Protokoll der Sitzung vom 12.12.2002

Eine Heilung der Drogensucht wird durch Fixerstuben auch nicht ansatzweise erreicht. Insofern ist es ausgesprochener Quatsch, wenn die Gesundheitssenatorin davon spricht, dass mit diesem Angebot der Fixerstuben ein Angebot zur Überlebenshilfe für Abhängige gemacht wird.

[Frau Seelig (PDS): Genau das ist es!]

Schon die umgedeutete Bezeichnung dieser Fixerstuben – Frau Dott hat nicht davor zurückgeschreckt, sie als Gesundheitsräume zu bezeichnen –, ist zynisch und menschenverachtend.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Frau Dr. Klotz (Grüne): Sie sind menschenverachtend!]

Herr Henkel! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zackenfels?

Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass das hilfreich ist und zur Aufklärung beiträgt.

[Gelächter bei der PDS]

Ist das ein Ja oder ein Nein?

Nein! – Auch die vollmundigen Bekenntnisse von Rot-Rot zur bedeutenden Rolle der Prävention stehen in einem eklatanten Gegensatz zu den Haushaltskürzungen in diesem Bereich, denn Projekte, die auf einen kleinen Teil der Süchtigen ausgerichtet sind, wie etwa Fixerstuben, gehen zu Lasten der etablierten Drogenhilfe.

Wer von Fixerstuben eine Lösung des Suchtproblems erwartet, begeht einen fatalen Fehler; sicherheits- und rechtspolitisch, weil der Stoff, mit dem Süchtige in Fixerstuben gehen, zwangsläufig von einem illegalen Markt stammen muss, es sei denn, er würde in den Stuben gratis angeboten, und gesundheitspolitisch, weil Heroin Menschen krank und abhängig macht und sie im allerschlimmsten Fall sogar tötet – ob hygienisch sauber oder nicht.

Mein Fazit bleibt: Fixerstuben sind keine Problemlösung, sondern eine Problemverlagerung.

[Beifall bei der CDU]

Fixerstuben sind Anziehungspunkte für Kriminelle, Süchtige und Verführbare. Sie erleichtern und unterstützen vorhandene Sucht und erschweren die Schritte für eine erfolgreiche Therapie. Wir setzen auf Prävention, Repression und Therapie. Das heißt im Ergebnis, keine Toleranz gegenüber Drogenmissbrauch und Drogenhandel,

[Frau Oesterheld (Grüne): Alkohol ja?]

[Beifall bei der CDU]

[Frau Seelig (PDS): Sie stören sich aber an den Spritzen in ihren Hauseingängen!]

Frau Dott hat diesen Versuch vorhin ebenfalls unternommen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Politik die Bekämpfung der Drogensucht und Schutz vor der damit einhergehenden Kriminalität. Die Fixerstuben leisten dazu keinen Beitrag.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Henkel! – Für die SPD erhält der Kollege Kleineidam das Wort. – Bitte schön, Sie haben das Wort.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Wir haben es deshalb in unserem Koalitionsvertrag wie folgt formuliert: Suchtpolitik würde „nur durch eine enge Verknüpfung von Suchtprävention, ausstiegsorientierten Hilfen, Substitution, Gesundheitshilfen sowie der konsequenten Bekämpfung von Handel und Schmuggel erfolgreich“ sein.

Wir beschäftigen uns bei dem Thema Drogenkonsumräume mit einem Teilaspekt dieses Gesamtkonzepts. Ich betone das Gesamtkonzept hier noch einmal ausdrücklich, weil mitnichten jemand in diesem Haus behauptet hat, mit Drogenkonsumräumen würde die gesamte Drogenproblematik behandelt werden.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Da hilft es auch nicht, Herr Kollege Henkel, wenn Sie eine solche These immer wieder unterstellen. Sie wird dadurch nicht richtiger. Gerade die unzulässige Verknüpfung der Gesamtfrage Drogenpolitik mit der Einrichtung von Konsumräumen verwischt die tatsächlichen Probleme. Die Gesundheitshilfe Drogenkonsumräume stellt das Gesamtkonzept der Drogenbekämpfung in keiner Weise in Frage, sondern ist ein Teil des Gesamtkonzepts, das Betroffenen Hilfe bei der Abwehr gesundheitlicher Gefahren bietet.

