Protokoll der Sitzung vom 16.01.2003

Auch ärgerlich, aber vor allem verwunderlich ist, dass nach so vielen Monaten der Behandlung die Koalition schließlich einen Gesetzentwurf vorlegt, zu dem die Wissenschaftsverwaltung Dutzende von Änderungs- und Korrekturvorschlägen machen muss, damit die Sache überhaupt behandlungsreif wird.

[Beifall der Frau Abg. Paus (Grüne)]

Dutzende von Vorschlägen, das ist schon, lieber Herr Dr. Flemming, ein bisschen peinlich.

[Beifall der Abgn. Frau Grütters (CDU) und Frau Paus (Grüne)]

Und dann werden auch noch Dinge in die Gesetzesänderung gepackt, die mit der Anpassung des Hochschulrahmengesetzes nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Einige sind inhaltlich nicht zu beanstanden, andere sind ein Rück- und kein Fortschritt. Das Promotionsrecht für die Business-Hochschule beispielsweise begrüßen wir. Aber warum Sie gleich einen bürokratischen Regelungswahn sondergleichen über das Promotionsverfahren legen, das Promotionsverfahren in allen Einzelheiten regeln wollen, das bleibt einigermaßen unerfindlich. Wir hatten in Berlin eine wohltuend zurückhaltende Regelung. Das war einmal ein Stück praktizierte Entbürokratisierung. Die war Ihnen offensichtlich ein Dorn im Auge.

[Liebich (PDS): Von uns nicht!]

[Liebich (PDS): Ja, bei der nächsten großen Koalition wieder!]

Die Regelungen, die Sie für den öffentlichen Dienst, Herr Liebich, in einer Art Vorreiterrolle für Berlin reklamieren, dabei bleibt offen

[Liebich (PDS): Die dürfen Sie doch gar nicht gut finden!]

Zu diesem Änderungspaket werden wir uns der Stimme enthalten, ich sagte es schon. Dies gilt selbstverständlich, Frau Paus, nicht für das, was Sie aus der Mottenkiste herausgeholt haben, das allgemein politische Mandat.

[Wieland (Grüne): Na, na!]

Man ist ja geneigt, den erneuten Versuch als mehr oder weniger schlechten Scherz zu bezeichnen.

[Beifall bei der CDU]

Glauben Sie denn ernsthaft, Herr Wieland – und Sie glauben es auch nicht –, dass die Einführung des allgemein politischen Mandats mit den Interessen der Studierenden, mit dem, was diese wirklich umtreibt, auch nur das Geringste zu tun hat?

[Wieland (Grüne): Ja, sonst würden wir es ja nicht fordern!]

Was die Studierenden von der Gremienarbeit im Rahmen der verfassten Studentenschaft halten, was sie wirklich davon halten, dass demonstrieren sie, wann immer es um Wahlen zu diesen Gremien geht.

[Wieland (Grüne): Weil das Mandat fehlt, dann würde es spannender werden!]

Bei einer Wahlbeteiligung, die sich zum Teil im einstelligen Prozentbereich bewegt, da von einer wirklichen poli

Seien Sie nicht sauer, dass ich Erfolge auch als Erfolge darstelle. Der erste Erfolg heißt politisches Mandat. Hier ist ein Gesetzesantrag eingereicht worden, der auf eine Situation reagiert, die seit langem bei den Berliner studentischen Selbstverwaltungsorganen zu Schwierigkeiten führt, weil sie auf Grund von Klagen in einer Situation

sind, in der sie die Möglichkeiten, die ihnen von politischen Akteuren zugeschrieben werden, nicht wahrnehmen können. Von den Grünen ist ein Antrag eingereicht worden, der die Situation verbessern soll. Der wird nun von Lisa Paus im Bemühen darzustellen, dass sie sowieso immer Recht hat, an diesem Punkt quasi zum Beweis: Das ist die Rechtssicherheit, die die Studierenden brauchen, und dieser Gesetzesänderungsantrag würde vor Gericht immer bestehen. – Man möge sich das Protokoll ihrer Rede anschauen. Genau dort wird es deutlich. Dieser etwas vermessene Anspruch des Gesetzesantrags der Grünen, den wir gut finden, wird vor allem deshalb aufgemacht, weil man beweisen will, dass der Änderungsantrag der Koalition, der auf Augenhöhe mit dem Gesetzesantrag der Grünen agieren kann, nun erst die rechtliche Unsicherheit bringt. Das, liebe Kollegin Paus, trifft aber nicht zu. Beide Anträge leben mit dem Problem – insofern hat der Kollege Kurth Recht, jenseits der politischen Argumentation, die ich nicht teilen kann –, dass über Gesetzesänderungen in diesem Punkt letztlich ein Gericht befinden wird. Das ist die große Problematik, dass ein Gericht eine Interpretation von Gesetzen häufig nach politischem Belieben vornimmt, wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Das ist ein Problem. Das ist auch aus meiner Sicht ein Sonderfall bei Gesetzen.

