Es ist in der Opposition selten genug, dass man Erfolge feiern kann. Das Schöne am heutigen Tag ist, dass wir gleich zwei haben. Der erste Erfolg war der bei den Wahlen zum Verfassungsgerichtshof, der zweite Erfolg ist dieser Antrag hier, den wir gemeinsam als Ersetzungsantrag einbringen. Ich werde auch gleich erklären warum.
Dieses am Ende zweistufige Verfahren zur Überprüfung der Abgeordneten geht auf Initiativen der Fraktion der Grünen zurück. Vor zehn Jahren war es noch so, dass die PDS an Überprüfung nicht dachte und in den anderen Fraktionen die meisten sagten, wir Wessis lassen uns überhaupt nicht überprüfen, weil es bei uns nach den Regeln des Strafgesetzbuchs gleich so wäre, dass wir uns strafbar machten. Es gehörte schon einiges an Mühe dazu, das Haus am Ende dazu zu bringen, nach langen Monaten tatsächlich solche Überprüfungsregeln zu machen. Wir stehen heute noch dazu und sagen heute noch: Man kann bei mancher Strafe eher ein Auge zudrücken, dafür gehört aber zur Aufarbeitung immer Transparenz und Offenheit. Es muss offen gelegt werden, wer wann mit wem zusammengearbeitet hat. Deshalb haben wir auch jetzt wieder diesen Antrag gestellt.
Man muss allerdings eines sagen: In der Praxis haben wir bei diesem Antrag eine Vielzahl an Mängeln gesehen, Mängel in den einzelnen Verfahrensvorschriften und am Ende auch einen Missbrauch dieser Überprüfung überhaupt. Wir können uns alle daran erinnern, wie oft darüber geredet wurde und wer hier in diesem Plenum stand und dann mit lauter Stimme einzelne Abgeordnete – gerade bei der PDS – aufforderte, jetzt sofort ihr Mandat niederzulegen, obwohl der Ehrenrat zu einem solchen Beschluss gar nicht gekommen war, während an anderer Stelle dann das Auge zugedrückt wurde, bei einigen Wessis, wo es Vorfälle gab. Da wurde sozusagen das Mäntelchen der Nächstenliebe darüber gedeckt.
Wir haben aus all diesem Missbrauch Schlüsse gezogen und haben in dieser Legislaturperiode den Antrag anders eingebracht, und zwar mit zwei Kernpunkten. Der eine: Auf Antrag des Betroffenen muss der Ehrenrat öffentlich tagen. Das rechtliche Problem, das dahinter steht, das Rechte Dritter oder geheim eingestufte Materialien vorliegen können, ist bundesrechtlich geregelt, das geht im Zweifelsfall vor. Wir wollten aber die Möglichkeit eröffnen, die sogenannte Beweisaufnahme im Ehrenrat öffentlich zu machen.
Der zweite Punkt ist eine Klarstellung bei dem Recht des Ehrenrats, Empfehlungen abzugeben. Wir haben bei uns einen Satz aus dem Stasi-Unterlagen-Gesetz aufgenommen. Sie erinnern sich, vor Jahren wurde dort eingeführt, dass Materialien, die vor 1975 entstanden sind, nur dann weitergegeben werden dürfen an eine anfragende Behörde, wenn
der Betroffene ein Verbrechen begangen hat oder gegen Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat.
Genau diese Formulierung haben wir in unseren Antrag aufgenommen, so dass es jetzt heißt, dass die Empfehlung zur Mandatsniederlegung durch den Ehrenrat nur dann gegeben werden darf, wenn genau gegen diese Grundsätze durch den Betroffenen verstoßen wurde. Das ist unseres Erachtens eine Formulierung, die dafür Sorge trägt, dass es diese missbräuchlichen Aufforderungen zur Mandatsniederlegung, auch funktionalisiert und Missbrauch durch eine Fraktion dieses Hauses hier im Plenum in Zukunft wird nicht mehr geben können.
