Ich finde es peinlich, dass Sie von der Opposition und vorneweg noch mit den Anträgen der FDP-Fraktion hier eine kleinkarierte Personaldebatte vom Zaun brechen. Auch das hat dieses Parlament nicht verdient,
zumal – das wissen Sie ganz genau, Herr Steffel – wir alle Harald Wolf sehr gut aus langen Jahren der Zusammenarbeit kennen
und wir auch wissen, dass er der Finanzexperte seiner Fraktion ist. Dass er ein seriöser und verlässlicher Gesprächspartner ist, das wissen Sie genausogut wie ich.
Gerade vor diesem Hintergrund bin ich der festen Überzeugung, Harald Wolf wird hier eine wichtige und zuverlässige Arbeit für den Senat leisten. Er wird künftig neben dem Regierenden Bürgermeister für die Berliner Wirtschaft ein wichtiger Gesprächspartner sein, der sich ihrer Probleme mit aller Ernsthaftigkeit annimmt. Bei diesen Aufgaben wollen und werden wir ihn unterstützen.
Aber ich sage auch, dass wir sehr genau beobachten werden, welche Akzente Harald Wolf in seiner Arbeit setzen wird. Da wird es im Wesentlichen um die Ansiedlung von neuen Unternehmen gehen. Da wird es darum gehen, unsere vorhandenen Betriebe zu stärken. Da wird es darum gehen, Investitionen in die Stadt zu holen. Das ist gar keine Frage. Wir können uns mit dieser hohen Arbeitslosigkeit in der Stadt von 18 % nicht zufrieden geben und diesen Zustand nicht hinnehmen. Ich gehe also auch davon aus, dass der neue Senator einen arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkt setzen wird, dass u. a. auch die Ergebnisse der HartzKommission von der Bundesebene hier einfließen werden, dass aufbauend auf der Hartz-Kommission diese Vorschläge umgesetzt werden. Es geht darum, dass wir gerade in diesem sensiblen Bereich alle Ideen, die uns zur Verfügung stehen, bündeln und dann den bestmöglichen Weg zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für Berlin suchen. Es wird darum gehen – ich habe es vorhin schon gesagt –, dass auch der Wirtschaftssenator das Projekt Länderfusion mit aller Kraft weiterverfolgt und sich der Fragen der EU-Erweiterung annimmt. Mir ist insbesondere wichtig, dass wir einen wirtschaftspolitischen Schwerpunkt bei der Bestandspflege haben, bei unseren kleinen und mittleren Unternehmen, die immer noch die Mehrzahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen. Natürlich ist es schick, wenn man sich mit den großen Unternehmen, die neu nach Berlin kommen, vor die Presse stellt. Natürlich gehört das auch dazu, dass diese Unternehmen dann hier auch ihre Kraft entfalten können. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es viele Tausend kleine und Kleinstbetriebe in den Berliner Bezirken gibt, die jeden Tag mit riesigen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben. Auch diesem Problem muss sich der neue Wirtschaftssenator annehmen.
Es wird auch darum gehen, sich verstärkt den öffentlichen Betrieben zu widmen. Ich will das in Erinnerung rufen, weil das mitunter vergessen wird. Wir haben große öffentliche Beteiligungen, ob es die Wohnungsbaugesellschaften sind, ob es die Wasserbetriebe sind, die BVG, die BSR. Auch für diese Unternehmen mit einer großen Wirtschaftskraft, mit vielen Beschäftigten, mit vielen Arbeitsplätzen müssen wir eine Perspektive entwickeln. Wir haben dazu schon grundlegende richtige Beschlüsse in der Koalition gefasst. Diese Beschlüsse müssen auch weiterverfolgt werden.
