Protokoll der Sitzung vom 28.06.2001

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Zuhören!]

Das macht es so schwierig, auf Ihre Vorschläge einzugehen, denn die Vorschläge, die Sie eingebracht haben, sind nicht politisch thematisierbar im Sinne einer parlamentarischen Vorlage. Das läuft heute schon den ganzen Tag so. Wenn Sie als CDUFraktion sich entscheiden sollten, wieder in einen parlamentarischen Prozess zurückzukehren –

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Ha, ha!]

d. h. zum zwanglosen Zwang des besseren Arguments – und nicht nur politischer Polemik oder einer Grundsatzablehnung das Wort zu reden, dann kann man über politische Vorlagen diskutieren. Dann hätte der Rechtsausschuss auch über entsprechende Vorlagen beschließen können, und wir hätten jetzt eine andere Grundlage gehabt. Sie habe hingegen eine Position dargelegt, die parlamentarisch nicht verhandelbar ist. Das ist ein Problem.

Wir stimmen dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu – so, wie er im Rechtsausschuss behandelt worden ist –, weil es sinnvoll ist – und nicht, weil es gut so ist. Diesen Satz möchte ich eigentlich auch nicht mehr hören.

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Das Wort hat Herr Weinschütz – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem heutigen Gesetz öffnen wir die Standesämter in Berlin für Lesben und Schwule – und das ist gut so.

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der SPD – Ah! von der CDU – Hoff (PDS): Ich hätte geklatscht, wenn dieser Spruch nicht gekommen wäre!]

Im November des letzten Jahres hat der Bundestag das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule beschlossen. Das Gesetz tritt in Kürze – am 1. August – in Kraft. Erstmals werden damit lesbische und schwule Paare rechtlich anerkannt. Menschen, die füreinander einstehen und füreinander – auch finanziell – Verantwortung übernehmen, werden abgesichert. Das ist ein Meilenstein im Kampf gegen Diskriminierung und für die Gleichstellung von Lesben und Schwulen.

Bei der anschließenden Behandlung des Gesetzes im Bundesrat hat Berlin auf Druck der CDU in der damaligen großen Koalition dem Gesetz nicht zugestimmt. Das ist schon an und für sich peinlich für die Hauptstadt der Lesben und Schwulen. Und es bewirkt unnötige Rechtszersplitterung. Jedes Bundesland muss jetzt selbst sagen, bei welcher Behörde die Eintragung erfolgt. Das ist nicht bürgerfreundlich.

Es gab dann im Vermittlungsausschuss den Versuch, einen Kompromiss zu finden. Zu den Gesprächen sind weder die CDU-Bundestagsfraktion noch die CDU-geführten Länder erschienen. Auch Berlin – damals von Herrn Diepgen regiert – blieb fern. Die CDU hat alles boykottiert. Das werden die Menschen in dieser Stadt nicht vergessen – nicht nur Lesben und Schwule nicht, sondern alle, die gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger wollen. Machen Sie sich darauf gefasst!

[Beifall bei den Grünen]

Wenn wir jetzt Probleme in der Koordination mit anderen Bundesländern haben, worauf Sie mit Recht hingewiesen haben, dann sind Sie selber daran Schuld, weil Sie eine bundeseinheitliche Regelung verhindert haben. Wenn Sie jetzt auch noch auf dieses Verfassungsgerichtsverfahren anspielen, dann machen Sie gemeinsame Sache mit Bayern, Sachsen und Thüringen, die das Bundesverfassungsgericht dafür instrumentalisieren, die Sache einfach nur hinauszuzögern.

Als wir das Ausführungsgesetz im März dieses Jahres eingebracht haben, haben Sie noch gesagt: Ja, wir setzen das Bundesgesetz um. – Jetzt sagen Sie: Nein, wir setzen es nicht um. – Auf solche scheinheiligen Manöver lassen wir uns gar nicht ein. Wir lassen uns von Ihnen nicht beirren.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Wenn wir heute für Berlin das Standesamt festlegen, hat das mehrere gute Gründe. Zum einen haben die Standesbeamtinnen und Standesbeamten die notwendige fachliche Vorbildung und berufliche Praxis für diese Tätigkeit. Das sieht auch der Bundesverband der deutschen Standesbeamten so.

Ein Zweites: Die Berliner Verfassung schreibt vor, dass andere auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaften als die Ehe nicht diskriminiert werden dürfen. – Und schließlich gibt es noch die Symbolik: Wenn man Lesben und Schwulen das Standesamt verweigern würde, hieße dass, sie zu Bürgern zweiter Klasse zu machen – so, wie Sie von der CDU das wollen.

[Frau Richter-Kotowski (CDU): Quatsch!]

Wir sind der Auffassung, dass Lesben und Schwule gleiche Rechte haben und ihre Liebe gleiche Würde hat. Deswegen ist der richtige Ort für die Eingetragene Lebenspartnerschaft das Standesamt.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Wir kommen zur Abstimmung. Ich schließe die Einzelberatung und verbinde die Einzelabstimmungen mit der Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes gemäß Drucksachen 14/1064 und 14/1359 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltung? – Sehe ich nicht. Damit ist dieses Gesetz mit den Stimmen von SPD, PDS und Grünen angenommen. – Es gab eine Stimmenthaltung bei der PDS, habe ich gerade gehört. Aber das ändert das Ergebnis nicht.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1 D, Drucksache 14/1361:

II. Lesung des Antrags der Fraktion der Grünen über Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes, Drucksache 14/1012, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungsund Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung vom 26. Juni 2001

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/1361-1 – vor. Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das höre ich nicht.

