Protokoll der Sitzung vom 24.02.2000

Eine Bitte zum Schluss: Da ich annehme, dass unser Antrag in den Hauptausschuss überwiesen werden wird, bitte ich eindringlich, ihn mit der gebotenen Dringlichkeit zu behandeln und zwischendurch seitens der Senatskanzlei, oder vielleicht findet sich der Regierende dazu bereit, dem Internationalen Sachsenhausen-Komitee den Hinweis zu geben, dass Berlin sein Anliegen unterstützen wird. Es ist schon viel zu viel Zeit vergangen. – Ich danke Ihnen! [Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Brauer! SPD und CDU haben keinen Redebeitrag angemeldet. Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Ströver!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schon etwas irritiert darüber, wie dieses doch sehr ernste Thema hier so en passant behandelt wird und dass die Vertreter der großen Koalition hierzu nicht reden und nicht jetzt schon bei Einbringung dieses Antrags der PDS ein deutlich positives Signal setzen. Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich peinlich und eigentlich brüskierend gegenüber dem Anliegen, das hiermit zum Ausdruck gebracht wird.

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Heute haben wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, auf der Konsensliste in die zuständigen Ausschüsse überwiesen, einen Antrag eingebracht, dass das Land Berlin sich grundsätzlich und dauerhaft an der Finanzierung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten beteiligt. Das wäre das wirklich langfristige und richtige Signal. Und ich hoffe sehr, dass wir in den Haushaltsberatungen noch in diese Richtung ein deutliches Zeichen setzen, dass sich Berlin zu seiner Verantwortung für die Konzentrationslager vor den Toren Berlins bekennt und dem weiteren Verfall der authentischen Orte entgegenwirken wird und auch hilft, dass wir die Gedenkstätten dort vor Ort weiter entwickeln können. Das betrifft sowohl Sachsenhausen als auch Ravensbrück.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch einmal sagen, dass uns wirklich daran gelegen sein muss, hier sicherzustellen, dass Berlin mit in die Verantwortung tritt. Wenn Sie sagen, wieso, das ist doch Brandenburg, dann sage ich Ihnen, dass wir in diesem Haushalt gerade erstmals die Mitverantwortung für die Stiftung in Schloss Beeskow für den Bestand der DDR- Kunst übernommen haben. Auch das finde ich richtig, um das gleich zu sagen. Deswegen meine ich, auch hier zeigen wir wirklich den Brandenburgern und den Trägern der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, dass wir uns mit in die Verantwortung begeben. Da hinein passt auch dieser Antrag der PDS, weil er ganz konkret auf den 55. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen abhebt und eben hier um eine konkrete Unterstützung für die Reisekosten der ehemaligen Häftlinge bittet. Ich muss sagen, 170 000 DM ist für unseren Etat – wir haben heute lange genug darüber geredet – ein vergleichsweise kleiner Betrag und aus den Mitteln der Senatskanzlei ohne Weiteres bereitzustellen. Ich denke, wir sollten diesen Antrag nicht auf die lange Bank schieben, sondern schnellstmöglich ganz unbürokratisch dafür sorgen, dass der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten und dem Internationalen Sachsenhausenkomitee diese Mittel bereitgestellt werden, damit die Häftlinge reisen können. Denn Sie wissen ja: Auch darunter

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befinden sich viele, die immer noch keine Zwangsarbeiterentschädigung erhalten haben und für die eine solche Reise ein wirkliches Problem ist.

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Einen letzten Gedanken noch: Wir haben in diesem Etat seit Jahr und Tag das Emigrantenbesuchsprogramm, und wir wissen auch, dass durch Zeitfortschritt immer weniger Emigranten zu uns nach Berlin kommen können. Es ist ganz normal, finde ich, dass man dann auch sagt: Wir kürzen diese Mittel des Emigrantenbesuchsprogramms nicht, sondern hier ist ein Betrag, wo wir ein Zeichen setzen können, dass wir den Überlebenden von Sachsenhausen zu dieser Feier im April die Reisekosten finanzieren. Von da her würde ich wirklich sagen, geben wir uns einen Ruck und unterstützen ganz unbürokratisch diesen Antrag der PDS. [Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Schönen Dank, Frau Ströver, für Ihren Beitrag. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wurde empfohlen, den Antrag an den Hauptausschuss zu überweisen. Wer dem so folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? – Sehe ich nicht. Dann wird dem so gefolgt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 24 B, Drucksache 14/196:

Antrag der Fraktion der PDS über Verlagerung der Zuständigkeit für die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das höre ich nicht. Die Beratung wird gewünscht; nach der Geschäftsordnung bis zu 5 Minuten pro Fraktion. – Herr Hoff! – Weitere Wortmeldungen sehe ich nur noch bei den Grünen.

