Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Was verlangt denn dieser Antrag? – Er verlangt das Offenlegen der Themen, über die geredet werden soll.

[Ritzmann (FDP): Die Möllemannis!]

Was spricht eigentlich dagegen? – Wenn Sie wüssten, worüber Sie verhandeln und worüber Sie reden sollen

[Wolf, Harald (PDS): Das ist doch gar nicht der Antrag! – Frau Dr. Klotz (Grüne): Doch! – Dr. Lindner (FDP): Lesen Sie einmal unseren Antrag!]

und dass Sie damit eine realistische Chance haben, 250 Millionen $ zu erzielen, würden Sie ja stolz wie Oskar durch diesen Saal marschieren und es jedem erzählen, der es hören will oder auch nicht. Sie wissen einfach nicht, worüber Sie reden sollen im Volumen von 250 Millionen $, deswegen können Sie auch nichts auf den Tisch legen. Das ist aber dann wirklich ein Offenbarungseid.

[Beifall der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Wir haben schon die Einschätzung, dass Sie diesen Solidarpakt völlig falsch angepackt haben. Gucken wir uns ein insolventes Industrieunternehmen an. Wenn es dort darum geht, Solidargespräche zu führen, wer sitzt da mit am Tisch? – Da sitzen die Arbeitnehmer, das sitzt der Arbeitgeber und da sitzt die Bank. Und ohne diese Bank geht es in der Regel nicht. Und Sie versuchen, hier im Moment in Berlin ein Gespräch zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber zu führen und die Bank dabei auszublenden. Die Bank ist in diesem Fall, so Leid es mit tut, der Bund. Weil Sie wissen, dass die Bank auch von Ihnen etwas erwarten und verlangen würde, nämlich ein vernünftiges Konsoldierungsprojekt, klammern Sie die Bank aus, klammern Sie den Bund aus und erwarten von den Arbeitnehmern, dass sie sagen, im Prinzip haben wir kein Projekt, wo es hingeht, und wir wissen auch nicht, ob es etwas nützt, aber wir sind erst einmal bereit zu verzichten. Darauf kann sich eine Arbeitnehmerseite überhaupt nicht einlassen. Und das wissen Sie auch. – Insofern ist das Konzept zur Konsolidierung unter Beteiligung aller Betroffener die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Solidarpaktgespräche. Dieses Konzept fehlt. Deswegen können Sie auch nicht sagen, worüber Sie konkret verhandeln wollen.

Zwei Anmerkungen: Sie selber wissen, wie hoffnungslos es ist. Sie haben die natürliche Fluktuation im Lande Berlin in Ihrem Haushalt angesetzt mit 42 Millionen $, statt mit 100 Millionen $ in den nächsten beiden Jahren. Sie haben sich hier einen Puffer von 60 Millionen $ gebastelt, wohl wissend, dass Sie die Zielvorgabe des Solidarpakts nicht erreichen können. Dann haben Sie da wenigstens noch ein bisschen Rückhalt. Das ist ein ziemlich unseriöses Verfahren. Das täuscht die Öffentlichkeit.

Der Finanzsenator hat auf seiner Webside seit März dieses Jahres einen sehr schönen Satz zum Solidarpakt stehen. Darin steht, und das hat er dann in der Finanzplanung als Senatsbeschluss wiederholt:

Wenn der Solidarpakt nicht erfolgreich ist, dann muss die pauschale Minderausgabe von 250 Millionen $ aus dem Haushalt wieder herausgenommen werden.

Herr Sarrazin, Sie haben jetzt noch 14 Tage Zeit bis zur Verabschiedung des Haushalts. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Solidarpakt bis dahin zum Erfolg gekommen sein wird.

Die Konsequenz wäre, dass wir in 14 Tagen ganz nach Ihren Worten diese 250 Millionen $ streichen. Diese Konsequenz ziehen Sie nicht; denn auch das wäre nach sechs Monaten Regierungszeit ein Offenbarungseid.

Einen zweiten und letzten Satz füge ich an zu Herrn Wolf und der PDS-Fraktion: Sie haben, Herr Wolf, gestern im Hauptausschuss in dieser Debatte gesagt: „Wenn das nicht zum Ergebnis führt, dann werden wir selbst handeln.“ – Wo sind denn Ihre Alternativen auf landesrechtlicher Ebene?

[Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Sie können die Arbeitszeit für Beamte auf 44 Stunden hochsetzen. – Das reicht nicht, um die 250 Millionen $ zu erzielen. – Sie können den Einstellungsstopp erweitern auf Polizei und Lehrer. – Da kommen Sie mir, ehrlich gesagt, vor wie der etwas trotzige sechsjährige Harald, der sagt: „Also eigentlich will ich die Bildung stärken, aber weil die Gewerkschaften so böse sind, mach’ ich die Bildung jetzt ganz kaputt, und dann sind die schuld.“ –

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Das ist ungefähr die Logik, die dahintersteckt. Sie wissen, dass Sie das nicht durchhalten. Sie wissen, dass es so nicht funktioniert in der Politik, und deshalb ist diese Drohung relativ substanzlos und unseriös. Sie müssen eingestehen, dass Sie dieses Personalkostenabbauprojekt Solidarpakt in dieser Form und mit dieser Verhandlungsstrategie nicht erreichen werden.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Danke, Herr Schruoffeneger! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Fraktion der FDP bittet um sofortige Abstimmung. Dann stimmen wir ab. Wer dem Antrag der FDP seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt. Wir sind uns hier einig.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 20, Drucksache 15/523:

Antrag der Fraktion der FDP über pünktlichen Schuljahresbeginn

Es wurde von einer Beratung abgesehen. Im Ältestenrat ist die Überweisung an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport beantragt worden. Darüber lasse ich abstimmen. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Zeichen. – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist diese Überweisung so angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 21, Drucksache 15/524:

Antrag der Fraktion der FDP über Senderfusion von SFB und ORB vom Kopf auf die Füße stellen – ohne Konzept der Sender keine Fusion

Den Fraktionen steht eine Redezeit von jeweils fünf Minuten zur Verfügung. Es liegen Wortmeldungen aus allen Fraktionen vor. Für die FDP beginnt und hat das Wort Herr Dr. Lindner. – Bitte schön!

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Ich schicke ganz klar für die FDP voraus: Wir wollen eine Senderfusion. Fusionen, Senderfusionen allemal, bieten große Chancen. Und diese Chancen zeichnen sich hier elementar in drei Bereichen ab: Es können Synergieeffekte erzielt werden; es kann insbesondere eine günstige Kostenverteilung im Verhältnis Kosten der Verwaltung und Produktionskosten erreicht werden; und wir haben – das dürfen wir gerade in dem Bereich der Senderfusion nicht vergessen – durchaus die Chance, auch zu einer identitätsstiftenden Wirkung dieser Senderfusion zu kommen – nämlich gerade im Hinblick auf die von uns allen gewollte Länderfusion von Brandenburg und Berlin bietet ein einiger Sender von Berlin und Brandenburg, ein einiger Sender für die Regionen, auch die Chance, hier so etwas wie eine gemeinsame Identität von Berlin und Brandenburg zu fördern.

Was aber hier fehlt – bislang zumindest –, ist ein Fusionskonzept. Es ist jedenfalls nicht bekannt, inwieweit man sich hier dezidiert Gedanken gemacht hat, diese gerade von mir aufgezählten drei Effekte auch tatsächlich zu erzielen.

[Zuruf des Abg. Over (PDS)]

Nehmen Sie einmal als Vergleich eine Fusion aus der Wirtschaft! Nehmen Sie Daimler-Benz und Chrysler!

[Over (PDS): Fragen Sie mal die Aktionäre, was die davon halten!]

Sie haben völlig Recht, fragen wir einmal die Aktionäre! Stellen Sie sich einmal vor, seinerzeit wären die Vorstände von Daimler und die Vorstände von Chrysler zu ihren Aktionären gegangen und hätten gesagt, wir würden gerne fusionieren, da gibt es sicher ganz große Chancen, die auch auf der Hand liegen, aber ein Konzept machen wir nachher. Erst mal stimmt ihr als Gesell

schafter zu, und dann machen wir uns hinterher Gedanken, wie das Ganze über die Bühne geht. –

[Pewestorff (PDS): So ähnlich hat man’s leider gemacht! – Heiterkeit des Abg. Doering (PDS)]