tischen Legitimation sprechen zu wollen, ist schon einigermaßen absurd.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Die Studierenden wissen ganz genau, was die Funktionäre, die sich in den Gremien der verfassten Studentenschaft tummeln, wirklich umtreibt;

[Wieland (Grüne): Der RCDS treibt sich da rum!]

es ist nicht das Bemühen um eine wirkliche Interessenvertretung – ansonsten sähen nämlich auch die Wahlbeteiligungen anders aus. Es kann sich politisch – auch parteipolitisch – beteiligen, wer immer will und wenn er es will. Aber wenn er es nicht will, Frau Paus, dann muss er auch die Möglichkeit haben, auszutreten und darf nicht auch noch gezwungen sein, mit seinen Beiträgen diese zum Teil wirklich absurde, parteipolitische Veranstaltung „verfasste Studentenschaft“ auch noch zu finanzieren. Sie schaffen mit diesem Gesetzentwurf kein bisschen Rechtssicherheit. Das Thema bleib juristisch auf der Tagesordnung. Das Thema wird auch die Verfassungsgerichte weiter beschäftigen. Das ist fraglos. Wo immer sich Studenten dagegen wehren, mit ihren Beiträgen Indoktrination und Parteipolitik finanzieren zu müssen, treffen sie auf unsere politische Unterstützung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke schön, Herr Kollege Kurth! – Für die PDS erhält Herr Kollege Hoff das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich war kurz verwirrt, weil ich dachte, der ehemalige Arbeiter- und Studentenführer Wieland wolle eine Kurzintervention machen, weil er sich mit Zurufen beteiligt hat.

Ich will zu beiden vorliegenden Gesetzesanträgen sprechen und mich insbesondere auf den Beitrag der Kollegin Paus und den Beitrag des Kollegen Kurth beziehen.

Der Beitrag der Kollegin Paus war vor allem gekennzeichnet durch die Position: Ich, Lisa Paus, habe schon immer Recht gehabt. – Und vor allem, alles das, was man auch möglicherweise als einen Fortschritt in der Berliner Hochschulpolitik darstellen könnte, wo man auch als Parlament sagen kann, hier hat man etwas erreicht, auch weil es eine Reihe von Vorschlägen von den Grünen gewesen ist, über die wir hier nach langer Zeit endlich abgestimmt haben, statt dessen wird auf Kleinmut gemacht. Das ist aber genau das Gegenteil von dem, was Ihr Fraktionsvorsitzender heute in der Rede zur Regierungserklärung gesagt hat: Nicht Kleinmut soll die Stadt regieren. – Ihre Rede war geprägt von Kleinmut.

Dass wir hier als Parlament auf Grund eines bestimmten Gerichtsverhaltens gezwungen sind, uns quasi in einem Trial-and-error-Verfahren einer Position anzunähern, zu der auch ein Gericht sagen würde: Dem können wir jetzt einmal zustimmen. – Das ist ein politisches Problem.

Die Initiative, die die Grünen hier ergriffen haben und die wir unterstützen, hat sich im Gesetz niedergeschlagen und nimmt aus unserer Sicht eine Reihe von Positionen auf, mit denen dies deutlich gemacht wurde, auch in der Diskussion im Ausschuss. Hier sind eben grundsätzliche politische Unterschiede. Insofern werde ich Herrn Kurth nicht überzeugen können. Aber man kann zumindest eine unterschiedliche Rechtsmeinung auch des Bundesverfassungsgerichts beispielsweise zur Zwangsmitgliedschaft in der Arbeiterkammer Bremen und Saarland zur Kenntnis nehmen, um zu sagen, dass Ihre Rechtsinterpretation, die genauso legitim ist wie meine, darstellt, dieses Zwangskörperschaftsmitglied würde ausschließen, so zu agieren, wie wir es nach dem Gesetz vorschlagen. Es gibt eine andere Rechtsauffassung. Der wollen wir zur Durchsetzung verhelfen. Das finden wir richtig.

Zum zweiten Punkt, der von der Kollegin Paus angesprochen worden ist, dem Promotionsrecht: Nun haben Sie – das überrascht mich, weil ich die Position der Grünen immer anders im Kopf hatte – sich offensichtlich als Fraktion der Grünen davon verabschiedet, dass Sie die Situation von Fachhochschulabsolventen und ihre Promotionsmöglichkeiten verbessern wollen.

[Wieland (Grüne): Was?]

