Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Als ich im Wissenschaftsausschuss im Einzelnen dargelegt habe, dass Studiengebühren keine Vorteile bringen, aber gewaltige soziale Nachteile, wurde mir von der CDU vorgehalten, ich hätte ideologische Scheuklappen. Hören Sie doch einmal auf den Ring Christlich-Demokratischer Studenten! Herr Landowsky ist immer so stolz auf die Jungen in den eigenen Reihen.

[Dr. Steffel (CDU): Richtig!]

Ich weiß nicht, ob er auch den RCDS dazu zählt. Der RCDS-Vorstand hat gerade jetzt wieder Gebührenpläne zurückgewiesen. Er hat gesagt: „Studiengebührenfreiheit ist ein hohes Gut.“ Recht hat er, meine Damen und Herren.

Die CDU-Gleichung lautet folglich, wer aus wohl erwogenen Gründen Studiengebühren ablehnt, hat ideologische Scheuklappen – der RCDS ist gegen Studiengebühren, also hat muss wohl der RCDS ideologische Scheuklappen haben. Auf diese Schlussfolgerung kommen wir gerne bei Gelegenheit noch einmal zurück. Selbst die härteste Verfechterin von Studiengebühren, die Hochschulrektorenkonferenz, macht für die Einführung von Gebühren zwei Bedingungen, erstens: nur, wenn das Geld in voller Höhe ohne Kürzung in anderen Bereichen bei den Hochschulen verbleibt. In Anbetracht von allein im Wissenschaftshaushalt dieses Jahres noch fehlenden 33 Milliarden DM ist völlig klar, dass jede DM Studiengebühren den Hochschulen sofort wieder an staatlichen Mitteln gekürzt würde. Studiengebühren wären daher nur ein Sonderopfer der Studierenden zur Sanierung des Landeshaushalts. – Ich vermute, wenn Frau Grütters eben von diesen Hard-facts der Haushaltspolitiker sprach, hat sie wohl das gemeint. – Wer etwas anderes sagt, der ist entweder ein Fantast oder ein Lügner.

Die Hochschulrektorenkonferenz hat zweitens gesagt, dass sich die Gesamtbelastung aus individuellen Studienkosten, Lebenshaltungskosten und Gebühren für Empfänger von Ausbildungsförderung nicht erhöhen dürfe, sondern sinken müsse, also nicht nur nicht gleich bleiben sollte, sondern sogar sinken. Sonst würde die soziale Barriere beim Zugang zum Studium verschärft. Wir haben aber schon jetzt eine bei weitem viel zu geringe Ausbildungsfinanzierung. Wie dieses Problem gelöst werden soll, das sagen auch die Anhänger von Studiengebühren nicht.

Es bleibt deswegen dabei, Studiengebühren sind unsozial. Deshalb sagen wir weiterhin: Nein zu Studiengebühren!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weinschütz! – Für die SPD-Fraktion hat Herr Schuster das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal kommt man sich wie in einem Boxtrainingssaal vor, es wird ein Buhballon aufgehängt und dann wird draufgehauen, egal, ob überhaupt eine Realität dahinter steckt.

Ich möchte jetzt nicht auf die inhaltlichen Diskussionen eingehen, die in den einzelnen Parteien geführt werden, weder auf das, was Frau Grütters als CDU-Position vorgetragen hat – sie hat auch auf die Koalitionsvereinbarung rekurriert, die entscheidend ist –, noch auf das, was als innerparteiliche Diskussion bei Bündnis 90/Die Grünen abläuft, und zitiere weder Matthias Berninger noch Sybille Volkholz hier. Ich möchte aber noch auf eines

eingehen, was Frau Grütters hier gesagt hat, obwohl das nicht zur Sache gehört – aber sie musste wohl diesen Schlag austeilen –, nämlich zum BAföG. Liebe Frau Kollegin Grütters! Was hier getan wurde, das ist nicht ein tägliches Zurückweichen, sondern die rot-grüne Bundesregierung hat endlich das korrigiert, was in der langen Regierungszeit der CDU nach unten gefahren wurde, dass nämlich die BAföG-Sätze wieder so erhöht wurden, dass wirklich ein erheblicher Teil der Studierenden dort auch mit einem auskömmlichen Satz hineinkommt.

[Frau Grütters (CDU): Ist das die große Reform?]

Dies ist für uns ein Stück Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit. [Beifall bei der SPD]

Ich glaube, Sie hätten an dieser Stelle besser schweigen sollen, denn die Misere beim BAföG haben Sie verschuldet, als Ihre Partei die Regierungsverantwortung hatte.

