die CDU, leider. Ich sage für uns ganz deutlich: Ob die Zuwandernden in dieser Stadt aus Kasachstan kommen oder aus Ostanatolien, ob sie aus dem Ural oder dem Libanon kommen, ob sie wegen deutscher Vorfahren, als Angehörige von ehemaligen „Gastarbeitern“ oder als Opfer politischer Flucht eingereist sind, sie müssen uns hier alle gleichermaßen willkommen sein.
Ich meine auch, dass sich die Politik endlich von einer Legende verabschieden soll, nämlich der, dass die Abstammungsdeutschen aus Kasachstan oder Russland oder ihre Familienangehörigen unserer Gesellschaft kulturell näher stünden und dass sie mit geringeren Eingliederungsproblemen zu kämpfen hätten – Sie hatten das, Frau Schulze, finde ich, richtig dargelegt –, dass sie mit geringeren Einwanderungsproblemen zu kämpfen hätten als Einwanderer aus anatolischen Dörfern oder aus den Gecekondus, also den Elendsvierteln um Istanbul oder Ankara. Die Kulturschranken der beiden von mir genannten Gruppen gegenüber der Situation in diesem Land ist keineswegs unterschiedlich hoch, und es ist auch so, dass die wenigsten der heute eintreffenden Spätaussiedlerinnen und -aussiedler – Sie haben das in Ihrer Antwort bestätigt, Frau Senatorin – der deutschen Sprache kundig sind, 75 Prozent, wenn ich Ihre Antwort zu Grunde lege. Darum sollten wir uns auch endlich in der Politik klar dazu bekennen, dass wir für alle Einwanderer die gleiche Verantwortung haben, Brücken und Lebenschancen in die neue Gesellschaft zu eröffnen, gegenüber allen Einwanderern unangesehen ihrer Herkunft und Nationalität.
Ich komme jetzt zur Großen Anfrage der PDS. Ich gebe zu, dass ich damit Schwierigkeiten habe. Sie monieren richtig, das Fehlen eines zusammenhängenden, politischen Konzepts des Senats in der Integration von Spätaussiedlern. Ich habe es auch in Ihrer Antwort, Frau Senatorin, nicht finden können. Ich habe dann aber zumindest erwartet, dass die PDS Vorschläge für ein solches Konzept macht. Ich gebe zu, dass es nicht leicht ist, aber ich hätte es zumindest erwartet, wenn man sich die Mühe macht, eine Große Anfrage zu stellen. Ich finde die Anfrage insgesamt zu detailverliebt. Ich finde es nicht so sensationell, um Ihre beiden Anträge zu nehmen, dass jetzt eine Informationsbroschüre erstellt werden muss – dass es überhaupt so etwas wie ein Landesprogramm für Spätaussiedler geben muss. Ich habe ein wenig den Eindruck, dass das politisches Ersatzhandeln ist, dass Sie irgendwelche Berichte haben wollen, die aber doch ein Konzept nicht ersetzen. Wie das Konzept aussehen soll – ich gebe zu, das ist schwierig – habe ich bei Ihnen nicht finden können. Was ich bei Ihnen herauslese, ist die sehr einfache Forderung, es müsse mehr und wirksamere Eingliederungsprogramme für Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler geben. Mit dieser Forderung als solcher habe ich folgendes Problem: Ich habe den Eindruck, dass die Aussiedlerpolitik in Berlin überhaupt nicht nach ihren Erfolgen bilanziert wird. Ich kann das nicht entdecken. Ich habe mich im Vorfeld dieser Großen Anfrage noch einmal darum gekümmert, ob es überhaupt Sozialstatistiken gibt über das Schicksal von Aussiedlerinnen und Aussiedlern in dieser Stadt. Es gibt sie nicht. Wir haben keine Statistik über ihre Einkommensverhältnisse. Wir haben keine Statistik über ihr Bildungsniveau, nicht zu dem Zeitpunkt, als sie gekommen sind, sondern nachdem sie hier einige Zeit gelebt haben. Wir müssen davon ausgehen, dass das Schicksal von Aussiedlerinnen und Aussiedlern, oder besser Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, in ihrer Gesamtheit eine unbekannte Größe ist und dass wir uns, wenn wir uns über Verbesserungen des Steuerungssystems unterhalten wollen, auf einem Blindflug befinden. Wir verfügen über diese Informationen nicht. Ich finde das unsäglich von einem Senat. Ich gebe zu, dass eine Gesamtstatistik nicht einfach herzustellen ist, aber es gibt seit Jahrzehnten moderne, sozialwissenschaftliche Methoden, Stichproben zu machen und daraus Ergebnisse abzuleiten.
