Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Das Weitere: Faule Kredite bei der Bankgesellschaft, hoher Wertberichtigungsbedarf führt auf mehreren Ebenen zu Einnahmeausfällen beim Lande Berlin. Es führt zu Einnahmeausfällen beim Lande Berlin auf der Ebene der Dividende. Das ist schon lange bekannt, aber nicht nur für dieses Jahr, sondern auch für das nächste Jahr. Wir werden weiterhin mit eklatant hohen Einnahmeausfällen bei Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer konfrontiert sein, weil bei der Bankgesellschaft Berlin in diesem Jahr für das Jahr 2000 Verluste mit den entsprechenden Steuerausfällen geschrieben werden. Und es ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass auf Grund des hohen Wertberichtigungsbedarfs – wir wissen zurzeit noch nicht, wo er endgültig landen wird, weil die Sonderprüfungen des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen noch nicht abgeschlossen sind – noch weitere Wertberichtigungen auf uns zukommen. Das ist verbunden mit einem Eigenkapitalverzehr bei der Bankgesellschaft und damit mit der Gefahr, dass aus dem Landeshaushalt sogar noch Kapital in die Bankgesellschaft nachgeschossen werden muss. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Das Land Berlin kann sich das nicht leisten. Deshalb müssen alle anderen Möglichkeiten geprüft und angegangen werden, um dies zu verhindern. Aber wir haben nicht die Garantie, dass es wirklich ausgeschlossen werden kann. Deshalb bleibt dieses Risiko bestehen, und das macht die gesamte Dramatik dieser Situation deutlich.

Wir haben diesen Ausfall, diese riesige Kapital- und Geldvernichtung auf Grund der Misswirtschaft bei der Bankgesellschaft Berlin zu verzeichnen mit Auswirkungen auf die Menschen in dieser Stadt. Es gibt seit geraumer Zeit eine Haushaltssperre. Wir werden mit einem Nachtragshaushalt weitere einschneidende Maßnahmen beschließen müssen, damit die finanzielle Handlungsfähigkeit in dieser Stadt noch gewährleistet werden kann.

Und wir haben gleichzeitig die Situation, dass einer der Hauptverantwortlichen für diese Situation, für dieses Desaster, das jetzt bewältigt und aufgeräumt werden muss, immer noch meint, er sei als Fraktionsvorsitzender der größten Koalitionsfraktion dazu berufen, an der Aufräumarbeit beteiligt zu sein, und er sei dazu berufen, diese von ihm selbst angerichtete Misere zu beseitigen. [Frau Dr. Lötzsch (PDS): Unglaublich!]

Das ist ungefähr so, als ob man den Pyromanen zum Feuerlöschen einsetzen würde. Und ich sage: Das ist nicht zumutbar! Das ist diesem Parlament nicht zumutbar, und es ist vor allem den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt nicht zumutbar, dass der Hauptverantwortliche für dieses Desaster sich hinstellt und so tut, als sei er derjenige, der an vorderster Stelle die Aufräumarbeiten betreiben könne.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Ich will mich jetzt nicht in die Diskussion einmischen, die die CDU zurzeit intern führt. Sie sollen sie ruhig führen. Ich kann nur sagen: Wir sind der Meinung, dass in dieser Situation, die eine wirkliche Notsituation im Lande Berlin ist, es einen Anspruch gibt, dass die politischen Parteien auch in der Lage sind, handlungsfähig zu sein, und in der Lage sind, die Aufgaben, die sich stellen, die zwei großen Aufgaben: Lösung der Finanzprobleme des Landes Berlin und die Sanierung der Bankgesellschaft, zwei große, schwere Aufgaben zu bewältigen. Dazu muss das Personal aufgestellt werden, das in der Lage ist, diese Probleme anzugehen, das vor allem eine Legitimation hat, sich mit diesen Problemen auseinanderzusetzen. Ich möchte wissen, wie Sie als CDU, wie Sie als große Koalition gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern auftreten wollen, auf der einen Seite notwendige

