Das Risiko mit der Risikoabschirmung. Einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik hat das Abgeordnetenhaus im April dieses Jahres eine Garantieerklärung für Risiken in Höhe von 21,6 Milliarden $ abgegeben. Eine Garantieerklärung für den Immobiliendienstleistungsbereich der Bankgesellschaft Berlin, [Zuruf des Abg. Over (PDS)]
und damit zahlen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für das Missmanagement, für die kriminellen Machenschaften innerhalb der Bank, und sie zahlen für das Versagen der Aufsichtsgremien.
Sie zahlen für das Versagen von Wirtschaftsprüfern, sie zahlen für das Versagen der Aufsichtsräte selbst und sie zahlen für das Versagen des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen. Und Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen 70 000 Fondsanlegern der Bank für die nächsten 25 bis 30 Jahre Gewinne für ihre Fondsanteile bezahlen, für Geldanleger, die sich mit diesen Fondsanteilen auch noch hauptsächlich dem Steuerzahlen entzogen haben. Alle hier im Haus, alle in der Stadt, alle in der Bundesrepublik finden diese Lösung des Bankenproblems sozial zutiefst ungerecht.
Die Drohung, die Bank würde sonst sofort geschlossen, hat viele von Ihnen hier im Abgeordnetenhaus bewogen, diesen Beschluss zu fassen. Aber was ist jetzt? Augen zu und zahlen? So kann ja die Lösung wohl nicht aussehen! Diese einmalige Risikoabschirmung verlangt nach Überlegungen in alle Richtun
gen, wie diese Zahlungen reduziert werden können. Da muss das Bürgerliche Gesetzbuch hoch und runter geprüft werden, welche Möglichkeiten es gibt, um einen sofortigen Ausstieg aus diesem Desaster zu erreichen.
Das Schlimme, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist, dass bei Ihnen und beim Senat nicht einmal die Einsicht vorhanden ist, dass man hier was tun muss. Was haben Sie gemacht in den letzten 5 bis 6 Monaten? Nichts ist zu hören! Das regt uns auf, das regt die grottian-Initiative auf, und das regt auch die meisten Menschen hier in dieser Stadt auf.
Berlin hat Universitäten, hat Fachhochschulen – warum holen Sie sich nicht endlich das Wissen all dieser Leute zusammen, um mit geeigneten Maßnahmen auf diese zutiefst ungerechte Risikoabschirmung zu reagiern oder diese in Grenzen zu halten?
Ein weiterer Grund für unsere Große Anfrage sind die Nachrichten, die tagtäglich aus dem Immobiliendienstleistungsbereich kommen. Es sind immer noch dieselben Akteure, die an dem Desaster zum Teil verdienen – damit meine ich nicht die Wirtschaftsprüfer oder Herrn Diepgen mit seinem Auftrag –, ich meine besonders die Personen aus Kanzleien, die diese verheerenden Fondskonstruktionen geschaffen haben und bis heute an diesen Immobiliengeschäften verdienen und sie ganz entscheidend prägen, wie z. B. solche Kanzleien wie Kärgel, König, Lauritzen. Sie machen weiter, sie bescheren uns die weiteren großen Risiken für die Zukunft. Jeder Tag kostet Geld, kostet dem Land Berlin Geld, kosten den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern Geld, wenn nicht vernünftig mit diesen Immobilien umgegangen wird. Wenn beispielsweise der Herr Ostermann von Pro Seniore wegen Steuerhinterziehung in den Knast geht, dann muss man doch um die 40 Millionen $ fürchten, die er dem Fonds schuldet! Wenn die Wohnungsverwaltung der AubisWohnungen – und danach habe ich ja auch gefragt – Insolvenz anmeldet, dann weiß ich doch, dass diese Wohnungsverwaltung Verpflichtungen übernommen hat. Diese Verpflichtungen darf jetzt auch das Land Berlin zahlen, weil die Firma ja insolvent ist.
Wenn die Wohnungsgesellschaften immer größeren Leerstand haben, wie z.B. die Wohnungen in Cottbus, weil keine Sanierungsmaßnahmen stattfinden, dann trägt das Land Berlin auch diese Verluste. Und wenn die Controller der Risiken in der Risikoauffangfirma LPLV überhaupt nicht durchblicken – was vermag dann eine Kontrollgesellschaft des Landes, die diese nicht durchblickenden Kontrolleure kontrollieren soll? Und was macht eigentlich der Aufbau dieser Kontrollgesellschaft?
