Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Goetze! Es war ja wieder zum Ergötzen.

[Beifall des Abg. Kaczmarek (CDU)]

Wir bauen die U-Bahn und das Schloss, wir haben für alles Geld, aber genauer darf es nicht werden.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Herr Wowereit hat am Schluss der letzten Haushaltsberatungen gesagt, an den Bauhaushalt traue sich keiner heran. „Keiner“ war gelogen, denn wir gehen gern an diesen Bauhaushalt ’ran, und zwar besonders da, wo die Millionen einfach nur verschleudert werden. Da wären wir schon über die gesamten letzten Jahre hin gern einmal herangegangen.

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Nehmen wir als Erstes die Entwicklungsgebiete: Wenn wir die Geldverschwendung der Entwicklungsträger immer wieder kritisiert haben, wurde gesagt, wir machten sie nur schlecht und schadeten damit den Gebieten – nach dem Motto: Der Bote, der die schlechte Botschaft überbringt, ist der Verursacher dieser Botschaft. – Wenn man sich jetzt den Rechnungshofbericht anschaut, findet sich darin Wort für Wort die seit Jahren vorgetragene Kritik der Grünen. Es war nicht nur die Kritik der Grünen, sondern auch die Kritik der anderen Oppositionspartei. Das will ich gar nicht für uns allein in Anspruch nehmen. Akribisch wird im Rechnungshofbericht aufgelistet, was wir die ganze Zeit über kritisiert haben, aber Sie haben das laufen lassen. Seit 1996 hätten Sie den Riegel vorschieben müssen.

Fangen wir einmal mit dem Schlachthof Eldenaer Straße an: Was ist dort die letzten Jahre über gelaufen? – Der Entwicklungsträger hat sich ein schönes Büro gebaut, und ein paar denkmalgeschützte Gebäude wurden abgerissen. Dann hat der Entwicklungsträger noch ewig lange gegen die Gewerbetreibenden geklagt und am Ende versucht, sie vom Hof zu jagen, anstatt sie zu nutzen, um das Gebiet zu entwickeln. Und er hat sein Geld bekommen. Was hat er für dieses Geld geleistet? – So gut wie nichts! Er hätte nicht eine müde Mark verdient.

[Beifall bei den Grünen]

Ich komme zum zweiten Entwicklungsgebiet, der Wasserstadt Oberhavel: Dort wurde arsenverseuchtes Gelände gekauft – Preis: 1 200 DM pro Quadratmeter –, und das für Eigenheimbau. Da können sie ja sehen, wie Sie das später wieder „heruntersubventionieren“, damit sich die Berliner das auch kaufen können. Es wurden teure Brücken gebaut, und es wurde gegen Beschlüsse des Abgeordnetenhauses und Auflagen des Senats verstoßen, als würden die Entwicklungsträger die gesamten Maßnahmen aus der eigenen Tasche bezahlen. Ich sage: Derartige Dinge sind eine richtige Veruntreuung von öffentlichen Geldern, aber der Senat tut letztendlich nichts.

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Niedergesäß (CDU): Das ist ein starkes Stück, was Sie da sagen! So übel sollte man über die Leute nicht reden!]

Sie haben darüber diskutiert, Herr Niedergesäß, und Sie wissen auch, dass es an einzelnen Punkten wirklich nicht in Ord

nung ist. Da wird es wohl auch noch zu Anzeigen kommen, und dann werden wir uns einmal mit den Gerichtsentscheidungen befassen.

Nehmen wir nun Adlershof als Beispiel: Wir haben von Anfang an gesagt, dass diese Konzeption – so, wie sie dort betrieben wird – absolut fatal ist: Diese Verstrickung zwischen Tochter- und Muttergesellschaft, wo die eine die Aufträge an die andere gibt, und dann gehen die Aufträge wieder zurück, und wo z. B. die Gutachtenaufträge fünfmal an die Gleichen für die gleichen Themen vergeben werden. – Als wir das kritisiert haben, sagte uns der Senat: Die Verträge wurden extra so gemacht, wir wollten die Synergieeffekte! – Der Rechnungshof hat uns jetzt gesagt, welche Synergieeffekte wir haben: Doppelt und dreifach wurde gezahlt, ohne Ausschreibung wurden Aufträge vergeben, und alles ist wesentlich teurer geworden.

Die Entwicklungsträger werden zu 100 % bezahlt, aber bei den Leistungen haben sie maximal 30 % von dem erfüllt, was sie hätten erfüllen müssen. Wenn Sie solche Verträge abschließen, dann frage ich mich: Ist es Ihre absolute Dummheit oder ist es das, was wir unter Berliner Filz verstehen. Beides ist verantwortungslos. [Beifall bei den Grünen und der PDS]

Neben diesen gut ausgestatteten Entwicklungsgebieten gibt es dann auch noch die Neubaugebiete mit ihren städtebaulichen Verträgen. Hier ist es genau das Gleiche: Die Verträge sind so gestaltet, dass die Leute sich einfach nur bedienen können. Der Landeshaushalt ist quasi ein Quell ewig sprudelnden Geldes. [Niedergesäß (CDU): Das ist ja irre!

Immer nach dem Motto: Wir nehmen es nicht so genau, hier eine Million mehr, da eine Million mehr. Es fällt der Verwaltung noch nicht einmal auf, wenn die sich verrechnen. Da müssen schon andere kommen und quasi darum bitten, einmal nachzurechnen, weil jemand ein paar Quadratkilometer Straßen zuviel abgerechnet hat. Das ist beispielsweise bei Karow-Nord passiert, und das wissen Sie auch.

[Niedergesäß (CDU): Lassen Sie einmal die Kirche im Dorf!]

Eine teure Infrastruktur müssen sie auch für die Eigenheimgebiete bezahlen, die sogenannte Elisabethaue. Zwar haben Sie jetzt die Bauausstellung gekippt, aber die BLEG macht trotzdem weiter wie bisher. Das müssen wir doch alles bezahlen! Bisher haben Sie bereits 18 Millionen DM verplant, ohne das irgend etwas gebaut worden wäre. 18 Millionen DM mehr, was ist das schon? – 5 Millionen DM, ein Schnäppchen mehr, sagte Herr Klemann immer so schön. Da wird noch manches Milliönchen hineinfließen, weil wir auch die Infrastruktur bezahlen müssen, wenn wir Eigenheime dorthin bauen wollen.

Jetzt kommen wir zu Herrn Diepgens „sozialer Balance“. Er sagte, er stehe dafür. Dann schauen wir uns doch einmal die Sanierungsgebiete an. Seit Jahren wird sich in den Sanierungsgebieten nicht mehr um Infrastruktur gekümmert. Die Förderung in den Sanierungsgebieten ist die Förderung der Hauseigentümer und nicht mehr der Mieter und Mieterinnen. Ich erkläre es immer wieder, wenn ich eine Gelegenheit dazu finde, bis dieser Missstand abgeschafft ist.

[Beifall bei den Grünen]

Die vielbeschworene Qualität der Innenstadt bleibt auf der Strecke, weil für die Entwicklungsgebiete Milliardenbeträge verpulvert werden.

[Niedergesäß (CDU): Siehe Potsdamer Platz!]

Sie pflegen aber nicht den Bestand, sie erhalten ihn nicht und sie verbessern ihn nicht. Aber ihr großes Ziel lautet: Wir wollen die Innenstadt qualitativ verbessern, damit die Menschen in der Innenstadt bleiben. So schaffen Sie das nie.

Sehen wir uns einmal an, welche Möglichkeiten Sie ansonsten für die Infrastruktur schaffen. Herr Böger erzählt hier ganz stolz – ich glaube, Herr Steffel hat es auch getan –: Wir legen ein Schulsanierungsprogramm auf, mit dem Umfang 100 Millio

nen DM. – Sie haben aber den Bezirken 150 Millionen DM aus dem baulichen Unterhalt gestrichen, wo bitte schön sind die restlichen 50 Millionen DM geblieben?

[Niedergesäß (CDU): Die haben wir versoffen!]

Und dann stellen Sie sich hinterher hin und sagen: Die Bezirke sind nicht in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen. Und warum?– Weil Sie ihnen das Geld wegnehmen. Anschließend stellen Sie sich hier hin und feiern sich für das Programm mit einem Umfang von 100 Millionen DM, nachdem Sie zuvor den Bezirken das Geld genommen haben. So geht es natürlich nicht!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Um die Folgen dieser Politik zu mildern, werden noch einmal neue Gebiete ausgerufen, Gebiete mit besonderem Handlungsbedarf oder auch Quartiersmanagementgebiete. Hier sollen nun Maßnahmen ergriffen werden, die eigentlich selbstverständlich sein müssten für die gesamte Stadt. Aber hier, wo es besonders schlimm aussieht, wird schnell etwas ausgebessert, damit es nicht so auffällt. Finanziell – um noch einmal den Vergleich zu ziehen, wegen der „sozialen Balance“ – erhalten alle Quartiersmanager in einem Gebiet nicht viel mehr als das Geld, was ein Geschäftsführer bei einem Entwicklungsträger verdient. Wenn man sich dieses Verhältnis ansieht, zeigt das, welche Schwerpunkte Sie setzen.

Sehen wir uns die Akteure in den einzelnen Gebieten an. Frau Klotz hat bereits darauf hingewiesen, welche Probleme es mit dem Arbeitsamt gibt. Bei den Wohnungsbaugesellschaften ist es doch genauso. Wenn ich mir ansehe, in der Rollbergsiedlung – Quartiersgebiet – kostet der Quadratmeter warm 20 DM. Ist dies womöglich der Grund dafür, dass dort die Menschen wegziehen, weil es ihnen zu teuer ist? – Das interessiert Sie aber nicht. Auch im Neuen Kreuzberger Zentrum kosten die Wohnungen zum Teil bis zu 2 000 DM. Das ist für dieses Gebiet viel zu hoch. Machen die Gesellschaften auch nur den Versuch, die Mieten zu mindern? – Nein, es gibt beispielsweise für die Rollbergsiedlung noch nicht einmal Anträge, die Mieten zu senken, durch die Umschuldung auf günstigere Kredite, die dann vom Senat auch noch einmal aufgeteilt werden, wie wir es in der letzten Legislaturperiode gefordert haben. Noch nicht einmal das wird gemacht.

Ein anderes Beispiel: Die Degewo saniert im Quartiersgebiet Schöneberg die Häuser. Was wird als erstes gemacht? – Sie kündigen den Ladenbesitzern, behaupten, es sei alternativlos, es sei kein Sanierungsgebiet. Auf der anderen Seite steht der Quartiersmanager und soll das Gewerbe in dem Gebiet unterstützen. Das ist dermaßen kontraproduktiv, weil niemand mit niemandem zusammenarbeitet, weil sie die Borniertheit der einzelnen Verwaltungen nicht überwinden können und an einen Tisch bekommen. So kann selbst bei gutem Willen wenig Gutes in diesem Bereich passieren.

Frau Kollegin! Ihre Fraktion möchte Ihnen signalisieren, dass Sie zum Schluss kommen sollen.

Ja. – Sie wollen auch noch die preiswerten Wohnungen erhalten. Die werden verkauft, sie werden überall in der Stadt verkauft und auf den teuren Wohnungen werden Sie sitzenbleiben.

Herr Goetze hat voller Begeisterung gesagt: Wir werden Wohnungsbaugesellschaften verkaufen und dann dafür sorgen, dass die Wohnungen besser verteilt sind.

[Goetze (CDU): Zuhören!]

Herr Goetze, die Wohnungen sind in der Stadt noch relativ gut verteilt. Wenn Sie erst einmal die GSW verkauft haben, wenn Sie erst einmal die Gewobag verkauft haben, dann sind sie überhaupt nicht mehr verteilt. Dann können Sie anschließend kommen und sich hinstellen und beklagen: Jetzt haben wir wieder eine Segregation, jetzt haben wir wieder eine Konzentration.

[Goetze (CDU): Sie haben nicht einmal richtig zugehört!]

Ich habe zugehört. Ich habe nämlich zwei Ohren.

Wir wollen eine solidarische und soziale Stadt. Wir nennen es keine „soziale Balance“, wenn Sie auf der einen Seite den Leuten das Dach über dem Kopf verkaufen, um dann die Eigenheime zu finanzieren. Haben Sie doch endlich einmal den Mut, Ihren Ballast abzuwerfen, wie Herr Steffel es so schön sagt, das sind die Entwicklungsgebiete. Die kosten uns Milliarden. Solange Sie derartige Dinge im Haushaltsausschuss einfach durchgehen lassen, können Sie doch nicht von uns erwarten, dass wir Ihrem zustimmen!

[Beifall bei den Grünen und der PDS]

Danke, Frau Kollegin! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Kollege Arndt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem Etat des Bauund Stadtentwicklungssenators zustimmen. Wir finden auch, er hat einen guten Antrag eingebracht.

Mit der Verschmelzung der Ressorts Umwelt, Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr, haben wir die Grundlage geschaffen – so wie es von Ihnen von der Opposition und den Fachleuten immer gefordert worden ist – für ein integriertes Zusammenspiel der Fachressorts. Wenn wir heute diskutieren über Modernisierung und Sie beklagen, Frau Oesterheld, dass da Mittel reduziert worden sind, und gleichzeitig aber nicht bedenken, dass diese Mittel zum Teil im Schulressort für die bauliche Unterhaltung verwendet werden,

[Frau Oesterheld (Grüne): Die haben Sie doch den Bezirken geklaut!]

dann ist das einfach unverfroren. Die ganze Diskussion, wie sie heute zelebriert wird von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, bedrückt mich in einigen Punkten.

Gestern gab es eine große Demonstration in der Stadt unter dem Motto: Gegen eine Stunde Mehrarbeit.

[Over (PDS): Da war ja die Presse differenzierter, Herr Arndt!]

So war das der Presse zu entnehmen, Herr Over! – Gleichzeitig wissen die Experten in der Stadt, wir haben in der Stadt 30 000 arbeitslose Arbeiter im Baubereich. Für die geht keiner auf die Straße. Die haben schon längst die rote Karte bekommen.