Protokoll der Sitzung vom 31.10.2002

[Beifall bei den Grünen - Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das sollten wir dann lieber lassen.

Unser zweiter Antrag betrifft die Regionalisierungsmittel bei der S-Bahn. Das Land Berlin bekommt wie alle anderen Bundesländer Regionalisierungsmittel für den Personenverkehr. Diese Mittel gibt das Land Berlin im Moment so, wie sie sind, an die S-Bahn weiter. Wir alle wissen, dass die S-Bahn in Berlin überteuert arbeitet, dass es jährliche Gewinnabführungen der S-Bahn an die Bahn AG gibt und dass das Land Berlin die Leistungen der S-Bahn immer noch nicht ausschreiben will. Die S-Bahn kann schlichtweg machen, was sie will, sie hat ihre garantierte Summe. Wir alle wissen ganz genau: Wenn hier eine Ausschreibung stattfände, würde die S-Bahn bei gleicher Qualität wesentlich billiger für das Land Berlin fahren. Nun gibt es zusätzliche Mittel des Bundes für das Land Berlin. Wir machen nun den Vorschlag, das zu tun, was alle anderen Bundesländer auch tun, diese Mittel nämlich einzusetzen für Ausbildungsverkehr und den Nachtverkehr. Nirgendwo sind dadurch die Regionalisierungsmittel gefährdet worden. Warum sollte es im Land Berlin so sein, Frau Spranger? - In dieser Argumentation ist keine Logik.

[Beifall bei den Grünen]

Wir wollen die zusätzlichen Regionalisierungsmittel nutzen, um den Ausbildungsverkehr billiger zu machen. Es ist absurd, dass im Land Berlin Schülerinnen und Schüler mehr zahlen müssen als Studentinnen und Studenten. Hier geht es um eine qualitative Verbesserung. Wir wollen den Nachtverkehr verbessern. Trotzdem wird noch ein beträchtlicher Betrag in der Größenordnung von 70 Millionen Euro jährlich übrig bleiben, den wir dann einsetzen können, um bisherige Landes

mittel zu ersetzen. Wir verbessern also das Angebot der BVG und des öffentlichen Verkehrs in Berlin insgesamt, und trotzdem sparen wir für das Land noch 70 Millionen Euro. Das wäre ein sinnvoller Schritt, der sehr viel besser wäre, als das Geld weiterhin ungeprüft der S-Bahn hinterherzuwerfen, diese nicht zu kontrollieren und mit ihr nicht um Kostenreduzierungen zu verhandeln.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! - Für die PDS-Fraktion hat Herr Abgeordneter Krüger das Wort.

[Wieland (Grüne): Ein Dauerredner!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selbstverständlich werden wir uns differenziert mit den Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auseinandersetzen. Ich denke, sie haben das auch verdient.

Ich möchte mich jetzt hauptsächlich mit dem Antrag der Fraktion der CDU auseinandersetzen, weil ich denke, dass er die Debatte über Grundlinien und Grundsätze von Haushaltspolitik in dieser Stadt ermöglicht, auch wenn sein Inhalt zunächst sehr unscheinbar erscheint. Was haben Sie vorgeschlagen? - Erstens eine Verfassungsänderung. Mit diesem mächtigen rechtspolitischen Instrument wollen Sie erreichen, dass künftig Senatoren eine Auskunftspflicht über die finanziellen Gegebenheiten ihrer Ressorts haben. Man merkt hier schon, wie der Schuldenberg furchtsam zittert und dahinschmilzt unter diesem interessanten Vorschlag von der CDU. Sie wollen Verantwortlichkeiten für Entgeltvereinbarungen auf die Bezirke übertragen. Dazu hat die Kollegin Spranger hier schon ausführliche Bemerkungen gemacht. Und Sie schlagen einzelne Sparmaßnahmen vor; mal 1 Million bei den Radfahrern, mal 4 Millionen beim Holocaust-Mahnmal. Sie teilen uns in der Begründung mit, die, wie ich finde, noch aufschlussreicher ist, um die haushaltspolitische Lage der CDU-Fraktion zu erfassen: Berlin hat kein Finanzproblem, sondern ein Managementproblem. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Berlin hat kein Finanzproblem! Wo leben Sie eigentlich?