Sie stellt auch einen Beitrag zum Abbau von Belastungen für Anwohner dar. Auch wenn Sie für die CDU zum wiederholten Male behaupten, wir hätten in Berlin keine öffentliche Drogenszene – wobei ich mich immer frage, wo Sie in dieser Stadt eigentlich leben –, werden Sie nicht bestreiten können, dass es diverse Proteste und

Wir haben im Baurecht – darauf hat sich der Kolleg Matz seinerzeit bezogen – ein ganz formelles Verfahren installiert, das zu zusätzlichen bürokratischen Hemmnissen führt. Das ist aus meiner Sicht im Baurecht völlig gerechtfertigt. Wenn ich das aber auf alle Entscheidungen übertrage, wird das problematisch. Ganz problematisch wird es da, wo es um den Schutz von Minderheiten geht. Da sind wir als gewählte Volksvertreter in der politischen Verantwortung, auch unter Umständen unpopuläre Maßnahmen zu entscheiden, wobei – das ist zugestanden und eine Selbstverständlichkeit – alle Argumente vorher angehört und sorgfältig abgewogen werden müssen. Genau das haben wir in diesem Haus in zahlreichen Anhörungen auch getan.

Es gibt die weitere Bitte um eine Zwischenfrage. Herr Kollege Krestel möchte eine Frage stellen. – Gestatten Sie diese?

Mit Blick auf die Zeit bitte ich um Verständnis, wenn ich zunächst meinen Vortag weiterführe.

Sorgen von Anwohnern gibt, wenn sie auf Kinderspielplätzen Spritzen finden. Sie können vor dieser Problematik nicht die Augen verschließen und sagen, das soll alles so bleiben, dann werden Kinder eben gefährdet, wir wollen keine Alternativen schaffen. – Hier gibt es genug Erfahrungen in anderen Bereichen, es gibt genug Wünsche aus der Bevölkerung, von betroffenen Anwohnern, die sagen, schafft hier einen Ersatzraum, damit diese Belastungen keine Gefahren mehr für unsere Kinder herstellen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Der Senat hat vorgestern mit dem Beschluss einer Verordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen die Rechtsgrundlage für die Einrichtung solcher Räume in Berlin getroffen. Den Auftrag bekam er dazu in diesem Jahr durch einen Beschluss des Abgeordnetenhauses, und wir haben über Jahre hinweg in diesem Haus die Problematik ausführlich behandelt. Ich will nur einige Argumente in Erinnerung rufen.

Es ist bei allen relativ unstrittig gewesen, dass solche Räume hygienisch verbesserte Bedingungen für Suchtkranke darstellen, womit Gefahren vermieden werden können. Ebenso müsste es hier unstrittig sein, dass Gefahren durch herumliegende Spritzen insbesondere für kleine Kinder vermieden werden müssen. Unter beiden Aspekten stellen Drogenkonsumräume einen Ansatz zur Problembewältigung dar.

Welches waren die Argumente gegen Drogenkonsumräume? – Bei der FDP gab es plötzlich die Forderung nach einer formellen Bürgerbeteiligung – eine sehr spannende Position für eine Fraktion, die sich in den Ruf begibt, immer für Entbürokratisierung arbeiten zu wollen. Hier nun bei kleinteiligen kommunalpolitischen Entscheidungen eine formelle Bürgerbeteiligung einzufordern, wirkt angesichts der emotionalen Diskussion wie eine Flucht vor der Verantwortung.

[Ritzmann (FDP): Sie wollen das ohne Bürger gestalten?]

