Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Herr Berger! Herr Präsident! Das habe ich nicht gesagt, sondern ich habe gesagt, dass dieses zusätzliche Argument, dass die Initiative sich an den finanziellen Konsequenzen einer Rückabwicklung des Vertrages beteiligen will, in den Abwägungsprozess, ob die Landesentwicklungsgesellschaft von dem Kaufvertrag zurücktreten wird, einbezogen werden muss. Das ist selbstverständlich so, dass neue Sachverhalte geprüft werden.

Nur sind die Konsequenzen eines Rücktritts die Ihnen auch bekannten: Es ist nicht nur der Kaufpreis zurückzuzahlen, es ist außerdem die Bewirtschaftung und Verwaltung dieses problematischen Areals zu übernehmen, die den Landeshaushalt in den letzten Jahren schon erheblich belastet hat. Auch dieses sind Faktoren, die in den Abwägungsprozess einbezogen werden müssen. Da der Senat keinen Kaufvertrag geschlossen hat, würden nicht wir zurücktreten, sondern es müsste von der Landesentwicklungsgesellschaft entschieden werden.

Nunmehr hat der Kollege Over von der Fraktion der PDS eine spontane Frage. – Bitte, Herr Kollege Over!

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich frage die Gesundheitssenatorin! Halten Sie es für richtig, dass der Senat von Berlin die Einrichtung von Drogenkonsumräumen, sogenannten Druckräumen, durch den Nichterlass einer entsprechenden Rechtsverordnung verhindert und damit nicht nur die Gesundheit, sondern auch das Leben von Suchtkranken auf das Spiel setzt?

Frau Senatorin Schöttler, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Over! Wir haben eine Reihe von Angeboten in dieser Stadt, die jungen und älteren Drogenabhängigen Möglichkeiten bietet, auszusteigen, und ihnen Hilfestellungen gibt. Wir haben uns an diesem Modellversuch, der jetzt zum Teil vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird, nicht beteiligt. Weil es eine Rücknahme dieser in Berlin vorhandenen Angebote bedeutet, haben wir uns dafür entschieden, uns nicht an diesem Modellvorhaben zu beteiligen. Grundsätzlich halte ich diesen Modellversuch aber für richtig und wegweisend. Es ist wichtig, dass wir die Ergebnisse dieser Modellversuche in der Praxis in Berlin umsetzen.

Eine Nachfrage – Herr Over, bitte!

Frau Senatorin! Ist Ihnen bekannt, dass in den Städten, die sich an dem Modellversuch beteiligen, die Zahl der Drogentoten nach Auskunft der Bundesbeauftragten Frau Nikkels um etwa ein Drittel gesunken ist, im Gegensatz zu all den

(A) (C)

(B) (D)

anderen Städten, in denen diese Drogenkonsumräume nicht eingerichtet worden sind? Sind Sie unter dieser Voraussetzung nicht der Meinung, dass es fast schon um unterlassene Hilfeleistung handelt?

Frau Senatorin Schöttler, bitte!

Ich halte dies für eine falsche Interpretation des Berichts der Drogenbeauftragten Frau Nickels. Diese Aussage ist in der Form in dem Bericht nicht enthalten, weil die Modellversuche in den verschiedenen sich daran beteiligenden Städten auch erst anlaufen. Ergebnisse, die Ihre Äußerungen belegen, Herr Over, kann es überhaupt noch nicht geben.

Danke schön, Frau Senatorin.

Dann hat der Kollege Gaebler für die Fraktion der SPD das Wort zu einer spontanen Frage, bitte!

Vielen Dank! – Meine Frage richtet sich an Herrn Senator Stölzl! Es geht hierbei um den Studiengang Gebärdendolmetscher. Es hat in den vergangenen Wochen Verunsicherungen gegeben, inwieweit dieser nun an der Humboldt-Universität eingerichtet werden kann. Wird diese Abteilung jetzt zum Wintersemester 2002/2003 eingerichtet und dann auch arbeitsfähig sein?