Schon allein die Betrachtung der Immobilien – und damit beschäftige ich mich in letzter Zeit ein wenig – ruft große Verwunderung hervor. Ein Seniorenpflegeheim in Deutschmühlental aus dem LBB-Fonds 9 gibt es gar nicht! An Ort und Stelle und mit dem gleichen Bild findet man aber ein Vier-Sterne-Hotel. Nun habe ich nichts dagegen, wenn die denn wenigstens die Miete zahlen würden. Aber gerade das ist ja jener besagte Herr, der im Knast ist und den Fondsanlegern 40 Millionen $ schuldet.
Oder ich schaue mir ein Projekt in der Dresdner Str. 36 an, LBB-Fonds 11. Da werden Wohnungen gerade als Eigentumswohnungen angeboten, wo ich mich frage: Wieso sind die Wohnungen im Fonds, wenn sie hinterher als Eigentumswohnungen angeboten werden? Oder zahlen wir etwa Mietgarantien für Eigentumswohnungen? Das wäre ja noch absurder! Aber mittlerweile traue ich den Fondsverwaltern natürlich alles zu, ich gebe es zu.
Oder der Comenius-Hof in Friedrichshain, ein EU-geförderter Gewerbehof, und zwar mit Mieten, die 8 Jahre lang stabil bleiben sollen. Im Prospekt liest sich das aber total anders, da gibt es nämlich enorme Mietsteigerungen!
All diese teuren Merkwürdigkeiten haben uns zu unserer Anfrage veranlasst. Wir wollten eine schriftliche Beantwortung – die haben wir nicht erhalten. Ich kann jetzt nur hoffen, dass Sie wenigstens mündlich ein paar Antworten auf unsere Anfragen haben. [Beifall bei den Grünen und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der PDS]
Vielen Dank, Frau Kollegin Oesterheld! – Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat nun Herr Senator Dr. Sarrazin das Wort – bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Oesterheld! Das Thema – in der Tat, es gibt immer wieder – auch mir – zu emotionaler Betrachtung Anlass, das kann gar nicht anders sein. Es gibt jedoch neben der Emotion noch den Verstand.
Hier ist es erforderlich, dass man mit einer emotional zutiefst verwirrenden und aufregenden Situation rational richtig umgeht.
Und dazu sind wir da, denn wir müssen handeln. Ich möchte noch einmal kurz auf das eingehen, was wir gemeinsam verhandelt, besprochen und entschieden haben am 9. April. Die hier im Abgeordnetenhaus verabschiedete Detailvereinbarung weist im Prinzip den Weg, wie wir die Dinge abarbeiten müssen. So gehen wir auch vor, und dies möchte ich noch einmal kurz darstellen.
Wir können nicht alle Fonds, all die Liegenschaften, all die unterschiedlichen Konstruktionen gleichzeitig behandeln. Deshalb wurde folgender Weg vereinbart, und der wird gegangen: Es wird im Einzelfall geprüft, im Einzelfall entschieden und im Einzelfall abgearbeitet. Wie geht das?
Das Land sichert die Bilanzwerte bei der Bankgesellschaft für das Immobiliendienstleistungsgeschäft durch Buchgarantien, Kreditgarantien und Garantien für Mieten, also durch Erfüllungsgarantien. Es werden aber nur – und das ist wichtig – in der Tat realisierte Verluste der Bankgesellschaft abgesichert. Es ist nicht entscheidend, wie welche Immobilie sich einzeln befindet, wer sie gerade verwaltet, ob sie belegt ist oder leer, sondern nur dann wenn bei der Bank tatsächliche Verluste eintreten – nicht bei der IBG! –, dann treten wir ein. Im Gegenzug – und das regelt die Detailvereinbarung – müssen dem Land alle Geschäfte einzeln zur Genehmigung vorgelegt werden, die den Umfang realisierter Verluste aus den drei genannten Garantien berühren können. Das ist der entscheidende Punkt. Dabei wird im Wege der Einzelfallprüfung bei jedem einzelnen Genehmigungsvorgang sichergestellt, dass alle Rechtsgeschäfte in einer derartigen Art und Weise abgeschlossen werden, dass im Endergebnis die Belastungen aus den Garantien für uns minimiert werden.
