Protokoll der Sitzung vom 18.01.2001

Ich kann auch den Bereich der Wirtschaftsförderung anführen. Eine Voraussetzung für eine Wirtschaftsförderung ist ein effizientes Grundstücksmanagement. Einige Bezirke haben im Zuge der Verwaltungsreform ein entsprechendes Immobilienmanagement aufgebaut. Was passiert nun? – Im Land wird ein Liegenschaftsfonds gebildet; die Bezirke müssen Grundstücke aus ihrem Finanzvermögen abgeben. Sie verfügen damit nicht mehr über Grundstücke, die sie ansiedlungswilligen Unternehmen zur Verfügung stellen könnten. Ansprechpartner für diese Unternehmen ist nun das Land. Das Unternehmen siedelt sich aber nicht im Land Berlin an, sondern an einem konkreten Ort. Zu tun hat wiederum dann der Bezirk mit diesen Unternehmen, beispielsweise bei der Schaffung lokaler Beschäftigungsbündnisse.

Ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Wirtschaftsförderung bezieht sich auf die Arbeit der Wirtschaftsförderstellen der Bezirke, die gleichzeitig Geschäftsstellen der bezirklichen Beschäftigungsbündnisse sind. Sie haben eine Reihe von Aufgaben zu erfüllen, aber nicht das entsprechende Geld zur Umsetzung. Das widerspricht unter anderem der europäischen Richtlinie, die die Weitergabe dieser Mittel in Form von Globalzuschüssen an die lokale Ebene fordert.

[Beifall bei der PDS]

Wir sind der Meinung, dass die Frage der Globalzuschüsse für bezirkliche Beschäftigungsbündnisse erneut auf die Tagesordnung gesetzt werden muss.

Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Wie sollen Bezirke zu leistungsstarken Dienstleistern für Bürger und Unternehmen werden, wenn sie die einfachsten Dinge für die Bürger sowie für Unternehmen nicht selbst regeln können oder ihnen die Geschäftsgrundlage dafür entzogen wird? Mit der Umverteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten sind wir noch lange nicht am Ende. Der Handlungsbedarf bleibt auch weiterhin sehr groß. Ich bitte Sie, unseren vorliegenden Antrag wohlwollend zu prüfen und ihm zuzustimmen!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Schneider! Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Nippert das Wort. Danach ist Frau Abgeordnete Werner für die Fraktion der Grünen an der Reihe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Kollege Schneider! Mit-Exot, wenn man so sagen darf. Sie äußern hier eine Fundamentalkritik an dem Verfahren der Verwaltung in Berlin insgesamt. Es erinnert mich fatal an eine Situation, in der man nicht wahrhaben will, dass die Zustände anders sind, als man sie gern hätte. Ich glaube nicht, dass das, was Sie hier vorgetragen haben, sehr dazu beitragen wird, das in den letzten Jahren in dem Bereich der Verwaltungsreform und damit einschließlich der Gebietsreform Erreichte zu stabilisieren und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Das ist ähnlich destruktiv wie der Ausdruck des Kollegen Dr. Zotl, der sicher in seinem Vortrag die Sachkenntnis zu diesem Problem bewiesen, aber sich an einer Stelle dazu verstiegen hat, die Verwaltung arrogant und ignorant zu nennen.

[Frau Michels (PDS): Internet!]

Er hat „arrogant und ignorant“ gesagt, wir können es im Protokoll nachlesen. Ich denke, dass sich die Mitarbeiter für dieses Kompliment bedanken werden. Im Gegensatz zu Ihnen danken wir den Mitarbeitern, die sich bisher ungeachtet dieser Sperrfeuer von Ihrer Seite für die Verwaltungsreform eingesetzt haben und dies auch weiter tun.

Frau Werner, dass hinter unserer Unter-Überschrift „leistungsstarker Dienstleister“ kein Fragezeichen steht, hat seinen Grund. Ich habe in meinem ersten Beitrag ausgeführt, dass wir damit die Erwartung an das, was mit dieser Reform verbunden ist, artikulieren wollten. Das ist auch in den Ausführungen deutlich geworden, die die Kollegin von der SPD vorgetragen hat. Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass Verwaltung ein relativ schwerfälliges Gebilde ist. Das wissen alle. Wir sind auch sicher, dass wir alle dazu beitragen können und müssen, damit diese Verwaltung beweglicher, schlanker und effizienter wird. Unser Leitbild dazu ist der mündige Bürger, der in ein Amt geht und dieses nicht wie zu Preußens Glanz und Gloria mit dem Kopf unter dem Arm betritt, sondern als selbstbewusster Bürger einer dienenden Verwaltung begegnet, die sich um diesen Bürger und seine Angelegenheiten bemüht, damit er zufriedengestellt wird. Dass dieses in einer Ministerialbürokratie, weit weg von der Basis, so nicht durchsetzbar ist, ist Erkenntnis aller Beteiligten.

Deswegen haben wir gesagt: Es muss in den Bezirken passieren, dort vor Ort, wo wir – dem Schlagwort entsprechend, das wir geprägt haben – bürgernah die Verwaltung erleben können.