Vorteil dieses gemeinsame Antrages – und deshalb haben wir ihn gemeinsam gemacht –: Beide von mir beschriebenen Formulierungen, die wir neu entwickelt haben, sind in dem neuen Antrag drin, und deshalb haben wir ihn mit gestellt, und ich hoffe, dass alle zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir als SPD-Fraktion sind froh, dass wir uns auf einen gemeinsamen Antrag verständigen können. Wir sehen in diesem Verfahren gewährleistet, dass die parlamentarische Überprüfung von Abgeordneten, die nur unter ganz besonderen Umständen, ganz besonderen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann. Wenn man vom Wählerauftrag für das freie Mandat ausgeht, muss diese verfassungsrechtliche besondere Stellung der Abgeordneten in einem solchen Verfahren gewährleistet sein und gewährleistet bleiben. Das Verfahren muss so ausgestaltet sein, wie es mit der Zustimmung der Oppositionsfraktionen gefunden wurde. Dieses Verfahren stellt sicher, dass mit den Informationen, die in nichtöffentlichen Sitzungen, im nichtöffentlichen Verfahren gewonnen werden, kein politischer Missbrauch erfolgen kann und dass die persönlichen Daten geschützt sind, dass die einzelnen, gegebenenfalls betroffenen Abgeordneten hier aktiv eingreifen können, selbst initiativ werden können, nicht lediglich nur angehört werden, und dass vor allen Dingen auch ein ermittelter Sachverhalt so korrekt wiedergegeben ist, dass er hier nicht zu politischem Missbrauch führen kann, dass hiermit kein Schindluder getrieben werden kann.
Uns ist sehr wichtig, dass der Zeitfaktor berücksichtigt wird. Wenn irgendwelche Verfehlungen zu lange zurückliegen, müssen unsere rechtsstaatlichen Verfahren Eingang finden und Verwertungsverbote greifen.
Wir als SPD meinen jedenfalls, dass wir diesem Antrag auf Einsetzung eines Ehrenrats auch mit den Änderungen mit bestem Gewissen zustimmen können. Und wir freuen uns, dass die anderen Fraktionen sich dem angeschlossen haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir können abstimmen. Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag der vier Fraktionen mit der Drucksachennummer 14/71-1 ab. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist dieser Änderungsantrag so angenommen, und weitere Abstimmungen sind damit entbehrlich.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz vom 23. Februar 2000 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Versprechungen der großen Koalition (3): Innenverdichtung vor Außenzersiedlung, keine Bebauung der Elisabethaue, Drucksache 14/129
Ein Beratungswunsch besteht nach wie vor. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Abgeordnete Hämmerling das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die, die es noch nicht wissen: Die Elisabethaue ist eine Freifläche am nordöstlichen Stadtrand, die im Rahmen der Bauausstellung mit 1 600 Einfamilienhäusern bebaut werden sollte. Jetzt haben SPD und CDU im Koalitionsvertrag festgelegt, dass die Innenverdichtung den Vorrang vor der Außenversiegelung haben soll, und haben sich in Folge dessen von der Bauausstellung verabschiedet. Folgerichtig – das glauben Sie, meine Damen und Herren, aber wenn Senator Strieder das heute noch glaubt, dann braucht er mehr als 100 Tage, um sich einzuarbeiten.
Wir wissen jedenfalls, dass hier keine fachlich begründete Entscheidung getroffen wurde – wegen der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung oder des subventionierten Wohnungsleerstandes in den Großprojekten wie Entwicklungsgebiete in der Wasserstadt –, sondern wir wissen: Der Senat führt den größten Brocken der Bauausstellung auf landeseigenen Flächen weiter, um Parteifreunden einen Gefallen zu tun. Wir nennen das Parteibzw. Baufilz, und damit muss Schluss sein!
Von der Bauausstellung hat sich der Senat nur deshalb verabschiedet, um die lästige Konkurrenz von Bauunternehmern loszuwerden, eine Konkurrenz, der etwas möglich war, was uns hier im Parlament schon lange nicht mehr möglich ist, nämlich die rechtswidrigen Geschäftspraktiken auf der Elisabethaue zu beleuchten und diese gerichtlich verbieten zu lassen. Die Gerichte haben festgestellt: Das Handeln war ungesetzlich. Wir protestieren, dass der Senat bis heute keine Konsequenzen aus den Gerichtsurteilen gezogen hat und dieses unsinnige Projekt weiter laufen lässt.