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(B) (D)
Völlig blind, das räume ich ein, sind wir nicht. Wir haben Statistiken zur Arbeitslosigkeit. Aus denen habe ich folgende zwei Daten entnommen und auf die möchte ich zum Abschluss noch kurz eingehen. Das eine ist ein negatives Datum, die Arbeitslosigkeit unter Aussiedlern ist von 1995 bis 1997 um 60 Prozent gestiegen, das ist wahrlich ein Alarmzeichen. Und jetzt sage ich Ihnen relativ provokativ, weil ich Einwanderungspolitiker bin und mich bemühe, die Gesamtheit zu betrachten: Das relativ positive Datum lautet: Sie lag 1997 bei „nur“ 20 Prozent. Ich sage „nur“, weil sie bei Einwanderern insgesamt, denen, die als Ausländer kategorisiert sind, 1997 bei 33 Prozent lagen. Was können wir aus diesen beiden Daten lernen? – Wir können erstens sagen, dass die sehr viel stärkeren Bemühungen – es wird sehr viel Geld darin investiert von der Bundesregierung und auch vom Senat –, um Integration von Aussiedlern einen relativen Erfolg hat, denn sie befinden sich in einer deutlich besseren sozialen Position trotz ähnlicherkultureller Differenzen, ich hatte darauf hingewiesen, als die als Ausländer kategorisierten Einwanderer in dieser Stadt. Daraus können wir lernen für die jetzt laufende Diskussion um Einwanderungspolitik und Einwanderungsrecht in Deutschland: Wir dürfen keine zwei oder drei Klassen von Immigranten in diesem Land akzeptieren. Wir dürfen die zuwandernden Menschen nicht gegeneinander ausspielen, denn damit fördern wir rassistisches und fremdenfeindliches Denken. Deswegen sollten wir die Ansprüche an Integrationspolitik, die wir für Aussiedlerinnen und Aussiedler haben, generell für Einwanderer in diesem Land festhalten und versuchen durchzusetzen.
Ich komme jetzt zu dem zweiten Punkt, der mich sehr beunruhigt und der uns sehr beunruhigen sollte, das ist der Punkt, auf den Frau Schulze mehr abgehoben hat: die sehr schnell wachsende Arbeitslosigkeit unter Einwanderern aus Kasachstan und Russland. Sie ist ein Alarmzeichen, denn sie zeigt, dass die Situation dieser Einwanderer immer prekärer wird, dass es immer schwieriger wird für Spätaussiedler, –
– materielles Auskommen zu finden und sich sprachlich und kulturell in der neuen Gesellschaft zurecht zu finden.
Deswegen will ich auch gleich zu einem abschließenden Wort kommen. Ich plädiere für eine konsistente und zusammenhängende Einwanderungspolitik.
Wenn wir die Integrationspolitik gegenüber Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern, die Bemühungen dieses Landes um ihre Integration, von ihrem völkischen Muff befreien, dem überholten Stammes- und Abstammungsdenken, das darin steckt, dann können wir durchaus von ihr für eine weltoffene und tolerante Einwanderungspolitik lernen. Diese sollte aber für Menschen in gleicher Weise gelten, ob sie aus Sri Lanka, aus Kasachstan oder aus der Türkei stammen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der unmittelbar vorangehende Tagesordnungspunkt heißt, Sie erinnern sich, „Maßnahmen und Konzepte gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in Berlin“. Wir haben über diesen Punkt im Rahmen der Aktuellen Stunde gesprochen. Ich möchte trotzdem an diesen Punkt anknüpfen und hier für unsere Fraktion deutlich sagen: Wer, und das ist gut so, wie unser Abgeordnetenhaus über Rassismus und ethnische Diskriminierung redet
und diskutiert in unserer Stadt, der darf auch den staatlichen Umgang mit Asylbewerberinnen und Flüchtlingen in dieser Stadt nicht schweigend übergehen. Am Beispiel des Sozialhilfesystems, um das es heute geht, läßt sich das verdeutlichen. Hier haben wir es mit einer ganz krassen Diskriminierung und Ausgrenzung von Flüchtlingen zu tun. Das Asylbewerberleistungsgesetz des Bundes von 1997 schafft zwei Kategorien von Menschen. Es erniedrigt und entwürdigt Menschen, die durch die Sozialhilfe allein schon in Armut leben, noch einmal. Wer Sozialhilfe bezieht, lebt bekanntlich unter der Armutsgrenze, erhält vom Staat nur das Existenzminimum. Gezielt unter das Existenzminimum werden aber durch das Asylbewerberleistungsgesetz Asylsuchende und Flüchtlinge gedrückt. Ihre ohnehin kärglichen Sozialhilfesätze werden drei Jahre lang noch einmal abgesenkt. Sie haben im Unterschied zu Sozialhilfeempfängern nicht einmal die Möglichkeit, ihre Situation durch Arbeit zu verbessern, denn für sie gilt auch weiterhin – hoffentlich bald zeitlich beschränkt – ein Arbeitsverbot. Sie haben es in dieser Stadt als nichtprivilegierte Arbeitnehmer besonders schwer, überhaupt vom Arbeitsamt eine Arbeit genehmigt zu bekommen.