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Politisch, denke ich, nicht in dieser Stadt. Planet Steffel lässt grüßen. Ich glaube, das Problem der CDU besteht weniger darin, dass sie zwischen Finanzproblemen und Managementproblemen dieser Stadt nicht mehr zu unterscheiden vermag,

sondern dass die CDU gar keine Haushaltspolitik hat und dieses Defizit mit den scheinbar seriös daherkommenden Anträgen zur Haushaltstechnik zu verdecken trachtet.

[Gelächter bei der CDU]

Aber ich finde, wenn man hier Anträge zu haushaltspolitischen Grundsatzfragen einbringt, dann muss man sich auch zu den Grundsatzproblemen, die diese Stadt in dieser Hinsicht hat, verhalten, zu einem Primärdefizit von mehr als 2 Milliarden Euro, zu dem Problem, dass wir derzeit Neueinstellungen im öffentlichen Dienst nicht mehr in der Weise, wie es diese Stadt verdienen würde, finanzieren können. Zu alldem w o l l e n Sie nichts sagen, weil all Ihre populistischen Vorschläge und Kritiken, die Sie hier in der Stadt unterbreiten, sich nicht mehr in die Finanzstrukturen Berlins einpassen lassen. Dann müssten Sie nämlich selbst sagen, worauf die CDU verzichten will. Aber das passt nicht in Ihre populistische Linie.

[Beifall bei der PDS]

Aus diesem Grund haben Sie uns in den letzten Wochen einen haushaltstechnischen Antrag nach dem anderen serviert, um auf diese Weise Ihre eigene Blöße zu verdecken, werter Kollege Zimmer. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.

[Beifall bei der PDS - Doering (PDS): Jawohl! Bravo!]

Sie nehmen in der interessanten Begründung Ihres Antrags - ich gehe noch kurz darauf ein - Bezug auf die berühmte Argentinien-Bemerkung des Finanzsenators. So schlecht war der Vergleich gar nicht, obwohl Berlin nicht so pleite wie Argentinien ist.

[Dr. Flemming (SPD): Doch!]

Aber sich unter diesen Verhältnissen einer Pleite zu bewähren, heißt Mut zur Wahrheit, bis hin zum ätzenden Realismus. Das heißt auch, die gegen die Sparpolitik Protestierenden in die Regierungsgeschäfte einzubinden. Das heißt natürlich auch, Gewerkschaften und Personalräte in die Konsolidierungspolitik einzubinden. Ich denke, dass RotRot da nicht leeren Händen dasteht, sondern der Solidarpakt, den wir auf den Weg bringen werden, der Fortschritte macht, der erfolgreich sein wird, ist genau die Methode, die wir in dieser Stadt brauchen, nämlich mehr Demokratie zu wagen.

[Beifall bei der PDS]

Danke schön! - Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Schmidt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Sehr geehrte Damen und Herren! Zuerst will ich mich mit dem Thema Anschlussförderung auf Grund des Antrags der Grünen beschäftigen. Die Anschlussförderung basiert auf einem 1977 hier eingeführten System, das einmalig im ganzen Bundesgebiet ist, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das Ziel war, mit möglichst wenig Geld viele Wohnungen zu bauen. Das ist auch gelungen. An dem Ergebnis haben wir jetzt noch zu knabbern. Der Weg wurde gewählt, indem privates Kapital erschlossen wurde: durch langjährige Bezuschussung und mit regulierten Mieteinnahmen. Die Folgen sind über die Jahre hohe Fördermittel in Milliardenhöhe, und zukünftige Generationen haben dafür zu bezahlen. Auf Grund der Mieteinnahmen, der Kapitalkosten und der Kredithöhen war schon damals erkennbar, dass eine Förderung von 15 Jahren nicht ausreichen würde. Schlimm ist, dass die Programme bis 1997 fortgesetzt wurden, obwohl schon damals klar war, dass der angenommene Boom für Berlin nicht eintreten würde.

