Protokoll der Sitzung vom 09.03.2000

[Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Landowsky (CDU)]

Deswegen wäre es schön gewesen, wenn Sie dort noch einige weitere Beispiele gebracht hätten. Ich schätze Sie sehr in Ihren haushaltspolitischen Argumentationen, weil man sich daran wirklich reiben kann und mit diesen auseinandersetzen kann. Aber an dieser Stelle im Zusammenhang mit dem Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften und Konsolidierung des Haushalts greift dies zu kurz.

Ich will deshalb auch ein Wort aufgreifen, weil mir das ein bisschen weh getan hat, was Sie gesagt haben: Einige Wohnungsbaugesellschaften seien Sanierungsfälle. Dies halte ich für falsch und weit übertrieben. Es gibt Gesellschaften, wo die Ertragslage nicht besonders günstig ist. Aber nennen Sie mir eine Gesellschaft im Ostteil der Stadt, die sozusagen vor dem Konkurs steht, und das heißt ja Sanierungsfall. Die Hellersdorfer nicht, die Marzahner nicht,

[Wolf (PDS): WIP!]

nein, die WIP auch nicht. Und es ist auch ganz klipp und klar Position der SPD – ich will das noch einmal unterstreichen –: Auch in Zukunft wird es aus unserer Sicht eine kommunale Wohnungswirtschaft geben; daran halten wir fest.

[Beifall bei der SPD]

Dann will ich etwas sagen zu der Eigentumsstrategie. Ich habe schon darauf hingewiesen. Wir waren bisher vorwiegend eine Mieterstadt. Aber ich finde es völlig richtig, dass wir noch mehr darauf setzen, Mieterinnen und Mietern ihre Wohnungen zum Kauf anzubieten. Da ist manches in den vergangenen Jahren nicht so zügig umgesetzt worden, wie wir uns das gewünscht haben. Das ist völlig richtig, das ist so. Deswegen, glaube ich, brauchen wir eine neue breite Initiative zur Privatisierung von städtischen Wohnungen an Mieterinnen und Mieter. Das muss nach meiner Meinung das Ziel sein, und insofern unterstützen wir auch den Bausenator in diesem Anliegen und in dieser Initiative, das noch einmal deutlich voranzutreiben. Und auch dieses, wenn Sie sich mal in manche Gebiete begeben im Altbaubereich oder auch im Neubaubereich, im Ostteil der Stadt, im Westteil der Stadt, ob in der Gropiusstadt, im Märkischen Viertel oder auch in einigen anderen Bereichen, gerade im Ostteil der Stadt, kann auch die Privatisierung von Wohnungen an Mieter zur sozialen Stabilisierung in diesen Gebieten beitragen. Wir haben dort erste Beispiele und erste Erfolge. Daran sollten wir weiterarbeiten.

[Beifall bei der SPD]

Ich will sehr positiv hervorheben, was im Bauausschuss diskutiert worden ist zur aktiven Bildung und Unterstützung der Gründung von Genossenschaften, dass es hier eine Informationskampagne geben soll, dass es dort Beratungsangebote geben soll und dass eben auch – und das ist ganz wichtig – die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verpflichtet werden, mit den Genossenschaften zusammenzuarbeiten, auch neue Genossenschaften zu unterstützen in der Gründung und auch dann gegebenenfalls landeseigene Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Das ist ein sehr wichtiger Ansatz. Es gibt ja ganz konkrete Beispiele: Hellersdorf, oder jetzt die Debatte mit der Gehag in der Hufeisensiedlung. Da gibt es konkrete Initiativen von Mieterinnen und Mietern, die jetzt selbst eine Genossenschaft bilden wollen. Die Senatsbauverwaltung unterstützt dieses. Das halte ich für eine vernünftige Sache. Daran sollten wir auch weiterarbeiten.

