Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

an Recht

und auf das Ve r z e i c h n i s d e r D r i n g l i c h k e i t e n hin:

nach Anerkennung der Dringlichkeit zu behandeln

1. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten und Berlin-Brandenburg vom 2. März 2000 zur Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Drs 14/233 – als TOP 1 B

2. Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 1. März 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Unterstützung der Gedenkveranstaltung anlässlich des 55. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Sachsenhausen

Drs 14/231 – als TOP 22 A

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Dr. Luther

3. Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 16. Februar 2000 und des Hauptausschusses vom 1. März 2000 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Millennium 2000 – das Zeitalter für Genossenschaften

Drs 14/232 – als TOP 22 B

4. Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung vom 1. März 2000 und des Hauptausschusses vom 8. März 2000 zum Antrag der Fraktion der PDS über Anschlussfinanzierung nach Auslaufen des Hochschulsonderprogramms III (HSP III)

Drs 14/233 – als TOP 22 C

5. Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 8. März 2000 zum Antrag der Fraktion der Grünen über Beteiligung des Landes Berlin am Entschädigungsfonds für ehemalige NS-Zwangsarbeiter/-innen

Drs 14/238 – als TOP 22 D

6. Antrag der Fraktion der Grünen über Computerprobleme im Justizvollzug kurzfristig beseitigen

Drs 14/239 – als TOP 30 A

Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird jeweils an der entsprechenden Stelle der Tagesordnung entschieden.

Wie schon dem Ältestenrat mitgeteilt, kann der R e g i e r e n d e B ü r g e r m e i s t e r an unserer heutigen Sitzung n i c h t t e i l n e h m e n Grund ist der Besuch des Staatspräsidenten der Republik Korea, Herrn Kim Dae-Jung, und sein anschließender Abflug zur MIPIM 2000 in Cannes. Letzteres gilt auch für Herrn S e n a t o r S t r i e d e r der uns um 18 Uhr verlassen muss.

Wir kommen dann zur

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Es beginnt die Fraktion der CDU. Herr Frank Eichelberger hat das Wort zu einer Anfrage über

Bahnsteigsperren im U-Bahnnetz

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wann wird der Senat die Ankündigung des Verkehrssenators verwirklichen und ein geschlossenes Abfertigungssystem im U-Bahnnetz einführen?

2. Welche Vereinbarungen welchen Inhalts hat der Senat mit der BVG über die Finanzierung des Vorhabens getroffen?

Das Wort zur Beantwortung hat Herr Senator Strieder!

Herr Präsident! Herr Kollege Eichelberger! Wir gehen davon aus, dass der erste Schritt zur Verwirklichung eines solchen Zugangssystems im Herbst dieses Jahres realisiert werden kann.

Zu 2: In der mittelfristigen Finanzplanung der BVG sind die Investitionskosten für ein geschlossenes Sperrensystem in der U-Bahn berücksichtigt. Eine gesonderte finanzielle Vereinbarung mit dem Land Berlin besteht nicht.

Herr Eichelberger, Haben Sie eine Nachfrage? – Das sehe ich nicht. Gibt es weitere Fragen an den Senator? – Frau Matuschek!

Herr Senator! Hält es der Senat tatsächlich für ein Angebot zur Verbesserung der Zugänglichkeit und der Leichtigkeit des Zugangs, solche Sperren in die U-Bahn einzubauen? Und sind dem Senat Zahlen bekannt über Schwarzfahrer in Systemen, die schon ein Zugangssperrensystem haben, wie beispielsweise Paris und London? Wenn ja, welche?

Der Senat hat sich geeinigt, dass Zusatzfragen von Herrn Senator Branoner beantwortet werden. Herr Branoner, Sie haben das Wort!

Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage auseinandergesetzt. Die Zahl der Schwarzfahrer – knapp 300 000 pro Jahr, das sind 3 bis 7 %, bei lediglich acht bis zehn Schwerpunkt-Stichproben täglich und zusätzlich acht bis zehn Stichproben pro Monat – ist erheblich zu reduzieren. Wir – sowohl die BVG als auch der Senat – sind der Auffassung, dass diese Zahl durch technische Maßnahmen in der Tat reduziert wird, weil ich die Zahl 3 bis 7 % für eher untertrieben halte. Würden wir stärker kontrollieren, könnten wir mehr Schwarzfahrer „erwischen“ und damit einen höheren Prozentsatz haben. Allein die Kontrollen in den Schwerpunktbereichen gemeinsam mit der Polizei sind deutlich über 7 %.

Es kommt ein anderes Element hinzu; das ist die Frage der Sicherheit. Man kann nicht Zugänglichkeit und Sicherheit gegeneinander ausspielen. Derjenige, der einen Fahrtausweis hat, hat freie Zugänglichkeit. Derjenige, der sich um die Bezahlung des Fahrgeldes drücken will, muss auch keine freie Zugänglichkeit haben, weil dieser die BVG benutzt, ohne dafür ein entsprechendes Entgelt zu zahlen. Deswegen kommen diese beiden Dinge auch nicht zu Rande. Wir glauben – und dieses ist vor allen Dingen auch eine Frage der Steigerung der Attraktivität und der Sicherheit des öffentlichen Personennahverkehrs –, dass dies mit einem solchen geschlossenen System erreicht werden kann. Im übrigen haben wir mit dem jetzt im Test befindlichen elektronischen ticketing system eine der Vorstufen der Erfahrungen, die wir sammeln müssen, bereits durchführen können. Deswegen ist – diesbezüglich hat Kollege Strieder Recht – alles so weit vorbereitet, dass wir in einem ersten Testbereich im Herbst dieses Jahres damit starten wollen und dann auch sehen werden, wie die Berlinerinnen und Berliner dieses System akzeptieren. Wir sind sicher, dass sie es goutieren werden.