Dann eröffne ich die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden. – Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe auf die Artikel I und II, die Überschrift und die Einleitung in der Fassung des Antrages Drucksache 14/1012 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung Drucksache 14/1361. Der Rechtsausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die Stimmen der Fraktion der CDU – die Annahme.

Die Beratung ist gewünscht. Das Wort hat der Abgeordnete Michael Braun – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion unterstützt ausdrücklich die Änderung der Inkompatibilitätsregelung des Landeswahlgesetzes.

[Frau Werner (Grüne): Endlich! – Weiterer Zuruf: Hat eine Weile gedauert!]

Wir sind für eine deutliche Verschärfung, und ich sage ausdrücklich: für eine weitergehende als der Koalitionsantrag. – Ich räume heute offen ein: Es war von uns falsch, als wir uns in früheren Jahren einer strikteren Trennung widersetzten.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir haben verkannt, dass bei einer Verquickung von politischem Mandat und wirtschaftlicher Betätigung jede Schieflage, jede Fehlinvestition und jede Fehleinschätzung des Politikers in seiner Funktion als Vorstandsmitglied eines Wirtschaftsunternehmens sich auch auf seine Tätigkeit als Politiker auswirkt. Die Union hat in der Bankenkrise leidvoll erfahren, dass durch die Verflechtung von Politik und Wirtschaft sehr schnell in der Öffentlichkeit der Eindruck von Unregelmäßigkeiten entstehen kann, auch wenn wir alle wissen, dass bis heute kein substantiierter Vorwurf unserem früheren Fraktionsvorsitzenden KlausRüdiger Landowsky gemacht werden kann.

[Cramer (Grüne): Das ist ja unglaublich!]

Ich bin sicher – –

[Cramer (Grüne): Damit ist Ihre ganze Entschuldigung hinfällig, mit dem Satz!]

Warten Sie doch erst einmal ab! Herr Cramer, wir leben in einem Rechtsstaat. In einem Rechtsstaat geht es zunächst einmal darum, etwas beweiskräftig darzustellen. Eine reine Behauptung reicht nicht aus.

[Beifall bei der CDU]

Ich weiß, dass wir uns im Wahlkampf befinden, ich weiß, dass Sie eine Stimmungsmache in der Stadt betreiben

[Cramer (Grüne): Hören Sie doch auf!]

und deswegen auch für schnelle Neuwahlen sind!

[Cramer (Grüne): Dafür brauchen Sie meine Hilfe nicht!]

An Aufklärung haben Sie doch gar kein Interesse! – Schreien Sie doch nicht herum wie in der Schule!

[He! von der PDS und den Grünen]

Ich bin sicher: Wäre Klaus Landowsky nicht gleichzeitig CDUFraktionsvorsitzender gewesen, wäre über die gesamte Bankenkrise nicht nur sachlicher berichtet und aufgeklärt, es wäre auch erheblich Schaden von der Bank und vom Bankenstandort Berlin abgewendet worden.

Ich verkenne nicht das hohe Gut des passiven Wahlrechts, es ist ein Bürgerrecht. Bei jeder Einschränkung dieses Rechts müssen dafür triftige Gründe vorliegen. Bereits in der Vergangenheit haben wir durch Umorganisation unserer Verwaltung beispielsweise den Lehrern in Berlin die Möglichkeit genommen, für das Abgeordnetenhaus zu kandidieren. Meine Fraktion ist deshalb der Meinung, dass es im Interesse von Transparenz und Entflechtung von Politik und Wirtschaft vertretbar ist, Vorstandsmitgliedern von Wirtschaftsunternehmen, an denen das Land Berlin beteiligt ist, die Entscheidung aufzuerlegen, ob sie sich wirtschaftlich oder politisch betätigen wollen.

Es gibt aber auch noch einen anderen wichtigen Aspekt. Die Union unterstützt seit Jahren die Privatisierung von Aufgaben, die bisher von der öffentlichen Hand wahrgenommen wurden. Durch die bloße Änderung der Rechtsform ändert sich selbstverständlich nichts an dem Aufgabenbereich. Auch ein wirtschaftliches Unternehmen – zumindest eines, an dem das Land Berlin beteiligt ist –, kann und wird anerkennswerte öffentliche Zwecke verfolgen. Genauso wie Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes als Teil der Exekutive nicht gleichzeitig Mitglied der Legislative sein können, muss auch aus Gründen der Gewaltenteilung eine Einschränkung des passiven Wahlrechts bei denen möglich sein, die als Vorstände von Wirtschaftsunternehmen auch öffentliche Zwecke wahrnehmen. Ich bin sicher, die von der CDU-Fraktion vorgeschlagene strikte Trennung von politischer und wirtschaftlicher Tätigkeit ist auch ein Beitrag zur Transparenz und um das Vertrauen der Bürger in die Politik zu erhalten. Der Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der Grünen ist eine Mogelpackung. Ich werde auch gleich darauf zurückkommen, weshalb.