Protokoll der Sitzung vom 28.11.2002

Es bleibt selbstverständlich in der Zeitschiene. Das Stadion muss vor der Fußballweltmeisterschaft abgeliefert werden, und

das ist auch möglich. Gegenwärtig sind wir etwas hinterher mit der Montage des Daches. Es ist aber nicht im Zeitplan vertraglich fixiert gewesen, wann das sein soll. In der ursprünglichen Planung war das so. Aber es gibt keinen Anlass zu irgendeiner Sorge, sondern die Arbeiten laufen, soweit das von uns verfolgt wird, sehr planmäßig.

Ich bitte die Personen, die wieder im Saale sind, obwohl sie keinen Saalzugang haben, denselben zu verlassen. Da sind Angehörige der Verwaltung, die in der Senatsreihe verhandeln. – Herr Senator Dr. Sarrazin, würden Sie vielleicht den Kollegen bitten, den Raum zu verlassen? Verhandlungen können Sie draußen machen. – Sind noch weitere Personen im Saale, die hier nicht hinein gehören? – Ich wäre dann auch denen dankbar, wenn sie den Saal verlassen. – Das geht nicht an. Ich bitte auch die Ordnungskräfte darauf zu achten, dass nicht die halbe Beamtenschaft hier sitzt. Die könnte besser im Büro arbeiten.

[Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP – Heiterkeit]

Es hat einen gewissen Unterhaltungswert. Das gebe ich ja zu. Aber das kann kein Grund sein.

Nun hat Kollege Matz das Wort zu einer Frage. – Bitte schön!

Ich frage den Wirtschaftssenator Wolf: Treffen Medienberichte zu, nach denen Vertreter des Landes Berlin im Verwaltungsrat der „Feuersozietät Berlin-Brandenburg“ bei Sitzungen des Verwaltungsrates mehr ab- als anwesend waren und somit nicht in der Lage gewesen sind, geschäftspolitische Entscheidungen zu verhindern, die zu einem Schaden von fast 23 Millionen € für den Berliner Steuerzahler geführt haben?

[Wieland (Grüne): Steffel soll auch nicht da gewesen sein!]

Senator Wolf!

Herr Abgeordneter Matz! Ich habe die Anwesenheit von Vertretern des Landes Berlin in den Verwaltungsratssitzungen noch nicht überprüft. Aber Sie hatten bereits gestern im Unterausschuss „Vermögen“ diese Frage gestellt, und Sie haben die Zusicherung, dass für den Zeitraum der letzten vier Jahre sowohl die Termine der Verwaltungsratssitzungen, die Mitgliedschaften und die Anwesenheit von Verwaltungsratsmitgliedern an den Unterausschuss „Vermögen“ gehen, sodass Sie dann diesen Sachverhalt verifizieren können.

Eine Nachfrage des Kollegen Matz – bitte!

Herr Senator! Inwieweit ist Ihnen bekannt, ob Ihre Vorgänger im Amt des Wirtschaftssenators und die Vorgänger von Senator Sarrazin an den Entscheidungen beteiligt gewesen sind, eine Geschäftspolitik einzuschlagen, die mit dem großzügigen Betreiben internati

onaler Geschäfte im Zusammenhang stand und zu dieser Schieflage mit beigetragen hat?

Herr Senator Wolf!

Ich gehe davon aus, dass meine Vorgänger im Amt und auch die Vorgänger und Vorgängerinnen im Amt von Senator Sarrazin ihrer Verpflichtung nachgekommen sind, auch im Rahmen der Verwaltungsratstätigkeit ihre Aufsichtspflicht auszuüben. Inwieweit hierbei Entscheidungen getroffen worden sind, die zum damaligen Zeitpunkt nicht vertretbar waren, gehört ebenfalls in den Zusammenhang, dass wir noch einmal rückblickend die Geschäftspolitik der „Feuersozietät und Öffentliche Leben“ darauf hin überprüfen werden, inwieweit unzulässige Risiken eingegangen wurden. Bislang liegen mir hierzu noch keine Erkenntnisse vor.