Vielen Dank, Herr Senator! – Die nächste Nachfrage hat der Abgeordnete Cramer von Bündnis 90/Die Grünen.

(A) (C)

(B) (D)

Herr Senator Strieder! Sie wissen, dass andere Städte uns darum beneiden, dass es in Berlin ein öffentliches Verkehrssystem als offenes und nicht als geschlossenes System – wie zum Beispiel in London oder Paris – gibt.

[Frau Toepfer-Kataw (CDU): Wer beneidet uns denn darum?]

Und Sie wissen auch, dass die Fahrgastverbände und viele Fahrgäste sich vehement dagegen verwahren, dass hier geschlossene Systeme eingeführt werden, weil das eine permanente Behinderung der Fahrgäste wäre, insbesondere, wenn sie einen Koffer, einen Rollstuhl, einen Kinderwagen und sonstige Gegenständen dabeihätten.

Zu den Schwarzfahrern, die Herr Branoner als Begründung anführt: Es sieht so aus, dass hier für wenige, die sich nicht korrekt verhalten, Millionen von Fahrgästen täglich in Geiselhaft genommen werden sollen.

[Heiterkeit bei der CDU]

Deshalb frage ich Sie: Glauben Sie ernsthaft, dass die 300 Millionen DM Investition für das geschlossene System genau das ist, was Berlin im Moment für einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr fehlt, oder sind Sie nicht vielmehr mit mir der Meinung, dass auf solch eine Idee der geschlossenen Systeme nur solche Menschen kommen – BVG-Direktoren oder Senatoren –, die die Welt in Berlin durch die Windschutzscheibe im Dienstwagen zur Kenntnis nehmen, [Zurufe von der CDU]

aber nicht als tägliche Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs?

Zur Beantwortung: – Herr Senator Strieder!

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Cramer! Dem Senat ist bekannt, dass zahlreiche deutsche Städte die Stadt Berlin um das hervorragende Verkehrssystem beneiden. Dem Senat ist nicht bekannt, dass diese Städte das Verkehrssystem deswegen besonders bewundern, weil es keine Zugangssperren hat, sondern dem Senat ist bekannt, dass wegen der hervorragenden Infrastruktur, wegen der Erschließung der gesamten Stadt mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln dieser Neid und diese Bewunderung der Stadt Berlin weit verbreitet sind. Im Übrigen können Sie sich darauf verlassen, dass wir bei der Anbringung solcher Sperren natürlich wie auch andere große Städte – wenn Ihnen Paris und New York nicht gefallen, dann gefallen Ihnen vielleicht London und Tokio – darauf achten werden, dass man mit Rollstühlen, Kinderwagen, großen Gepäckstücken dort hineinkommt.

Es geht um die Frage, Herr Cramer, dass wir erstens der Auffassung sind, dass eine solche öffentliche Leistung wie der öffentliche Transport finanziert werden muss durch diejenigen, die dieses System benutzen. Das mag uns unterscheiden. Der zweite Punkt ist, dass wir auch glauben, dass das Gefühl subjektiver Sicherheit auf U-Bahnhöfen sich dadurch verstärken lässt, dass man deutlich macht: Hier ist kein Taubenschlag, wo man ein- und ausgehen kann, sondern zum Zwecke der Beförderung wird dieser Bahnhof betreten. Und drittens sind wir uns ziemlich sicher, Herr Cramer, dass ein Großteil der Investitionskosten für diese Verkehrs- oder Eintrittsbeschränkungen auf Bahnhöfen binnen kurzer Zeit hereingeholt werden kann durch einen Rückgang der Schwarzfahrer. Lassen Sie sich mal erklären in der U-Bahn, wie man zur Zeit in Berlin kalkuliert, wie oft man denn erwischt werden kann und dann immer noch im Jahresdurchschnitt preiswerter fährt als mit einer Monatskarte. Es liegt doch auf der Hand, darüber reden wir auch oft genug, dass die Kontrollsysteme, auch die Personalkontrollen in den U-Bahnen längst nicht stark genug sind, um die Sorge haben zu müssen, man werde dort in jedem Fall erwischt werden, oder auch nur die Wahrscheinlichkeit sei sehr groß, dass man erwischt werde, wenn man dort schwarzfährt. Wir wollen jedenfalls diese Wahrscheinlichkeit, dass man mit Schwarzfahren durchkommt, im Interesse derjenigen, die ehrlich sind, reduzieren.

Vielen Dank, Herr Senator Strieder! – Die nächste Nachfrage stellt Abgeordneter Kaczmarek von der CDU-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator Strieder! Meine Fraktion begrüßt dieses Vorhaben natürlich ausdrücklich. Meine Frage ist nun konkret: Welche Linie wird denn das Pilotprojekt in diesem Netz sein? Würden Sie meinen Vorschlag unterstützen, dass man eine Linie auswählen sollte, die gerade zur Zeit durch erhebliche Sicherheitsprobleme negativ von sich reden macht, nämlich durch Rauschgifthandel auf den U-Bahnhöfen? Ich meine hier insbesondere den südlichen Teil der U-Bahnlinie 8. Würde es da nicht sinnvoll sein, hier einen Beitrag zu mehr Sicherheit vorrangig durch Sperren, natürlich auch durch andere Maßnahmen, zu leisten?