[Beifall bei der CDU]

Hierbei sind wir wohl alle einer Meinung: So etwas sollten wir auch weiterhin versuchen.

Wenn ich dann von Frau Helbig höre, dass die wesentlichen Entscheidungen nicht durch den zentralistischen Eingriff beeinflusst oder initiiert werden dürfen, sondern in der Eigenverantwortung der Bezirke erfolgen müssen, kann ich nur sagen: Frau Helbig, genau das ist es! Genau das wollen und unterstützen wir. Genau dieses versuchen wir immer wieder hervorzukehren und deutlich zu machen. Es ist Sache der Bezirke, die Ausformungen der einzelnen Dienstleistungen umzusetzen. Sie müssen in ihrem Standard zentral vorgegeben, aber am Ort dann den Bedingungen angepasst werden. Hier haben insbesondere die Bezirkspolitiker eine große Verantwortung.

Das betrifft übrigens auch die Öffnungszeiten der Bürgerämter. Herr Senator! Wer von der Innenverwaltung hindert denn die Bezirke, Sprechstunden wie in Bremen von 8 bis 20 Uhr zu machen? – Niemand. Wo sind aber die Bezirksverordneten, die hingehen und sagen: Du, Bezirksamt, jetzt bitte schön ist eine Vereinbarung mit dem Personalrat zu treffen, um im Interesse der Bürger diese Öffnungszeiten auch wirklich bürgernah zu gestalten! – Der Personalrat wird ja im Zweifel immer vorgeschoben, wenn es um Öffnungszeiten, Dienstzeiten und dergleichen geht.

Ich sehe auch nicht, dass die Krokodilstränen, die die Opposition hier wegen der Öffnungszeiten geweint hat, dazu geführt haben, dass sich in den Bezirken, in denen Ihre Parteien das Sagen haben, in den letzten Tagen sprunghaft etwas geändert hat. Kehren Sie dort einmal vor der Tür! Sehen Sie einmal zu, dass Sie dort Erfolge haben, und gehen Sie mit gutem Beispiel voran, und dann werden wir vielleicht auch die so genannten bürgerlichen Bezirke dazu bringen, noch bürgerfreundlicher zu werden! [Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Was wir heute gemacht haben, ist eine Bestandsaufnahme nach relativ kurzer Dauer eines tatsächlichen Jahrhundertwerkes. Es war richtig und wichtig, dass wir das hier deutlich gemacht haben. Ihrer Kritik zum Trotz machen wir weiter auf diesem Wege, und ich bin sicher, dass wir den Bürgern damit sehr weit in ihren Wünschen entgegen kommen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Herr Dr. Zotl hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Nach unserer Geschäftsordnung hat er dazu natürlich das Recht, und er darf jetzt kurz und zur Sache und mit Bezug auf den Vorredner etwas richtigstellen. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da es nun zweimal erwähnt worden ist, möchte ich es richtigstellen: Die Worte „arrogant“ und „ignorant“ sind von mir nicht in Richtung der Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Verwaltungen verwendet worden. Ich habe sie vielmehr auf einen Punkt in einer Ursachenanalyse bezogen, und zwar in Bezug auf die Internetpräsentation der Berliner Verwaltungen so, wie sie sich bis heute darstellt.

In Berlin haben 50 % der Haushalte einen Zugang zum Internet. Der Umgang mit dem Internet ist eine wesentliche Seite einer bürgerfreundlichen Verwaltung. Es ist völlig normal und in Hunderten von Verwaltungspräsentationen in der Bundesrepublik üblich, dass ich als Bürger, der ein Anliegen hat, mein Anliegen eingebe und dann Informationen bekomme, wann, wo, wie und auf welche Art und Weise ich das erledigen kann. Wir haben diese Untersuchung gemacht und eine vielbeachtete Veranstaltung durchgeführt.

Sie können jetzt nur etwas zurückweisen bzw. kurz klarstellen, Herr Dr. Zotl!

[Frau Michels (PDS): Nein! – Weitere Zurufe von der PDS]

Gut! – Ein Satz noch: Wir haben eine Veranstaltung gemacht und das nachgewiesen. Wir haben es dokumentiert: In Berlin muss ich die sprachlichen Codes der Verwaltung und die Verwaltungssystematik – welches Amt macht was – beherrschen. – Das ist die Internetpräsentation. Das ist in dieser Form nicht nützlich, und das wissen alle Verantwortlichen seit Jahren. Dafür geben sie sehr viel Geld aus, aber sie ändern es nicht. Und nur in diesem Zusammenhang und nur bezogen auf diesen Prozess ist von mir diese Bemerkung gefallen. Das kann man im Protokoll und auch in meinem Manuskript nachlesen.

[Beifall bei der PDS]

Das Wort hat nun Frau Werner zu ihrem Redebeitrag. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Werthebach! Ich finde es sehr gewagt, das Beispiel Preußen zu bemühen, wenn es um die Beziehung zwischen Bürgern und Verwaltung geht.

[Bm Dr. Werthebach: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! – Gram (CDU): Gott sei Dank!]