Die FDP begrüßt, dass sich eine Kommission der Anschlussförderung annimmt und verschiedene Alternativen durchprüft. Zielsetzung muss dabei sein, eine Lösung zu finden, die für die öffentliche Hand und damit auch den Bürger am preiswertesten kommt und zugleich einen Ausgleich zwischen Mietern und Eigentümern und den Banken schafft. Dafür hatten wir uns bereits bei den so genannten Ampelverhandlungen vor einem Jahr eingesetzt. Fatal ist allerdings, dass diese Kommission erst Ende Januar ihr Ergebnis vorlegen wird. Da wurde viel Zeit verschenkt. Das erste Objekt ist bis dahin schon aus der Förderung herausgefallen, und es müsste über eine Anschlussförderung bereits zum Jahreswechsel entschieden werden. Seit 1987 ist klar, dass wir Ende dieses Jahres entscheiden müssen. Hier hätte der Senat viel früher handeln müssen.

Nun zum Antrag der Grünen selbst.

[Dr. Lindner (FDP): Jetzt hört gut zu!]

In der Begründung liest sich da so schön:

Da das Land Berlin im Falle einer Insolvenz über die gegebenen Bürgschaften in erheblichem Maße an den Kosten beteiligt wird, wäre es sinnvoll, diese Mittel für den Ankauf der Gebäude auszugeben.

Schön und gut, jedoch muss man sich damit im Einzelnen auseinander setzen. Ich will das für die finanzielle Seite tun, da die Zeit hier sehr knapp ist.

Die Bürgschaften für die Gebäude erlöschen erst, wenn die betreffenden Kredite für diese Objekte zurückgezahlt sind. Deshalb kann man nicht so einfach sagen: Wir kaufen die auf, und dann braucht man die Bürgschaft nicht zu bedienen. Das ist ein Trugschluss.

[Beifall bei der FDP]

Egal ist bei dieser Betrachtung, ob das Land die Gebäude nun kauft oder nicht, wird die Anschlussförderung gestrichen, ohne ein Konzept dahinterzulegen, wird das für die meisten Gesellschaften zur Insolvenz führen. Gibt es keinen Verkauf, kann man sich das leicht ausrechnen. Die Mietermiete für die meisten Objekte beträgt 4 bis 5 Euro, die wahren Kosten 12 bis 21 Euro. Da ist klar, dass sich da über lange Zeit ein Riesenverlust aufhäuft. Irgendwann wird da auch die letzte Gesellschaft zum Insolvenzantrag greifen müssen. Verkaufen die einzelnen Gesellschaften ihre Objekte, bleiben die Verpflichtungen, die Kredite zurückzuzahlen, natürlich auch bei den Gesellschaften erhalten, außer das Land übernimmt sie und muss sie dann auch zurückzahlen. Der Kaufpreis vom Land wird die Kredite aber nur in Höhe von ca. 50 Prozent decken. Damit bleibt dann noch die Hälfte zurückzuzahlen. Man kann sich die Frage stellen: Ohne Wohnungen, woher sollen da die Einnahmen dafür kommen? - Da folgt dann auch die Insolvenz.

Und jetzt unterlege ich das noch mit ein paar Zahlen für die Jahrgänge 1987 bis 1989, weil uns da die Zahlen vorliegen. Die Bürgschaften belaufen sich auf ein Gesamtvolumen von 450 Millionen Euro, eventuell zahlt der Bund davon 50 Prozent. Das steht aber in den Sternen. Die Aufwendungsdarlehen, die verfallen, betragen 150 Millionen Euro im Falle der Insolvenz.

[Schruoffeneger (Grüne): Die kriegen sie eh nicht wieder! Sie müssen unser Papier durchlesen!]

