Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Dafür kriegen die Senatoren rund 300 000 DM im Jahr. Aber es kann doch nicht daraus bestehen, dass der eine hier als städtischer Partymeister bezeichnet wird und der andere als nationaler – Sie nicht, aber Sie werden auch als ein anderer bezeichnet – Talkshowheiliger. Oder ist die Bezeichnung von mir? – Das weiß ich jetzt nicht.

[Gelächter und Beifall bei der CDU und der PDS]

Regieren kann doch nicht daraus bestehen, zu feiern, zu Talkshows zu gehen, sondern in Berlin sagt man – das wissen Sie doch –: erst feste arbeiten und dann Feste feiern. Nur, ich vermisse bei der Überlegung, machen wir Olympische Spiele oder nicht, dass Sie sich wirklich handfest mit der Einnahmeseite beschäftigt haben. Das haben Sie überhaupt nicht gemacht. Das ist jetzt herausgeklungen an dem, was Herr Rexroth eben nachgefragt hat. Das geht völlig unter, das ist Ihnen peinlich. Sie verfahren nach der Methode, wie die „taz“ gestern oder vorgestern getitelt hat: Biete Airport gegen Olympische Spiele. Ich bin ja sonst kein „taz“-Leser, aber das will ich hier mal zitieren.

Und Herr Reiche, Minister des SPD in Brandenburg, hat gesagt: Erstens: Berlin ist die einzige Stadt in Deutschland, die sich erfolgreich um die Olympischen Spiele bewerben kann. Und zweitens: Herr Bisky hat auch gesagt, das ist eine große Chance für die Region Berlin-Brandenburg. In welcher Phase haben die das gesagt? – Das haben die in der Phase gesagt, als über das letzte Wochenende einige – ich auch, gutgläubig, wie ich manchmal bin – gedacht haben: Jetzt entscheiden die sich doch in diesem Koalitionshandel für die Olympischen Spiele. Aber nichts war.

[Zuruf: Drei Minuten sind vorbei!]

Herr Kollege Rabbach! Bitte kommen Sie zum Schluss!

Ja! – Der Schlusssatz: Es wäre auch eine große Chance für Brandenburg, Leipzig usw. gewesen, wenn wir das machen würden. Diese Chance nehmen Sie mutwillig nicht wahr, weil Sie konzeptlos und mutwillig so handeln. Deswegen bitte ich Sie alle sehr herzlich: Überlegen Sie alle noch einmal, und stimmen Sie dem Antrag der CDU zu. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank den Rednern für ihre temperamentvollen Interventionen. Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. – Von der Fraktion der FDP Herr Dr. Lindner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vergangenen Debattenbeiträge haben gezeigt, dass hier einige Begriffe durcheinander geraten. Da wird geredet vom Sparen, von Olympia, von Kita, vom öffentlichen Dienst usw. Das gibt uns Anlass, die Sachen einmal einzuordnen, wo Olympia eigentlich hingehört.

Wir haben als zukünftige Aufgabe der Regierung zum einen als große Säule die Haushaltskonsolidierung. In diesem Komplex ist es klar, dass ganz gravierende Einsparungen vorgenommen werden müssen im Personalbereich und auch im sozialen Bereich. Da geht es, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, nicht darum, hier Chicago einzuführen, sondern in diesen Bereichen auf das Niveau von Geberländern zu kommen, beispielsweise der Stadt Hamburg.

Und dann gibt es eine andere sehr wichtige und zentrale Aufgabe zukünftiger Regierungspolitik, das ist die Einnahmeseite. Hier gibt es den Bereich ordnungspolitische Maßnahmen. Dazu gehört, Verwaltungsvorschriften zu deregulieren, dazu gehört fer

ner, eine schlanke und effiziente Verwaltung aufzubauen, und dazu gehört auch, Steuern zu senken und sie nicht zu erhöhen.

