Protokoll der Sitzung vom 13.06.2002

Ja, durch die Sender, aber es muss dann irgendwo im Staatsvertrag festgehalten werden. Das war das Problem beim SWR, worunter er jetzt stöhnt, weil die Landesregierungen dem SWR den Auftrag erteilt haben: Macht ein bestimmtes Programm, und macht gleichzeitig eine bestimmte Wirtschaftlichkeitsrechnung! – Darunter stöhnen sie, weil sie es nicht schaffen, diese beiden Ziele, die sich auch widersprechen, in dem dortigen Vertrag zu vereinbaren. Genau diesen Weg gehen wir hier nicht, sondern wir gehen den Weg, dass wir eine funktionsfähige Zweiländeranstalt schaffen wollen.

Es geht darum, dass wir die Staatsferne sichern. Das ist aus unserer Sicht ein entscheidender Punkt. Er ist in Ihren Vorstellungen und auch in den Vorstellungen anderer leider zu kurz gekommen. Deswegen haben wir genau diese Art Staatsvertrag gemacht. Dieser gewährleistet, dass die Gestaltung der Programme und die Struktur des künftigen Senders von diesem selbst gemacht werden und wir den nötigen rechtlichen Rahmen setzen. Das ist unsere Funktion. Die führen wir aus, und ansonsten bleibt es bei der Gestaltungsfreiheit und der journalistischen Freiheit der künftigen Zweiländeranstalt. Das wäre auch für Sie ein hilfreicher Ansatz, um zu einem Stück mehr Versorgungsauftrag und Pressefreiheit zu kommen.

Es geht für uns aber vor allen Dingen darum, dass wir in der schwierigen Frage der Zusammenführung der beiden Sender die Versorgung der unterschiedlichen Räume, nämlich des Ballungsraums und des ländlichen Raums, sicherstellen. Das wird mit den entsprechenden Regeln im Staatsvertrag gemacht. Das ist eine Voraussetzung, die die Regierungen und Parlamente schaffen müssen, damit die Anstalt vernünftig arbeiten kann.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Jungnickel?

Bitte schön!

Ist Ihnen klar, dass es beim Südwestfunk nicht um das Programm, sondern die Programmstruktur ging?

[Dr. Jungnickel (FDP): Eben!]

Das ist genau das Problem beim SWR. Wenn Sie da einmal genauer hinschauen, werden Sie sehen, dass die riesige Schwierigkeiten haben, diese beiden Aufträge, die sie durch die Länder bekommen haben, miteinander zu vereinen. Da sind strenge Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte geregelt, die sie davon abhalten, die Programmstruktur, zu der sie aufgefordert sind, auch zu erfüllen. Genau das wollen wir für den SFB und ORB vermeiden. Wir wollen erreichen, dass die Programmversorgung, die wir für beide Seiten – den Ballungsraum und den ländlichen Raum – wollen, auch gemacht werden kann. Dazu hat der Staatsvertrag die richtigen Regeln gefunden.

Dürfte Herr Dr. Jungnickel noch eine Frage stellen?

Ich möchte noch ein, zwei Gedanken fortführen, deshalb jetzt bitte nicht. – Zum Schluss möchte ich klar machen, warum das ein Erfolg für Berlin ist. Wir haben offensichtlich keine Brandenburger Gäste mehr hier, und die Presse ist auch nicht mehr da. Deswegen kann man einmal sagen, dass wir einen ziemlichen Erfolg für die Stadt errungen haben. Von da her waren die Verhandlungen erfolgreich. Wir haben bei der Sitz

frage eine vernünftige Regelung für Potsdam und Berlin geschaffen, und wir haben für die rechtliche Bedeutung und Qualifizierung den Gerichtsstand Berlin. Das ist aus Berliner Sicht ein guter Kompromiss, den wir gemeinsam unterstützen sollten.

[Kittelmann (CDU): Das würde ich aus dem Protokoll streichen lassen!]

Ich glaube nicht, dass wir das streichen müssen. – Wenn der Vertrag vorliegt, werden wir hier noch genügend Zeit haben, Details zu debattieren. Das sollten wir jetzt nicht vorwegnehmen. Wir haben bei dem Ausschnitt, den Sie so in den Vordergrund heben, nichts zu den einzelnen Problemen gefunden. Die Probleme werden wir diskutieren, wenn der Staatsvertrag vorliegt. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall des Abg. Goetze (CDU)]

Danke schön, Herr Zimmermann! – Für die CDU spricht der Kollege Braun. – Vorher hat Herr Dr. Lindner um eine Kurzintervention gebeten. – Bitte schön!

