Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Ich bitte, die Fragen 1 und 2 zusammen beantworten zu dürfen.
Durch die zuständigen Dienststellen habe ich mich über den von Ihnen angesprochenen Sachverhalt informieren lassen und musste feststellen, dass insbesondere die Fesselung während der zahnärztlichen Behandlungen Fragen aufwirft, die in der Kürze der Zeit nicht abschließend geklärt werden können. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung, die hier anstehenden Fragen
sorgfältig im Interesse aller Beteiligten zu prüfen und Ihnen kurzfristig einen umfassenden schriftlichen Bericht zukommen zu lassen. [Müller-Schoenau (Grüne): Sie haben die Frage nicht beantwortet! – Wieland (Grüne): Waren sie nun gefesselt oder nicht?]
Denn ich meine schon, dass der Sachverhalt der Fesselung von Häftlingen nicht so komplex, allerdings ziemlich skandalös ist, dass Sie sich schon im Stande fühlen müssen, hier zu antworten. Ich nehme das jetzt so hin. – Vielleicht könnte Herr Werthebach einmal zu hören, ich habe mich auch gewundert, dass Sie vorhin, bei meiner Frage, geredet haben.
Ich frage Sie darum jetzt generell: Gibt es eine Anordnung in Berlin, die diesen schweren Bruch der Menschenwürde ermöglicht, nämlich Abschiebungshäftlinge bei Transporten und bei der ärztlichen Behandlung zu fesseln, ja oder nein?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Meine Antwort war bewusst darauf angelegt, in diesen Interessen- und Rechtskonflikt sehr gründlich zu prüfen und dann zu einem guten Ergebnis zu kommen.
Jetzt antworte ich ganz formal, so wie Sie mich gefragt haben: Die Möglichkeit, dieses, was Sie in Ihrer Frage darstellen, rechtlich durchzuführen, d. h. der Polizei die Befugnis dazu zu geben, folgt aus § 10 des Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam in Verbindung mit § 88 des Strafvollzugsgesetzes. Letzteres ist ein Bundesgesetz. Dort sind die Maßnahmen und die Möglichkeiten dazu im Einzeln dargestellt, unter anderem auch das Fesseln.
Ich möchte noch einmal nachfragen: Sie haben doch eine gewisse Handlungsfreiheit, Herr Senator. Und wenn Sie schon auf mich nicht hören, ich glaube, Sie sind katholisch, hören Sie vielleicht auf den Bischof und Kardinal von Berlin, Herrn Sterzinsky, der vor wenigen Tagen noch einmal ganz ausdrücklich erklärt hat, dass für Menschen, die sich ohne Erlaubnis in diesem Land aufhalten, auch der Anspruch auf Menschenwürde voll zu gelten hat. Deswegen frage ich Sie, dieses Mal nicht als Bürokraten, sondern als wachen Bürger dieses Landes: Meinen Sie nicht, dass die Fesselung von Menschen, die aus rein verwaltungstechnischen Gründen in Gefangenschaft gehalten werden, nicht weil sie Kriminelle seien, die Menschenwürde eklatant verletzt?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Wenn Sie meiner Eingangsantwort zugehört hätten, dann hätten Sie daraus entnehmen können, dass ich genau der Auffassung bin, dass hier eine Güterabwägung stattfinden muss, einerseits der Sicherheit z. B. auch der behandelnden Ärzte oder der behandelnden Ärztin und der Sicherheit der betroffenen Abschiebungshäftlinge andererseits. Deswegen habe ich Ihnen geraten, mir die Zeit zu geben, hier in einem gründlichen Überprüfungsprozess eine Antwort zu geben, die all dieses erfasst. Ich bitte Sie aber sehr um Verständnis, dass Sie die Anwendung von Gesetzen einschließlich von Bundesgesetzen nicht als Bürokratie abtun.
Herr Senator! Darf ich Ihre Antwort auf die erste Frage, dass Fragen aufgeworfen worden seien, so verstehen, dass Ihnen zumindest Zweifel gekommen sind, ob die Praxis der Fesselung bei den Arztbesuchen richtig und verhältnismäßig ist?
Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Sie haben mich insofern richtig verstanden, als es Fragen aufwirft, die in einem Abwägungsprozess, wie ich eben schon darstellte, nunmehr gründlich zu untersuchen und dann mit einem Ergebnis zu versehen sind.
Vielen Dank, Herr Dr. Werthebach! – Jetzt haben wir noch eine letzte Frage von Herrn MüllerSchoenau.
Herr Senator! Abgesehen davon, dass ich nicht ganz verstehen kann, warum Sie nicht in der Lage sind, die Angelegenheit zu bewerten – die erste Frage von Herrn Berger bezog sich darauf, ob es zutrifft, dass in diesem Fall gefesselt und auch noch beim Zahnarzt gefesselt wurde. Die Frage, ob es zutrifft, müssten Sie doch hier beantworten können. Deswegen frage ich Sie noch einmal: Trifft es zu?
Herr Senator! Soviel ich weiß, haben Sie die Frage schon beantwortet. Aber wenn Sie mögen, können Sie das noch einmal tun.
In der Tat, Herr Präsident, Herr Abgeordneter, ich habe die Frage beantwortet. interjection: [Wieland (Grüne): Wie denn?]
Ich will es gerne noch einmal tun. Da ich gesagt habe: Hier sind verschiedene Eingriffshandlungen seitens der Polizei vorgekommen – und ich außerdem gesagt habe, dass hier eine Güterabwägung mit Interessen und Rechtspositionen anderer stattfinden muss, ist meine Antwort schon hinlänglich gegeben.
[Wieland (Grüne): Wie heißt sie denn? Welche Eingriffshandlungen? – Müller-Schoenau (Grüne): Trifft es zu oder nicht?]
Meine Damen und Herren! Die Fragestunde hat damit ihr Ende gefunden. Alle Mündlichen Anfragen – Sie kennen unser Prozedere –, die heute nicht beantwortet werden konnten, werden nach § 51 Absatz 5 unserer Geschäftsordnung schriftlich beantwortet.
Erklärung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin zum Thema „Bankgesellschaft Berlin und die Verantwortung des Landes“ verbunden mit Aktuelle Stunde zum Thema „Auswirkungen der Bankenkrise auf den Berliner Haushalt“ und
Antrag der Fraktion der PDS über keine Entlastung von Vorstandsmitgliedern der Bankgesellschaft Berlin AG, der Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank sowie der Landesbank Berlin sowie
Antrag der Fraktion der PDS über Kassensturz – Offenlegung der finanziellen Risiken für den Landeshaushalt, neue Finanzplanung und strukturelle Maßnahmen zur Konsolidierung
Dann hat der Regierende Bürgermeister von Berlin das Wort. – Herr Regierender Bürgermeister! [Over (PDS): Was der Konkursverschlepper noch zu erklären hat, ist sein Rücktritt!]
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst etwas Wichtiges vorab: Gestern hat mich der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen über die Ergebnisse der Sonderprüfung von Kreditengagements der Bankgesellschaft unterrichtet. Es zeichnet sich immer größere Klarheit ab. Die Angaben haben die bisherigen Einschätzungen im Wesentlichen bestätigt. Inzwischen liegen Presseerklärungen des Bundesaufsichtsamtes vor. Es zeichnet sich ein Kapitalbedarf in Höhe von gut – so formuliert das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen – 2 Milliarden Euro ab. interjection: [Weinschütz (Grüne): 4 Milliarden DM!] Diese Zahl zeigt das gesamte Desaster der Bankenkrise. Ich halte es jedoch für wichtig, dass mit dieser Information nunmehr hoffentlich die galoppierenden Spekulationen über die Entwicklung der Bank und einzelner Kreditengagements zu Ende gehen. Die Krise der landeseigenen Bankgesellschaft Berlin erfasst auch die Entwicklungsmöglichkeiten und das politische Klima der Stadt Berlin. Nicht nur bankenübliche Risiken, die anfängliche Euphorie und das später nur verzögerte Wachstum der Wirtschaft in den neuen Ländern oder die Binnenwanderung in Deutschland zwischen Ost und West, sondern vor allem auch gravierende Fehleinschätzungen und