Herr Kollege Stölzl!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaebler! Der Lehrstuhl und das Institut werden rechtzeitig eingerichtet werden und werden hoffentlich auch in die neuen nach 2002 abzuschließenden Hochschulverträge eingehen als Teil der gesicherten Universitätseinrichtungen.

Danke! Herr Gaebler, eine Nachfrage – bitte!

Bedeutet dies, dass die Finanzierung auch über die Verlängerung der Hochschulverträge gesichert ist? Habe ich dieses soeben richtig verstanden?

Herr Senator Dr. Stölzl!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gaebler! Es ist vorgesehen, sie als feste Einrichtungen zu etablieren, finanziert im Paket.

Danke schön! Dann haben wir noch die Kollegin Frau Paus für die Fraktion der Grünen mit einer spontanen Frage. Bitte!

Herr Präsident! Ich richte meine Frage an Senator Branoner. Trifft es zu, wie die „Welt“ in der vergangenen Woche berichtete, dass die nunmehr zurückgetretenen Aufsichtsratsmitglieder der Messe mit dem Hinweis gelockt worden sind, dass eine Privatisierung der Messegesellschaft angestrebt wird, obwohl dies nicht in den Koalitionsverträgen mit der SPD steht und es offensichtlich so ist, dass es darüber keinen Senatsbeschluss gibt? Wer hat dieses zu verantworten?

Herr Senator Branoner hat nunmehr das Wort!

Frau Kollegin Paus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben darüber bereits im Wirtschaftsausschuss gesprochen. Es

ist – noch – nicht Aufgabe des Senats, Menschen zu locken. Wir sind sehr zufrieden, wenn sie sich solchen Aufgaben stellen, die die Entwicklung der Messegesellschaft Berlin auf einem sehr interessanten, auch international von Wettbewerb geprägten Markt fördern. Es ist Aufgabe auch dieses Aufsichtsrates gewesen, Konzepte gemeinsam mit der Messeleitung und dem Senat zu entwickeln, die eine wirtschaftliche Unabhängigkeit der Messe in den künftigen Jahren garantieren oder zumindest zunächst ermöglichen und dann garantieren sollen.

Sie kennen die Haushaltssituation. Ich verweise gleich auf die sich noch anschließende Diskussion in der Aktuellen Stunde. In diesem Zusammenhang haben der Messeaufsichtsrat, die Messegeschäftsführung und der Senat ein Konzept entwickelt, in dem es gegenwärtig darum geht, die städtebaulichen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass eine ergänzte Nutzung am Rande der Messe und eine Modernisierung und Instandsetzung innerhalb des Messegrundstückes ermöglicht wird. Ich will den Kommentaren der fünf Aufsichtsräte jetzt nichts hinzufügen. Wir werden diese Konzeption in großen Teilen zügig umsetzen. Damit haben wir die Voraussetzungen für ein aktives Wirtschaften der Messe Berlin geschaffen. Das wird eine gemeinsame Aufgabe sein, an der sich selbstverständlich auch Ihre Fraktion gern beteiligen kann.

Danke, Herr Kollege Branoner! Eine weitere Nachfrage von Frau Paus, bitte!

Herr Branoner! Können Sie den Teil aus dem „Welt“-Artikel bestätigen, in dem es heißt, dass es bereits Verhandlungen mit einem Investor gegeben hat? Können Sie mir auch sagen, wer diese Verhandlungen geführt hat? Offensichtlich war es nicht Herr Strieder, weil dieser verdeutlicht hat, eingegriffen zu haben. Dies hat dazu geführt, dass nun ein Ausschreibungsverfahren stattfindet. Wer hat Gespräche mit den Investoren zu verantworten? Hier handelt es sich um den Investor Groth, der uns allen auch im Zusammenhang mit der Bankgesellschaft und den anhängigen Prüfungen im Untersuchungsausschuss bekannt ist. Wer hat die Verhandlungen mit dem Investor Groth zu verantworten?

Herr Senator Branoner, bitte!