Ich spreche noch etwas an, um keine Legendenbildung entstehen zu lassen. – Herr Kollege Zimmermann, gerade weil wir die Senderfreiheit und die Freiheit der Programmgestaltung der Sender und des zu fusionierenden Senders als FDP-Fraktion besonders achten, sind wir der Auffassung, dass die Sender selbst ein Konzept vorlegen sollten. Keinesfalls ist das im Staatsvertrag zu regeln. Nicht dass wir uns missverstehen. Es ist umso mehr erforderlich, sich von den Sendern selbst ein Konzept vorlegen zu lassen, wenn der Gesellschafter sagt: Es ist eure Freiheit. Ihr bestimmt das und nicht die Politik, die Regierungen oder die Parlamente.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Jetzt hat Herr Braun aber das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor vier Wochen hatten wir die gleiche Diskussion schon einmal im Parlament, und zwar im Rahmen einer Großen Anfrage verbunden mit der Aktuellen Stunde, und wer sich die Presseberichterstattung im Nachtrag dazu angesehen hat, der konnte feststellen, dass keine Berliner Zeitung über diese Diskussion, die zur besten Fernsehzeit stattfand, berichtet hat. Deswegen stellt sich die Frage, ob eine solche Diskussion heute – gegen 22.00 Uhr – noch Sinn macht. Ich begrüße ausdrücklich, dass im Präsidium und Ältestenrat – im Beisein unserer Geschäftsführer – darüber nachgedacht wird, wie wir die Arbeit des Parlaments straffen können. Diskussionen, wie wir sie aktuell führen, können wir uns – wenn wir ehrlich sind – sparen.

Zurück zur Sache: Warum hat vor vier Wochen die Presse darüber nicht berichtet? – Ich bin sicher, dass war deshalb so, weil für keinen nach der Diskussion ersichtlich war, was der Berliner oder die Berlinerin, der Hörer und Zuschauer von dieser Fusion von ORB und SFB hat. Wir haben damals übereinstimmend feststellen können, dass es kein Konzept gibt. Von der FDP wird es angemahnt. Von der Regierungskoalition wird damit sogar geworben. Es gibt kein Konzept. Der Berliner weiß nicht, was auf ihn zukommt.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir wissen inzwischen auch, dass es keine Wirtschaftlichkeitsberechnung, wie von uns gefordert, gibt. Aus welchen Gründen auch immer: Entweder kann man sie nicht erstellen oder, man will es nicht. Jedenfalls wird es sie nicht geben, so dass die Vermutung von Herrn Dr. Lindner, durch eine Fusion werde alles schöner, besser und wirtschaftlicher, zunächst eine solche bleibt. Ob es wirklich dazu kommen wird, ist höchst fraglich. Dass der Gebührenzahler etwas davon hat – wenn er schon nicht weiß, worauf er sich einlässt –, beispielsweise in Form von

geringeren Gebühren, kann man heute mit Fug und Recht ausschließen. Es wäre das erste Mal in der Bundesrepublik, dass Gebühren gesenkt würden. Ich glaube nicht daran. Und nun kann man sagen: Vielleicht hat er ja, wie es in der Koalitionsvereinbarung steht, etwas mehr Programm. Vielleicht kann er mehr wählen. – Alle Berechnungen sagen, das sei abwegig; es werde weniger Programm geben. Ich stelle mir deshalb die Frage, was wir eigentlich von dieser Fusion haben – es sei denn, man macht eine Fusion um der Fusion willen.

Ein Konzept wird zwar eingefordert und im Sender schwirren einige Konzepte herum, aber es gibt keine durch die jeweiligen Landesregierungen politisch legitimierten Konzepte. Es wird argumentiert, dass sei wegen der Politik- und Staatsferne der Sender notwendig. Da täuscht der Senat meines Erachtens über seine wirklichen Absichten hinweg.

Wenn wir uns beispielsweise die Zusammensetzung des Rundfunkrats anschauen – darauf wurde hingewiesen –, dann stellen wir schnell fest, dass solange rumgefummelt wurde, bis man heute eine sichere Mehrheit für Rot-Rot in dem neuen Sender hatte. Das war das erklärte Ziel. Ich erinnere daran, dass in der letzten Legislaturperiode von der PDS hier noch ein Antrag eingebracht wurde – viele neue Mitgleider des Hauses wissen es gar nicht –, in dem sie forderte, dass jede Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus mit mindestens zwei Sitzen im Rundfunkrat vertreten ist. Vor diesem Vorschlag höre ich jetzt, wo es aktuell wird und wo wir dabei sind, den Staatsvertrag zu ändern, nichts mehr.