Dazu kommen eventuelle Schadensersatzansprüche der Anleger. Da gibt es widersprechende Gutachten, das wäre rechtlich zu klären, einmal das neue Gutachten von Freshfields und das ältere von Finkelnburg. Im Best-Case ergibt sich somit ein Volumen von 375 Millionen Euro das von Berlin zu zahlen wäre, im Worst-Case von 600 Millionen Euro. Abgezinst

beträgt die Anschlussförderung aber "nur" 300 Millionen Euro.

[Zuruf der Frau Abg. Jantzen (Grüne) - Ritzmann (FDP): Milchmädchenrechnung der Grünen!]

Damit zeigt sich, selbst im besten Fall ist der von Ihnen vorgeschlagene Weg für den Steuerzahler teurer als die Anschlussförderung so zu belassen. Wir sagen natürlich nicht, wir wollen sie so belassen, wir suchen auch nach einem Ausweg, aber es darf letztendlich für den Steuerzahler nicht teurer kommen.

[Schruoffeneger (Grüne): Sechs Wochen Zeit haben Sie noch!]

Nun zum Antrag über die Regionalisierungsmittel: Diese sind gedacht für Ausschreibungen der Leistungen des Nahverkehrs, Investitionen in die Infrastruktur. Dem Punkt 1 der Grünen können wir uns anschließen. Es gibt durchaus Anzeichen, dass der Zuschuss an die S-Bahn durch Verhandlungen gesenkt werden könnte. Die Subvention von Azubi- und Schülertickets halten wir jedoch mit den Regionalisierungsmitteln nicht für sinnvoll. Wenn man sich dafür entscheidet, dass Schüler und Azubis hier in Berlin preiswerter Bahn und BVG fahren sollen, dann ist das eine Aufgabe, die über den Sozialetat zu lösen wäre und nicht aus dem Verkehrstopf zu bezahlen ist.

[Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

Einsparungen sollten für die tatsächliche Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt werden wie z. B. den Bau der U 5 oder bessere Angebote im Nachtverkehr, meinetwegen auch die U 2 oder die U 5. - Punkt 2 Ihres Antrags können wir uns anschließen. Das sollten wir noch im Ausschuss diskutieren und Einigung herstellen.

Nun als Letztes noch zum Haushaltsentlastungsgesetz der CDU. Wir erinnern uns alle gut: Kurz vor Beschluss des Haushalts erklärte der Finanzsenator im Juni, dass er die Verfassungsmäßigkeit des Doppelhaushalts anzweifele. Die Bemühungen der Koalition, diesen Zustand abzustellen und Sparmaßnahmen offensiver anzugehen, sind erbärmlich. Da muss die Opposition hier Vorschläge unterbreiten, wie wir es getan haben, wie es hier der Fall ist. Ein umfassendes Auskunftsrecht für den Finanzsenator begrüßen wir, weil es nicht sein kann, dass auf Grund von Informationsdefiziten die Konsolidierung des Haushalts auf der Strecke bleibt. Auch die Verstärkung der Grundbuchämter begrüßen wir,

damit Investoren nach Berlin kommen und nicht die Investitionen nachher woanders getätigt werden. Ebenfalls begrüßen wir zum Teil die gemachten Einsparvorschläge, manche davon hatten wir auch in den Haushaltsberatungen beantragt.

Und schon zu Beginn der Haushaltberatungen hatten wir kritisiert, dass ein Doppelhaushalt aufgestellt wird, worin gerade viele Risiken enthalten waren, zum einen die Risiken der Steuerausfälle von nicht realisierten, Privatisierungserlösen und der unzureichenden Finanzausstattung der Bezirke. Nun zeigt sich, dass hier unsere Befürchtungen zutreffend waren.

Lieber Herr Schmidt! Wenn Sie bitte so lieb wären und Ihre Papiere wegnehmen und nicht auf die Signallampe legen, würden Sie sehen, dass sie schon seit einer geraumen Zeit blinkt. Wir waren wirklich schon großzügig.

[Heiterkeit - Klemm (PDS): Geschickt, geschickt!]

Seien Sie so lieb, und kommen zum Schluss!

Ich bin erst 2 Minuten drüber!