Ich bedauere das, dass die Grünen sich hier verabschiedet haben. Aber mit Ihrer stetigen Ablehnung, erst im Ausschuss, jetzt hier im Plenum, haben Sie sich offensichtlich

Das ist für einen Liberalen ein sehr schwieriges Thema. Das haben wir natürlich nicht nur an der Universität, sondern das geht auch beispielsweise los bei den Kammern. Hier unterstützen wir eine Zwangsmitgliedschaft in Kammern ausschließlich dann, wenn sichergestellt ist, dass sich die Tätigkeit der Kammer ausdrücklich auf die Belange der Kammermitglieder im engeren Sinne bezieht. Das haben wir beispielsweise, Herr Wieland, bei der Rechtsanwaltskammer in sehr schöner Weise. Da haben wir Kammern, die beschäftigen sich mit den Angelegenheiten der Rechtsanwälte. Wer sich darüber hinaus engagieren will, der kann sich einem Strafverteidigerverein anschließen. Der kann natürlich auch einem Rechtsanwaltsverein beitreten. Das ist alles freiwillig. Dann kann er sich insoweit überlegen, ob es Sinn hat, dass mit seinem Geld dieses und jenes Engagement unterstützt wird oder diese und jene auch allgemeinpolitische Äußerung getätigt wird. Um nichts anderes geht es hier bei dem allgemeinpolitischen Mandat für die ASten auch. Um was es hier geht, Herr Kollege Wieland, ist nicht die Frage, ob sich Studenten an der Universität politisch betätigen oder auch allgemeinpolitisch betätigen dürfen. Ja, selbstverständlich! Das sollen si

davon verabschiedet. Ich glaube nicht, dass sich das mit den Positionen deckt, die Sie damals – ich glaube, 1999 oder 2000 – auf Ihrem Bundesparteitag im ersten Leitantrag zur Hochschulpolitik beschlossen haben.

[Gelächter des Abg. Wieland (Grüne) – Zurufe der Abgn. Frau Paus (Grüne) und Wieland (Grüne)]

Ich glaube, es war sogar der Bremer Parteitag. Aber es ist ganz klar, Sie haben sich von der Position verabschiedet, aber Sie haben sich jetzt auch bei der BSR für die Liberalisierung in weiten Teilen ausgesprochen und nennen das progressive Entstaatlichung. Ich habe Ihnen schon im Wirtschaftsausschuss am Montag gesagt: Liebe Frau Paus, Sie können froh sein, dass Sie mit Herrn Lindner immer noch jemanden haben, der nicht wirtschaftsliberal, sondern neoliberal argumentiert.

[Frau Senftleben (FDP): Ach, Herr Hoff!]

Aber der Weg der Grünen in diesen beiden Bereichen ist relativ klar vorgezeichnet. Ich finde es bedauerlich, aber dann ist das so, dass Sie in bestimmten Punkten, z B. bei dieser Promotionsrechtsgeschichte kein richtiger Partner mehr sind.

[Gelächter des Abg. Wieland (Grüne)]

Ich hoffe, dass Sie wenigstens in einem Punkt noch Partner sind. Das ist bei den Studiengebühren. Wir haben in unseren Erklärungen ein Studium sowohl im Erst- als auch im Zweistudium abgelehnt. Sie haben in einer wirklich diamantenscharfen Presseerklärung argumentiert, Herr Flierl habe sich bei der Studiengebührenfreiheit von Positionen der PDS verabschiedet, Sie seien für die Studiengebührenfreiheit im Erststudium. Entschuldigen Sie, dass wir da vielleicht noch ein bisschen diamantenschärfer sind als Sie. Wir lehnen Studiengebühren – und bleiben dabei – im Erst- und im Zweitstudium ab. Aber vielleicht kommen Sie wieder auf die richtige Position, die die Grünen auch in Bremen damals gehabt haben. Die hatten einmal argumentiert für – – und für Studiengebührenfreiheit. Sie haben glücklicherweise die FDP, die Sie immer noch links überholen können. Bei uns schaffen Sie es nicht. Tut mir Leid, aber so ist das Leben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Kollege Hoff! – Die Redeliste schließt mit Herrn Dr. Lindner von der FDP. – Bitte schön!

[Dr. Flemming (SPD): Herr Lindner macht wohl alles!]

Herr Präsident! Verehrte Damen, meine Herren! Ich will mich auf das Thema allgemeinpolitisches Mandat beschränken, weil dies den Nerv liberalen Denkens berührt, und zwar schlichtweg deswegen, wenn es um Zwangsmitgliedschaften geht, Herr Kollege Wieland, dann gehen bei uns die Alarmlampen los.

[Gelächter des Abg. Wieland (Grüne) – Zurufe von der SPD und den Grünen]

Herr Dr. Lindner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wieland?