Eine Fusion um der Fusion willen wird es mit der Union nicht geben. Erklären Sie hier klar, deutlich und belegbar, was die Vorteile für die Berliner sind. Wenn Sie das nicht können, dann lassen Sie es sein. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Braun! – Für die PDS hat Frau Dr. Lötzsch das Wort. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich immer über die Auftritte des medienpolitischen Sprechers der Fraktion der FDP, Herrn Dr. Lindner, der gerade beklagte, man habe nicht mit den Ländern geredet, und es sei nicht diskutiert worden.

[Dr. Lindner (FDP): Nein, da haben Sie mir nicht richtig zugehört!]

Es ist natürlich schwierig für eine kleine Fraktion, alle Ausschüsse zu besuchen. Es gab zwei öffentliche Anhörungen. Es gab eine im Berliner Ausschuss, wo die Intendanten, Personalräte, Vertreter der ARD – in dem Fall Herr Pleitgen, der Vorsitzende der ARD – und Gewerkschaftsvertreter anwesend waren. Bei der Berliner Anhörung waren Sie genauso wenig anwesend wie bei der im Brandenburger Landtag. Dort war eine größere Anzahl Anzuhörender eingeladen. Aber augenscheinlich scheint Sie das nicht zu interessieren. Sie wollen nur Ihre Ansichten in die Luft blasen und etwas behaupten, aber die Sache scheint an Ihnen vorbeizugehen. Lieber Kollege Lindner, es gab in dieser Stadt in den letzten Wochen eine Reihe medienpolitischer Diskussionen – insbesondere zu dieser Thematik. Dort waren weder Sie persönlich noch andere Vertreter Ihrer Fraktion anwesend. Ich will Ihnen nicht oberlehrerhaft erklären, mann müsse immer persönlich anwesend sein, aber man müsste zumindest die Dinge nachlesen und zur Kenntnis nehmen – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Herr Braun! Sie werden ja sicher mit Ihren Fraktionskollegen oder Parteikollegen im Brandenburger Landtag auch so etwas wie Informationsaustausch pflegen. Und was die Wirtschaftlichkeitsberechnung betrifft, so ist im Vorfeld des Staatsvertrages zwischen den Spitzenvertretern der Regierung vereinbart worden, dass bis zum 21. Juni – und das ist ja gar nicht so lange hin – eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgelegt werden wird. Also können Sie nicht sagen, das wird es nicht geben.

Mit dem vorliegenden Entwurf des Staatsvertrages sind einige doch vorzeigenswerte Erfolge erreicht worden. Es ist die Gesamtrechtsnachfolge vorgeschlagen worden. Dass es keine Vorgaben zur Programmgestaltung gibt – im Gegensatz zum SWR –, hat schon etwas damit zu tun, dass wir schließlich öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben und dass wir Gremien haben – einen Rundfunkrat, der die entsprechenden Vorschläge aus den Sendern zu begutachten und zu beurteilen hat. Ich meine, dass es völlig verkehrt ist, wenn man sagt, hier habe man irgendwie parteipolitische Präferenzen durchgesetzt. Wir haben in der Tat im Rundfunkrat mehr kulturelle Kompetenz, mehr kommunale Kompetenz – der Rat der Bürgermeister, die kommunalen Spitzenverbände –, Elternvertreter – übrigens ein Vorschlag der CDU, wenn ich das hier anfügen darf, Herr Braun – und mehr Gewerkschaften. Die Frauenquotierung ist festgelegt.

Aber, Kollege Zimmermann, ich glaube nicht, dass es gut ist, zu sagen: „Wir sind hier ja unter uns.“ – Wenn wir mit den Brandenburgern verhandeln, dann verhandeln wir auf gleicher Augenhöhe. Wir wollen, dass für beide Seiten etwas Gutes herauskommt. Und was die Öffentlichkeit oder Nichtöffentlichkeit betrifft – Sie sind vielleicht noch ein bisschen neu im Parlament –, so muss ich Ihnen sagen: Es gibt über jede Parlamentssitzung ein Wortprotokoll.