offensichtlich Missmanagement innerhalb der Bank sind die Ursachen. Als Stichworte nenne ich das auch im Abgeordnetenhaus im Rahmen des Untersuchungsausschusses überprüfte Aubis-Engagement der Bank und die Sanierungsversuche für die Immobilientochter des Konzerns. Verstöße gegen das Kreditwesengesetz wurden aufgedeckt und führten zu Rücktritten und Entlassungen einzelner Vorstandsmitglieder. Aufsichtsrat und Vorstand der Bankgesellschaft Berlin sowie die Bankenaufsicht haben Sonderprüfungen einzelner Kreditengagements der Bankgesellschaft und ihrer beiden Tochterunternehmen, der Landesbank und der BerlinHyp, veranlasst. Ergebnisse der Sonderprüfungen hat das Bundesaufsichtsamt heute vorgelegt. Ich habe darauf hingewiesen. Als Ergebnis zeichnete sich bereits vorher – und zwar seit mehreren Wochen – ein zusätzlicher Eigenkapitalbedarf der Bankgesellschaft zur Weiterentwicklung des Kreditgeschäfts ab. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat in der heuti
gen Erklärung eine notwendige Kapitalerhöhung bei der Bankgesellschaft von gut 2 Milliarden Euro genannt. Mit Schreiben vom 21. Mai dieses Jahres hatte der Aufsichtsratsvorsitzende der Bankgesellschaft zuvor Mitglieder des Aufsichtsrats und Anteilseigner informiert, dass die Gesellschaft aus rechtlichen Gründen zur Fortführung ihres Geschäftsbetriebes eine Kapitalzuführung benötige. Die Größenordnung belaufe sich in etwa auf die jetzt genannte Höhe.
Das Land Berlin als Gewährträger der Landesbank und Hauptanteilseigner der Bankgesellschaft Berlin steht hier in der Verantwortung, und wir sehen uns in der Verantwortung. Die Handlungsfähigkeit der Bank ist sicherzustellen. Dabei geht es um die Interessen der Bankkunden, der vielen Tausend Kleinsparer, der 16 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bankgesellschaft. Es geht um das Vertrauen von vielen Tausend gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen in ihre Sparkasse und Landesbank. Und es geht um Vermögensinteressen des Landes Berlin. Gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat der Senat daher die Garantie dafür abgegeben, dass das nach dem Kreditwesengesetz vorgeschriebene und darüber hinaus für die Geschäftsausrichtung erforderliche Eigenkapital der Bankgesellschaft sichergestellt wird.
Der Senat hat mit seinem Beschluss vom 22. Mai eine weit reichende Verantwortung übernommen und zur Abwendung eines größeren Schadens dabei auch für diejenigen zumindest mitgehandelt, die ebenfalls Anteilseigner der Bankgesellschaft sind, kurzfristige Beschlüsse zur Schadensbehebung und zur Sicherung des Geschäftsbetriebes aber nicht treffen wollten oder in dem Zeitablauf nicht treffen konnten. Der Senat war sich bei seiner Entscheidung darüber bewusst, dass die tatsächlichen finanziellen Auswirkungen der Garantieerklärung wegen der Unklarheit über den tatsächlichen Wertberichtigungsbedarf zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststanden. Es war zu erwarten, dass die anderen Anteilseigner oder gegebenenfalls neue strategische Partner der Bankgesellschaft Berlin sich an der notwendigen Eigenmittelausstattung beteiligen. Wir konnten also davon ausgehen, dass die notwendigen Leistungen aus dem Berliner Landeshaushalt gegebenenfalls abgesenkt werden können.
Der Senat wird dennoch dem Berliner Abgeordnetenhaus eine Erhöhung der Kreditermächtigung um 4 Milliarden DM – das sind die 2 Milliarden Euro – zur Sicherung des Eigenkapitals der Bank vorschlagen. Damit soll sowohl die Glaubwürdigkeit des Engagements des Landes Berlin bei der Eigenkapitalausstattung als auch – und darauf kommt es noch mehr an – das Vertrauen in künftige Geschäftsmöglichkeiten und auch Renditeerwartungen der Bank in den nächsten Jahren unterstrichen werden.