Die halbe Stunde ist vorbei. Damit hat die Spontane Fragestunde ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Aktuelle Stunde

„Jetzt auch Sony? Wirtschaftsstandort Berlin in der Krise – neue Wege braucht das Land!“

Es liegen Wortmeldungen für die erste Runde vor. – Das Wort hat der Vorsitzende der FDP-Fraktion. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!

[Pewestorff (PDS): Jetzt einmal eine optimistische, in die Zukunft weisende Rede!]

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Sie möchten von mir eine optimistische Rede zum Wirtschaftsstandort Deutschland und Berlin. Diese optimistische Rede beginne ich mit einem Zitat aus der heutigen „Times“ – London.

[Zurufe: Oh!]

Unter der Überschrift: „Ein katastrophaler Start für Schröders zweite Amtszeit“ schreibt heute die britische Zeitung „The Times“ – London:

Keine deutsche Regierung seit dem 2. Weltkrieg hat so stark und so schnell an Popularität eingebüßt wie die derzeitige Regierung von Gerhard Schröder. Die wirtschaftliche Situation ist schrecklich.

Da kann man nur sagen: Recht hat sie, die „Times“, aber sie kennt noch nicht Klaus Wowereit und sein Kabinett nebst der wirtschaftlichen Situation in Berlin.

[Beifall bei der FDP]

Ihn kennt vielleicht im Moment nur die „Malibu-News“ - allenfalls. Aber sie werden ihn noch kennen lernen.

Wenn Sie eine kleine Bewertung der wirtschaftlichen Situation in Berlin und in Deutschland von der „Times„ nicht so gern hören wollen, gebe ich Ihnen, verehrte Damen und Herren von der SPD, einmal die Bewertung eines Parteifreundes von Ihnen, und zwar im „Tagesspiegel“ von heute: Herr Tilman Fichter – SPD – wirft dem Senat Desinteresse an der Wirtschaftsentwicklung vor. Ich zitiere – mit Erlaubnis des Präsidenten:

Seit der Oktoberwahl 2001 in Berlin zeigt sich erneut: In großen Teilen der politischen Klasse in West- und Ostberlin interessiert man sich für alle möglichen Themen, nur nicht für die Zukunft der Produktion bzw. Ökonomie in dieser Stadt.

Soweit Herr Fichter – SPD –, und er fährt fort:

Langfristig droht der Zerfall der Stadt in eine Parlamentsfestung mit einigen Außenposten und in ein Mehrheitsghetto für die Ausgeschlossenen. Schon heute lebt jeder 8. Berliner in Armut. Die Stadt droht zu schrumpfen und ist auf dem Wege zur 2,5 Millionenstadt. Die Berliner Sozialdemokratie täte gut daran, sich wieder an ihre lange Geschichte als Partei der Produzenten zu erinnern, denn bevor sie in den 50er Jahren zur Partei des öffentlichen Dienstes denaturierte, war sie schließlich fast 100 Jahre lang eine stolze Facharbeiterpartei.

So viel von Ihrem eigenen Parteifreund, Herrn Fichter. Vielleicht schließen Sie den ja, wie es Art in Ihrem Hause ist, auch aus Ihrer Partei aus.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Was das konkret bedeutet in Berlin, zeigt nichts anderes als die schaurige Bilanz der Abwanderung von Unternehmen, des Personalabbaus bzw. der Schließung von Produktionsstätten. Während es im Jahr 2001 noch 4 Unternehmen waren, die bekannterweise abgebaut oder den Standort verlassen haben, sind es jetzt schon 17, darunter Pirelli, Spreequell, Borsig, Schlüter-Brot, Pfennigs Feinkost, Krone, BSH Bosch und Siemens Hausgeräte, Siemens Osram Industrieservice, Corning Cable Systems, Alcatel, Nestlé. Das ist die Bilanz von einem Dreivierteljahr Rot-Rot in dieser Stadt. So viel zum Einstieg.