[Wieland (GRÜNE): Aber das zuverlässig!]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass sich die Koalitionsfraktionen zu dem Punkt nicht äußern wollen, wundert mich überhaupt nicht. Dass wir zu dem ungeheuerlichen Sachverhalt trotzdem sprechen wollen, wird Sie natürlich auch nicht wundern.

Wir reden über einen Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 9. September 1999, nachdem der Antrag von der sehr verdienten Abgeordneten Sybille Volkholz eingebracht worden war, und zwar zu Beginn der Legislaturperiode 1996. Der Antrag zielte darauf ab, die Zuständigkeit für die Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege von der Senatsverwaltung für Inneres auf die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu übertragen.

Diese Verlagerung der Zuständigkeit für die Fachhochschule hat weitgehend inhaltliche Gründe, die in dem besonderen Profil der Fachhochschule liegen, das im Wandel begriffen ist. Dieser findet darin seinen Ausdruck, dass die ursprüngliche Idee der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege zurückgenommen wird, nämlich eine Fachhochschule für den öffentlichen Dienst und speziell für die Beamten des öffentlichen Dienstes zu sein, die dann übernommen werden, mit den besonderen Arbeitsmarktchancen für den öffentlichen Dienst in Berlin. – Mein Kollege Liebich hat in der Haushaltsdebatte hervorragend dazu gesprochen.

[Heiterkeit bei der PDS und den GRÜNEN]

Diese Übernahmegarantie besteht nicht mehr. Die Fachhochschule hat daraus Konsequenzen gezogen. Sie verändert und erweitert ihr Profil. Sie wird zu einer Fachhochschule, die einem weiten Spektrum, nicht mehr nur den Beamten und dem öffentlichen Dienst, zur Verfügung steht und dort auch inhaltlich- wissenschaftlich tätig wird. Weil dies so ist und der Status der Fach

hochschule für Verwaltung und Rechtspflege bei der Senatsverwaltung für Inneres faktisch ein Anachronismus ist, was damals in der Aussprache 1996 schon deutlich gemacht wurde und sich in den vergangenen Jahren nicht geändert, sondern in dem beschriebenen Sinne weiterentwickelt hat, ist die Verlagerung mit einer Mehrheit von Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hauses so beschlossen worden.

Wenn ein Beschluss des Abgeordnetenhauses gefällt wurde, kann man erwarten, dass er umgesetzt wird. Es ist nicht immer so, aber man kann es zumindest vermuten. Wenn man davon ausgeht, dass der Souverän das Parlament und nicht die Landesregierung bzw. die Senatsverwaltung für Inneres und dort der Innensenator ist, wundert man sich doch, wenn man eine Kleine Anfrage stellt, wann und mit welchen gesetzlichen Regelungen der Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 9. September 1999 umgesetzt werde, und eine Antwort bekommt, in der der Senat folgendes formuliert:

Inzwischen wurden ein neues Abgeordnetenhaus und ein neuer Senat gewählt.

Sachlich richtig! –

Die den Senat tragenden Koalitionsparteien sind zu der Überzeugung gelangt, dass eine Verlagerung der Zuständigkeit für die FHVR von der Senatsverwaltung für Inneres zu der für Wissenschaft und Forschung zuständigen Senatsverwaltung nicht in Betracht kommt. Vielmehr strebt die Koalition etc....

Das heißt folgendes: Zwei Koalitionsparteien entscheiden einfach so, dass ein Beschluss des Parlaments, der von allen Fraktionen hier im Haus gefällt wurde, nun nicht mehr gültig ist. Das finden wir ziemlich dreist, nicht nur wir, sondern offensichtlich – wie gestern im Hauptausschuss zu hören – auch Kolleginnen und Kollegen von der SPD. Es ist offensichtlich nicht klar und in der Diskussion gestern im Hauptausschuss auch nicht deutlich geworden, ob im Abgeordnetenhaus ein Kontinuitäts- oder ein Diskontinuitätsprinzip für Beschlüsse gilt. Es ist ziemlich dringlich, denn am 31. März 2000 sollte der Senat die gesetzlichen Regelungen vorlegen, die notwendig sind, um den Beschluss des Abgeordnetenhauses umzusetzen. Aus diesem Grunde bitten wir, dass Sie unserem Antrag nicht nur zustimmen, sondern im Ausschuss auch zu einer schnellen Beschlussfassung kommen – ich denke, dass das mit unserer Ausschussvorsitzenden Frau Fugmann-Heesing im Wissenschaftsausschuss möglich sein wird –, um der Realisierung eines beschlossenen Antrags Rechnung zu tragen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der PDS]

