Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Ich halte es für notwendig, dass hier auch stringent vorgegangen wird, nicht in den Widersprüchlichkeiten. Ich greife mal die Debatte im letzten Rechtsausschuss auf: Wenn auf der einen Seite stets gefordert wird, wir müssen neue Akzente in der Bekämpfung der Kriminalität setzen, auch in den Strafen, dann kann man nicht auf der anderen Seite kritisieren, wenn wir darauf achten, dass gerade auch die Staatsanwaltschaft in ihren Anträgen das hinreichend berücksichtigt. Und in all den Fragen der Veränderung des Strafgesetzbuches, Herr Kollege Wieland, werden Sie mich jedenfalls auf Ihrer Seite haben, wenn wir keine Sondertatbestände haben, sondern die Möglichkeiten beispielsweise des § 46 auch bei der Strafzumessung hinreichend berücksichtigen. Das ist eine Frage der Antragstellung und ansonsten eine Frage der freien Entscheidung der Gerichte selbst.

Also Gewaltmonopol als Basis des Rechtsstaates, und damit verbinde ich auch das Bemühen, Verfahrensdauern zu reduzieren. Und wir müssen sicherstellen, dass die Durchsetzung von Rechtstiteln nicht durch Verwaltungsschwierigkeiten, Personalengpässe, organisatorische Engpässe ausgehöhlt wird. Ich will allerdings insgesamt festhalten, dass es eine leistungsfähige Berliner Justiz gibt.

Besondere Akzente haben wir in den letzten Monaten zu setzen versucht. Darauf werde ich mich jetzt konzentrieren. Erstens, Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg: Errichtung gemeinsamer Obergerichte in ausgewählten Fachgerichtsbarkeiten. Ich verweise hier insbesondere auf die Bemühungen, ein gemeinsames Oberverwaltungsgericht für beide Länder zu errichten, was auch noch ein Stückchen zu tun hat mit den Traditionen des alten preußischen OVG.

[Wieland (Grüne): Schön wär’s!]

Zweitens, die Umsetzung der Verwaltungsreform in der Berliner Justiz; ich verweise auf die Beantwortung der Großen Anfrage in der schriftlichen Form. Hierbei geht es um Anwendung moderner Personalführungsmethoden in den Strafverfolgungsbehörden und im Justizvollzug. Es geht in den Schwerpunkten um den Beginn der Einführung der Kosten-Leistungsrechnung und der so genannten weichen Reformelemente, insbesondere bei den Gerichten. Es geht um die Fortsetzung und Reorganisation der Strafverfolgungsbehörden, insbesondere die Anordnung über Organisations- und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften und der Amtsanwaltschaften ist zu nennen, dabei

auch die Schaffung von neuen Hauptabteilungen. Es geht um die Einsetzung der Projektgruppe zur weiteren Optimierung der Arbeitsabläufe bei den Strafverfogungsbehörden, und es geht um die Neuorganisation der Verwaltungsbereiche, immer in Anwendung der Grundprinzipien der Verwaltungsreform auch in der Staatsanwaltschaft. Dabei wird die Übertragung der Ressourcenverantwortung auf die Justizvollzugsanstalten im Augenblick eingeleitet, um zu überprüfen, ob die Instrumente der Haushaltsflexibilisierungen in dezentraler Wahrnehmung einen wirkungsvollen Beitrag leisten können, das wird dort in den Vordergrund gestellt. Gerade beim Justizvollzug, und zwar auch unterschiedlich bei einzelnen Vollzugsanstalten, ich denke dabei insbesondere an Tegel; da kann ich festhalten, dass das als ein Beispiel angesehen wird von allen Kollegen, die sich schwerpunktmäßig mit Verwaltungsreform beschäftigen, aber auch über die Grenzen von Berlin hinaus. Dass wir die Kapitelstruktur der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Sinne von Leistungs- und Verantwortungszentren dabei überprüfen, das steht ausdrücklich in der Beantwortung, es ist dort ausführlich dargestellt.