Abschließend kann man sagen, nur mit frischen Ideen und mit einer unbürokratischen Politik – da schließe ich mich an, wir müssen alles tun, um Bürokratie abzubauen – ist Berlin attraktiv für Investoren. Nur so kann Berlin im Wettbewerb der Metropolen mithalten. Es ist nicht einfach, diese Aufgabe umzusetzen. Wir wollen dabei gerne helfen und unterstützen. – Herr Kollege Wolf, Sie genießen unser Vertrauen. Wir wünschen Ihnen viel Glück und Erfolg für diese Arbeit – auch im Interesse Berlins. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Müller! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat ihr Vorsitzender. – Bitte, Herr Dr. Lindner!
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Herr Müller, ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufgeregt haben. Ich stehe heute gar nicht zur Wahl. Ich kandidiere nicht.
Sie brauchen sich also nicht so aufzuregen. Es bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als Herrn Wolf zu vertrauen. Ihr Koalitionspartner lässt Ihnen keine andere Wahl. Entweder Sie beenden das gleich, oder Sie müssen den Wolf schlucken. Es gibt nichts anderes. Das kann man natürlich auch Vertrauen nennen.
Weil Sie unseren Landesvorsitzenden bemühten: Herr Rexrodt setzt sich für Berlin im Deutschen Bundestag ein.
Hätte Herr Strieder nicht vorsätzlich die Ampelverhandlungen an die Wand gesetzt, hätten wir jetzt – an Stelle der heutigen Diskussion – einen großartigen Wirtschaftssenator, nämlich Günter Rexrodt. Da bin ich mir ganz sicher.
Wir haben dagegen eine Flucht aus der Verantwortung des Herrn Gysi gesehen. Das ist ein Wahlbetrug der PDS. Wir brauchen es gar nicht anders zu bezeichnen. Sie haben sich hingestellt und gesagt: Wir machen das mit Gysi. – Sie haben mehr Ostdeutsche in Regierungsverantwortung gefordert. Und was haben wir jetzt? – Keinen Gysi und dafür alte Westlinke in der Regierungsverantwortung. Das müssen Sie Ihren Wählern erklären. Es sind ja nicht mehr viele. Sie nähern sich der letzten Stelle im Parlament. Das werden wir spätestens am 22. September sehen. Dann bekommen Sie die Quittung für diesen Wählerbetrug.
Herr Gysi hat die Gelegenheit genutzt. Ich teile Ihre Auffassung, Herr Müller, dass die Bonusmeilenaffäre keine vergleichsweise lächerliche Geschichte war, wie Herr Präsident Momper meinte, bemerken zu müssen. Aber wir haben ihn nicht zum Rücktritt aufgefordert. Das hat keiner getan. Vielmehr kam es ihm gerade recht. Er hatte die Nase voll von dieser Verwaltung und von Berliner Landespolitik. Er hat sich verabschiedet. Er wollte lieber ganz entspannt ein bisschen Wahlkampf machen. Das kann er am besten: hier und da ein kleines Pläuschchen halten. Deswegen hat er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und hat sich in die Büsche geschlagen.
Damit hat Berlin in diesem wichtigen Amt – Herr Müller und Herr Steffel, da haben Sie auch Recht – innerhalb von zwei Jahren den vierten Wirtschaftssenator. Das ist eine missliche Angelegenheit, weil damit keine kontinuierliche Verwaltung aufund umgebaut werden kann, sondern es wird immer nur ein bisschen herumgeredet, bis der nächste Senator fällig ist. Ich bin überzeugt, dass wir damit noch nicht am Ende der Fahnenstange sind.
Wirtschaftspolitik ist für Berlin eine zentrale Angelegenheit. Dazu teile ich die Ansicht meiner Vorredner. Aber wir müssen uns anschauen, an welcher Stelle wir stehen. Wir haben in Berlin einen enorm hohen Anteil an Sozialhilfeempfängern und einen enorm niedrigen Anteil an bezahlter Arbeit, und zwar sich selbst tragender – nicht geförderter – Arbeit. Hierbei ist ein gravierender Mentalitätswechsel nötig, um zu einer Systematisierung der Wirtschaftspolitik zu kommen. Wir haben eine breite Förderung, was wir an dem Antrag von SPD und PDS sehen. Er ist breit und unsystematisch. Es gibt eine gießkannenförmige Förderung und eine Ansiedlungepolitik, die vier, fünf oder sechs verschiedenen Institutionen mit ein und dem selben Vorgang beschäftigt. Das war bei der Ansiedlung von Film- und Medienunternehmen der Fall. Hier ist der erste Ansatz zu bringen.