Es gibt allerdings von unserer Seite nicht nur Begeisterung über den bisherigen Entwurf des Staatsvertrages. Gerade in Bezug auf die Fragen der Personalvertretung gibt es unseres Erachtens Nachbesserungsbedarf. Allerdings haben auch die Gewerkschaften in der letzten Woche ein kleines Missverständnis gehabt: In einer öffentlichen Kundgebung wurde von Gewerkschaftsvertretern gesagt, die FDP habe einen Antrag gestellt, um die Personalvertretungsrechte zu stärken. Aber Sie werden zustimmen, Herr Lindner: Genau das war nicht Ihr Anliegen. – Da unterscheiden wir uns deutlich. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das Wort hat nun Frau Ströver! – Bitte, Frau Ströver!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stimmt, Frau Dr. Lötzsch: Nicht die FDP hat einen Antrag gestellt, sondern wir haben einen Antrag gestellt. Ich bin froh, dass nunmehr nach vier Wochen die FDP auch mit einem Antrag zur Fusion von SFB und ORB kommt. Ich freue mich, wenn sich die Fachkompetenz zu dieser komplexen Frage, wie es die Medienpolitik immer ist, erweitert. Und wenn sich die FDP, wie wir es ebenfalls tun, bei den Kritikern dieses Staatsvertrages einreiht, so ist das umso besser.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Meine Damen und Herren von der CDU! Herr Braun! Auch bei Ihnen gibt es „schmutzige Hände“. Wir haben schon vor vier Wochen über das berühmte Papier von Herrn Groß gesprochen, mit dem Herrn Schönbohm aufgeschrieben wurde, wie man denn den schwarzen Parteieneinfluss in dieser neu zu gründenden Rundfunkanstalt sichert. Also auch bei Ihnen kein Grund, mit großen Worten von der Gefahr einer Staatsnähe zu sprechen!

Wenn man sich den Entwurf, der jetzt vorgelegt worden ist, richtig ansieht, stellt man fest: Viele Köche verderben den Brei! – Hier haben zu viele Leute mitgewirkt. Wahrscheinlich war das politische Spektrum der beteiligten Parteien tatsächlich zu breit, als dass man einen echten, guten Staatsvertrag für die hoffentlich von uns allen gewollte Fusion hinbekommen hätte. Nein! Es ist ein sehr dürftiges Papier. Es hat nichts mit dem zu tun, was wir vor vier Wochen in unserem Antrag gefordert haben, nämlich die Fusion von SFB und ORB für mehr Demokratie zu nutzen. Das Gegenteil ist der Fall.

Es hätte sein können – und das ist ein zentrales Argument, Herr Braun, das ich Ihnen gern sagen möchte –, dass ein Sender, der neu in der Hauptstadtregion entsteht, tatsächlich einen Einfluss über die Hauptstadt hinaus haben sollte und innerhalb

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der gesamten ARD auch durch relevante Programmteile als ein Programm aus Berlin erkennbar wird. Davon sehe ich bei der neuen Landesrundfunkanstalt nichts. Das muss ich leider sagen.

Es ist noch nicht einmal festgelegt, dass gemäß der Gebührenquote der Anteil im ARD-Programm bestimmt ist. Es ist alles im unklaren Bereich geblieben. Das finde ich bedauerlich. Herr Zimmermann! Es geht überhaupt nicht um die Programmzahl und die Programmeinflussnahme. Aber man hätte sagen müssen, dass die Fusion dazu führen muss, aus der Region ein besseres Programm für diese neue Anstalt zu machen – im Hörfunk wie im Fernsehen. Das heißt natürlich auch, dass man das Modell zur Anwendung hätte bringen sollen, das vorbildhaft die britische BBC geschaffen hat, nämlich das Modell der Selbstverpflichtung der Anstalten über das, was ihr Programmauftrag ist. So etwas hätte ein Gesetzgeber hineinformulieren können. Ich verstehe das jetzt einmal so, was Herr Dr. Lindner gemeint haben mag. Man hätte also in diesem Sinne eine Selbstverpflichtung der Parlamente formulieren können, mit der dann klar ist: Diese Rundfunkanstalt hat sich ein echtes Programmstatut zu geben. – Das wäre gut gewesen und ist leider auch nicht erfolgt.

Dann weitere Kompromisse: Ich meine diese Geschichte mit dem Dienstsitz. Wenn ich eine starke Anstalt werden will – und das soll eine Anstalt sein, die nicht nur Herrn Pleitgen nach dem Mund redet, Herr Regierender Bürgermeister, sondern die auch dem WDR, der sich hier in der Hauptstadt ziemlich breit macht,