Ich habe eben schon darauf hingewiesen, dass aus meiner Sicht die Modernisierung der Justiz auf technischem Gebiet einer der Schwerpunkte ist. Das werden wir beschleunigen. Im Rahmen der begrenzten Haushaltsmittel ist hier festzuhalten, dass es eine Aufstockung gibt für die Informationstechnik, also in den investiven Haushaltsmitteln, auf insgesamt 11,5 Millionen DM. Dann geht es um die Einführung beispielsweise des maschinell geführten Grundbuchs bei den Grundbuchämtern. Herr Kollege Wieland, wenn man sich kritisch damit auseinandersetzt, weiß man, dass es da Übergangsschwierigkeiten gibt, die allerdings – hoffe ich – bis Ende dieses Jahres überwunden sind. Und es geht um die Ausstattung der Amtsgerichte, des Landgerichts, des Kammergerichts mit Computern und dem Verfahren AULAK, und zwar für Richter, Rechtspfleger und Bürokräfte. Also Ausstattungsfragen, moderne Ausstattung steht im Vordergrund.

Sie wissen, dass der Grundsatz Arbeit statt Haft in den jeweiligen Ausführungsvorschriften von mir noch einmal in den Vordergrund gerückt worden ist und wir in der nächsten Zeit dort auch konkrete Erfahrungen sammeln werden, übrigens einschließlich der Frage, die das Abgeordnetenhaus beschäftigen wird, dass wir dabei die Verantwortung im Bereich der ganzen Bewährungsüberprüfung in der Frage der Vermittlung von Arbeit für Straftäter, dass wir dieses in der Verantwortung in der unmittelbaren Nähe zur Staatsanwaltschaft halten müssen, weil nur dann das System selbst funktionieren wird. Aber zu dem Bereich der Justizvollzugsanstalten gehört eben auch die beschleunigte Errichtung – wir werden das beschleunigen, die Abstimmungen sind erfolgt, die Bauplanungsmaßnahmen sind entsprechend vorbereitet – weiterer 170 Haftplätze, und zwar für den offenen Vollzug; dabei geht es um die Justizvollzugsanstalt in Hakenfelde. Und es geht dann um den Bau, den wir auch beschleunigt vorantreiben werden, der neuen Haftanstalt in der Nähe von Großbeeren. Auch unter dem Gesichtspunkt der Einsparung und der Rationalisierung und auch noch Beschleunigung geht es um das Haftkrankenhaus; ich hoffe, dass wir dort bald zu Regelungen kommen. Und als Beweis oder Unterstreichung, wie Sie auch wollen, der Überlegung, dass es gerade darum geht, dass der rechtssuchende Bürger seine Ansprüche durchsetzen kann, nehmen Sie bitte eine der ersten Entscheidungen – ich bin sehr dankbar dafür, dass das Abgeordnetenhaus dem gefolgt ist –, dass wir zusätzliche Stellen für Gerichtsvollzieher geschaffen haben.

Aus der Versuchung dieser Überlegungen mit beispielsweise stärkerer Bürgernähe, mit Spätsprechstunden, sehen Sie, welche Grundtendenzen in der Justizpolitik hier in Berlin vertreten werden. Die vorstehenden Punkte beschreiben vollzogene und in der Durchführung begriffene Verbesserungen in der Justiz und für die Justiz.

Wichtig ist, dass das Handeln der Justiz von den Bürgerinnen und Bürgern verstanden wird, akzeptiert wird als ein notwendiger Beitrag zu unserem Rechtsstaat. Auf diesem Weg ist einiges geschehen, aber wir wissen, ich weiß jedenfalls, dass es eine Reihe von Lücken gibt. Die müssen wir alle gemeinsam füllen,

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RBm Diepgen

und ich wäre dankbar, wenn das Abgeordnetenhaus im großen Einvernehmen zwischen Regierung und Opposition Hilfestellung leisten wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Die umfangreiche schriftliche Beantwortung liegt Ihnen vor. Nun hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Abgeordneter Weinschütz das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Justizsenator Diepgen! Machen wir ein Gedankenexperiment. Stellen Sie sich vor, man hätte im Jahre 1900 einen Beamten in einer Geschäftsstelle im Kriminalgericht Moabit tiefgefroren und würde ihn jetzt, im Jahre 2000, 100 Jahre später wieder auftauen. Wissen Sie, was dann wäre? – Der könnte sich sofort an seinen Schreibtisch setzen und weiterarbeiten, weil sich nichts, aber auch gar nichts verändert hat.