325 ist ein einigermaßen finanzierbarer Bereich. – Wir würden den neuen Wirtschaftssenator – egal wer es ist – gerne in die Lage versetzen, damit werben zu können, dass wir unter den Städten mit über 50 000 Einwohner in der günstigsten Stelle liegen. Damit könnten wir werben. Außerdem hätten wir ein Niveau erreicht, das beispielsweise immer noch knapp über dem Umland läge aber in einer Größenordnung wäre, die Berlin deutlich attraktiver machen würde.
Als Zweites setzen wir auf Deregulierung, die mit dem Projekt One-Stop-Agency einhergeht. Ich gehe davon aus, dass Sie das nicht aufgeben wollen. Herr Gysi hat viel davon geredet. Ich
glaube, dass dazu Einigkeit herrscht. Dieses Projekt macht aber nur Sinn, wenn zeitgleich eine Deregulierung vorgenommen wird. Daran sehen wir, aus welcher Richtung der Wind bei ihrem Mentalitätswechsel weht. Wenn man heute die Zeitung aufschlägt, ließt man, dass Sie gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlins zur Zweckentfremdungsverbotsverordnung Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einreichen. Das ist Ihre Mentalität. Wenn einmal in einem Bereich ein Obergericht eine völlig sinnlos gewordene Vorschrift aufhebt, dann klagen Sie dagegen, weil Sie diese Vorschriften lieben. Sie wollen die Wohnungsämter weiterhin erhalten und mit solchen Vorschriften füttern. – Lassen Sie uns gemeinsam Berlin in eine Lage versetzen, in der es wieder eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung braucht, in der hier so viele Unternehmen sind, dass Wohnraum knapp wird. Diese Situation existiert aber nicht. Wir haben nicht die Besorgnis, dass Unternehmen in Räume drängen, die ursprünglich für Wohnzwecke geschaffen wurden. Wenn wir diese Voraussetzungen hätten, wäre das eine wunderschöne Sache. Das ist aber nicht der Fall.
Der nächste ist Punkt ist ebenfalls sehr ernsthaft, nämlich die Verkehrsinfrastruktur. Ich begrüße ausdrücklich, Herr Regierender Bürgermeister, dass es zu diesem letter of intent gekommen ist und dass wir einen gewissen Fortschritt bezüglich des Bereichs BBI Schönefeld sehen. Wir unterstützen jedoch die vorgesehene Gebührenerhöhung nicht. Ich warne ausdrücklich davor. Herr Müller, das ist kein Miesreden des Projekts, sondern das ist durchaus noch einmal zu diskutieren. Wir können uns nicht hinstellen und fordern, dass Berlin Direktverbindungen – beispielsweise nach Osteuropa – bekommt. Es gibt keinen Lufthansaflug von Berlin nach Warschau, sondern es gibt einen von Frankfurt am Main nach Warschau. Wir müssten alles daran setzen, diese Drehkreuzfunktion zu übernehmen. Wenn wir aber die vorgesehene Gebührenerhöhung tatsächlich durchführen, schießen wir uns außerhalb jeden Wettbewerbs. Dann sind die Berliner Flughäfen teurer als Frankfurt am Main, als München und Köln. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Wir müssen uns in eine Angreiferposition bringen und nicht in eine Verliererposition, weil wir am teuersten sind.
