Protokoll der Sitzung vom 27.09.2001

Darüber hinaus wird trotz erforderlicher Einsparungsmaßnahmen, die wir allgemein haben, geprüft, ob weitere Dienstkräfte aus dem Überhang eingesetzt werden können. Sie können sicher sein, Herr Abgeordneter, dass die Frage, ob wir den wirklich Traumatisierten schnell zu einer Regelung verhelfen, von mir im Auge behalten wird. Ich habe auch schon die Einsetzung von zusätzlichem Personal veranlasst.

Darüber hinaus werde ich nochmals das Antragsbearbeitungsverfahren auf Vereinfachungen hin prüfen und es bei einem schlüssigen Attest schließen lassen.

Aber damit ist einem Teil der Antragsteller nicht geholfen, nämlich denen, die den Antrag zu spät gestellt haben – diese 2 402 Fälle, die von April bis August nachgeliefert wurden. Bei diesen Fällen gehe ich davon aus, dass bei dem einen oder anderen etwas dafür sprechen kann, dass man erst auf der Grundlage des Beschlusses der Innenministerkonferenz auf den Gedanken gekommen ist, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ich möchte dafür sorgen, dass dieses Bleiberecht, das wir aus humanitären Gründen gewähren wollen und müssen, auf diejenigen beschränkt bleibt, die traumatisiert sind und die durch die Kriegsereignisse in Bosnien traumatisiert wurden. Aber es darf nicht als Mitnahmeeffekt von anderen genutzt werden.

Es gibt eine Zusatzfrage des Fragestellers. – Bitte, Herr Berger!

Herr Senator, es handelt sich sicher um ein komplexes Thema, aber ich versuche trotzdem, eine einfache Frage zu stellen: Stimmen Sie mir zu, dass der Kern des Problems nur darin liegt, zu sehen, ob die Menschen, die ein Bleiberecht beantragen, seelisch traumatisiert sind? Warum trauen Sie dabei nicht der Einschätzung fachkundiger Ärzte – die einen Kriterienkatalog der Ärztekammer im Hintergrund haben – mehr als den in dieser Frage nicht sachkundigen Verwaltungsmitarbeitern?

Bitte, Herr Senator!

Herr Abgeordneter Berger! Natürlich können die Verwaltungsmitarbeiter ärztliche Einschätzungen nicht selbst ersetzen. Dafür sind sie nicht vorgebildet. Aber lassen Sie mich einmal eine theoretische Fallkonstellation bilden: Nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz ist ein ärztliches Attest vorzulegen. Das wird von allen Bundesländern so gehandhabt, dass es von einem Facharzt der entsprechenden Fachrichtung oder einem Psychoanalytiker stammen muss. Er muss nicht nur bestätigen, dass der Fall vorliegt, sondern er muss darüber hinaus bestätigen, dass der Betreffende sich in intensiver Behandlung bei ihm befindet. Da kann ich mir jetzt – rein theoretisch – vorstellen, dass sich ein Mitarbeiter, wenn er von einem einzigen Arzt eine Vielzahl solcher Atteste bekommt, Gedanken macht, ob dieser Arzt überhaupt in der Lage ist, eine derartige Vielzahl von Patienten zu betreuen, und dementsprechend nachfragt. Aber das ist eine theoretische Überlegung, die bei meinen Mitarbeitern angestellt wird.

Noch eine Zusatzfrage des Fragestellers – bitte sehr!

Herr Senator! Theoretische Überlegungen Ihrer Verwaltungsmitarbeiter haben hier ganz gravierende praktische Konsequenzen für die Menschen. Da will ich Sie mit meiner Frage auf einen Punkt noch einmal besonders hinweisen. Was raten Sie den vielen jungen Leuten, den Kindern dieser Familien, die schon seit Jahren hier sind, die seit dem 1. September eine Ausbildungsstelle antreten wollen oder ab Mitte Oktober an die Universität gehen und studieren wollen – es sind viele Hunderte von diesen Kindern –, was raten Sie denen, die das unter den gegenwärtigen Umständen nicht können, wenn ihre Eltern weiterhin eine Duldung und damit einen ganz unsicheren Aufenthaltsstatus in Berlin haben?

Herr Senator, bitte!