Erstens glaube ich nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger meine Ausführungen zu kleinteilig fänden. In diesen Bereichen – z. B. hinsichtlich der Öffnungszeiten oder der Fragen, wie man

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seinen Sachbearbeiter findet und welchen Service man erhält – sind es gerade diese kleinteiligen Punkte, die in der Summe die Bürgerfreundlichkeit einer Verwaltung ausmachen. Sie haben sich da lieber an die preußische Geschichte gehalten.

[Gram (CDU): Das ist nicht die schlechteste!]

Ich hoffe, Ihr Maßstab ist nicht das Verhältnis des Untertans zur Obrigkeit, wenn Sie die Berliner Verwaltung reformieren wollen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Gram (CDU): Von deutscher Geschichte keine Ahnung!]

Die Stärkung der Bezirke, Herr Dr. Werthebach, liegt doch nicht darin, dass man ihnen neue Aufgaben überträgt. Das haben wir auch gewollt, das ist auch geschehen, wenn es auch nicht gerade weltbewegende Aufgaben sind. Aber darin liegt doch keine Stärkung, sondern die Stärkung fängt erst da an, wo man die Bezirke im Verfassungsgefüge der Stadt stärken würde, und das hieße eben auch, mehr Rechte gegebenüber dem Senat. Ich habe das vorhin erwähnt, aber Sie sind darauf überhaupt nicht eingegangen.

Genauso wenig eingegangen sind Sie auf die Frage der Bürgerbeteiligung. Da ist der Senat noch in der Bringeschuld. Ich habe den Termin genannt. Wo ist Ihr Interesse an diesem Thema? – Wir verzeichnen im Moment durch die Fusion sogar eine rückläufige Bewegung in dieser Frage. Der Bezirk Zehlendorf hatte bisher eine Bürgerfragestunde in den Ausschüssen, mit der CDU-Mehrheit im gemeinsamen Bezirk von Steglitz und Zehlendorf will man das jetzt abschaffen. Auch dieses kleine Element von Bürgerbeteiligung wird verschwinden. Deshalb frage ich Sie: Wo bleiben Ihre Aussagen zu diesem Thema?

Frau Helbig hat Brandenburg erwähnt. Die Fusion mit Brandenburg kann letztendlich nur eine Stärkung der Bezirke nach sich ziehen. Wir wissen aus den Verhandlungen zum letzten Fusionsversuch, dass Brandenburg gerade auf starke Bezirke Wert gelegt hat, und zwar auch hinsichtlich der Rechtsstellung und nicht nur hinsichtlich der Zuständigkeit für Aufgaben.

Warum habe ich gesagt, der Senat blockiere Bürgerämter? – Er tut es mit der zögerlichen Genehmigung von Anmietungen. Ich habe Ihnen das Beispiel Lichtenrade genannt. In Ihrem Haus liegt seit Anfang Oktober der Antrag. Dort würde die Caritas sogar den Umbau übernehmen. Trotz der optimalen Bedingungen kommen Sie nicht „zu Potte“. Sie blockieren indirekt auch dadurch, dass Sie die Mittel nur unzureichend zuweisen. Wenn der Senat nur ein Drittel der Kosten eines Bürgeramtes finanziert – und das bei Bezirken, die ohnehin seit Jahren finanziell gegängelt wurden –, dann muss man sich nicht wundern, dass die Bezirke Schwierigkeiten bei der Umsetzung haben.

Sie nennen das Beispiel Köpenick. Na prima! Man sucht sich gern den einzigen Leuchtturm aus, den man hat. Köpenick ist Pilotprojekt gewesen. Wir haben aber 22 Bürgerämter, und die sind nicht alle am Beispiel Köpenick ausgerichtet.

Sie sprechen von den Einsparungen. Da ist der Innensenator im Lauf der Jahre doch sehr kleinmütig geworden.

[Bm Dr. Werthebach: Sehr klein!]

Am Anfang sprach Herr Schönbohm noch von Einsparungen in Höhe von einer halben Milliarde DM im Jahr. Sie sind jetzt bei 160 Millionen DM. Aber eigentlich weiß niemand von uns, wie eine Kostenbilanz zur Bezirksfusion wirklich aussehen würde, denn wir haben es im Moment auch mit Ausgaben zu tun, denn die Fusion kostet etwas. Das ist auch in Ordnung, denn Strukturveränderungen kosten auch erst einmal Geld. Aber bitte gehen Sie nicht herum und sagen, dass wir in diesem Jahr 160 Millionen DM sparen! – Das Personal ist vorhanden und wird weiter bezahlt, und wir haben Investitionen in die Infrastruktur vor Ort in Millionenhöhe. Das muss man mit erwähnen, denn sonst stellt man eine falsche Lage dar.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Zum Antrag der Fraktion der PDS, Drucksache 14/924, wird die Überweisung an den Ausschuss für Verwaltungsreform – federführend –, an den Innenausschuss sowie an den Hauptausschuss vorgeschlagen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen und der Antrag überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1 B, Drucksache 14/919: