Protokoll der Sitzung vom 30.05.2002

abgrenzbare Gruppe, auch innerhalb der Russischen Föderation. Die wissen, wer Tschetschene ist, und wir wissen es auch. Es gibt Leute, die sich fälschlich darauf berufen. Das kann man aber feststellen. Insofern ist alles Horrorgemälde, glaube ich, neben der Sache.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Der Sache nach versucht der Beschluss zu umschreiben, was sich aus dem Bericht des Auswärtigen Amts ergibt. Das Auswärtige Amt sagt:

Tschetschenen, die nach Russland zurückgeführt werden und dort keine Angehörigen haben, haben keine Chance, dort vernünftig unterzukommen. Sie werden in den Untergrund, in die Illegalität gedrängt und werden administrativen Erschwerungen ausgesetzt, die nicht den Umfang der Verfolgung erreichen, die aber jedenfalls unter humanitären Gesichtspunkten beachtet werden können.

Das muss man dann überlegen. Ich beabsichtige deshalb, wenn der Beschluss hier gefasst wird, ihm zu folgen, die Ausländerbehörde dann auch entsprechend mit einer Abschiebestoppanordnung zu bitten, für diesen abgegrenzten Personenkreis von Abschiebungen abzusehen.

[Beifall bei der PDS]

Die tatsächliche Auswirkung hält sich in kleinen Grenzen. Es geht um zwei, die sich in Abschiebehaft befinden; weitere drei, die sich dort befinden, unterliegen nicht meiner Anordnungsbefugnis bzw. bei einem hat uns die russische Botschaft gesagt, das ist kein Tschetschene – mal zur Frage der Abgrenzung –, der behauptet das nur, um dadurch irgendwas in Anspruch nehmen zu können. Das heißt, es ist ein relativ kleiner Personenkreis, den wir im Moment treffen.

Ich werde das Thema für die im Winter stattfindende IMK auf die Tagesordnung setzen lassen. Ich werde es nicht jetzt am Dienstag auf der IMK zu behandeln versuchen, weil das m. E. vorbereitet sein muss. Das muss man wirklich noch mal gründlich prüfen. Man muss vielleicht noch einmal einen neuen Bericht vom Auswärtigen Amt haben. Und dann werden wir gemeinsam als Innenminister im Dezember neu entscheiden, wie wir damit umgehen. Bis dahin, meine ich, geschieht Berlin kein Unrecht, wenn 200 Personen in diesen 6 Monaten nicht abgeschoben werden.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Senator Dr. Körting!

Ich sehe keine Wortmeldungen, dadurch kommen wir zum Beschluss. Der Innenausschuss empfiehlt zum Antrag der Fraktion der Grünen eine Neufassung, und zwar mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU und FDP, bei Enthaltung der Fraktion der Grünen. Wer so gemäß Drucksache 15/489 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist dies so beschlossen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 7 B, Drucksache 15/497:

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umweltschutz vom 29. Mai 2002 zum Antrag der Fraktion der CDU über Änderungen des Flächennutzungsplanes Berlin (FNP), Drucksache 15/46

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall.

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Antrags. Wer also dem Antrag der CDU Drucksache 15/46 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist dies einstimmig so angenommen.

(A) (C)

(B) (D)

Vizepräsident Dr. Stölzl

Wir kommen zur

lfd. Nr. 8, Drucksache 15/471:

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS über Aufhebung von Stadterneuerungsgebieten

Da ist neuerdings keine Beratung mehr vorgesehen. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz und an den Hauptausschuss. Wer dies so möchte, den bitte ich um das Zeichen! – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist dies mit Mehrheit einstimmig so angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 9, Drucksache 15/472:

Antrag der Fraktion der FDP über Vollendung des Kulturforums im Geiste Scharouns

Für die Beratung steht uns nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Es beginnt die FDP mit Herrn Schmidt. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gibt nicht oft Gelegenheit, zu einem Thema zu sprechen bzw. einer Planung, die älter ist als man selbst.

[Zuruf von der CDU: Oh!]

Das Kulturforum Scharouns – ja, ich bin noch etwas jünger als Sie –

[Zuruf von der CDU: Ich auch!]

mit der Philharmonie, dem Kammermusiksaal und der Staatsbibliothek ist ein Juwel Berlins. Gebaut unweit der ehemaligen Grenze Westberlins, war und ist besonders die Philharmonie Symbol für die Offenheit und Internationalität unserer Stadt. Wie wichtig gerade diese beiden Tugenden für das vereinte neue Berlin sind, zeigt auch die Bebauung des Potsdamer Platzes. Mit dem Sony-Center ist in direkter Nachbarschaft zur Philharmonie über die Straße hinweg ein Publikumsmagnet entstanden, der Touristen aus dem In- und besonders auch aus dem Ausland anzieht. Damit ist nicht etwa das Kulturforum in den Schatten des Potsdamer Platzes gerückt, auch wenn sich die Gebäude dort hoch in den Himmel strecken, sondern fester Bestandteil des neuen Zentrums Berlins geworden. Ein Beleg dafür sind z. B. die Gespräche über eine Konzeption zwischen Sony und der Philharmonie, um diese besser an den Potsdamer Platz anzubinden.