[Beifall bei den Grünen]

Es gibt keine neue Technik, keinen anderen Arbeitsablauf. Kennen Sie irgendeinen anderen Bereich in Wirtschaft und Gesellschaft, wo heute noch gearbeitet wird wie vor 100 Jahren? – Ich nicht! Berlin will eine moderne Metropole sein, aber die Justiz arbeitet teilweise immer noch wie vor 100 Jahren. Das gibt es nirgendwo sonst in Deutschland. Kein Wunder, dass in Moabit beinahe der Betrieb zusammenbricht!

Was haben wir dazu gehört? – Schöne Worte über die Herausforderungen durch die Wiedervereinigung. Wenn man die schriftliche Antwort auf die Große Anfrage liest, dann hört man sehr viel von Modellversuchen, die durchgeführt wurden, von eingesetzten Arbeitsgruppen, Berichte wurden erarbeitet, viele Ankündigungen wurden und werden gemacht. Aber ein schlüssiges Gesamtkonzept fehlt, von einer flächendeckenden Umsetzung ganz zu schweigen. Berlin hat die Herausforderungen durch die Wiedervereinigung im Bereich der Gerichte und Staatsanwaltschaften bisher gerade nicht angenommen – wenig neue Technik, kaum neue Strukturen, so gut wie kein modernes Management. Nach 10 Jahren Einheit wird es jetzt überfällig. Herr Diepgen, gehen Sie die Probleme an und legen Sie endlich ein schlüssiges Konzept vor!

[Beifall bei den Grünen]

Ich habe vorhin mit großem Bedauern und vor allen mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass Sie Ihr Amt als Justizsenator hauptsächlich darin sehen,

[Atzler (CDU): Er ist nicht Justizsenator!]

die Justiz zu kontrollieren. Das ist sicherlich auch von Bedeutung und einer der Punkte, aber ich denke, ein Justizsenator sollte sich nicht darauf beschränken, sondern hauptsächlich die Planung und Organisation machen, damit die Justiz vernünftig arbeiten kann. Mir scheint, dafür haben Sie durch Ihre zahlreichen anderen Arbeitsbelastungen als Regierender Bürgermeister leider nicht genug Zeit.

Was die Bewährungsstrafen angeht: Wenn Sie hier wieder law and order fordern und zu härteren Strafen rufen, ergibt sich für mich der Verdacht, dass sich da jemand drückt und ausweicht vor den wirklichen Problemen. Aus den Erkenntnissen der Kriminologie wissen wir: Wenn man einen Abschreckungseffekt auf Täter erzielen will, hängt dieser Abschreckungseffekt hauptsächlich von zwei Faktoren ab. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Strafe auf die Tat folgt? – Das ist eine Frage der Aufklärungsquote. Wie schnell kommt die Strafe? – Das ist eine Frage, wie gut Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte organisiert sind. Wenn man merkt, dass man hier keine Verbesserung schafft, dann weicht man aus und ruft nach härteren Strafen. Das ist keine Lösung, so kann man nicht vorgehen.

[Beifall bei den Grünen]

Die Justizpolitik gehört nicht zu den Top Ten in der Hitparade der Politikfelder. Zur Zeit wird hier in dieser Stadt etwas anderes als besonders zukunftsträchtig gesehen – ich möchte gleich hin

zufügen: wahrscheinlich auch zu Recht –, ich nenne nur Stichworte wie Bildung, Wissenschaft und Sanierung des Haushalts. Aber die Justiz hat nicht nur in den letzten Jahren nicht oben auf der Prioritätenliste gestanden, im Gegenteil, sie wurde kontinuierlich vernachlässigt. Aber das rächt sich nach einiger Zeit bitter. Herr Diepgen, es wird höchste Zeit, setzen Sie dieser Vernachlässigung ein Ende!

[Beifall bei den Grünen]

Ich will den Befund mit Zahlen untermauern. In Berlin macht der Justizhaushalt 3 % des Gesamthaushalts aus. In Hamburg – das von Ihnen selbst wegen der Vergleichbarkeit als Großstadt bei der Berechnung von benötigten Haftkapazitäten so gern herangezogen wird – sind es 4 %. Das heißt, die Hamburger lassen sich ihre Justiz ein Drittel mehr kosten als die Berliner. In Bayern sind es sogar fast 5 %, also zwei Drittel mehr, obwohl es in ländlichen Gebieten weniger Kriminalität und weniger Streitaustragung vor Gericht gibt. Natürlich, das wissen wir auch, kann es nicht einfach darum gehen, mehr Personal einzustellen. Es geht vielmehr darum – das haben Sie schon selber angesprochen –, für eine ordentliche Ausstattung und ein modernes Management zu sorgen, damit die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sinnvoll und effektiv arbeiten können. Ich will das an einigen Beispielen verdeutlichen.