Die Aktionäre hätten die Vorstände nach Hause geschickt, und zwar mit Recht! Und deswegen fordern wir, dass wir – bevor wir einer Senderfusion zustimmen – ein Konzept vorgelegt bekommen, und zwar nicht von den Landesregierungen, wohlgemerkt, sondern von den Sendern selbst, vertreten durch ihre Intendanten. Das Konzept beinhaltet die geplante Programmgestaltung, die Verwaltungs- und Organisationsstruktur, die Synergieeffekte und vor allen Dingen auch einen Zeitplan für die gewollte Senderfusion. Und wenn wir, als Vertreter der Gesellschafter, das Konzept dann vorgelegt bekommen, wie es sich gehört, haben wir – hoffentlich – ein hervorragendes Fundament, auf dem wir unsere Entscheidung auch substantiiert treffen können.

[Beifall bei der FDP]

Bisher ist diese Senderfusion nicht richtig glücklich gelaufen, das zeigen nicht nur Proteste verschiedener Gruppen, sondern das zeigt auch, wie Sie sich die Zusammensetzung des Rundfunkrats vorstellen. Da hieß es zuerst: Naja, das machen wir so, da stimmen wir einfach drüber ab. – Das heißt, es läge in der Hand der Regierungsmehrheiten sowohl des Landtags von Brandenburg als auch des Abgeordnetenhauses von Berlin, wie sich der politische Sektor im Rundfunkrat zusammensetzt. Das konnte wohl nicht Ihr Ernst sein! Jetzt kommen Sie auf die Idee zu sagen: Na gut, das können wir nicht machen, vielleicht haben wir doch Bedenken, dass es nach Gusto der Regierungsfraktionen geht, wie sich der Rundfunkrat zusammensetzt; dann machen wir jetzt d’Hondt. – Ich sage Ihnen, d’Hondt ist mindestens genauso problematisch. Nach der derzeitigen Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und des Landtags von Brandenburg würden von sieben der von den beiden Landtagen zu wählenden Vertreter im Rundfunkrat gerade einmal zwei auf Oppositionsfraktionen fallen, nämlich auf einen Oppositionellen von der PDS in Brandenburg und auf einen Oppositionellen von der CDU im Abgeordnetenhaus von Berlin.

[Zuruf des Abg. Doering (PDS)]

Zwei von sieben der Opposition zugedacht – auch dies kann nicht wirklich Ihr Ernst sein! Ich empfehle, bevor Sie tatsächlich zu einem Endergebnis kommen, einen Blick in das 6. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts zu werfen. Es gibt ganz klar auf, wie sich Rundfunkräte – und zwar auch in ihren einzelnen Abteilungen – zusammenzusetzen haben. Ich prophezeie Ihnen jetzt schon: Wenn Sie von dem d’Hondt-Verfahren nicht abrücken und sich nicht dem annähern, was in anderen Sendern üblich ist, nämlich entweder zu einem Grundmandat für alle Fraktionen zu kommen oder aber die Vertreter der Parlamente mit Zweidrittelmehrheit in den Rundfunkrat entsenden zu lassen, werden wir hier ganz sicher zumindest in den Dunstkreis einer erheblichen rechtlichen Auseinandersetzung kommen. Es kann aber nicht Sinn und Zweck einer Senderfusion sein, dass wir als Erstes hier Verfassungsgerichte beschäftigen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Vielen Dank, Herr Dr. Lindner! – Für die Sozialdemokratie spricht Herr Zimmermann – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lindner! Sie wollen die Fusion der beiden Sender, wie Sie gesagt haben. Aber mit Ihrem Ansatz, den Sie in dem Antrag zum Ausdruck bringen und den Sie hier auch noch einmal erläutert haben, würden wir diese Fusion garantiert nicht zu Stande bringen, das kann ich Ihnen versprechen.

Sie sprechen den Südwesten an, und zwar zu Recht. Der Südwesten war das Beispiel, das uns – unter anderem auch – dazu veranlasst hat, ein anderes Modell zu wählen als das, was dort versucht wurde und was Sie auch anregen. Sie sagen, eine

Fusion kann nur stattfinden, wenn die Sender vorher ein Wirtschaftlichkeits- und Finanzkonzept entworfen haben und wenn die Programmgestaltung durch die Länder, durch die Parlamente oder die Regierungen, geregelt wird.

[Dr. Lindner (FDP): Nein, durch die Sender!]