Protokoll der Sitzung vom 16.01.2003

Danke schön! – Damit ist diese Frage erledigt.

Was tut der Senat gegen die Eskalation der Jugendkriminalität?

Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Ich hatte dieselbe Vermutung, aber wie das manchmal im Leben mit Vermutungen ist... – Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Wansner gern. – In der Fragestellung, Herr Abgeordneter, unterstellen Sie eine Eskalation der Jugendkriminalität.

[Mutlu (Grüne): Er hat wieder geträumt!]

Eskalation, das heißt: ein bedrohliches Anwachsen. Davon kann erfreulicherweise keine Rede sein.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das finde ich sehr positiv. Mir wurden Zahlen von der Polizei zugeliefert. In der Auswertung des Jahres 2002 – dort bewegen wir uns gegenwärtig – ist Folgendes festzustellen: Insgesamt wurden 17 187 tatverdächtige Jugendliche registriert. Im Vergleich zum Jahr 2001 bedeutet das eine Zunahme von 169 tatverdächtigen Jugendlichen. Das entspricht einer Zunahme von 1 %. Das ist nicht erfreulich, wie jeder tatverdächtige Jugendliche nicht erfreulich ist. Das ist nach wie vor ein ernster Sachverhalt, aber wir können angesichts dieser Zahlen nicht von einer bedrohlichen Eskalation reden.

Sie fragen danach, wie sich die Jugendkriminalität im Einzelnen entwickelt hat. Es gibt einen leichten Rückgang in Sachbeschädigung. Es gibt einen überproportionalen Zugang bei Leistungserschleichung. – Dazu gehört wahrscheinlich auch, vulgär gesprochen, das Schwarzfahren. –

Nun lassen Sie mich, Herr Abgeordneter Wansner, noch etwas anderes freimütig hinzufügen: Es ist nicht so – das kann man nicht belegen –, dass Jugendkriminalität proportional ansteigt oder abfällt mit dem Grad von Ausländern oder Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft. Richtig ist aber, dass es für diesen Personenkreis schwierige Integrationsprobleme gibt. Mir persönlich macht ein Sachverhalt, auf den ich mehrfach hingewiesen habe, erheblich Sorge: Nahezu ein Drittel der Jugendlichen nichtdeutscher Herkunft ist ohne Hauptschulabschluss. Wenn es richtig ist, dass Ausbildungsabschlüsse notwendige Voraussetzung sind für Berufserfolge – nicht hinreichende, aber notwendige Voraussetzung –, dann besteht

dort ein Gefährdungspotential, dass solche jungen Menschen keine vernünftige Tätigkeit ausüben können und sich leicht im Bereich der Jugendkriminalität wiederfinden könnten. Das ist eine ernst zu nehmende Herausforderung, der sich nicht die Polizei, sondern wir insgesamt stellen müssen. Da liegt noch eine schwierige Aufgabe vor uns.

Danke schön! – Herr Wansner!

Herr Senator! Wie bewerten Sie dann aber die Aussagen des Polizeipräsidenten vor 14 Tagen in der „Berliner Morgenpost“, wonach es insbesondere bei der Kriminalität ausländischer Jugendlicher zwischenzeitlich besorgniserregende Zustände gebe?

Würden Sie bitte alle, bevor der Herr Senator das Wort zur Beantwortung erhält, noch einmal überprüfen, ob Sie Ihre Handys entsprechend unserer Regelung auch ausgestellt haben! Sie merken es selbst, es stört. Irgendjemand von Ihnen muss sein Handy ausgerechnet neben der Mikrofonanlage liegen haben.

Es gibt eine Zunahme auch bei gefährlicher Körperverletzung in der Öffentlichkeit. Daraus ergibt sich das gesamte Bild, das ich Ihnen zu schildern versucht habe. Das heißt aber – ich fasse noch einmal zusammen –: An sich ist Jugendkriminalität immer ein unangenehmer und ernst zu nehmender Sachverhalt. Die Zahlen haben sich leicht nach oben entwickelt, deuten aber nicht auf eine „explodierende“ Eskalation hin. – Ich weise darauf hin, dass es auch eine Steigerung bei Raubtaten gegeben hat, die wir zur Kenntnis nehmen mussten.

Zu 2: Sie fragen unter anderem nach Dunkelziffern. Hier bewegt man sich – wie es der Name schon sagt – im Dunkeln. Das ist sehr schwer zu ermitteln. Ich kann Ihnen dazu keine Auskünfte geben. Ich glaube, dass die Berliner Polizei dort nicht weg-, sondern sehr genau hinsieht.