Vielen Dank, Herr Hoff! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Weinschütz das Wort. – Ihre Redezeit beträgt 5 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senator Werthebach ist doch immer wieder für eine Überraschung gut. Da hat sich das Abgeordnetenhaus in der vorletzten und in der letzten Legislaturperiode – wir haben nämlich schon in der vorletzten damit angefangen – auf Antrag der Bündnisgrünen mit der Zuständigkeitsverlagerung vom Innen- zum Wissenschaftsressort befasst. Wir haben Für und Wider abgewogen, die Argumente haben sowohl im Innen- als auch im Wissenschaftsausschuss überzeugt, es wurde ein Kompromiss gefunden, und schließlich wurde am 9. September 1999 die Verlagerung hier im Plenum beschlossen.

Nun sagt Herr Werthebach lapidar, es habe Neuwahlen gegeben, und er halte sich nicht mehr an den Beschluss. Das ist für mich eine sehr merkwürdige Vorstellung von Demokratie.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Dass Ihnen, Herr Werthebach, die Entscheidung aus der Sicht Ihres Ressorts nicht passt, erstaunt nicht. Was aber erstaunt, ist Ihre Begründung: Das Verweisen auf die Diskontinuität der

parlamentarischen Vorgänge. Ich dachte eigentlich, Sie seien Volljurist, und Sie sind auch für Verfassungsschutz zuständig. Wir wissen alle: Was vom Parlament nicht zu einem Beschluss gebracht wird, was in den Ausschüssen versickert, ist gegenstandslos; aber das, was vom Plenum beschlossen wird, gilt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Herr Senator, wenn das nicht so wäre, könnten Sie in Berlin keine Strafverfolgung durchführen; das Strafgesetzbuch ist von 1871, und es gilt trotzdem noch.

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Der Verweis auf die Diskontinuität geht also fehl. Sie machen es sich viel zu einfach, wenn Sie so versuchen, sich über Parlamentsbeschlüsse hinwegzusetzen. Sie missachten das Parlament. Das ist unerhört.

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Aber Sie sind hier nicht Einzeltäter. Sie haben zwar die überwiegende Tatherrschaft, es gibt aber auch Mittäter, nämlich von der SPD. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD! Wenn Sie zulassen und mitmachen, dass eine Koalitionsvereinbarung über einem Parlamentsbeschluss steht – wie Herr Werthebach in seiner Antwort auf die Anfrage des Kollegen Hoff ausgeführt hat –, nehmen Sie sich selbst als Abgeordnete nicht mehr ernst. Vor der Abgeordnetenhauswahl stimmten Sie einem Antrag zu, nach der Wahl soll das nun klammheimlich nicht mehr gelten. Da kommt die Frage auf: War Ihre Zustimmung etwa nur Wahlkampftaktik? – Das wäre sehr enttäuschend. Aber Sie können das Gegenteil in der weiteren Antragsberatung noch beweisen.

Natürlich darf man seine Meinung ändern, wenn es neue Gesichtspunkte gibt. Aber solche trägt Herr Werthebach nicht vor. Unsere damaligen Gründe gelten vielmehr unverändert. Wir wollen, dass aus der „Beamtenfachschule“ eine richtige, moderne Hochschule wird, die in ihren Organisationsformen den gesellschaftlichen Wandel aufgreift und, wie es auch alle gutachtlichen Stellungnahmen ergeben, viel besser zum Zukunftsstandort Berlin passt. Herr Werthebach will hier den Rückwärtsgang einlegen, da machen wir nicht mit!

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Wir werden deswegen die hier im Parlament im September letzten Jahres beschlossene Zuständigkeitsverlagerung weiterhin einfordern. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der PDS]

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Empfohlen wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung – federführend – und an den Hauptausschuss. Wer so verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Sehe ich beides nicht. Dann wird so verfahren.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 24 C, Drucksache 14/199:

Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der PDS und der Fraktion der GRÜNEN auf Annahme einer Entschließung über Verkauf der Bundesdruckerei durch die Bundesregierung