Die vor einigen Jahren durchgeführte Neugestaltung des Areals des von Scharoun geplanten Künstlergästehauses ist den Anforderungen an diese zentrale Lage jedoch nicht gerecht geworden. Die Freifläche an der einzigen funktionierenden OstWest-Verkehrsachse bietet keine Aufenthaltsqualität. Sie ist zugepflastert, mit einer Baumparade versehen und ansonsten immer menschenleer. Deshalb kann diese Fläche auf keinen Fall so bleiben, wie sie jetzt aussieht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Gerade auch mit dem Künstlergästehaus, das eben nicht nur ein simples Hotel werden sollte, hat sich Scharoun als Visionär erwiesen, denn diese Planung wird der heutigen Situation voll gerecht. Dies hatte auch das Abgeordnetenhaus bereits am 1. Juli 1999 erkannt und einstimmig die Veränderung des Kulturforums nach den Planungen Scharouns beschlossen. Die Umsetzung dieses Beschlusses harrt derweil weiter der Umsetzung und hatte aus Sicht der Striederschen Senatsverwaltung mit einem Bericht aus dem Herbst 1999 ihre Erledigung gefunden. Das 1998 vorgelegte Planwerk Innenstadt ist mit den Vorstellungen Scharouns auch im Bereich des Kulturforums nicht kompatibel. Das Konzept für ein Künstlergästehaus passt nicht in

das Planwerk. Die Frage der Vollendung des Kulturforums verkommt hier zu einem ideologischen Gefecht zwischen dem Staatssekretär Stimmann und dem Ehrenbürger Berlins Scharoun.

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Gerade der Vergleich der Philharmonie mit einem russischen Kreiskulturhaus und die Straßenbahnplanung mit Endhaltestelle auf dem Kulturforum aus dem Hause Strieder zeigen, wie schändlich mit der bedeutendsten städtebaulichen Neuschöpfung in Berlin seit dem Krieg umgegangen wird.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Bei dem angedachten Konzept für das Künstlergästehaus handelt es sich gerade nicht, wie von Herrn Strieder in Unwissenheit behauptet, um ein reines Hotel, sondern um eine Mischung aus kultureller und kommerzieller Nutzung, ein Konzept, das dem Ort gerecht wird und zugleich wirtschaftlich tragfähig ist. Die Endhaltestelle der Straßenbahn vor der Gemäldegalerie mit ihren Oberleitungen wird dem Erscheinungsbild des Kulturforums massiv schaden.

[Cramer (Grüne): Was soll das denn?]

Ja, Herr Cramer, in diesem Punkt ist unser Antrag weiter gehend als der der CDU und bietet zudem konkrete Handlungsaufträge, um die Vollendung des Kulturforums zu befördern.

Nachdenklich stimmt die christdemokratische Initiative, weil es gerade unter Ihrem Regierenden Bürgermeister nicht gelang, den Beschluss des Abgeordnetenhauses umzusetzen und das Vorhaben voranzutreiben. Auch Ihr Bausenator, Herr Klemann, hatte dazu nichts beigetragen. Für die CDU scheint hier der Gang von der Senatsbank in die Opposition mit einem Meinungswechsel um 180 Grad verbunden gewesen zu sein. Wir begrüßen jedoch Ihre Meinung zur Vollendung des Kulturforums nach den Planungen Scharouns und hoffen bei dem Antrag auf eine so breite Zustimmung in dieser Frage wie vor drei Jahren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD hat nun Herr Radebold das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das heutige Kulturforum ist ein Ort, an dem die Geschichte mit vielen Wechseln vorübergegangen ist. Der Ort hat sie überlebt. Die Spuren dieser Geschichte sind heute auch von Kennern mehr zu ahnen als zu sehen. So ist es schon erstaunlich, mit welcher Vehemenz über städtebauliche Konzepte, über Umgangsfragen mit dem Ort dort gestritten wird. Meiner Meinung nach findet ein Beharren in der Beurteilung der Lage und Entwicklung dieses Ortes statt, das den neuen Fragen, die sich zur Weiterentwicklung stellen, nicht gerecht wird. Wir haben wesentliche Brüche in der Stadt. Herr Schmidt, der Ort liegt nicht mehr am Rand der Stadt, die Einheit hat diesen Ort in die Mitte der Stadt gelegt. Die Bauten am Potsdamer Platz erfordern eine neue Antwort für die Gestaltung des Ortes. Die Fragen der Qualifizierung der Aufenthaltsqualität, der Freiflächen, müssen mit in Entscheidung einbezogen werden. Natürlich ist auch die Verkehrssituation eine andere als damals angedacht. Ich denke, dass ein Glaubenskrieg keine Antwort auf 50 Jahre Stadtentwicklung ist. Der Senat muss Interessenerkundungen mit den am Ort ansässigen Institutionen durchführen, mit den Einrichtungen, und selbstverständlich auch mit potentiellen Investoren. Dazu gehört es auch zu prüfen, ob durch die Hochbaumaßnahmen weitere Arrondierungen des Ortes darstellbar sind. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit dem etwas älteren Konzept von Scharoun. Ich bin der Meinung, dass wir kein Dogma über diesen Ort stellen dürfen, sondern die Darstellung der Entwicklungsmöglichkeiten des Ortes und seiner Vollendung aus heutiger Sicht zu beurteilen haben. Dazu gehört für mich aus heutiger Sicht – der Finanzsenator ist nicht da – die Einbeziehung – wenn möglich – privaten Kapitals zur Weiterentwicklung. Das würden wir sehr befürworten, wenn es dort Möglichkeiten gäbe.

Herr Schmidt, wer hat Ihnen denn den komischen Satz in Ihrem Antrag aufgeschrieben, die Beeinträchtigung des städtebaulichen Raumgefüges durch die Straßenbahn würde diesen Ort herabwürdigen?

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Ist doch klar, wer das war!]

Ich denke, darauf kann man nicht antworten, das ist beim besten Willen unter Niveau.