Herr Abgeordneter Berger! Ich verstehe Ihre Frage und verstehe auch das Problem. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Ich werde mich darum bemühen, die Altfälle schnellstmöglich abarbeiten zu lassen und bei den Neufällen zu einer pragmatischen Lösung zu kommen. Aber bei den Neufällen, die erst nach Antragsfrist Anträge gestellt haben, bitte ich um Verständnis, dass wir ein bisschen genauer hinschauen müssen.

Nächste Zusatzfrage von der Frau Abgeordneten Simon von der Fraktion der PDS – bitte!

Herr Senator! Ich frage Sie, ob Sie zumindest bei den von Ihnen dargestellten Zweifelsfällen auch den Sachverstand der Ärztekammer Berlin, so wie es einmal in der Diskussion über den Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen vorgesehen war, einbeziehen, um auf diese Art und Weise den Geruch von sich zu streifen, dass hier ausschließlich rein formaljuristisch verfahren wird.

Herr Senator, bitte!

Frau Abgeordnete! Sachverstand von außen wollen wir sicherlich einbeziehen, weil wir den Sachverstand nicht haben. Wenn dort zu formal verfahren wird, wird es abgestellt.

Herr Abgeordneter Berger, hatten Sie noch eine Zusatzfrage? – Dann haben Sie noch einmal das Wort! Das ist dann der Letzte in dieser Runde. – Bitte sehr!

(A) (C)

(B) (D)

Herr Senator! Es bleiben viele Fragen offen, deswegen frage ich Sie noch einmal zu einem Punkt. Sie haben von den vielen Nachnominierungen gesprochen, dass also erst ab März/April über 2 000 Menschen nachträglich einen Antrag gestellt haben, Menschen, die sagen, dass sie traumatische Erlebnisse und seelische Schädigungen aus dem bosnischen Bürgerkrieg haben. Darum frage ich Sie, weil Sie sicher die Diskussion in der Stadt – sie waren damals ja nicht Senator – um die polizeiärztliche Begutachtung mitbekommen haben: Können Sie sich vorstellen, Herr Senator, dass sehr viele den Antrag deshalb nicht gestellt haben, weil dieser polizeiärztliche Dienst über Monate, wenn nicht über Jahre regelmäßig ablehnende Gutachten ausgestellt hat? Können Sie hier auch bestätigen, dass erst ab Frühjahr eine andere Regelung eingeführt worden ist, so dass sich die Menschen erst dann Chancen für ein Bleiberecht ausrechnen konnten?

Herr Senator, bitte!

Herr Abgeordneter! Ich weiß, dass es in der Anfangsphase der Behandlung dieser Dinge Auseinandersetzungen auch mit dem polizeiärztlichen Dienst gegeben hat, weshalb man das Verfahren geändert hat. Trotzdem bleibt ein eklatanter Unterschied zu anderen Bundesländern. Ich sage das mal so: Der Bundesminister des Innern und die Länderinnenminister waren und sind sich einig, wenn Sie sich die verschiedenen Rundschreiben und Erlasse ansehen, dass eine nach diesem Zeitpunkt einsetzende Behandlung und/ oder Antragstellung eine Ausnahmesituation darstellen muss, weil es sich um Leute handelt, wie Sie richtig sagen, die sich schon längere Zeit in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Man geht davon aus – und auch wir in Berlin haben eine Regelung getroffen –: Wer eine Behandlung nach diesem Stichtag aus dem Grund erst einging, weil er vorher keinen Behandlungsplatz gefunden hat, der wird genauso behandelt, als ob er vor dem Stichtag mit einer Behandlung begonnen hätte. Aber wer erst nach längerer Zeit überhaupt in Behandlung geht – und das ist unabhängig von der Frage, ob man einen Antrag stellen konnte oder nicht, sondern das ist nur die Frage, ob man sich in einem Zustand befindet, der einem behandlungsbedürftig erscheint –, da muss man nachfragen, warum. Das halte ich auch für legitim. Ansonsten werden wir uns um Beschleunigung der Verfahren bemühen. Das habe ich zugesagt.

Weitere Nachfragen gibt es nicht mehr.

Dann kommen wir zur Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Apelt von der Fraktion der CDU über die

Glaubwürdigkeit des rot-grünen Senats

Bitte sehr, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Treffen Medienberichte zu, dass die Organisatoren der Fußball-Weltmeisterschaft über die Namen der Austragungsorte der Gruppenspiele und des Finales noch gar nicht entschieden haben, obwohl der Senator für Schule, Jugend und Sport, Herr Klaus Böger, dieses behauptete?