[Beifall bei der SPD]

Was generell noch mal die Wohnungspolitik angeht: Es ist einfach falsch, Herr Wolf, sozusagen das, was wir gegenwärtig an Wohnungspolitik betreiben, auf eine Fiskalpolitik reduzieren zu wollen. Das ist falsch. Es gibt eine breite Palette von verschiedenen Maßnahmen in der Wohnungspolitik, in der Mietenpolitik, bei der sozialen Stabilisierung der Gebiete. Worum es hier geht, das habe ich eben schon gesagt. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass die Haushalte nicht gedeckt sind. Wir haben bereits Vermögen verkauft in der Größenordnung von über 14 Milliarden DM, und wir werden in dieser Legislaturperiode, um einigermaßen sinnvoll über die Runden zu kommen, Kitas und Schulen zu finanzieren, 7 bis 8 Milliarden DM brauchen. Jetzt können Sie mal Vorschläge machen, woher die kommen sollen. Einer der Vorschläge ist, dass die Wohnungswirtschaft einen Beitrag dazu leisten muss. Wir halten den vorgeschlagenen Beitrag, auch in der Koalitionsvereinbarung, für verantwortbar. Und zunächst, das sage ich auch hier sehr deutlich, gilt das, was in der Koalitionsvereinbarung vereinbart wurde. Aber – und das sage ich auch in Richtung CDU-Fraktion –, es muss möglich sein, noch weitere Alternativen in einem solchen Gesamtpaket prüfen zu dürfen. Wenn es ein Angebot der landeseigenen Bankgesellschaft gibt, ist es nicht mehr als unser Recht und auch unsere Pflicht, ein solches Angebot zu prüfen, ob es dazu beiträgt, einerseits die fiskalpolitischen Ziele zu erreichen, aber andererseits auch, genauso wichtig, die wohnungs- und mietenpolitischen Ziele sicherzustellen.

[Beifall bei der SPD]

Wir sind der Meinung, dass ein solches Beispiel dazu beitragen könnte. Wir haben noch nicht alle Punkte auf dem Tisch. Es gibt eine erste Vorstellung dazu. Aber ich glaube, vieles wird daraus schon deutlich. Eine Zerschlagung der GSW wird es jedenfalls über diesen Weg nicht geben –

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Herr Kollege?

Ja! –, was wir zumindest in Teilbereichen bei der GEHAG erlebt haben. Hier – das ist das Ziel – wäre es möglich, vorwiegend oder fast ausschließlich städtische Wohnungen an Mieterinnen und Mieter zu veräußern. Vor allem, was auch wichtig ist, hätten wir die GSW, wie sie ist, ohne besondere Veränderungen, die sich auf die Mieter und die Beschäftigten auswirkten, und wir hätten ein Instrument der Wohnungspolitik der Stadt Berlin und dementsprechenden Einfluss darauf. Dies ist ein Modell, das wir uns im Einzelnen ansehen sollten. Wir werden es jedenfalls sehr sorgfältig prüfen und dann darüber entscheiden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Schönen Dank, Herr Kollege!

Ich rufe nunmehr auf

lfd. Nr. 1 B, Drucksache 14/233:

II. Lesung der Vorlage – zur Beschlussfassung – über Gesetz zum Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Drucksache 14/164, gemäß Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten und BerlinBrandenburg vom 2. März 2000

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Paragraphen miteinander zu verbinden. – Auch dazu höre ich keinen Widerspruch. – Dann rufe ich die §§ 1 und 2, die Überschrift und die Einleitung im Wortlaut der Vorlage Drucksache 14/164 auf.

Der Ältestenrat empfiehlt eine Redezeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion auf Wunsch der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wortmeldungen dazu liegen für die Grünen von Frau Ströver vor. – Bitte, Frau Ströver, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit mehr als drei Jahren – es ist wirklich so lange – diskutieren wir in diesem Haus über den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Die Entwicklung der Medientechnologie und der Medienlandschaft insgesamt geht währenddessen in rasantem Tempo weiter und vorwärts; die Politik aber verschläft. Sie verschläft es, zu regeln, was in dieser Entwicklung regelungsbedürftig ist. Wir laufen einem Zug hinterher, der schon vor Jahren abgefahren ist.

Nach wie vor fehlen Regelungen im Bereich der Medienpolitik für die Entwicklung der digitalen Medien – digitaler Hörfunk, digitales Fernsehen – genauso wie für das Internet. Bei der weiteren Entwicklung des Internets brauchen wir einen internationalen Verhaltenskodex, der sowohl Rechtsverstöße anprangert wie auch den diskriminierungsfreien Zugang ins Netz sichert. Längst sind im Internet Informationen eben nicht mehr frei zugänglich, sondern kosten sehr viel Geld. Hier ist medienpolitischer Handlungsbedarf, hier muss etwas getan werden – auf Landesebene, auf Bundesebene, aber auch international.