Was gescheitert ist beim BAföG – das ist in der Tat ein Problem –, dass wir nämlich nicht die Stipendien bzw. das Familiengeld direkt an die Studierenden an die erwachsenen Menschen auszahlen können. Das ist aber aus rechtlichen Gründen vorerst gescheitert, aber ich hoffe, wir können darauf zurückkommen. Niemand, der ernsthaft Bildungspolitik betreibt, weicht vor diesem Thema zurück, dass man erwachsene studierende Menschen auch wie Erwachsene behandeln soll.

Zu dem Antrag bzw. den Anträgen – wir haben noch einen virtuellen Antrag der Grünen, den wir im Ausschuss mit behandelt haben, der aber hier noch nicht auf der Tagesordnung steht – möchte ich vorausschicken, dass die Lage in Berlin sonnenklar ist. – Das hat auch Frau Grütters hier gesagt. – Wir haben ein Hochschulgesetz, in dem ausdrücklich steht, dass es keine Studiengebühren in Berlin gibt.

[Hoff (PDS): Das wollen Sie ändern!]

Es steht auch drin, dass Gebühren für Weiterbildung erhoben werden können.

[Hoff (PDS): Das wollen Sie nicht verändern!]

In der Koalitionsvereinbarung steht eindeutig, dass die Erstausbildung gebührenfrei bleibt. Es gibt in der ganzen Frage einen kleinen Diskussionsspielraum: Wie definiert man ein Erststudium? Das ist eine Auseinandersetzung, die wir vor uns haben. Deshalb ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen besonders enttäuschend, weil der sagt, wir müssten bekräftigen, dass das Berliner Hochschulgesetz gültig sei, und als Parlament sollten wir festlegen, dass im Falle einer Änderung keine Änderung erfolgen dürfe. Das ist natürlich ein Verfahren, bei dem wir hier im Parlament nicht mitspielen. Wir haben es nicht nötig, bestehende Gesetze noch einmal zu bekräftigen, sie sind in Kraft. Das, was die Koalition sich vorgenommen hat, steht in der Koalitionsvereinbarung. Daraus können Sie nicht ablesen, dass hier in Berlin Studiengebühren eingeführt werden sollen. Analog zum BAföG ist auch dieses Thema für uns eine Frage der Chancengleichheit, dass jeder und jede den Zugang zu einem Studium hat, zu einem Erststudium. Das ist eine Differenz zur CDU, das ist hier deutlich geworden, aber das hat uns als Regierungskoalition nicht zu interessieren, weil das etwas ist, was die CDU intern diskutieren muss.

Ich möchte eines noch zur Bundesebene sagen und komme damit auch zum Antrag der PDS, eine Bundesratsinitiative zu starten.

Also, erstens gibt es diese Diskussion auf der Bundesebene. Sie wird in der Kultusministerkonferenz geführt. Dort gehört sie hin. Sie steht jedes Mal auf der Tagesordnung, wenn die Kultusministerkonferenz zusammentritt, und für die nächste Sitzung ist das ausdrücklich mit einem Arbeitsauftrag wieder auf die Tagesordnung gesetzt worden.

Zweitens befasst sich die Bundesregierung damit, und wenn es zu einer Änderung des Gesetzes kommt, dann wird natürlich der Bundesrat damit befasst werden. Hier ist eine Initiative völlig überflüssig. Die entscheidende Frage ist nicht, ob das in Form

eines Vertrages oder einer Änderung des Rahmengesetzes geschieht, sondern dass sich in der Sache etwas bewegt. Hierzu hat die SPD in der Tat ein Kompromissangebot an jene Bundesländer gemacht, die Studiengebühren einführen wollen. Wir haben gesagt: Lasst uns in allen Bundesländern für das Erststudium die Freiheit von Studiengebühren verankern!

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Abgeordneter!

Ich bin sofort am Ende, Herr Präsident! – Wenn wir das schaffen, dann haben wir einen wichtigen Eckpfeiler festgelegt. Und wenn wir das über einen Vertrag zwischen den Ländern schaffen, dann ist das etwas, was in allen Bundesländern ein Stück Chancengleichheit wesentlich mit sichert.

Also noch einmal: Wir lehnen diese formalen Spielereien – Bundesratsinitiative oder Bekräftigung, dass Berliner Gesetze gültig sind – ab, und unsere Position, die Position der SPD, bleibt klar: Mit uns keine Studiengebühren, sondern Chancengleichheit! [Beifall bei der SPD]

Jetzt haben wir eine Intervention des Abgeordneten Hoff – bitte sehr!

