Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

Apropos Feuersozietät, meine lieben Freunde und Kollegen der CDU – der Antrag, den Sie uns hier vorgelegt haben, „Werthaltigkeit der Feuersozietät sichern – Arbeitsplätze erhalten“ – –

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gaebler?

Nein! – Wenn wir die Geschäftsordnung geändert haben, Herr Gaebler, und es geht nicht auf die Redezeit, dann wird jede Frage beantwortet. Aber machen Sie mit, das ist wenigstens eine kleine Novelle, und dann werden auch die Fragen beantwortet.

[Zurufe der Abgn. Dr. Steffel (CDU) und Doering (PDS)]

„Werthaltigkeit der Feuersozietät sichern“ – das ist alter Stil. Ich habe mir bisher gespart, den Namen zu erwähnen, aber da taucht im Hintergrund der gute alte Landowsky auf, bei so einem Antrag: „Erhalt der Arbeitsplätze“, „Erhalt der organisatorischen Selbständigkeit“, „Erhöhung des Eigenkapitals“, „Erhalt der Kooperation mit den“ – natürlich öffentlich-rechtlichen – „Sparkassen“ und „vorzugsweise Veräußerung an einen öffentlich-rechtlichen Erwerber“.

[Dr. Steffel (CDU): Alles richtig!]

Herr Steffel, das sind genau Maßnahmen, mit denen man Privatisierung im Land Berlin faktisch verhindert.

[Dr. Steffel (CDU): Nein, das sind sinnvolle Regelungen!]

Doch, so ist das! – Und wer hat dem zugestimmt? – Das ist die gesamte versammelte, in ihren verschiedenen Schattierungen durchaus unterschiedliche Sozialdemokratie Berlins: PDS, CDU und SPD.

[Beifall bei der FDP – Zurufe von der PDS – Gelächter bei der CDU]

Das ist der Unterschied zu früher. Früher ward ihr so ehrlich und habt gesagt: Wir sind nicht liberal, wir wollen, dass es beim Staat bleibt. – Der einzige Unterschied zu heute ist, da setzen sich alle auf die Bühne und sagen: Natürlich wollen wir privatisieren. – Und dann wird über solche Hürden – Verpflichtung, nur an einen öffentlichrechtlichen Erwerber zu verkaufen, Arbeitsplätze und den Hauptsitz zu erhalten – die Sache faktisch verhindert. So lief es bei der Bankgesellschaft. So lief es bisher bei allen anderen Dingen, bei der Messegesellschaft. So wird das hier nichts.

[Beifall bei der FDP – Doering (PDS): Wo wollen Sie denn den Hauptsitz haben?]

Sie können nicht Hürden auflegen, mit denen Sie faktisch eine Veräußerung verhindern. Der Erwerber entscheidet, wohin er den Hauptsitz verlegt.

[Dr. Steffel (CDU): Um Gottes willen!]

Das ist die Marktwirtschaft, Herr Doering, in der Sie in Ihrem ganzen Leben nicht mehr geistig ankommen werden. Das ist mir schon klar.

[Beifall bei der FDP]

[Dr. Steffel (CDU): In diesem Punkt nicht!]

Nein, in diesem Punkt wirklich nicht!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Und wenn man sie dann nicht hat, dann gilt sie als erteilt. Es wäre ein zusätzlicher Punkt, die geringste Gewerbesteuer aller Städte – unter 50 000 – zu haben. Oder wir schaffen günstige Immobilienpreise.

[Zuruf von der PDS: Haben wir schon!]

Das sind verschiedene Punkte. Dafür kann man werben.

Sie schreien: Das haben wir schon! – Aber das, was Sie von der PDS gerade mit den Immobilienpreisen machen, ist eine Politik, die diese wieder nach oben schießen lässt. „Wasser“ wurde schon genannt. Jetzt fangen Sie auch noch mit der Beteiligung der Grundstückseigentümer am Straßenbau an.

[Liebich (PDS): Das gibt es überall!]

Das kann man machen, aber die günstigen Immobilienpreise sind ein ganz wesentlicher Standortfaktor. Damit muss man werben. Herr Wolf sitzt hier rum und telefoniert; der wirbt nicht damit.

[Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU]

Aber man kann damit werben.

Wenn man vier bis fünf Punkte nach vorne stellt, dann kommt es zu mehr Arbeitsplätzen. Herr Zimmer, da gebe ich Ihnen völlig Recht. Neben der reinen volkswirtschaftlichen Frage ist es auch eine soziale Frage, eine Frage der Menschlichkeit, hier nicht so zu tun, als käme das Geld

Was hier gemacht wird, ist aber vor allem schlecht für Berlin. Wir brauchen eine echte Haushalts- und Finanzpolitik, die eine tatsächliche Kehrtwende darstellt, die sich mit den dicken Brocken befasst, sich nicht damit begnügt, eine Kaninchenstallschließerdiskussion anzustoßen, wie

wir sie in den letzten Tagen hatten. Wir brauchen eine Finanzpolitik, die Berlin nach vorne bringt.