Ich kann überhaupt nicht bestätigen, dass die Messegeschäftsführung mit dem Unternehmen Groth + Graalfs über die Übernahme der Messe verhandelt hat. Die Messe ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu übernehmen. Berlin ist mit über 99 % Hauptgesellschafter neben drei anderen, u. a. VDI, Industrie- und Handelskammer. Die Messe könnte irgendwann einmal privatisiert werden, wenn die baulichen, finanziellen und wirtschaftlichen Grundlagen vorhanden sind. Wir gehen einen anderen Weg. Frau Paus, ich möchte dies ergänzend noch einmal erklären: Wir gehen nicht den Weg, die GmbH zu verkaufen. Das würde im übrigen nicht viel bringen. Wir gehen auch nicht den Weg der Veräußerung des Kerngrundstücks. Es sind die im äußeren Umfeld gelegenen Parkplätze, die für messeergänzende Nutzung wie beispielsweise ein Hotel zur Verfügung gestellt werden sollen. Wir gehen allerdings den Weg, dass wir mit internationalen Messeveranstalten beispielsweise Reed International zu einzelnen Projekten Messen gemeinsam planen und durchführen. Insofern teilen wir die Freude an einem erfolgreichen Messegeschäft. In den Fällen allerdings, in denen die Freude dem Leid von Verlusten weichen muss, werden auch diese Verluste gemeinsam getragen. Das ist bei dem hoch risikohaften Messegeschäft sicherlich nicht auszuschließen. Derzeit – und auch im vergangenen Jahr – überwiegen die Erfolge.

Danke schön, Herr Senator! Damit hat die Spontane Fragestunde ihre Erledigung gefunden. Die eingereichten Mündlichen Anfragen werden nach § 51 der Geschäftsordnung wieder schriftlich beantwortet werden.

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Momper

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 1 A:

Aktuelle Stunde zum Thema „Berliner Finanzkrise: eine außergewöhnlich ernste Situation“

in Verbindung mit

Drucksache 14/1137:

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU über Vorlage eines Nachtragshaushalts zum Haushalt 2001

Von der Fraktion der Grünen liegt ein Änderungsantrag vor, Drucksache 14/1137-1. Ich gehe davon aus, dass der Dringlichkeit zugestimmt wird, und höre keinen Widerspruch.

Mir liegt eine Wortmeldung von Herrn Wolf von der Fraktion der PDS vor, der nunmehr das Wort hat. Bitte schön, Herr Wolf!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Finanzlage in Berlin nicht dazu geeignet ist, gute Nachrichten zu überbringen, ist allgemein bekannt und keine sonderlich aufregende Mitteilung. Allerdings haben wir es bei den Entwicklungen, die im Zusammenhang mit der Schieflage der Berliner Bankgesellschaft in den letzten Wochen und Monaten eingetreten sind, nicht mit den üblichen schlechten Nachrichten aus Berlin und der Haushaltslage zu tun, sondern mit einer dramatischen Zuspitzung der Berliner Haushaltskrise. Wir stehen vor einem finanzpolitischen Super-GAU. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir nach allein dem gegenwärtigen Erkenntnisstand – da können durchaus noch weitere Summen und weitere Probleme hinzukommen – über den Ausfall von Einnahmen oder möglichen zusätzlichen Ausgaben in der Folge der Bankenkrise von 5 bis 6 Milliarden DM für den Haushalt 2001 sprechen, dann wird deutlich, dass wir es mit einer dramatischen Zuspitzung der Haushaltskrise zu tun haben, die nicht mit einfachen und normalen Mitteln zu bewältigen ist. Da ist die Forderung nach einem Nachtragshaushalt, der sich jetzt die Koalition angeschlossen hat, längst überfällig. Aber ein Nachtragshaushalt allein wird nicht ausreichen, da müssen noch ganz andere Maßnahmen erfolgen. Kassensturz, die Frage der finanzpolitischen Perspektiven für die nächsten Jahre stehen zur Diskussion und damit auch die Bilanz der Finanzpolitik der großen Koalition.