Beispiel 1: mangelnde Computer. In Nordrhein-Westfalen wurde schon 1996 ein Konzept zur Vollausstattung der Justiz mit moderner Informationstechnik beschlossen. Was ist in Berlin? – In Berlin werden jedes Jahr je nach Haushaltslage ein paar Computer dazugekauft. Das ist kein Konzept. Hard- und Software sind manchmal schon bei Anschaffung veraltet und mit anderen Systemen in aller Regel inkompatibel. Was bedeutet das praktisch im Alltag? – Richter, die zu Hause private Computer zum Schreiben von Urteilen nutzen und dann ihr Urteil ins Gericht mitbringen, können nicht etwa die Diskette abgeben, damit es dort auf Gerichtspapier ausgedruckt wird. Nein, da muss einkopiert werden, abgeschrieben und mit Tippex hantiert wie vor 30 Jahren im Büro. Die Strafvollstreckungskammern am Landgericht haben nicht einmal ein Namensverzeichnis. Sie haben keinen Computer, können kein Namensverzeichnis führen. Wenn ein Richter wissen will, ob es zu einem eigenen Vorgang dort in der Strafvollstreckungskammer einen Parallelvorgang gibt, zum Beispiel, um herauszufinden, ob es schon ein Gutachten über einen Täter gibt, um vielleicht Kosten für ein zweites zu sparen, dann kann die Geschäftsstelle des Landgerichts das überhaupt nicht sagen. Man muss erst in der zentralen Namenskartei das Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft herausfinden und dort nach dem Aktenzeichen der Strafvollstreckungskammer fragen. Aber wenn der Fall eintritt, bleibt nur zu hoffen, dass es nicht gerade 13.05 Uhr ist, denn nach 13 Uhr darf die Staatsanwaltschaft das Telefon nicht mehr abnehmen. Wenn man sich nun, wenn es 13.05 Uhr ist und das Telefon nicht mehr geht, auf den weiten Weg ans andere Ende des Kriminalgerichts macht, um persönlich nachzufragen, dann kann es aber sein, dass die Akte gerade in einem riesigen Berg auf ihre Bearbeitung wartet. Dann muss man vielleicht ein paar Tage warten – nur, um erst einmal das Aktenzeichen herauszufinden. Dass das nicht effektiv ist, liegt auf der Hand.

Es stimmt zwar, dass in einzelnen kleineren Teilbereichen Fortschritte erzielt wurden – ich nenne ausdrücklich Handelsregister, Grundbuch, Konkursgericht und Justizkasse –, aber in den Kernbereichen der ordentlichen Gerichtsbarkeit geht es kaum voran. Es erweckt auch einen völlig falschen Eindruck, wenn in der schriftlichen Antwort gesagt wird, für 2001 seien 3 Millionen DM Investitionsmittel mehr vorgesehen. Im zivilrechtlichen Bereich des Landgerichts sind zwar tatsächlich 1,3 Millionen DM mehr vorgesehen, gleichzeitig aber werden die Mittel für die Automation der Amtsgerichte um 1,6 Millionen DM zurückgefahren. Das ist wie die Echternacher Springprozession – hier ein Schritt vor und schon wieder einer zurück. Und das, obwohl in der Antwort dargelegt wird, dass durch die Gesetzesänderungen eine Aufgabenverlagerung zu den Amtsgerichten stattgefunden hat. Vor dem Hintergrund ist nicht einzusehen, warum gerade die Amtsgerichte und insbesondere das Amtsgericht Tiergarten erneut besonders stiefväterlich behandelt werden. Dabei würde mehr

Informationstechnik letztendlich nichts kosten, sondern vielmehr einen Rationalisierungsgewinn von 26 % erwirtschaften, wie Berliner Erfahrungen zeigen. Warum also hier so zögerlich?