[Beifall bei den Grünen]

In Berlin jedoch und auch in den einzelnen Bundesländern langweilen wir uns mit dem Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, und auf der Landesebene haben wir weiterhin offenbar

(A) (C)

(B) (D)

nichts anderes zu tun, als das kleinste medienpolitische Pflänzchen, den Offenen Kanal, zu zerstören. Es ist nachgerade peinlich, dass sich die große Koalition mit diesem Thema als einem zentralen medienpolitischen Thema profilieren will.

Wer heute diesem Rundfunkstaatsvertrag zustimmt, muss sich vergegenwärtigen, dass es sich um ein Beispiel missratener Medienpolitik handelt. Ich will Ihnen kurz die zentralen Punkte andeuten, die hier zur Verhandlung stehen, damit Sie sich später, nach der Verabschiedung des Rundfunkstaatsvertrags, nicht wundern, was sich im Mediensystem alles geändert hat.

Vor Jahren hat eine EU-Richtlinie vorgegeben, dass in den Ländern Regelungen geschaffen werden müssen, welche Ereignisse von besonderer Bedeutung für die Gesamtheit der Bevölkerung im freien Fernsehen und nicht im Pay-TV zu empfangen sein müssen. Während andere Länder, allen voran Großbritannien, aber auch Belgien, Regelungen geschaffen haben, wonach sehr viele sportliche und kulturelle Großereignisse automatisch im freien Fernsehen kostenlos zu empfangen bleiben müssen, hat man hier nichts anderes zu tun, als die Liste der Ereignisse, die dem kommerziellen Rundfunk zur Verfügung gestellt und damit dem Pay-TV übergeben werden müssen, so groß wie nur möglich und die Liste des frei zu empfangenden Fernsehens so klein wie nur möglich zu machen. Das ist eine fatale Entwicklung und bedeutet eine Einschränkung der Rechte der Bürger auf freie Information. [Beifall bei den Grünen]

Nehmen wir das Beispiel Sport. Künftig sind nur noch die Olympischen Spiele – Sommer- und Winterspiele – frei zu empfangen, die europäischen Meisterschaften im Fußball; und Weltmeisterschaften sind künftig nur dann frei zu empfangen, wenn sie mit deutscher Beteiligung stattfinden. Alle anderen Spiele können in das Bezahlfernsehen eingestellt werden, und dann müssen eben die Leute wie jetzt bei Premiere World im Monat 40 DM zusätzlich zahlen, um ein einziges Spiel davon zu sehen.

An alle Fußballfans – da soll es auch unter Politikern eine ganze Reihe geben –

[Dr. Borghorst (SPD): Stimmt!]

kann ich darüber hinaus nur die Mitteilung machen, dass es sein kann, dass auch die Fußball-Bundesliga demnächst nicht mehr direkt und zeitnah im freien Fernsehen zu empfangen ist, denn ohne Not haben die Ministerpräsidenten Entscheidungen vorbereitet, die dem Profit der großen Vereine genauso dienen wie den Medienkonzernen, die die Sportereignisse übertragen werden. Das ist gegen freie Information, und das werden wir nicht mitmachen. [Beifall bei den Grünen]

Nächster Punkt in diesem Staatsvertrag – das ist fast noch schlimmer – ist die komplette Deregulierung der Werbung. Künftig wird es in einzelnen Sendeelementen nicht nur ein Mehr an Werbung, sondern auch zersplitterte Werbung geben; es wird keine Werbeblocks mehr geben. Das heißt, Sie können nicht mehr hinausgehen und sich ein Bier oder eine Cola holen, sondern Sie werden künftig durch Werbespots in Programmen unterbrochen werden. Ob es ein Spielfilm oder Sportveranstaltungen sind, jede Sendung, mit Ausnahme von Informationssendungen, kann künftig unterbrochen werden, wann immer es die Werbetreibenden im privaten Rundfunk wollen. Ich kann Ihnen nur sagen, Sie werden sich noch wundern, denn es sind noch schlimmere als amerikanische Verhältnisse, die uns dann erwarten werden.