Wir sagen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz eine der härtesten Ausgeburten an staatlich verordneter Fremdenfeindlichkeit ist, die unser Land kennt. Jeder Tag, an dem dieses erniedrigende und diskriminierende Gesetz in Kraft ist, ist ein Tag zu viel. Wir sagen dies mit ganz bewusstem Blick auf den Bundestag und unsere eigene Verantwortung als Grüne im Bundestag und – allerdings auch, Herr Strieder, weil Sie Landesvorsitzender der SPD sind
mit Blick auf unseren dortigen Koalitionspartner. Wer glaubwürdig Rassismus und Rechtsextremismus in diesem Land und in dieser Stadt bekämpfen will, muss erst schauen, ob wir nicht selbst in einem Glashaus sitzen. Wir müssen auch den Rassismus in den Institutionen, in den Gesetzen und in der Politik zum Thema machen.
Die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes – das sage ich daher für die Grünen – ist ein Gebot der Stunde. Der Fortbestand des Gesetzes erschüttert die Glaubwürdigkeit der rot-grünen Bundesregierung gerade im Hinblick auf die Bekämpfung der Fremdenfeindlichkeit. Er erschüttert auch die Glaubwürdigkeit der Sozialdemokraten.
In unserem Antrag, zu dem ich hier spreche, humanes Wohnrecht für Flüchtlinge, geht es aber nicht um Bundespolitik, sondern um Landespolitik. Es geht um das Problem der Unterbringung von Flüchtlingen in Sammelunterkünften. Dies ist noch eine Verschärfung gegenüber der finanziellen Armut, zu der sie gezwungen sind. Die Menschen in Wohnheimen leben oft unter menschenunwürdigen Verhältnissen, zusammengepfercht auf engstem Raum. Sie haben kaum einen Privatbereich. Sie haben kaum eine Möglichkeit, sich zurückzuziehen und zur Ruhe zu kommen. Oft sind erwachsene Kinder im Schlafzimmer der Eltern oder in einem einzigen Raum untergebracht. Pubertierende Jugendliche beiderlei Geschlechts müssen in einem Raum schlafen. Diese Situation ist lagerähnlich. Sie erinnert an eine Internierung. Sie führt verständlicherweise zu einem ständigen Stress unter den Menschen, unter den Flüchtlingen; sie führt zu Aggressionen.
Gleichzeitig leben die Flüchtlinge – ich hatte es angedeutet – in Arbeitslosigkeit und erzwungener Untätigkeit durch Arbeitsverbote. Diese Situation greift das Selbstwertgefühl der Flüchtlinge zentral an. Es nimmt ihnen in einer ohnehin schwierigen Lebenssituation jede Ablenkungsmöglichkeit und führt zu Depressionen. Das Leben in Sammellagern ruiniert auch die seelische Gesundheit der Flüchtlinge. Es macht die Menschen krank und kaputt. Sicher können wir diese Situation insgesamt nur durch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes – ich sprach eingangs davon – gründlich kurieren. Wir können aber auch auf Landesebene einen kleinen und wichtigen Schritt vorangehen. Wir schlagen in unserem Antrag vor, dass nach den drei Jahren, für die die Diskriminierungen des Asylbewerberleistungsgesetzes gelten, die Flüchtlinge generell und ausnahmslos
(A) (C)
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die Möglichkeit erhalten, sich in Wohnungen anzumelden. Dies ist gegenwärtig leider nicht Praxis in Berlin. Viele Berliner Sozialämter lehnen die Anträge auf Übernahme der Mietkosten ab, auch wenn die Flüchtlinge bereits Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz beziehen.
Ich komme zum Schluss. Ich möchte daran erinnern – aber wirklich nur beiläufig –, dass diese humanitäre Maßnahme, die wir vorschlagen, Flüchtlinge in Wohnungen und nicht in Sammelunterkünften unterzubringen, zudem noch mächtig Geld einspart. Bekannt ist, dass Wohnen in Sammelunterkünften sehr viel teurer als in Mietwohnungen zudem in einer Stadt mit großem Leerstand ist. Sie sollten unseren Antrag – das sage ich abschließend – aber nicht wegen der eingesparten Gelder unterstützen, sondern weil er einen kleinen, aber wichtigen Schritt zu mehr Humanität für die Flüchtlinge in unserer Stadt darstellt. Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorvorrednerin, mit der ich mir inhaltlich sehr einig war. meinte, dass es ihr Leid tut, dass Sie in dieser Frage, der Anwen· dung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Berlin, in der Min· derheit bleiben, Herr Gewalt!