Nun möchte ich Ihnen zu dem wichtigen Bereich der Prävention oder der Verhaltensänderung, falls etwas geschehen ist, einiges sagen: Wir können in Berlin angesichts der nicht einfachen sozialen Situation in unserer Stadt, sowie einer auch mental nicht einfachen Situation in einer Stadt, die angewiesen war und ist auf viele Zureisende, die immer ein Schmelztiegel war, stolz darauf sein, dass wir eine Reihe von Einrichtungen haben, die sich um die Integration von Jugendlichen in unsere Gesellschaft bemühen. Zur Integration in die Gesellschaft gehört auch das Einhalten von Rechtsnormen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Wir haben ein Projekt gemeinsam mit der Innenverwaltung, die Federführung liegt aber in meiner Verwaltung, das ist „Kick“. Sie kennen dieses Projekt. Es ist, das will ich hier lobend erwähnen, von einem hochengagierten Polizeibeamten eingeführt worden.

[Beifall der Frau Abg. Hertel (SPD)]

Das Schöne daran ist – es gibt in der Demokratie zu Recht keine Vererbung von Posten, auch nicht von Aufgaben –, aber der Sohn dieses Polizeibeamten ist ebenfalls Polizeibeamter und führt dieses Projekt fort. Das Projekt bemüht sich darum, jugendliche Straftäter oder Jugendliche, die kurz vor der Begehung einer Straftat gestanden haben, in Bereiche zu führen, in denen sie etwas Vernünftiges machen können, beispielsweise Sport. Wir haben in unserer Stadt ein Netz von Sporteinrichtungen, die keine Sportvereine sind, sondern aufsuchende Sozialarbeit machen. Deren Mitarbeiter gehen zu den Jugendlichen hin, sprechen sie an.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Jetzt hat das Wort zur Beantwortung der Herr Senator – bitte!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Wansner! Es ist für mich auf Grund meiner Ressortzuständigkeit sehr kompliziert, die Aussagen des Polizeipräsidenten bewerten zu sollen. Aber wenn Sie schon fragen, dann bewerte ich es so, dass der Polizeipräsident, ähnlich wie ich in meinen letzten Ausführungen, darauf hinweisen wollte, dass es bei der Integration sehr darauf ankommt, den jungen Menschen, gerade diesen jungen Menschen, eine gesicherte Lebens- und Erwerbsperspektive in unserer Gesellschaft zu bieten. Darum müssen wir ringen. Das setzt Angebote der Gesellschaft, wie übrigens auch eigene Anstrengungen voraus. In der Sänfte zum Erfolg getragen wird in dieser Gesellschaft niemand, das ist auch nicht notwendig.

Herr Wansner, Ihre zweite Zusatzfrage – bitte!

Herr Senator! Meinen Sie nicht, dass wir besser nicht zynisch werden sollten, weil wir in Deutschland inzwischen auf 4,5 Millionen Arbeitslose zugehen und in dieser Stadt zwischenzeitlich 300 000 Menschen arbeitslos sind und gerade die Jugendlichen, von denen Sie sprechen, auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr haben? Das heißt, dass die verfehlte Wirtschaftspolitik in diesem Land, teilweise auch in dieser Stadt – –

Herr Wansner! Sie kennen die Regel: klare, kurze Fragen.

Frau Präsidentin! Das war eine kurze und knappe Frage.

Es erfolgen zuerst die Wortmeldungen nach der Stärke der Fraktionen mit je einem Mitglied. Da wir ein neues Jahr haben, will ich es in der ersten spontanen Fragestunde gern noch einmal sagen: Nach dieser so genannten

Fraktionsrunde gibt es ein Gongzeichen, nach dem alle Abgeordneten die Möglichkeit haben, sich zu Wort zu melden. Alle vorher erfolgten Wortmeldungen werden vom Präsidium gnadenlos gelöscht.

Was ich der Zeitung aber nicht entnehmen konnte, sind die Ergebnisse dieser Gespräche. Können Sie uns kurz darüber berichten?

Herr Senator Böger, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Wansner! Ich möchte Ihnen kurz und knapp antworten: Ich glaube nicht, dass diese Fragestellung dem Problem angemessen ist. Was uns bei dieser Problematik am wenigsten hilft, ist Polemik.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall des Abg. Mutlu (Grüne)]

Danke schön! – Das Wort zur nächsten Nachfrage hat der Herr Abgeordnete Steuer – bitte sehr!

Danke sehr! – Herr Senator Böger! Kennen Sie den von Ihrer Kollegin Knake-Werner unter Verschluss gehaltenen Bericht zu den Schulanfängern, und welche Hinweise gibt er auf den Gesamtkomplex benachteiligter Jugendlicher?