Dabei werden wir unterstützt durch die mittlerweile gegründete und ihre Arbeitsaufnahme vorbereitende landeseigene Controllinggesellschaft. Alle Genehmigungen müssen erfolgen und erfolgen auf der Basis möglichst genauer Kenntnisse des Einzelfalls und der im jeweiligen Einzelfall konkreten Entscheidungsalternativen. Der Akzent der Arbeit liegt dabei nicht darauf, dass man global Risiken betrachtet und beklagt, sondern dass man bei jeder Einzelgenehmigung in die Tiefe geht; denn nur dort, bei der Einzelgenehmigung, kann ich Risiken faktisch noch minimieren. Diese Arbeit am Einzelfall, wenn sie denn Stück für Stück sorgfältig durchgeführt wird, ist auch der Weg zur Minimierung der Gesamtrisiken, und zwar der einzige faktisch umsetzbare Weg. Dabei werden nur rechtlich absolut zweifelsfreie Ansprüche bedient. Gleichzeitig ist aber auch darauf zu achten, dass wir in jedem Einzelfall wirtschaftlich sinnvolle Alternativen wählen. Weder macht es Sinn für den Haushalt, dass wir jetzt Risiken um jeden Preis realisieren – was wir könnten durch voreilige Abverkäufe und Ähnliches – und im Augenblick Haushaltsbelastungen produzieren, noch macht es Sinn, dort, wo die Verluste wachsen, um jeden Preis maximalen Zahlungsaufschub zu erreichen und damit spätere Haushaltsbelastungen zu maximieren. Dies zum allgemeinen Hintergrund. Vor diesem Hintergrund jetzt die Antworten auf die einzelnen Fragen, die Sie gestellt hatten.
Zu Frage 1: Derzeit liegen dem Land nach der Detailvereinbarung 111 Anträge vor. 54 davon sind Anträge, mit denen um unsere Zustimmung gebeten wird, die übrigen sind Anfragen über Verfahrensweisen und Verfahrensfragen. Von den Anträgen,
mit denen um unsere Zustimmung gebeten wird, fallen unter die Buchwertgarantie 12 Anträge, unter die Kreditgarantie 41 Anträge. Unter die Erfüllungsgarantie fällt bisher 1 Antrag. Bezogen auf die 54 Anträge befassen wir uns gegenwärtig zusammen mit den von uns beauftragten Wirtschaftsprüfern konkret mit all den Sachverhalten, die den einzelnen Geschäften zu Grunde liegen. Für das Antragsverfahren sind die Verkaufswerte, die Verwertungsmöglichkeiten und die gesamten juristischen Rahmenbedingungen jeweils entscheidungsrelevant. Aus dem, was wir bisher sehen, hören und wissen, hat der Senat keinen Anlass anzunehmen, dass die Verluste von der Gesamteinschätzung, die wir gegeben hatten, 3,7 Milliarden $, bis zum Jahr 2030 nach oben abweichen. Ich habe eher den Eindruck, dass wir – wenn überhaupt – eine Abweichung nach unten erhalten werden.
Zu Frage 2: Zum einen: Wir haben unsere Einzelkenntnisse zu den einzelnen Immobiliengeschäften im Zusammenhang mit der Befassung mit dem Einzelgeschäft. Nur in dem Rahmen, wie Einzelgeschäfte an uns mit der Bitte um Zustimmung herangetragen werden, steigen wir als Land tiefer in die Einzelsachverhalte ein. Zum anderen: Die so genannte Positivliste über alle abgeschirmten Gesellschaften und deren Zahl wird gemäß § 10 a der Detailvereinbarung vertragsgemäß bis zum 31. März 2003, von der IBAG mit uns abgestimmt, vorgelegt.
Zu Frage 3: Mietvertragsdaten haben wir für die gestellten Anträge. Dort haben wir sie bis ins Detail, und dort werden sie auch geprüft im Zusammenhang mit der Antragsbearbeitung.
Zu Frage 4: Überall dort, wo es aus unseren Anträgen einen Verdacht auf Betrug oder Untreue gibt, wo es bisher noch nicht bekannt war, gehen wir dem nach und informieren die Staatsanwaltschaften, die das verfolgen müssen. Wo etwa Zweifel bestehen, dass ein Geschäft vertraglich bindend ist, gehen wir dem auch nach, bevor wir etwas genehmigen.
Zu Frage 5: Pro Seniore, der von Ihnen zitierte Fall, Frau Abgeordnete Oesterheld! Wir haben uns über diesen Fall im Einzelnen informieren lassen. Im Augenblick wird von der IBAG überprüft, wie wirksam die Vertragsverhältnisse sind. Das gilt auch für die so genannten Pre-Opening-Kosten. Wir werden nur dort zahlen, wo wir rechtlich verbindliche Bindungen sehen. Leider hat der Umstand, dass der Geschäftsführer in Untersuchungshaft sitzt, auf die Verträge und deren Wirksamkeit keinen Einfluss. [Heiterkeit – Wieland (Grüne): Wir würden gern auch noch andere in U-Haft sehen, Herr Sarrazin!]
Zu Frage 6: Dies ist eine auch mich bewegende Frage: Was kann man tun, um die Anleger selbst an der Reduzierung der Verluste aus den Fonds zu beteiligen?