2. Wenn ja, ist der Senat mit mir der Auffassung, dass durch Erklärungen, die der Wahrheit nicht entsprechen, das Ansehen der Stadt Berlin geschädigt und sich dieses Verhalten auch negativ auf die Vergabe dieser Spiele auswirken wird?

Zur Beantwortung – Herr Senator Böger, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Apelt! Ich beantworte Ihre Fragen wie folgt:

Zu 1: Um die Austragung der Spiele im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 haben sich insgesamt 16 Städte beworben, von denen die FIFA auf Vorschlag des Organisationskomitees des DFB zur WM 2006 voraussichtlich im Herbst 2002 10 bis 12 Städte auswählen wird. Das OK ist derzeit bemüht, die FIFA zu bewegen, diese Entscheidungen ins Frühjahr 2002 vorzuziehen. Insgesamt wird es 64 Spiele geben, so dass – das ist eine einfache mathematische Rechenoperation – auf jeden Austragungsort 5 Spiele entfallen werden. Größere Städte wie Berlin können sogar mit 6 rechnen. Da noch kein Spielplan vorliegt, ist auch noch keine Festlegung darüber getroffen worden, welchen Kategorien diese Spiele zuzuordnen sind. Fest steht aber, Herr Abgeordneter, dass sich der Deutsche Fußballbund mit Berlin als Endspielort beworben hat. Daraus folgt auch zwangsläufig, wenn der DFB gesagt hat, es gibt nicht nur einen Endspielort, dass in Berlin als Endspielort weitere Spiele stattfinden, mindestens 5 zusätzliche. Nur ist nicht entschieden, zu welcher Kategorie diese Spiele gehören, ob es Gruppenspiele, Vorschlussrundenspiele oder Halbfinals sind. Mit diesen von mir den Medien gegebenen Informationen sollte lediglich deutlich gemacht werden, dass für Berlin keine Notwendigkeit besteht, wie man allenfalls hört, sich für zusätzliche Spiele zu bewerben.

Zu 2: Ihre Auffassung kann ich nicht teilen. Es kann weder von einem Schaden für das Ansehen der Stadt gesprochen werden, noch sind negative Auswirkungen auf die Vergabe von Spielen nach Berlin zu erwarten. Im Gegenteil, es besteht eher Anlass zur Freude, wie dies auch in der auswärtigen „Morgenpost“-Ausgabe vom 11. September 2001 zum Ausdruck kommt.

Im Übrigen, Herr Abgeordneter, empfehle ich Ihnen und uns etwas mehr Robustheit bei der Interessenvertretung von Berlin. Es reicht nicht aus, nach München zu fahren und dort zu erklären, es sei die schönste Stadt, in dem Wissen, dass der DFB diese Stadt liebt. Man muss auch schon die Interessen der Stadt Berlin etwas deutlicher artikulieren.

Ich möchte noch etwas anfügen. Dies können wir auch mit sehr viel Selbstbewusstsein vertreten, weil Berlin als einziges Land bislang – positiv und materiell belegt – entschieden hat, ein Stadion zu bauen und tatsächlich ein Stadion gebaut wird.

[Niedergesäß (CDU): Alte Försterei!]

Im Übrigen wird in der schönsten Stadt in Deutschland am 21. Oktober nicht ein neues Parlament gewählt, sondern ein Volksentscheid darüber stattfinden, ob überhaupt ein neues Stadion gebaut wird. Das wollen wir einmal in Ruhe abwarten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Der Fragesteller hat eine Zusatzfrage. Ich möchte Sie bitten, nachdem der Senator nun geantwortet hat, bei Bedarf an Zusatzfragen jetzt sofort zu drücken. Es ist schlecht, sich mit einer Zusatzfrage einzudrücken, wenn der Senator noch nicht einmal geantwortet hat. – Nun hat Herr Abgeordneter Apelt als Fragesteller das Wort. Bitte sehr!

Herr Senator! Sie können schon davon ausgehen, dass wir genügend Selbstbewusstsein haben. Dennoch möchte ich fragen – weil Sie wissen, wie sensibel das Thema bei den Menschen ist –, ob der Senat die Auffassung teilt, dass zunächst einmal mit den Verantwortlichen Kontakt aufgenommen werden muss, bevor man Hoffnungen in dieser Stadt weckt, die letztendlich nicht gedeckt sind.