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Einschnitte verkünden wollen und auf der anderen Seite der Hauptverantwortliche für diese Affäre dieses vertreten und den Leuten sagen wollen: Schnallt den Gürtel enger! – Aber das hat er ja gar nicht vor, denn wie ich lesen konnte, betreibt Herr Landowsky in der Landespolitik das weiter, was er in der Bankgesellschaft Berlin gemacht hat, nämliche unrealistische und spekulative Blasen aufbauen, die anschließend in sich zusammenfallen und die entsprechende wirtschaftliche Zerstörung anrichten. Ich lese in der „Berliner Zeitung“ vom 39. März folgende Äußerung von Herrn Landowsky vor dem Hintergrund der Neuwahldrohung: Angesichts der Probleme in unserer Stadt würde die SPD das auf dem Rücken der kleinen Leute austragen. Die Aufbauarbeit für Berlin der letzten 10 Jahre wäre mit einem Schlag zunichte gemacht. Und eine Koalition mit PDS und Grünen würde eine Politik betreiben, die sei „kalt wie Hundeschnauze“. – Das ist das, was von Herrn Landowsky seit Jahren zu hören ist. Wenn es nämlich darum geht, den Menschen in dieser Stadt und in diesem Parlament über die Realität zu diskutieren, über die notwendigen Veränderungen, dann wird immer gesagt, es kann alles so weiter gehen. Und diejenigen, die darauf hinweisen, dass nicht alles so weiter gehen kann wie bisher, und die sagen, dass Veränderungen notwendig sind, die werden als diejenigen denunziert, die die soziale Kälte propagierten. Diese Politik hat sowohl die Bankgesellschaft als auch das Land Berlin in das finanzielle Desaster geführt. Diese Politik muss beendet werden, und wir sind gerne bereit, diese Auseinandersetzung und Diskussion aufzunehmen.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Wir werden dann nämlich in der Diskussion um die Haushaltslage des Landes Berlin gerne die Diskussion aufnehmen, ob es sich lohnt, sich schützend vor Bürokratie und Verwaltung der Verwaltung zu stellen, anstatt darüber zu diskutieren, wie die notwendigen finanziellen Ressourcen für die Leistungsbereiche gewährleistet werden können, dort, wo Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger, wo soziale Infrastruktur in dieser Stadt gesichert werden müssen. Das heißt, dass man in andere Bereiche eingreifen muss, die für diese dringend notwendigen Aufgaben nicht notwendig sind und sie nicht gewährleisten.

Wir werden dann auch über unsinnige Investitionsprojekte diskutieren und inwieweit sie aufrechterhalten werden können. Ich glaube, dass die Menschen in Berlin eine solche Prioritätensetzung verstehen, wenn man ihnen einerseits sagt, dass angesichts dieser Finanzlage – die wir nicht zu verantworten haben – notwendige Einschnitte erfolgen müssen, und andererseits deutlich macht, dass soziale Infrastruktur, sozialer Ausgleich und soziale Gerechtigkeit gesichert werden müssen. Wir sind gerne bereit, diese Auseinandersetzung mit Herrn Landowsky zu führen. In diesem Zusammenhang werden wir deutlich machen, welche Konsequenzen das von ihm angerichtete Desaster auf die soziale Lebenslage der Berliner hat.

[Beifall bei der PDS – Beifall des Abg. Müller-Schoenau (Grüne)]

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Wir unterstützen den Antrag auf einen Nachtragshaushalt. Wir werden – weil Herr Kurth das immer verlangt – Vorschläge für diesen Nachtragshaushalt machen – aber erst zur richtigen Zeit. Erst einmal ist es die Aufgabe der großen Koalition darzulegen, wie sie mit der Situation umzugehen gedenkt. Sie bildet noch die Regierung, und bei ihr liegt die Bringeschuld. Wir werden im Rahmen der Diskussion zum Nachtragshaushalt sehen, ob Sie noch in der Lage sind, diese Probleme zu bewältigen, sachgerechte Vorschläge zu machen und rechtzeitig die notwendigen personellen Veränderungen vorzunehmen. Wir sind bereit, alles zu tun, um Neuwahlen und einen politischen Neuanfang einzuleiten. Dies erscheint uns notwendig. Den Bürgerinnen und Bürgern muss mit der nötigen Klarheit und Wahrheit gesagt werden, was auf sie zukommt, und gleichzeitig müssen realistische Lösungen angeboten werden.

[Beifall bei der PDS und den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kaczmarek. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Wolf! Sie wollen den Menschen sagen, was auf sie zukommt.

[Ah! von der PDS]

Wir werden den Menschen sagen, was auf sie zukäme, wenn Sie an die Regierung kämen – was Gott und der Wähler verhindern möge! [Beifall bei der CDU]

Das wäre für Berlin und seine Bewohner kein Vorteil. Das würde Berlin nicht voranbringen.

Sie unterliegen offensichtlich einem langen Trauma. Aus dem, was Sie gesagt haben, muss ich den Schluss ziehen, dass Klaus Landowsky der mächtigste Mann der Stadt war, der alles bestimmt hat. [Zuruf von der PDS]

Für die gesamte Finanzkrise Berlins, die mittlerweile schon einige Jahre andauert und ihren Beginn in den Lasten der Wiedervereinigung hat,

[Gelächter bei der PDS]

hat nach Ihrer Auffassung Klaus Landowsky die Verantwortung. Offensichtlich hat kein absoluter Herrscher in einer vordemokratischen Zeit so viel Macht gehabt, wie sie Klaus Landowsky hatte. Meinen Sie, Herr Wolf, nicht auch, dass Sie etwas übertreiben?