Davon mal abgesehen, dass das man sich auf ein rechtlich wackeliges Gebiet begibt, wenn man vor Finanzierung eines Projets über Flughafengebühren redet. Das lassen wir einmal beiseite. – Es ist wirtschaftlich nicht sinnvoll. Bitte nehmen Sie davon Abstand. Das, was Herr Steffel zur PDS und ihren Einstellungen hier erzählte, spricht Bände. Sie wollen kein Drehkreuz. Sie sind an wirtschaftlicher Bewegung nicht interessiert. Sie konservieren ihr Klientel, von dem Sie meinen, Sie hätten es noch. Nichts anderes tun Sie.
Schließlich zur Konzentration der Fördermittel. Auch hier müssen wir sehen, dass wir zu einer anderen Politik kommen, nämlich weg von der Gießkannenförderung. Herr Regierender Bürgermeister, Sie sagten einmal, wir müssten Felder aufbauen wie zum Beispiel den Musikbereich. Ich teile Ihre Auffassung, dass mit Universal, Bertelsmann und Sony eine gute Anlage da ist. In diese Richtung muss es gehen. Berlin muss ganz konzentriert in einigen Bereichen zur Spitze gemacht werden. Dann haben wir den Effekt, dass auch kleinere und mittlere Unternehmen, die die Nähe zu den Großen brauchen, nach Berlin kommen.
Weiterhin benötigen wir eine optimierte Flächenpolitik. Die Gewerbeflächen, die Berlin beispielsweise über die Behala zur Verfügung stehen, müssen entwickelt und dem Markt zur Verfügung gestellt werden. – Was macht der Senat? – Er schiebt die Behala zur BSR. Warum auch immer? – Keiner durchschaut das.
Kommen wir zu den Bereichen Wissenschaft, Schule, kulturelle Einrichtungen: Ihre Giftliste, Herr Sarrazin, wollen Sie nicht diskutieren. Sie sagen, Sie wollen weiter Finanzsenator sein.
Irgendwann müssen Sie die diskutieren. Aber ich befürchte, dass es dann da so weitergeht wie bisher. Sie werden rasenmäherhaft auch in diesen Bereichen die Zukunft für Berlin kassieren und nicht einen Schwerpunkt legen.
Herr Müller, da haben Sie natürlich Recht: Selbstverständlich wollen wir nicht den öffentlichen Dienst abschaffen. Das sind alles Ammenmärchen. Wir wollen eine Reduzierung, eine Konzentration auf die Kernaufgaben, und wir sagen in diesem Zusammenhang auch seriöserweise – im Unterschied zum Senat: Das geht nicht ohne betriebsbedingte Kündigungen. Es ist doch ganz klar, dass wir hier keine Massenkündigungen wollen, sondern wir wollen einen vernünftigen Zuschnitt. In diesem Bereich ist wesentlich mehr drin, und dann kann man in den Bereichen, die Berlin nützen – das sind beispielsweise die Wissenschaft und der gesamte kulturelle Bereich –, eher Gas geben als reduzieren. Das ist wichtig für die Stadt.
Siebentens: Wir brauchen dringend Sorge um das äußere Stadtbild. Es kann nicht sein – es ist eine verkehrte Baustelle, hier zu reduzieren –, wenn wir in unserem äußeren Erscheinungsbild noch schlechter werden als es gerade ist.
Wir können es uns nicht leisten, Schlaglöcher in einem noch größeren Umfang zu haben und diese nicht zu beheben. Wir können uns keine vergammelten und versifften Grünanlagen und auch keine versiegten Brunnen leisten. Das gehört alles mit dazu! Das macht die Attraktivität einer Stadt aus, genauso wie die innere Sicherheit. Wir müssen dafür sorgen, dass wir hier ein Level erreichen, das einem Großstadtniveau in Deutschland, aber auch europäisch üblich, entspricht.
Zum Schluss kommen wir auf den Bereich der Akquisitionsrolle eines Wirtschaftssenators: Herr Wolf, ich bitte Sie, vielleicht die verbleibende Zeit bis zu Ihrer geplanten Wahl in sich zu gehen und zu überlegen, ob Sie selbst der Auffassung sind, dass Sie da der richtige Mann sind. Das ist eine zentrale Frage, hier werbend auf Unternehmen zu wirken.