Ähnliches gilt für Faxgeräte. Mit besserer Ausstattung würden die Wachtmeister weniger Post auf ihrem Aktenwagen befördern und die Faxe auch nicht erst nach Tagen ankommen, was manchmal passiert. Ich will nur am Rande erwähnen: Von E-Mail wollen wir bei den Berliner Gerichten und Staatsanwaltschaften lieber gar nicht anfangen zu reden. Da ist Fehlanzeige und schwarzes Loch.

[Wieland (Grüne): Im nächsten Jahrtausend!]

Es kommt auch ab und zu vor, dass alle Beteiligten an einem Strafverfahren – Richter, Staatsanwalt, Verteidiger, Urkundsbeamte – warten müssen, weil die Vorführung nicht gleich erfolgen kann, weil der Wachtmeisterdienst überlastet ist – eine Vergeudung von Ressourcen sondergleichen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gerichten und bei der Staatsanwaltschaft versuchen schon seit Jahren mit großem Einsatz, für den ihnen Dank und Respekt gebührt, die Mängel zu kompensieren und den Betrieb aufrechtzuerhalten. Aber auch der Willigste ist bei den realen Arbeitsbedingungen irgendwann frustriert und gibt auf. Herr Diepgen, Sie lassen mit Ihrer Konzeptlosigkeit und dem bloßen Verweis auf leere Kassen die Menschen, die in Gerichten und Staatsanwaltschaften arbeiten, im Stich. Das nehmen wir nicht hin!

[Beifall bei den Grünen]

Aber nicht nur im Innenleben der Justiz knirscht es seit langem bedenklich. Auch die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger merken es direkt. Die durchschnittlichen Verfahrensdauern haben sich von 1989 auf 1999 beim Amtsgericht in Zivilsachen, beim Landgericht in Zivilsachen, bei den Strafsachen am Amtsgericht um ein Viertel verlängert. Beim Verwaltungsgericht sind sie mehr um ein Drittel länger, und beim Landgericht haben sich die Strafsachen in der Dauer fast verdoppelt.

Und für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ist es ebenfalls ein großes Problem, wenn sie Akteneinsicht benötigen. Sie können sie nicht sofort nehmen, weil die Akte irgendwo verschwunden ist und man mangels Computer gar nicht feststellen kann, wo sie eigentlich ist. Zeit ist Geld, und die bei Gericht benötigte Zeit geht schnell zu Lasten des rechtsuchenden Bürgers.

Herr Justizsenator Diepgen! Bei Übernahme des Justizressorts vor einem Jahr mussten Sie bekennen, erstmalig zur Kenntnis zu nehmen, in welch miserabler Verfassung sich die – überwiegend nicht vorhandene – EDV-Ausstattung der Justiz befindet. Es scheint ganz so, dass Ihre Vorgängerinnen im Amte des Justizsenators keinen guten Zugang zum Regierenden Bürgermeister hatten. Ob das jetzt wohl besser ist?

[Wieland (Grüne): Er spricht mit sich selbst!]

Herr Justizsenator Diepgen! Wir bitten Sie: Gehen Sie zum Regierenden Bürgermeister, mit anderen Worten: Gehen Sie in sich, und überzeugen Sie diesen und den gesamten Senat davon, dass sich bald etwas ändern muss.

[Beifall bei den Grünen]

Sie müssen zum Schluss kommen!

Ich komme zum Schluss: Wir befürchten, dass die Selbstgespräche, die Sie als Justizsenator mit sich als Regierendem Bürgermeister führen müssen, noch weniger effektiv sind als die Bemühungen Ihrer Vorgänger. Berufen Sie deswegen eine eigene Justizsenatorin oder einen eigenen Justizsenator und setzen Sie gemeinsam bald wirksame strukturelle Verbesserung durch. Lassen Sie die schon ziemlich ausgezehrte Justiz nicht länger am ausgestreckten Arm verhungern! – Vielen Dank!

Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Abgeordnete Braun, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst Herr Diepgen: Vielen Dank für die sehr umfangreiche Beantwortung der Großen Anfrage zur Situation der Justiz in Berlin. Die Ergebnisse, die uns schriftlich vorab überreicht wurden, belegen, dass sämtliche Annahmen der Grünen aus der Begründung der Großen Anfrage nicht nur falsch sind, sie zeugen von mangelnder Sachkenntnis

[Beifall bei der CDU – Oh! bei den Grünen]