Die Koalitionsfraktionen haben einen gemeinsamen Antrag eingebracht, weil die Haushaltsrisiken existieren. Sie sind bedrohlich, und wir brauchen jetzt eine Lösung. Diese wird der Nachtragshaushalt bringen. Wir hätten auch sehr gut mit einer Vorlage des Senats – wie es das Parlament auf seiner vorigen Sitzung beschlossen hat – leben können, aber es ist richtig und wichtig, dass das ganze Parlament beteiligt wird. Es ist eine Nagelprobe für alle, die Konsolidierung im Munde führen: Wie ernst meinen Sie es mit der Konsolidierung?

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Wer regiert hier eigentlich? – Niedergesäß (CDU): Wir – immer noch!]

Wir regieren und werden es auch weiter tun. Die Geier müssen sich wieder verziehen. Das tut mir schrecklich Leid. –

[Beifall bei der CDU]

Wer ist wirklich bereit zu sparen, um zu gestalten? Diese Frage werden wir im Nachtragshaushalt stellen, und wir werden sie auch beantworten.

Wenn man sich den Zahlensalat, der in den vergangenen Monaten produziert wurde – nach dem Motto: Wer bietet mehr? –, anschaut, dann ist es sinnvoll, einen Nachtragshaushalt zu machen. Es überboten sich Kundige und Unkundige

[Zurufe und Gelächter von der PDS und den Grünen]

natürlich auch in der Lautstärke –, und es gab einen Wettlauf der Hiobsbotschafter: Einer hatte ein Haushaltsrisiko von 3 Milliarden DM gesehen, der andere 5 Milliarden DM. Ein SPD-Mitglied hatte sogar 12 Milliarden DM gesehen.

[Cramer (Grüne): Nur Sie haben nichts gesehen!]

Manche haben gleich die Bilanzsumme der Bankgesellschaft genommen und das Haushaltsrisiko in dieser Höhe angelegt. – Das sind alles keine realisitischen Zahlen. Wir brauchen einen Nachtragshaushalt und dann werden wir sehen, wie groß die Risiken wirklich sind. Dann werden die Risiken belegt und finanziell abgesichert. Das ist unsere Aufgabe, und die werden wir auch übernehmen.

[Beifall bei der CDU]

Wenn Sie Elends- und Katastrophenszenarien malen, dann schauen Sie sich auch an, was in den vergangenen Jahren geleistet wurde. Das wollen Sie nämlich nicht wahrhaben. Ich muss es Ihnen aber trotzdem sagen: Seit 1995 sind die Ausgaben jedes Jahr um 2,2 Milliarden DM gesenkt worden.

[Cramer (Grüne): Um welchen Preis?]

Einen ähnlichen Erfolg hat kein anderes Bundesland aufzuweisen – auch nicht die viel gelobte Bundesregierung mit ihrem angeblichen Sparkommissar, Herrn Eichel, der immer auf Kosten der Länder und Gemeinden spart. Das ist eine enorme Leistung der großen Koalition.

[Beifall bei der CDU]

Und das, obwohl wir mit einer Vorbelastung aus dem Jahr 1999 – das soll nicht verschwiegen werden – von 3,5 Milliarden DM in das Haushaltsjahr gegangen sind.

[Over (PDS): Die sind doch vom Himmel gefallen!]

Da ist gar nichts vom Himmel gefallen, sondern wir hatten die Aufgabe, in einen halbe Stadt die Infrastruktur wieder aufzubauen. Ich weiß, dass die PDS mit der SED und der Vergangenheit nichts mehr zu tun hat. Sie sind ja ganz neu. Sie sind vom Himmel gefallen. Aber wir wissen, was wir in Berlin geleistet haben. Dafür brauchen wir uns nicht zu schämen oder zu verstecken. Von Ihnen brauchen wir uns nicht vorhalten lassen, wir hätten nicht genug geleistet.

[Beifall bei der CDU]

Diese Leistung der großen Koalition ist eine geschichtliche Leistung. Es ist gelungen, die Pro-Kopf-Ausgaben und die NettoNeuverschuldung stetig zu senken und das strukturelle Defizit zu halbieren. Es gibt demnach keinen Anlass für Elends- und Katastrophenszenarien.

[Wolf (PDS): Sie sprechen nur über die Vergangenheit!]

Wir sprechen nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft. – Was müssen wir tun? – Wir müssen mit dem Schlechtreden von öffentlichen Unternehmen Schluss machen.

[Wieland (Grüne): Haha, Herr Strieder!]

Es hat nichts mit der sicherlich sachlich gebotenen Aufklärung und der Neuaufstellung einer Bankgesellschaft zu tun, wenn Senatoren im Ausland auftreten und dort öffentlich Nestbeschmutzung betreiben. Das dient nicht der Aufklärung, Herr Strieder, und auch nicht der Sanierung dieser Gesellschaft, sondern das ist die Befriedigung persönlicher Eitelkeiten, auf die wir im Interesse der Mitarbeiter der Bankgesellschaft gerne und gut verzichten können. [Beifall bei der CDU]