Ich möchte daran erinnern, wer die Akteure sind. Es ist schon eine Weile her, dass das Abgeordnetenhaus sich damit befasst hat: Die Fläche wurde ohne Ausschreibung per Vertrag an die BLEG und die Tochtergesellschaften der Landesbank Berlin übertragen, und begünstigt wurde derselbe unübersichtliche Gesellschafter- und Personenklüngel, der sich zugleich im Aufsichtsrat selbst kontrollieren darf und der bereits die Wasserstadt treuhänderisch in den Sand gesetzt hat.
Denselben Akteuren, die in der Wasserstadt kontaminierte Altlastenflächen für 200 Millionen DM – also für 1 400 DM pro Quadratmeter – zu Lasten des Landes Berlin erworben haben, denen hat man das nächste Projekt – die Elisabethaue – anvertraut. Die Bilanzen von BLEG und Landesbanktöchtern sind bis heute niederschmetternd. Wir haben einen Verstoß gegen den Vertrag mit dem Abgeordnetenhaus zu verzeichnen. Es gibt mehrere verlorene Prozesse – die Kosten sind mir nicht bekannt.
Und es gibt Planungskosten, bis jetzt im zweistelligen Millionenbereich, und es ist noch nichts zu sehen. Genaueres über die Fortschritte auf der Elisabethaue konnte und wollte uns der Senator Strieder nicht verraten. Die Politik hat eine neue Qualität erreicht. Kleine Anfragen werden nicht nur nichtssagend, sondern sie werden inzwischen wahrheitswidrig durch den Senat beantwortet, um diese Missstände zu verschleiern. Wir fordern: Schluss mit dieser Verschleierungspolitik! Es gibt keine woh
nungspolitische Notwendigkeit zur Bebauung dieser Freifläche mit Eigenheimen. Wir brauchen kein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Parteifreunde der Regierungskoalition, für die Geschäftsführer landeseigener Gesellschaften zu Lasten des Landesvermögens. Wir brauchen den Baustopp dort, und wir brauchen Sicherheit beim Vermögensgeschäft Elisabethaue. Wir fordern Sie auf: Stellen Sie diese unsäglichen Bebauungsabsichten ein und nehmen Sie die Elisabethaue ins Landesvermögen zurück! [Beifall bei den Grünen]
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Hämmerling, beim Thema Elisabethaue verwechseln Sie zwei wesentliche Sachverhalte. Das eine ist das Eigentum und die Übertragung des Eigentums. Da haben Sie als Abgeordnete in der früheren Wahlperiode maßgeblich Teil gehabt. Das zweite ist das Baurecht. Und Baurecht ist nun einmal kein Gnadenakt, sondern ist Recht.
Wir sollten uns daran erinnern, was die Elisabethaue als Teil der Bauausstellung darstellen sollte. Sie sollte Familien in Berlin, die den Wunsch haben, im Grünen zu wohnen, die Möglichkeit dazu geben.
Erstens können Sie den Menschen in dieser Stadt den Wunsch nach Wohnen im Grünen nicht verbieten, und das ist gut so!
Zweitens liegt die Zuständigkeit für das Baurecht eindeutig beim Bezirk und nicht hier. Wenn Sie die Eigentumsübertragung kritisieren, dann vermischen Sie das nicht mit den normalen Regeln des Baurechts. Und ich finde es gut, dass der Bezirk das Baurecht durchführt – weil nämlich die bezirklichen Verantwortlichen wesentlich dichter an den Bürgern dran sind. Sie reden immer von Nachhaltigkeit, aber Sie haben sich noch nie Gedanken darüber gemacht.
Ist es nachhaltig, dass auf der grünen Wiese in Brandenburg Häuser entstehen und dadurch lange Fahrtwege in die Stadt notwendig sind? Ist es nachhaltig, dass wir eine neue Infrastruktur in Brandenburg aufbauen, wo wir hier in Berlin eine entsprechende Infrastruktur haben?
Außerdem habe ich manchmal den Eindruck, dass Sie überhaupt nicht wissen, wie die Menschen auf der Straße denken.
Waren Sie überhaupt schon einmal in der Elisabethaue und haben die Menschen dort befragt? Sie haben aus einer Aktenlage heraus entschieden, und in den Flächennutzungsplan, den Sie übrigens mit beschlossen haben, haben Sie noch nie hineingeschaut;