Protokoll der Sitzung vom 29.08.2002

Wir erlebten, wie diese Posse derart weiterging, dass der Regierende Bürgermeister darauf für den Senat von Berlin erklärte, es sei doch nicht verfassungswidrig, sondern verfassungsgemäß. Dies allein hätte schon in jedem politisch zivilisierten Bundesland wie etwa Nordrhein-Westfalen oder Hessen

[Heiterkeit bei der PDS]

eine Krise für sich ausgelöst.

[Beifall bei der FDP und den Grünen]

So etwas gibt es nur in Berlin.

Dass dann dieses verfassungswidrige Machwerk auch noch wenige Stunden nach seinem Inkrafttreten Makulatur war und vom Finanzsenator außer Kraft gesetzt wurde durch eine Haushaltssperre,

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

allein dies würde die Aktuelle Stunde der FDP begründen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Die Diskussionen, die sich darauf anschlossen, dass der Finanzsenator erklärt, er habe da eine Giftliste, möchte aber schließlich im Amt bleiben und deswegen wolle er nicht vor der Bundestagswahl mit dem Parlament, das immerhin das Budgetrecht nach der Verfassung hat, darüber diskutieren. Dies allein würde unsere Aktuelle Stunde begründen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir haben erleben können, dass die Justizsenatorin zu Beginn der Sommerferien eine Personalquerele um den Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Dr. Karge, losgebrochen hat,

[Ratzmann (Grüne): Mit Recht!]

wohl wissend, dass dieses Problem sich allenfalls erst am Ende der Sommerferien, mithin heute, lösen wird. Sie hat damit eine Hängepartie von über zwei Monaten in der Staatsanwaltschaft in Berlin organisiert. Auch dies wäre allein ein Grund für eine Aktuelle Stunde.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und schließlich hatten wir als Höhepunkt erlebt, wie Gregor Gysi sich aus der übernommenen Verantwortung herausgestohlen und in die Büsche geschlagen hat.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Pewestorff (PDS): Na, na!]

Das war dann die Krönung des Ganzen. Und wir dürfen uns erinnern: Gregor Gysi war für mindestens ein Drittel der Wähler der PDS Hauptgrund, diese Partei zu wählen. Ein weiteres Drittel hat diese Partei gewählt, um mehr Osten in die Regierung zu bringen. Und heute werden wir erleben, dass die PDS von drei Senatoren zwei mit Westlinken besetzt. Das allein wäre Grund, darüber zu diskutieren, das allein.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Pewestorff (PDS): Das ist aber kein Grund, FDP zu wählen! – Weitere Zurufe von der PDS]

Was machen Sie? – Sie möchten zum Hochwasser diskutieren. Damit kein Missverständnis aufkommt: Klimaschutz, die Beseitigung der enormen Folgeschäden für die Menschen in den betroffenen Gebieten, Flussbegradigungen, das sind alles aktuelle Themen, das kann niemand ernsthaft bestreiten;

[Zurufe der Abgn. Ratzmann (Grüne) und Cramer (Grüne)]

deswegen auch ein großes Lob für die wohlgesetzten Worte des Präsidenten zu Beginn der Sitzung.

[Beifall bei der FDP]

Aber der Bundeskanzler hat Recht, es handelt sich um eine nationale Katastrophe, deswegen wird zu dieser Stunde im Nationalparlament, im Bundestag, über die Folgeschäden diskutiert.

[Pewestorff (PDS): Und Brandenburg? – Wieland (Grüne): Und uns geht es nichts an?]

Und es hat diskutiert zu werden, in den betroffenen Ländern, das ist auch eine Selbstverständlichkeit, Flussbegradigungen und Klimaschutz,

[Wieland (Grüne): Da sind Sie Experte!]

Herr Kollege Wieland! – das sind doch nicht primär Berliner Dinge, das sind mit Anrainerstaaten und in der EU zu diskutierende Dinge.

[Doering (PDS): Und uns geht es gut?]

Und da haben Frau Kubala und andere völlig Recht, das wird auf dem Weltgipfel in Johannesburg gerade diskutiert.

[Hoff (PDS): Johannesburg müssen wir vermeiden, oder was?]

Was die Linke des Hauses hier machen möchte, ist durchsichtig. Die Regierung will vermeiden, dass vor Redaktionsschluss über die Regierungskrise diskutiert wird.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und die Grünen in Berlin lassen ihr kleines grünes Surfbrettchen auch noch auf den Fluten der Elbe nieder. Aus Hochwasser der Elbe soll Oberwasser bei den Umfragen werden, das ist alles.

[Pewestorff (PDS): Geschmacklos!]

Ich empfehle Ihnen auch für die nächste Sitzung des Abgeordnetenhauses vor der Wahl auch eine Aktuelle Stunde: Lassen Sie uns da zum Irak diskutieren, statt über Ihr Unvermögen, diese Stadt zu regieren.

[Ratzmann (Grüne): Gute Idee! – Pewestorff (PDS): Das macht Lindner!]

Ich empfehle Ihnen das doch! Wir könnten z. B. diskutieren über Zivilschutz verbessern im Hinblick auf die Irakkrise. Da könnte dann der Regierende Bürgermeister seinen „Berliner Weg“ erläutern, wie er den Konflikt bewältigen möchte.

[Beifall und Gelächter bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Ratzmann (Grüne)]

Ich sage Ihnen eines: Es wird Ihnen nichts nutzen. Am 22. September ist Schicht im Schacht für diese Regierung im Bund und bald darauf auch in Berlin.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Brauer (PDS): 18 Prozent?]

Danke schön, Herr Kollege Lindner! – Das Wort zur Begründung der Aktuellen Stunde hat der Kollege Gaebler für die Fraktion der SPD – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, dass Teile der Opposition, insbesondere der Kollege Lindner, dieses Parlament immer mit der „Augsburger Puppenkiste“ verwechseln.

[Heiterkeit – Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Henkel (CDU): Urmeli!]

Wobei man, hinsichtlich des Kasperletheaters, das hier von Ihnen aufgeführt wird, Herr Lindner, der „Augsburger Puppenkiste“ eigentlich Unrecht tut. Die ist qualitativ wesentlich besser.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Ritzmann (FDP): Aktualität begründen!]

Wir haben als SPD gemeinsam mit dem Koalitionspartner PDS ebenfalls das Thema Hochwasserschutz hier eingebracht und waren davon ausgegangen, dass sich dem alle Fraktionen anschließen können. Denn es ist in den letzten Wochen von allen Parteien und Fraktionen hier große Betroffenheit geäußert, Solidarität, die große gemeinsame Kraftanstrengung, die jetzt hier national nötig ist, eingefordert worden. Es wäre gut gewesen, wenn Sie dem Abgeordnetenhaus diese Debatte, die Sie uns eben hier beschert haben, heute erspart hätten und gleich zu der Hochwasserdiskussion gekommen wären. Damit hätten Sie uns und auch dem Parlament einen großen Dienst erwiesen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Dr. Lindner (FDP): Ja sicher, dafür sind wir da, Ihnen einen Dienst zu erweisen!]

Ihre Schlammschlacht werden Sie ja nachher bei der Wahl von Herrn Wolf sowieso fortsetzen, dazu hätte es nicht der fünf Minuten zusätzlich bedurft, Herr Lindner.