[Beifall bei der FDP]

Und dann gibt es einen weiteren Bereich in der Säule Einnahmen, das ist der Bereich Standortpolitik, Standortmarketing. Hierzu gehört, große Infrastrukturmaßnahmen anzuschieben und zwar schnell anzuschieben, wie beispielsweise das Drehkreuz BBI in Schönefeld. Weiter gehört dazu auch, große Veranstaltungen in die Stadt zu bringen, und hier sind wir bei Olympia. Olympia ist eine Chance für die Stadt, international die Scheinwerfer nach Berlin zu richten, eine Werbung sondergleichen für diese Stadt zu betreiben, Investoren nach Berlin zu holen und weitere Infrastrukturmaßnahmen im Zusammenhang mit Olympia zu ermöglichen.

Da sind wir bei dem Punkt: Zweck einer Hauptstadt. Ein Abgeordneter unter uns läuft in der Tat von Talkshow zu Talkshow und fragt: Was ist eigentlich Zweck einer Hauptstadt?

[Frau Dr. Lötzsch (PDS): Und keiner antwortet!]

Wir müssten Hauptstadt definieren. Wenn wir aber hören, was das zukünftige Bündnis aus SPD und PDS bespricht: Jedes Mal dann, wenn es um hauptstadtwürdige Maßnahmen geht – und das ist zum Beispiel das Drehkreuz BBI –, wird gezögert und gezaudert. Da wird zwar gesagt, das Planfeststellungsverfahren wird fortgesetzt, dann liest man aber drei Tage später in der Zeitung, dass damit noch keine Entscheidung für ein internationales Drehkreuz getroffen worden sei. Und wenn es um Olympia geht, kommt ein klares Nein. Das ist nicht unser Verständnis von Hauptstadt, von Metropole, sondern das ist das Verständnis von Kiez, von Mief, von Provinz als Leitlinie einer zukünftigen Regierungspolitik.

Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkung zu der letzten Olympiabewerbung machen: Die wurde hier von Rednern insbesondere der PDS und den Grünen, von Herrn Liebich und von Frau Klotz, immer wieder in Bezug genommen. Mag es sein, dass die Olympiabewerbung für 2000 nicht so professionell betrieben wurde, wie das geboten gewesen wäre.

[Cramer (Grüne): Echt? Sind Sie wirklich der Meinung?]

Mag sein. Dies hätte Ihnen aber Anlass und Ansporn sein müssen, zu zeigen, dass Sie es besser können. Sie aber zeigen mit Ihrem Nein zu Olympia, dass Sie es gar nicht können.

[Beifall bei der FDP]

Danke, Herr Kollege Dr. Lindner! – Die nächste in der Reihe der Wortmeldungen ist die Kollegin Hämmerling von der Fraktion der Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich würde Berlin von den Olympischen Spielen profitieren. Wir hätten internationale Anerkennung und wirtschaftliche Synergieeffekte. Herr Steffel hat ja freundlicherweise aus unserem Antrag zitiert. Aber auch beim Zitieren, genauso wie bei der Anerkennung seiner persönlichen Verantwortung für diesen Haushalt, ist er Meister im Verdrängen. – Ich sehe ihn jetzt leider nicht, aber es wäre schön, wenn Sie jetzt zuhören könnten.

Denn wer die Olympischen Spiele möchte, wer sich bewirbt, der vergisst eines: Berlin kann sich die Olympischen Spiele nicht leisten; wir sind pleite. Die Olympischen Spiele kosten sehr viel Geld. Die letzten wurden auf ca. 11 Milliarden DM geschätzt. Wir brauchen beispielsweise ein olympisches Dorf, das ist größer als Karow-Nord. Karow-Nord mit seinen circa 15 000 Einwohnern. Es stellen sich die Fragen: Wer soll das bezahlen, und wer soll in diesem olympischen Dorf dann anschließend wohnen? Wir haben 100 000 leer stehende Wohnungen in Berlin. Der Bau eines solchen olympischen Dorfes wäre das nächste Großprojekt für Großinvestoren und hätte für diese den Vorteil, dass sie

sich ent- bzw. umschulden könnten, aber die Risiken würde letztlich wieder die Bank tragen. Das sind wir leid, das haben wir satt, das können Sie mit uns nicht mehr machen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben kein Geld für weitere Großprojekte, und die Neuverschuldung für Olympia steht außer Frage. Das geht nicht.