Als Letztes: Die CDU-geführten Bundesländer haben immer gesagt, wir deregulieren den Werbesektor zu Gunsten der privaten Medienwirtschaft, und dafür können wir für die Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein wenig darangeben. Was ist nun passiert? – Auch die rot-grünen Länder haben zu meinem Leidwesen gänzlich darauf verzichtet, eine Koppelung zwischen der Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des Finanzausgleichs zwischen großen und kleinen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der Deregulierung der

Werbung im privaten Sektor herzustellen. Die Antwort wird sein: Wir erwarten demnächst den nächsten Rundfunkstaatsvertrag, und wir von Berliner Seite aus haben nicht einmal einen gesicherten Finanzausgleich für den SFB, wir haben keine gesicherte Gebührenperspektive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wir haben aber dafür Werbung an allen Ecken und Enden des privaten Mediensystems.

Würden Sie bitte zum Schluss kommen, Frau Kollegin?

Diese Destabilisierung ist derartig unglücklich, weil sie Auswirkungen auf die gesamte gesellschaftliche Entwicklung hat. Ich denke, Sie verstehen, dass wir aus diesen Gründen diese Entwicklung nicht mittragen werden und deswegen diesem Staatsvertrag nicht unsere Zustimmung geben können.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Schönen Dank, Frau Kollegin! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat nunmehr Herr Kollege Braun. – Bitte schön! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob sich die hier geführte Diskussion zum Abschluss des Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrags tatsächlich für die Plenarsitzung eignet. Mir hätte die Diskussion im Ausschuss genügt. Bei der Begeisterung, die ich im Plenum bemerkt habe, frage ich mich nach der Notwendigkeit, sie noch einmal im Plenum zu hören. Frau Ströver, wenn Sie es aber nun wollen, machen wir es gern!

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Der Vierte Rundfunkänderungsstaatsvertrag setzt die sogenannte Fernsehrichtlinie der EG, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates in nationales Recht um. Der Vertrag – ich erkläre dies für die Laien – bedarf der Zustimmung unseres Hauses, für die ich hiermit ausdrücklich werbe. Ich habe zwei Anmerkungen zu der Rede von Frau Ströver: Ich bedauere, dass Sie diesem Vertrag nicht zustimmen können. Anders als Sie, haben alle anderen rot-grünen Regierungen bundesweit diesem Vertrag ihre Zustimmung erteilt. Offensichtlich haben diese die Entwicklung genauso verschlafen, wie Sie es uns vorwerfen.

Ich möchte Ihnen zunächst einmal die wichtigsten Änderungen vorstellen. Hierzu gehören – anders als Frau Ströver Ihnen versuchte glaubhaft zu machen, übrigens keine Regelung zum Offenen Kanal – zum einen die Verbesserung des Jugendschutzes. Indizierte Sendungen, sofern sie überhaupt strafrechtlich nicht relevant sind, können frühestens ab 23 Uhr ausgestrahlt werden. Das ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand. Weiter trifft der Vertrag Regelungen für die Übertragung von Großereignissen im frei empfangbaren Fernsehen. Die Befürchtungen, dass Olympische Winter- oder Sommerspiele, Fußballwelt- oder Europameisterschaften sowie andere wichtige Fußballendspiele auf nationaler oder europäischer Ebene nur gegen unangemessene hohe Bezahlung der Zuschauer im Fernsehen verfolgt werden können, ist damit gebannt. Ich will hier verdeutlichen, dass dies nicht selbstverständlich war. Damit liegen auch Eingriffe in das Vermögen und Eigentum der jeweiligen Veranstalter vor.

[Frau Ströver (Grüne): Das ist falsch! – Eßer (Grüne): Können Sie den Text nicht lesen?]

Der Vertrag eröffnet der Werbung, dem Sponsoring und dem Teleshopping größere Handlungsspielräume. Das finde ich richtig. ARD und ZDF können ihre gesetzlich bestimmten Programme gesichert ausstrahlen, unabhängig davon, ob die Verbreitung digital oder analog erfolgt. Der Vertrag gibt den Landesrundfunkanstalten damit die ihnen zustehende Entwicklungsgarantie.