Ich komme gleich darauf. – Wir haben in zig Diskussionen und Anhörungen die Argumente der Bürger aufgenommen. Die Frage ist, ob in solchen Entscheidungen im formellen Sinne wie im Baurecht eine Bürgerbeteiligung eingebaut werden soll. So ist an diesem Punkt Ihre Forderung.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hahn?

Bitte schön!

Herr Kollege! Ist es tatsächlich so, dass Sie Bürgerbeteiligung mit Bürokratisierung gleichsetzen?

Herr Kollege Hahn! Sicher nicht in jedem Maße. Die Frage ist doch, in welchem Verfahren ich welche Art von Bürgerbeteiligung einführe.

[Ritzmann (FDP): Das ist sehr schwach!]

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Bemerkenswerter fand ich die Fragestellung der FDP nach eventuellen Problemen beim polizeilichen Handeln. Wo liegt die Grenze zwischen der Pflicht der Polizei, strafbare Handlungen zu verfolgen, und wo muss die Polizei sich zurückhalten, um die vom Betäubungsmittelgesetz nun zugelassene Einnahme von Drogen in Drogenkonsumräumen zu ermöglichen? Das ist eine Fragestellung, bei der ich nachvollziehen kann, dass sich ein einzelner Beamter damit schwer tut. Deshalb haben wir im Innenausschuss die Beratung der entsprechenden Anträge auch extra zurückgestellt. Wir haben einen Staatsanwalt zu uns geladen, der Erfahrungen hat. Dieser hat uns berichtet, dass es in der Praxis keine Probleme gibt, wenn eine enge Kooperation zwischen den beteiligten Stellen sichergestellt ist.

Nun darf ich mit Erlaubnis des Präsidenten aus der beschlossenen Rechtsverordnung zitieren, weil da nämlich genau dem Rechnung getragen worden ist:

Der Träger des Drogenkonsumraums hat mit dem zuständigen Bezirksamt, Abteilung Gesundheit, der Polizei und der Staatsanwaltschaft eng und kontinuierlich zusammenzuarbeiten. Zu den Grundzügen dieser Zusammenarbeit gehört es insbesondere, dass die Leitung des Drogenkonsumraums zur Polizei ständigen Kontakt hält und mit dieser Maßnahmen abstimmt, um frühzeitig Störungen der öffentlichen Sicherheit im unmittelbaren Umfeld des Drogenkonsumraums zu verhindern.

Da haben Sie Recht, nicht den Teil zur Drogenpolitik. Aber es ist nun einmal so, dass fast alle Fraktionen in diesem Haus in irgendeiner Form an Formulierungen dieser Koalitionsvereinbarung beteiligt gewesen sind.

Herr Steffel, wunderbar, es gibt endlich einmal einen Augenblick, in dem die CDU ihre Hände in Unschuld waschen kann und an nichts beteiligt ist.

Na, das warten wir dann einmal ab. Es kommt auch noch darauf an, mit wem, wenn das so sein sollte. Bevor wir jetzt in koalitionspolitische Höhen entgleiten, sollten wir lieber auf den Boden der Drogenpolitik zurück kommen.

Ich finde jedenfalls, dass es den Eindruck erweckt, dass Sie die Drogenkonsumräume doch sehr stark in den Mittelpunkt Ihrer Drogenpolitik stellen. Und mehr noch: Man hat heute auch den Eindruck, dass Sie als Koalition – Sie hatten ja noch einmal die freie Auswahl für eine Aktuelle Stunde – wirklich keine anderen Erfolge in diesem Dezember des Jahres 2002 vorzuweisen haben, als dass Sie die Einrichtung von zwei Drogenkonsumräumen vorantreiben.

Hier ist in der Rechtsverordnung, die Grundlage für die Genehmigung eines solchen Betriebs ist, sichergestellt worden, dass diese Kooperation stattfindet. Sie ist Voraussetzung für diesen Betrieb. Ich denke, damit ist diesen Bedenken ausreichend Rechnung getragen worden.

[Ritzmann (FDP): Das greift zu kurz!]