Herr Rabbach, Sie haben darauf hingewiesen, dass es eine Bewegung gegen die letzten Olympischen Spiele gegeben habe. Es gab eine Bewegung, es gab Dinge, die Sie nicht schön finden mögen, aber die Gründe, warum wir zu dieser Zeit gegen die Olympischen Spiele waren, hat Ihnen Herr Cramer deutlich dargelegt. Ich will sie an dieser Stelle nicht wiederholen. Ich will an etwas erinnern: die Verantwortung derer, die dafür bezahlt worden sind, dass wir uns für Olympia beworben haben, die Verantwortung derer, und wie sie die Verantwortung wahrgenommen haben. Ich zitiere mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses über die gescheiterte Olympiabewerbung. Zu der Frage, wie viele IOCMitglieder der Zeuge Klemann in Barcelona getroffen habe, hat dieser geantwortet: „Also, das mindeste war morgens, mittags und abends und darüber hinaus: Ich habe gelernt, was Lobbying ist, nämlich in der Lobby vor den Sitzungssälen herumzulungern, sich die IOC-Mitglieder zu greifen, wenn man nicht eben verabredet war zu speziellen Zeiten.“ Das ist das Protokoll vom 28. September 1995. Das spricht Bände. Das und die peinlichen Dossiers, die über sexuelle Neigungen der IOC-Mitglieder gesammelt worden sind. Da hat sich das Land Berlin nicht mit Ruhm bekleckert.

Ich sage auch in Richtung FDP: Natürlich könnten wir eine Bewerbung heute besser machen, aber wir könnten sie nicht kostenlos machen bzw. wir könnten die Werbungskosten von der Wirtschaft finanzieren lassen, aber die Kosten für die Olympischen Spiele selbst würden wir nicht aufbringen, das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

An die Damen und Herren von der CDU und an Herrn Steffel meine Auffassung und meine Meinung: Ich denke, Sie geben hier das Motto aus, Brot und Spiele sorgt für gute Stimmung in der Stadt, und ganz schnell ist vergessen, dass der alte Berliner Filz und der Größenwahn die Stadt in den Bankrott geführt haben, und Sie hoffen, ganz schnell ist vergessen, dass Ihr Ziehvater Landowsky, Herr Steffel, und Co. die Bankgesellschaft kaputt gespielt haben, dass uns die CDU die Milliardenschulden eingebrockt hat, und damit ist auch vergessen, dass letztlich Sie es sind, die die Chancen, die finanziellen Chancen, für die Olympischen Spiele einmalig in diesem Jahrzehnt, in diesem Jahrhundert für Berlin vergeigt haben.

[Beifall bei den Grünen]

Aber ich sage Ihnen auch eines: Wir werden das nicht so schnell vergessen, und die Stadt wird es auch nicht vergessen, denn wir alle müssen diese Suppe auslöffeln, die Sie uns eingebrockt haben. Es wird überall gespart werden – wir haben es heute mehrfach gehört –, es wird gespart werden, bis es quietscht. Es wird auch im Sport bzw. im Breitensport gespart werden müssen. Sie werden sich später daran erinnern, wie unsäglich und absurd eine Olympiabewerbung in einer solchen Zeit gewesen ist. Wir werden jedenfalls keinen neuen ungedeckten Scheck für ein neues Großprojekt unterschreiben, für das wir kein Geld haben. Die Verantwortung dafür trägt die große Koalition der letzten zehn Jahre. Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

[Beifall bei den Grünen und der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Es liegt eine weitere Wortmeldung vor, und zwar von der Fraktion der PDS. Es spricht Herr Kollege Dr. Gysi!