Wir nehmen das nicht leicht. Ein derartiger freiwilliger Verzicht ist, wenn er vom Einzelnen geübt wird, immer moralisch anerkennenswert. Andererseits haben wir dies auch noch einmal geprüft und sagen eindeutig: Die von den Fonds eingegangenen Verpflichtungen sind grundsätzlich wirksam. Fondszeichner können also nur auf freiwilliger Basis auf Rechte aus ihren Anteilen verzichten. [Eßer (Grüne): Dazu liegt uns bis heute kein Gutachten vor!]
Solch ein einseitiger Verzicht kann in den meisten Fällen leider nicht ohne weiteres erwartet werden.
In dem Zusammenhang ist auch etwas anderes zu bedenken: Fondszeichnungen bilden eine komplizierte steuer-, zivil- und gesellschaftsrechtliche Gemengelage. Es geht nicht nur um den Ankauf eines Fonds; es geht um Steuermodelle; es geht um negative Kapitalkonten beim Finanzamt; es geht auch darum, dass die Fonds an die Bankgesellschaft für die Garantien beträchtliche Gelder gezahlt haben. Wenn ein Fondsanleger mit
negativem Kapitalkonto seinen Fonds rückabwickeln will, will er seine Einlage wiederhaben. Dies bedingt die Rückabwicklung des ganzen Fonds. Dies löst auch Zahlungspflichten der Bankgesellschaft aus, die wir aus der Garantie bedienen müssen. Allein für Garantiezahlungen hat die Bank aus den Fonds seinerzeit 1,5 Milliarden DM eingenommen. Wir müssen hier also aufpassen, dass durch eine falsch angelegte Rückabwicklung oder Rückgabe von Fonds nicht indirekt über die Immobiliendienstleistungsgarantie auch wieder gewisse Zahlungspflichten ausgelöst werden. – Das Thema ist also kompliziert. Klar ist aber – um es noch einmal zusammenzufassen –: Nur dort, wo ein Zeichner freiwillig seinen Anteil zurückgibt, kann man überhaupt etwas machen. Und wenn man hier eine Welle auslöst und diese Welle falsch anlegt, birgt sie auch für uns aus der Garantie beträchtliche Risiken.
Zu Frage 7: Das war die Frage nach Revitalisierungsmaßnahmen. Revitalisierungsmaßnahmen sehen wir überall dort, wo uns Anträge vorliegen. Sonst haben wir über alle Fonds keine allgemeinen Erkenntnisse. Die ebenfalls angesprochenen AubisWohnungen in Cottbus sind nicht Teile eines Fonds. Sie unterliegen also nicht der Detailvereinbarung und nicht der Garantie.
Damit bin ich bei der Frage 8. Die Aubis-Hausverwaltung, WSHG, welche insolvent wurde, ist aus diesem Grund auch von der Risikoabschirmung nicht erfasst. Das Land wird deshalb ihre Verpflichtungen nicht übernehmen.
Zu Frage 9 – Schadenersatz für abgeschirmte Risiken: Bisher gab es 11 Anträge unter den von mir genannten 54 Anträgen, wo eine Buchwertgarantie im Gesamtumfang von 90,3 Millionen $ beim Land von der IBAG geltend gemacht wurde. Von diesen Anträgen sind bisher vier abschließend geprüft worden, die übrigen werden noch geprüft. Diese vier Anträge bedingen für das Land eine Zahlungspflicht von 5,3 Millionen $. Diese Zahlung setzt jetzt noch nicht ein, sondern erst dann, wenn insgesamt über das Jahr 2002 – zusammen mit dem Jahresabschluss der Bankgesellschaft – abgerechnet wird.
Zu Frage 10: Wie bekannt, aber ich will es noch einmal wiederholen, hat der Senat über seine Vertreter im Aufsichtsrat darauf hingewirkt, dass alle Führungsebenen im Konzern Bankgesellschaft neu besetzt wurden. Ebenfalls bekannt ist, dass das bedeutete, dass zwei Drittel der Vorstandsmitglieder bei den Teilbanken BBG, LBB und Berlin-Hyp ausschieden und dass die Geschäftsleitungen von IBG und IBAG vollständig ausgetauscht wurden. Im Übrigen befinden wir uns mit IBG und IBAG in einem Prozess der Abstimmung, um gemäß § 58 der Detailvereinbarung alle abgeschirmten Fondsrisiken unter einem gemeinsamen Dach zusammenzufassen. Bei diesem gemeinsamen Dach, bei dieser Teilgesellschaft, wird auch das Land im Aufsichtsrat vertreten sein.