[Beifall bei der PDS]

Gehen wir genauer in die Zahlen. Die Schieflage bei der Bankgesellschaft hat auf mehreren Ebenen zu dieser gravierenden Verschärfung geführt. Einmal hat die Schieflage bei der Bankgesellschaft Auswirkungen bei den Vermögensveräußerungen, die in sehr großer Zahl für dieses Haushaltsjahr vorgesehen sind. 5,6 Milliarden DM sollten über den Verkauf von Landesvermögen aktiviert werden. Jetzt sehen wir uns das an, was geplant war und was auf Grund der Situation bei der Bankgesellschaft Berlin an geplanten Einnahmen für dieses Jahr nicht mehr realisiert werden kann und damit auch Ausgaben im Landeshaushalt nicht mehr gedeckt sind.

Es fällt weg die geplante Entnahme von 1 Milliarde DM Eigenkapital bei der IBB auf Grund der Tatsache, dass wegen der dramatischen Entwicklung bei der Bankgesellschaft die Eigenkapitalbasis der Bankgesellschaft so stark angegriffen ist, dass dieses Kapital nicht mehr entnommen werden kann, sondern in der Bankgesellschaft als haftendes Eigenkapital für die Landesbank Berlin verbleiben muss.

Es ist ebenfalls nicht mehr möglich, wie geplant 6 % der Anteile an der Bankgesellschaft Berlin zu verkaufen – ungefähr eine halbe Milliarde DM an Einnahmeausfällen –, und es ist ebenfalls die Veräußerung der Wohnungsbaugesellschaft GSW nicht möglich, die mit 2 Milliarden DM plus/minus X veranschlagt war. Das bedauern wir aus anderen politischen Gründen nicht, aber die Einnahme war fest eingeplant. Dies ist aus zwei Gründen nicht mehr möglich: Einmal, weil die als Verkäufer vorgesehene IBAG selbst erst von der Bankgesellschaft zurück

gekauft werden muss und als Käufer nicht mehr in Frage kommt, zum anderen, weil auf Grund von Misswirtschaft bei der GSW in der Jahresbilanz des letzten Jahres 80 Millionen DM Verluste festgestellt werden mussten, der Geschäftsführer gehen musste und auch bei dieser Gesellschaft ein rapider Wertverlust eingetreten ist. Summa summarum in diesem Bereich Vermögensveräußerung Ausfälle von mindestens 3,5 Milliarden DM im Jahre 2001. Die anderen Vermögensveräußerungen in Höhe von 2,1 Milliarden DM sind auch noch nicht ernsthaft belegt, das heißt, auch hier existiert ein weiteres großes Risiko.

Das Weitere: Faule Kredite bei der Bankgesellschaft, hoher Wertberichtigungsbedarf führt auf mehreren Ebenen zu Einnahmeausfällen beim Lande Berlin. Es führt zu Einnahmeausfällen beim Lande Berlin auf der Ebene der Dividende. Das ist schon lange bekannt, aber nicht nur für dieses Jahr, sondern auch für das nächste Jahr. Wir werden weiterhin mit eklatant hohen Einnahmeausfällen bei Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer konfrontiert sein, weil bei der Bankgesellschaft Berlin in diesem Jahr für das Jahr 2000 Verluste mit den entsprechenden Steuerausfällen geschrieben werden. Und es ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass auf Grund des hohen Wertberichtigungsbedarfs – wir wissen zurzeit noch nicht, wo er endgültig landen wird, weil die Sonderprüfungen des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen noch nicht abgeschlossen sind – noch weitere Wertberichtigungen auf uns zukommen. Das ist verbunden mit einem Eigenkapitalverzehr bei der Bankgesellschaft und damit mit der Gefahr, dass aus dem Landeshaushalt sogar noch Kapital in die Bankgesellschaft nachgeschossen werden muss. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Das Land Berlin kann sich das nicht leisten. Deshalb müssen alle anderen Möglichkeiten geprüft und angegangen werden, um dies zu verhindern. Aber wir haben nicht die Garantie, dass es wirklich ausgeschlossen werden kann. Deshalb bleibt dieses Risiko bestehen, und das macht die gesamte Dramatik dieser Situation deutlich.