[Oh! von der CDU – Zimmer (CDU): Jungfernrede! – Weitere Zurufe von der CDU]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rabbach, da Sie sich so intensiv auch mit mir beschäftigt haben, haben Sie einfach eine Antwort verdient, und die will ich Ihnen dann auch nicht schuldig bleiben. Sie haben zunächst auf den Unterhaltungswert des Regierenden Bürgermeisters und auch von mir hingewiesen, haben dabei aber Ihren eigenen völlig unterschlagen. Ich finde, Sie stehen uns da überhaupt nicht nach.

[Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der PDS, der SPD, der FDP und den Grünen]

Allein das Tempo Ihrer Rede spricht für einen Unterhaltungswert hier im Parlament. Sie sind dann noch auf Talkshows eingegangen, und da klang ein kleiner Hauch von Neid mit. Das würde ich einfach bleiben lassen.

[Heiterkeit und Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen]

Das Zweite, was ich Ihnen dazu gern sagen möchte: Immer wenn ich in einer solchen Talkshow bin, repräsentiere ich irgendwie auch Berlin. Sie können natürlich bewerten, ob mehr schlecht oder gut, aber Sie sollten sich nie dagegen wehren, dass Berlin in den Medien repräsentiert wird. Das brauchen wir dringend, denn wir wollen ja, das Leute hierher kommen und investieren.

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Selbst, wenn sie es nur zu dem Zwecke machen, dass ich wieder gehe, wäre das auch immer noch ein sinnvoller Grund, denn Hauptsache, sie investieren in diese Stadt.

Aber nun geht es heute um eine ernste Frage, und zwar um die Olympiabewerbung. Es ist gesagt worden, diejenigen, die jetzt verhandeln, seien konzeptionslos in dieser Frage und würden den Hauptstadtwert und Ähnliches nicht anerkennen. Nein! Ich sage Ihnen umgekehrt: Würde diese Bewerbung eingereicht, wäre das wirklich konzeptionslos. – Genau darauf läuft es hinaus: Sie sagen, dass man erst einmal eine Vision braucht. Man müsse hier irgendetwas beschließen, man solle sich bewerben, und später, wenn es dann so weit ist, dann löse man auch irgendwie die Finanzprobleme. – Genau so hat es der alte Senat immer gemacht mit dem Ergebnis, dass die Finanzlöcher immer größer wurden. Das ist konzeptionslos.

[Niedergesäß (CDU): Unsinn!]

Wenn man sich bewirbt, muss man genau wissen, was man leisten kann und wie man es finanziert. Dazu braucht man ein realistisches Konzept. Das liegt aber überhaupt nicht vor.

[Zurufe von der CDU und der PDS]

Überlegen Sie sich doch einmal, welche Botschaft wir in dieser Situation in die Stadt entsenden! Wir müssen wahrscheinlich erklären, dass wir soundsoviele Bäder in dieser Stadt nicht mehr finanzieren können, dass wir viele andere Maßstäbe, die früher galten, nicht mehr halten können, dass wir einfach über unsere Verhältnisse gelebt haben und dass wir vor der äußerst schwierigen Aufgabe stehen, einen riesigen Schuldenberg irgendwann einmal abzubauen, denn noch geht es ja nur um die Frage, wie hoch die Neuverschuldung ist. Das alles müssen wir den Berlinerinnen und Berlinern erklären, und gleichzeitig sagen wir mal – ganz großspurig – so dahin: Aber wir bewerben uns für Olympische Spiele. – Kein Mensch weiß, wie das nachher bezahlt werden soll. Das ist die Art von Politik, mit der Schluss gemacht werden muss, wenn Berlin eine akzeptierte Hauptstadt werden will.

[Beifall bei der PDS, der SPD und den Grünen – Dr. Rexrodt (FDP): Eben nicht!]