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Im Prinzip teile ich Ihre Auffassung. Man soll nur nie Hoffnungen wecken, wenn gar keine bestehen, weil sonst nachher nur Enttäuschungen entstehen. In diesem Fall handelt es sich aber nicht um irreale Hoffnungserweckungen, sondern um reale Sachverhalte. Das hatte ich bereits betont.

(A) (C)

(B) (D)

Bm Böger

Der DFB hat sich bei der FIFA mit Berlin als Endspielort beworben. Ich gehe davon aus, Herr Abgeordneter, dass Sie diese Vorgehensweise begrüßen. Das ist gut so! Wenn das so gut ist und der DFB im OK, im Organisationskomitee, zugleich entschieden hat, dass die Orte, die Spiele bekommen, nicht nur ein Spiel, sondern mehrere Spiele bekommen, ist es keine Illusion. Wenn es 10 bis 12 Orte und 64 Spiele gibt, ergibt dies für jeden Spielort mindestens fünf Spiele. Sie haben aber Recht, die genaue Aufteilung der Spiele und auch die genaue Auswahl aller Spielorte ist nicht erfolgt. Es bewerben sich eine Menge Städte in der Bundesrepublik Deutschland. Ich gehe noch einmal davon aus, dass auch Sie und wir alle den Anspruch erheben – der DFB hat dies auch akzeptiert –, dass in Berlin das Endspiel stattfindet. Insofern ist dies keine weitere Illusion, sondern dient eher der Beruhigung, weil man in den Medien und anderswo hört, man müsse sich endlich um mehr Spiele und die Eröffnung bemühen.

Sie haben in einem Punkt Recht, das möchte ich einmal betonen, dass die Entscheidung über sämtliche Frage nicht ein Land oder der Bund, sondern ausschließlich das Organisationskomitee trifft. In manchen anderen Fragen trifft das Exekutivkomitee der FIFA die Entscheidung.

Die nächste Zusatzfrage geht an den Abgeordneten Rabbach!

Herr Senator! Wir sind uns in der Frage einig, hoffnungsvoll zu sein. Sie haben aber keine Hoffnungen, sondern Entscheidungen verkündet. Deshalb wissen Sie wie ich, dass von den Entscheidungsträgern – Sie haben gerade vom OK, vom nationalen und auch internationalen, gesprochen – die Fußballszene die bereits getroffene Entscheidung dementiert hat. Finden Sie das eine richtige Politik angesichts der Wahlen in Berlin? So stand es auch in den Zeitungen. Angesichts der Wahlen in Berlin wird den Wählern und Berlinern eine erfolgreiche Politik vorgegaukelt, indem es der Sportsenator geschafft hat, vorzeitig eine Entscheidung über die Zahl der in Berlin auszutragenden Weltmeisterschaftsspiele herbeizuführen. Finden Sie das richtig?

Herr Senator, bitte!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Rabbach! Sie sind über die Sachverhalte nicht richtig informiert. Ich wiederhole noch einmal: Der DFB hat sich mit Berlin als Endspielort beworben. Es wäre mir neu, wenn Sie das bestreiten würden. Wenn man sich so bewirbt, hat dies die Konsequenz, dass das Endspiel auch hier stattfindet.

Zum zweiten sind tatsächlich Entscheidungen im OK gefallen. Danach sollen 10 bis 12 Städte einen Zuschlag bekommen. Es ist bereits jetzt klar, dass es 64 Spiele gibt. Daraus erfolgt zwangsläufig nach einer schlichten Logik, dass jeder Austragungsort, und damit auch Berlin, mehr Spiele erhält als das Endspiel. Das einzige, das im Übrigen vom DFB nach dieser Meldung dementiert wurde, Herr Abgeordneter, war die Aussage, dass es sich um Gruppenspiele handelt. Das kann man tatsächlich nicht sagen. Man weiß nicht, ob es Gruppen- oder andere Spiele sind. Ich glaube nicht, dass die Frage, wann und wie Fußballweltmeisterschaften in Deutschland und Berlin stattfinden, einer Partei zuzurechnen ist. Ich sage dies, Herr Abgeordneter Rabbach, weil Sie offensichtlich eine entsprechende Neigung haben. Es ist ein deutscher Bewerbungserfolg. Dazu hat der einzige Kaiser in Deutschland viel beigetragen. Aber auch ein sehr fußballkundiger Bundeskanzler hat dort mitgeholfen.