Herr Senator Böger!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter Steuer! Man kann zwar zu jeder Fragestellung alles fragen, man muss aber darauf achten, dass man im Kontext bleibt. Der Kollege Wansner hat von einer Eskalation der Jugendkriminalität gesprochen. Sie sprechen jetzt von Kindern, die noch gar nicht in der Schule sind. Im Übrigen habe ich allmählich das Gefühl, ich muss beständig Antworten für Ressorts geben, für die ich gar nicht zuständig bin. Ich bin nicht der Oberrichter und werde mich unterstehen in das Ressort zu gehen und dort die Schubladen zu öffnen. Ich habe, ebenso wie Sie, davon in der Zeitung gelesen. Wenn ich mir den Hinweis erlauben darf, es gibt noch eine allgemeine Fragerunde, Sie müssten die Frage dann dort stellen. Ich kann Ihnen keine Antwort geben.

Aber generell: Ich bin immer dafür, Daten, die man erhebt, richtig zu erheben und keine Angst vor unangenehmen Ergebnissen zu haben. Das Schlimmste bei gesellschaftlichen Problemen ist, die Augen zuzumachen.

Danke schön! – Weitere Nachfragen liegen nicht vor.

Damit ist die Mündliche Fragestunde für heute beendet. Die nicht beantworteten Fragen werden wie immer nach § 51 Abs. 5 mit einer Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet.

Ich rufe nun auf die

Spontane Fragestunde

Zunächst hat für die SPD-Fraktion Frau Abgeordnete Seidel-Kalmutzki das Wort – bitte sehr!

Danke schön! – Ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister: Herr Wowereit! Ich habe mit großem Interesse letzte Woche den Medien entnehmen können, dass Sie Gespräche mit Herrn Anschutz geführt haben. Ich möchte kurz meinen Dank aussprechen, dass Sie sich persönlich um potentielle Investoren bemühen.

[Oh! bei der CDU, der FDP und den Grünen – Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne): Wunderschöne Frage! – Abg. Ritzmann (FDP): Kurze Frage!]

Das ist der richtige Weg, nur so kann es mit dieser Stadt voran gehen.

Herr Regierender Bürgermeister – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Frau Abgeordnete Seidel-Kalmutzki! Sie haben in der Tat Recht: Wir kämpfen in Berlin um jede Investition. Die Anschutz-Gruppe hat sich entschieden, im Bereich Ostbahnhof ein größeres Areal zu entwickeln. Dazu gehört eine große Sportarena mit über 16 000 Zuschauerplätzen. Wir tun vom Senat und dem beteiligten Bezirk her alles, damit das planungsrechtliche und genehmigungsrechtliche Verfahren zur Verwirklichung dieses zukunftsprägenden Projekts zügig umgesetzt werden können. Sowohl bei meinen Gesprächen mit Herrn Anschutz in Los Angeles als auch in Berlin ist von seiner Seite – auch von seinen Mitarbeitern – bestätigt worden, dass entgegen landläufiger Einschätzung tatsächlich die Berliner Behörden hervorragend Hilfestellung geleistet haben. Wo es hakt, setzt man sich zusammen und versucht, die Probleme zu lösen. Insofern ist das Projekt auf einem guten Weg. Ich sage aber an dieser Stelle ganz deutlich, so ein Projekt in dieser Größenordnung steht natürlich auch immer unter der jederzeitigen Überprüfung der Wirtschaftlichkeit. Das können wir nicht beeinflussen, das muss im Unternehmen geprüft werden. Die Anschutz-Gruppe hat das Gelände erworben und viele Millionen in die Planungsunterlagen investiert. Ich bin optimistisch, dass dieses Projekt verwirklicht wird. Endgültig kann man das aber erst sagen, wenn der erste Spatenstich erfolgt. Ich hoffe, dass er relativ bald erfolgen wird.

Frau Seidel-Kalmutzki, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Tempodrom ist ein Thema, das uns bedrückt und beschäftigt. Das Unternehmen hat seine Baurechnungen noch nicht ganz bezahlt. Es hat trotz guter Auslastung in bestimmten Bereichen unerwartete und ungeplante Mindereinnahmen. Es hat gewisse Managementprobleme. Wir wollen jetzt zeitnah für das Tempodrom und für unser Engagement dort eine gesamthafte Lösung finden, und diese wird nicht darin bestehen, dass wir dort dauerhaft Subventionen leisten.

Wir sind als Land deshalb im Engagement, weil vor einigen Jahren eine Bürgschaft gegeben wurde. Das hat sich im nachhinein als nicht sehr gut herausgestellt. Da ich in diesem Land für Bürgschaften federführend verantwortlich bin, können Sie sicher sein, dass wir jede einzelne Bürgschaft sehr sorgfältig prüfen.

Das „relativ bald“ interessiert mich. Wir warten mit großer Spannung auf diese Halle, insbesondere die Sportler der „Eisbären“. Aber wenn das noch nicht zu definieren ist, müssen wir eben abwarten und Daumen drücken. – Danke!