Es geht, Herr Gaebler, auch nicht darum, die Polizei zu kritisieren oder die Frage der Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Mittel näher zu erörtern. Das ist überhaupt nicht der Punkt.
Der Senator für Inneres hat das heute schön am Thema vorbei beantwortet. Es war nämlich weder danach gefragt, noch behauptet oder inzident behauptet, dass man die Demonstranten beispielsweise vom Dach hätte spritzen sollen oder ein Sondereinsatzkommando hätte hinschicken sollen. Dieser Auffassung sind wir nicht, und darum geht es nicht. Es geht, Herr Doering, um die Frage, ob man als Senator als Politiker oder als Behördenleiter handelt.
Das heißt, er hat sie dazu ermuntert, noch länger zu bleiben, bis diese Montagsdemo durchläuft, und die Strafanträge hat er wieder zurückziehen lassen. So ist es dann übrigens auch gemacht worden. Um 18.55 Uhr lief die Demonstration durch; Aktionsende war um 19.20 Uhr. Wenn man von einem Senator so nett eingeladen wird,
hier die Aktion, eine Straftat, eine rechtswidrige Aktion, auszudehnen, warum sollte man dieser Aufforderung nicht nachkommen?
Herr Senator Flierl, Sie haben dem Vertrauen in den Rechtsstaat, in eine gleichmäßige, sachlich agierende Verwaltung einen schweren Schaden zugefügt.
Darüber hinaus ist die Verwaltung bei ihrem Handeln nach selbst gesetzten Maßstäben dazu verpflichtet, nicht ohne sachlichen Grund von ihren eigenen Verwaltungsgrundsätzen abzuweichen.
Es geht um die elementaren Verfassungsgrundsätze – Artikel 3. Es geht um nackte Willkür auf der anderen Seite,
Rekapitulieren wir in der zu Gebote stehenden Ruhe und Entspanntheit, Herr Gaebler, noch einmal diese Aktion: Um 9.35 Uhr war der Beginn der Aktion, um 9.40 Uhr rief ein Vertreter von Greenpeace Hamburg an und erklärte, dass die Aktion bis zum späten Nachmittag dauern solle.
Was wäre ein rechtmäßiger und auch liberaler Umgang mit dieser Situation gewesen? – Es ist völlig unsinnig, auf das Dach zu klettern und die Demonstranten dort herunter zu holen. Das ist viel zu gefährlich. Man hätte vielmehr ganz normal die Sache zu Ende kommen lassen sollen – am späten Nachmittag –, und dann wäre wie üblich in solchen Verfahren Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt worden. Das wäre ein entspannter und der Sache angemessener Ablauf gewesen.
Der Senator, in dessen Ressortzuständigkeit das Berliner Wahrzeichen fällt, begrüßte nicht nur die Aktion gegen einen möglichen Irak-Krieg außerordentlich. Er soll den Protestierenden nach Tagesspiegel-Informationen auch vorgeschlagen haben, die Besetzung länger auszudehnen als ursprünglich geplant, nämlich bis am Abend die wöchentliche Friedensdemo am Pariser Platz eintreffen würde.
Herr Flierl, der das Tor am Nachmittag aufsuchte, ließ eine von seiner Kulturverwaltung bereits routinemäßig erstattete Anzeige gegen die Torkletterer wieder zurückziehen.
Damit Sie wissen, damit Sie vielleicht erahnen, um was es geht, zitiere ich aus Dreier, Grundgesetz-Kommentar:
Das ist der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, den scheinen Sie nicht zu kennen. Das kennen hier bereits die Kinder. Die wissen im Kindergarten ganz genau: Wer schwätzt, der kriegt einen Tadel, ganz unabhängig davon, ob der Inhalt
Da können Sie schreien, so viel Sie wollen. Es ist in diesem Land, zumindest in einem großen Teil dieses Landes, seit geraumer Zeit üblich, dass es nicht im Belieben eines Behördenleiters steht, ob irgendwas genehmigt wird, ob irgendwas bestraft wird oder nicht. Das ist in Deutschland so, und das bleibt in Deutschland auch so.
Wie stellen Sie sich, Herr Flierl, denn vor, wie es weitergeht? Wenn jetzt ein Plakat kommt: „Stoppt alle Diktatoren! Stoppt Saddam!“ oder „Stoppt überforderte Kultursenatoren!“,
was ist denn, wenn so ein Plakat z. B. morgen aufgehängt wird, Herr Flierl? Was machen Sie denn da? Stellen Sie da wieder keinen Antrag auf Strafe? Sagen Sie dann auch: Lassen Sie es noch ein bisschen länger hängen, oder wie verfahren Sie dann in dieser Frage? – Das heißt: Entweder Sie verfahren dann wieder so; dann haben Sie einen Präzedenzfall geschaffen. Oder aber Sie verhalten sich nicht mehr so, dann entpuppt sich das, was Sie am 10. März hier veranstaltet haben, als das, was es ist: die blanke Willkür eines überforderten Senators und nichts anderes.
Und Ihre Reaktionen in der „dpa“ haben uns überhaupt erst dazu verleitet, diesen Missbilligungsantrag als Minimum zu stellen.
Herr Lindner, ich habe sehr wohl zugehört. Sie haben eben gesagt, dass Sie das natürlich nicht wünschten. Das würde auch mit Liberalität und Liberalismus wohl kaum ins Einvernehmen zu setzen sein.
eine Protest- oder eine politische Meinungsäußerung zur Kenntnis genommen. Allerdings bezweifeln Sie weiterhin in Ihrem Antrag, dass allein der technische Aufwand, mit dem diese Aktion vonstatten ging, nicht passiert sein kann, ohne dass die entsprechenden Behörden vorher davon informiert worden sind. Ich glaube gern, dass Inhalt und Ziel von Greenpeace mit Ihren politischen Inhalten wenig gemein haben,
Das Brandenburger Tor ist keine Speaker’s corner, auf die jeder eingeladen ist, sich hinzustellen, betonte Flierl. Sollte es noch einmal zu einer Aktion kommen, müsse erneut die Verhältnismäßigkeit der Mittel geprüft werden.
Das bedeutet mit anderen Worten, da muss der Herr Flierl noch mal in sich gehen, ob ihm der Inhalt der Plakate gefällt oder nicht.
Ich komme nun wirklich zum letzten Satz, Herr Präsident. – Missbilligung ist das Minimum. Schließen Sie sich unserem Antrag an. Stellen Sie wieder ein Stück Vertrauen her in einen sachlich, nüchtern und rechtmäßig agierenden Staat. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nunmehr Frau Hertel. – Bitte schön, Frau Hertel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte zwar ganz anders beginnen, aber ich muss doch sagen, Herr Dr. Lindner: Wenn sich irgendjemand in diesem Hause den Anspruch erworben hat, missbilligt zu werden, dann sind Sie das – wegen Schwätzens.