Herr Schuster! Sie haben einen Punkt leider nicht verstanden. Sie sagen, dass Sie Studiengebühren ausschließen und Chancengleichheit sichern wollen. Aber § 2 Abs. 10 Berliner Hochschulgesetz stellt ausdrücklich fest: „Studiengebühren werden nicht erhoben.“ – Dann müsste man ja nichts ändern. Wenn Ihre Position wirklich die wäre, nämlich: „Chancengleichheit ja, Studiengebühren nein!“, dann frage ich mich, warum Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung Studiengebühren nur noch für das Erststudium ausschließen wollen und was das Erststudium ist. Wenn ich ein Semester Sozialwissenschaften studiere und dann zu Medizin wechsele, bin ich beim Zweitstudium, und dann sind Studiengebühren nicht mehr ausgeschlossen. Das heißt also, Ihr Argument von der Chancengleichheit reicht gegebenenfalls nur ein Semester lang, und das ist doch ein Problem. So weit mein erster Einwand.

Zweitens: Der Staatsvertrag, den Sie ansprechen, ist etwas anderes als eine Hochschulrahmengesetzänderung. Das habe ich Ihrem Kollegen Gaebler auch gerade versucht zu erklären. Insofern ist dieser Punkt im Bundesrat richtig aufgehoben und nicht in der Kultusministerkonferenz, denn es geht nicht darum, was sich die Länder so überlegen, sondern es geht um Ausschluss auf Bundesebene, damit die Länder in dieser einen Frage, nämlich der Sicherung von Chancengleichheit beim Studium, keinen Spielraum haben. Mit Ihrer Argumentation liegen Sie da einfach daneben, und insofern streuen Sie den Wählerinnen und Wählern Sand in die Augen, wenn Sie sagen, sie wollen Studiengebühren ausschließen, und es einfach nicht tun.

[Beifall bei der PDS und den Grünen – Schuster (SPD): Darf ich darauf erwidern?]

Natürlich dürfen Sie noch antworten. – Eine Minute Redezeit, Herr Schuster!

Es geht ja weiter mit dem Aufblasen des Balls: Was ist das für ein Unsinn, das Erststudium nach einem Semester zu beenden.

[Beifall bei der SPD – Hoff (PDS): Die Definition lässt es aber zu!]

Also, Kollege, da haben Sie nicht nur nicht zugehört, sondern da fehlen Ihnen offensichtlich essentielle Voraussetzungen und Kenntnisse. Außerdem steht in der Koalitionsvereinbarung ausdrücklich: bis zum Masterstudium. – Das heißt also, selbst wenn wir zu Bachelors kommen, liegt es über dem BachelorAbschluss, und es ist sogar die Doktorandenförderung mit drin.

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Verunsichern Sie doch bitte nicht die Studentenschaft in Berlin! Das ist unverantwortlich, was Sie betreiben.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Frau Künast (Grüne): Das machen Sie doch!]

Eines möchte ich Ihnen allerdings auch noch mitgeben. Wenn Sie uns auffordern, Bundesratsinitiativen zu machen, stellt sich die Frage: Warum macht das nicht Ihre Partei in MecklenburgVorpommern? – Dort müsste das doch mit Leichtigkeit möglich sein, dort sind Sie ja mit in der Regierung.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Das Wort hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Wruck. Die Redzeit beträgt 5 Minuten – bitte sehr!

[Oh! von der PDS und den Grünen]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe an Hand des Protokolls festgestellt, dass die „wunderbaren“ Zwischenrufe akustisch leider nicht immer hier vorn angekommen sind. Insoweit kann man dann nicht so nett replizieren, Herr Wieland, wie das eigentlich nötig wäre, damit wir hier richtig disputieren bzw. diskutieren und nicht nur ablesen.

Gleichbehandlung heißt, gleichgelagerte Fälle sollen gleich behandelt werden. Gleichbehandlung indiziert auch das Wort „Gerechtigkeit“ und die Worte „Chancengleichheit“ und „Chancengerechtigkeit“. Wenn Sie das Ganze auf eine Stufe stellen: „Alle Studenten sind gleich zu behandeln, alle haben keine Studiengebühren zu zahlen.“ und erklären, das sei sozial, dann frage ich mich: Was ist denn mit den Studenten, die ein bedeutender Mann einmal als „Speckstudenten“ bezeichnet hat, die ein großes Auto fahren und einen Führerschein haben, der mehrere Tausend DM kostet, wenn man ihn erwirbt?

[Zuruf des Abg. Hoff (PDS)]

Und was ist mit den Studenten, die aus bestimmten Verhältnissen kommen, wo sie durchaus in der Lage wären, Studiengebühren zu zahlen?