Die Ursachen für diesen Niedergang an wirtschaftlicher Kraft in Berlin und Deutschland allgemein liegen auf der Hand. In Deutschland und in der Welt – jeder Notenbankchef weiß ganz genau: Bei Abschwung oder Rezession werden die Zinsen gesenkt. Und jede Regierung, die halbwegs bei Trost und halbwegs bei wirtschafts- und steuerpolitischem Verstand ist, weiß ganz genau: Bei Abschwung oder Rezession werden die Steuern gesenkt.

[Beifall bei der FDP]

Nicht so Rot-Grün. Ein ganzer Strauß von Abgaben- und Steuererhöhungen quält das Land, seine Bürger und die Unternehmen.

[Mutlu (Grüne): Wir sind nicht im Bundestag! – Pewestorff (PDS): Falsche Rede!]

Ein Fangschuss für alle Mittelständler, die immerhin 4 Jahre, Herr Mutlu, Rot-Grün wirtschaftlich überlebt haben, ein Beschleuniger für Kapitalflucht und Abwandern von Unternehmen ins Ausland und schließlich, nicht zu vergessen, ein gigantisches Programm zur Erhöhung der Schwarzarbeit. Wir liegen jetzt schon bei über 16 % vom Bruttoinlandsprodukt, bei über 330 Milliarden € im Jahr. Dies wird sich fortsetzen. Und statt hier in dieser Situation wenigstens den Einäugigen unter den Blinden zu geben, macht der Senat sogar noch den Fortschreiter, indem er Vermögen- und Erbschaftsteuereinführung erhöht.

[Liebich (PDS): Sehr gut!]

Sie sollten lieber das einzig Gebotene machen, die Gewerbesteuer abzusenken von 410 auf etwa 325 Punkte. Da hätte man wenigstens eine Angreiferposition,

[Liebich (PDS): Sehr komisch!]

da wäre man unter allen Städten über 50 000 Einwohner an bester Stelle. Das würde Unternehmen nach Berlin bringen.

[Beifall bei der FDP]

Und weil Sie hier dazwischen rufen, Herr Liebich: Sie sind doch Haushälter. Ich kann Ihnen das mal erklären im Vergleich. Die Stadt Düsseldorf hatte 2000 per 2001 die Gewerbesteuer um 5 Punkte gesenkt. Sie hatte 2000 1,1 Milliarden DM Einnahmen und 2001 1,3 Milliarden, also einen Zuwachs von Einnahmen, während Berlin im selben Zeitraum bei gleichbleibender Gewerbesteuer eine Absenkung des Aufkommens von 880 Millionen auf 760 Millionen hatte. Das werden Sie nie verstehen, Sie nicht, aber ich bin guter Hoffnung, dass Sie auch nicht mehr allzu lange in dieser Regierung sitzen werden.

[Beifall bei der FDP – Pewestorff (PDS): Die Erde ist eine Scheibe!]

Ich appelliere an diesen Senat: Widersetzen Sie sich den stupiden steuerpolitischen Plänen der Bundesregierung. Senken Sie hier in Berlin Steuern und Abgaben, um wenigstens Ihres dazu zu tun, dass hier Wirtschaft und Unternehmen wachsen und gedeihen.

[Liebich (PDS): Das Vernünftigste, was die Bundesregierung tut!]

Zur Verkehrspolitik, ein ganz zentrales Thema, die Flugverbindungen, Direktverbindungen, wird im Anschluss mein Kollege von Lüdeke noch Stellung nehmen. Aber auch hier, nur kurz: Es ist unsinnig, hier ständig vom vorzeitigen Schließen des Flughafens Tempelhof zu schwafeln, statt den Unternehmen wie beispielsweise SN Brussels, die im Gefolge der Sabena die Direktverbindung nach Brüssel wenigstens aufrechterhalten wollen, jede Möglichkeit, sinnvoll zu investieren, zu nehmen. Es war übrigens bemerkenswert, dass dort außer meiner Fraktion bei der Präsentation keine einzige der hier im Abgeordnetenhaus vertreten Parteien anwesend war.