Ich muss Ihnen sagen. mir tut es überhaupt nicht Leid. dass Sie
damit in der Minderheit bleiben, denn das, was Sie mit dieser
Politik unterstützen und betreiben, ist eine Aushungerung von Flüchtlingen in dieser Stadt. eine Aushungerung, um sie auf diese Weise aus dem Land zu treiben.
Ich bin froh, dass die Mehrheit dieses Parlaments im Sinne der Humanität denkt und diesen Kurs, den Sie hier weiter vorschlagen wollen und den Herr Werthebach gegen die Sozialsenatorin durchsetzen will, nicht mitmacht.
[Beifall bei den Grünen - Zuruf des Abg. Gram (CDU) I Zur Begründung Ihrer Position, Herr Gewalt, haben Sie drei Argumente gebracht, die mich sehr verwundert haben. Sie haben ein Beispiel genannt, das Beispiel von Serbinnen und Ser- ben, serbischen Staatsbürgern, die im letzten Jahr hier nach Ber- lin gekommen sind und denen Sie generell vorhalten, die hätten (C) wohl keinen Anspruch auf politisches Asyl, eine politisch moti- vierte Flucht scheine da nicht vorzuliegen. [Zuruf des Abg. Gewalt (CDU)]
Ich frage mich, Herr Gewalt, wo Sie im letzten Jahr gelebt haben.
Seit wann ist diese autoritär-völkische Diktatur im ehemaligen Jugoslawien ein Musterfall von Demokratie?
Seit wann ist es nicht so, dass massenweise von dort Deserteure, Kriegsdienstverweigerer in dieses Land gekommen sind? Seit wann ist es nicht so, dass aus diesem Land nicht nur Albanerinnen und Albaner, die auch außerhalb des Kosovo leben, sondern Muslime vertrieben und verdrängt worden sind?- Man kann doch die Serbinnen und Serben. die im letzten Jahr gekommen sind, wahrlich nicht als einen Musterfall ökonomisch motivierter Einwanderung verstehen.
Auch der zweite Grund, den Sie genannt haben, hat mich auch sehr gewundert. Das sind die Fragen der Finanzierung. Sie haben da in Anklängen an Stammtischdenken gesagt: Die Asylbewerber. die Flüchtlinge liegen uns auf der Tasche.- Dazu sage ich Ihnen folgendes: Es ist doch die CDU gewesen, die vor Jahren mit dem Asylbewerberleistungsgesetz und anderen Maßnahmen darauf gedrungen hat, dass zum Beispiel die Flüchtlingsfamilien kein Recht haben, sich hier selber eine Wohnung zu suchen, sondern sie in Massenunterkünfte und Pensionen gezwungen hat, die dann mit weit höheren Mietpreisen der öffentlichen Hand auf der Tasche liegen, nicht die Flüchtlinge, sondern diejenigen, die die hohen Preise und Mieten der Pensionen einnehmen. Eine Familie in einer solchen Massenunterkunft und Pension kostet den Steuerzahler nach diesem System meh· rere Tausend DM monatlich. Sie hätte die Möglichkeit, sich sei(D) ber auf dem Wohnungsmarkt eine Wohnung zu suchen. die bezahlt wird. Das käme weit billiger und würde die menschen nicht diskriminieren. Die hohen Kosten haben Sie mit den Diskriminierungen des Asylbewerberleistungsgesetzes zu verantworten.
Das dritte Argument, das Sie genannt haben, hat mir fast die
Schuhe ausgezogen.
Die Position des Bezirksamtes in Reinickendorf sei rechtskonform und die in Kreuzberg rechtswidrig. Ich stelle einmal kurz dar, warum es dabei inhaltlich geht. Das Bezirksamt Reinickendorf unterstellt pauschal Flüchtlingen, deren Asylantrag abgelehnt worden ist. die dennoch weiter hier bleiben, weil sie aus politischen Gründen glücklicherweise nicht abgeschoben oder ausgewiesen werden können, dass sie nur eingereist sind, um hier Sozialhilfe zu beziehen.
Wer so etwas unterstellt. soll den Beweis antreten. Genau das fordern wir in unserem Antrag. dem die Mehrheit dieses Abgeordnetenhauses vermutlich demnächst zustimmen wird. Wenn so etwas unterstellt wird. dann bitte Beweislast bei den Behörden und nicht bei den Flüchtlingen, denen man dann die Leistungen verweigert!
Berg er
(A) Was Sie bezwecken, ist, Menschen, die Sie hier nicht haben