Bleiben Sie gelassen, Herr Steffel! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU hat tatsächlich etwas für den Berliner Haushalt getan, und zwar dadurch, dass sie sich heute Nacht mit der SPD und den SPD-geführten Bundesländern im Bundesrat auf einen Kompromiss in der Steuerfrage geeinigt hat. Dieser Kompromiss bringt zwar viel zu wenig, nämlich 4,4 Milliarden €, aber immerhin ist das etwas. Das ist das Hauptproblem der Länder und auch des Landes Berlin und der Grund dafür, dass wir diesen Nachtragshaushalt machen müssen: Die Steuereinnahmen der Länder und des Bundes sind in einem Maß eingebrochen, dass hier Korrekturen zwingend erforderlich sind.

Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang noch einmal in Erinnerung zu rufen, was der Finanzsenator in der I. Lesung ausgeführt hat: Über 70 Milliarden € fehlen dem Bund und den Ländern gegenüber dem, was zu erwarten war, als im Jahr 2000 überlegt wurde, wo wir im Jahr 2003 mit dem Steuerniveau landen. Das wiederum ist die Folge – das muss man auch seitens der Bundesregierung ehrlich einräumen – einer Steuerpolitik, die bei dem Versuch, Unternehmen zu entlasten, viel zu weit gegangen ist, die eine Körperschaftsteuerreform gemacht hat, die das Steueraufkommen, das von Unternehmen zu erbringen ist, in einem Maß gesenkt hat, das für das Gemeinwesen nicht mehr vertretbar war. Und jetzt sind dort Korrekturen notwendig. Sie werden in viel zu bescheidenem Maß angegangen. Das ist unsere Position. Aber es ist immerhin ein kleiner, bescheidener Schritt, 4,4 Milliarden € für die Länder und Kommunen zusätzlich zu erbringen. Der Bundestag hatte ursprünglich vorgesehen, als er in die Verhandlungen gegangen ist, über 16 Milliarden € erbringen zu wollen. In den Verhandlungen mit den CDU-geführten Bundesländern sind nur 4,4 Milliarden € herausgekommen.

aus Hessen oder anderswo, sondern dafür zu sorgen, dass die Berlinerinnen und Berliner auch in Lohn und Brot kommen.

Selbst in Bereichen, in denen man Ihnen üblicherweise so etwas wie Kompetenz zutraut, das wäre zum Beispiel das Verteilen von Fördermitteln, haben Sie versagt.

[Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU]

Da sind 85,5 Millionen € Fördermittel nicht abgerufen worden. Es gibt kein Controlling, keine Fördermitteldatenbank, keine Unterstützung der Antragsteller, der Firmen. Fehlanzeige: Nicht einmal dort, wo man es Ihnen zutraut, kommen Sie nach vorne. Sie haben auch dort nichts in petto.

[Beifall bei der FDP]

Alles ist Flickschusterei: Die Wasserkonzessionsabgabe, ohne dass dafür die Grundvoraussetzungen rechtlich und tatsächlich geschaffen wurden. Die Abschöpfung der Tarifvorsorge der Hochschulen, obwohl es keinen Tarifabschluss gibt. Und fast 30 Prozent der Gesamtkürzungen im Einzelplan 09, bei Gesundheit und Soziales. – Das sind letztlich nur Verschiebungen in die Zukunft. Flickschusterei und Verschieben haben Sie in petto.

[Beifall bei der FDP]

Herr Senator Sarrazin, wenn Sie sich all das vergegenwärtigen – vor dem Hintergrund, dass Sie sagten, in diesem Jahr kämen große Struktureinschnitte –, frage ich Sie: Wo stehen Sie da? Wo sind die großen Struktureinschnitte? – Sie schaffen es nicht einmal, in diesem Senat das durchzusetzen, was andere Länder wie SachsenAnhalt, die fortschrittlich regiert werden, gemacht haben. Ich meine die Regelsätze der Sozialhilfe.

[Gelächter des Abg. Doering (PDS)]

Herr Doering, ein durch Dunkelrot unterstützter roter Minderheitssenat hat dieses Land in den Dreck gefahren. Jetzt ist eine vernünftige Regierung da, die den ganzen Mist wieder ausbaden muss. Statt dass Sie sich kleinlaut anschließen und Ihrem Finanzsenator folgen, schießen Sie ihm selbst dieses kleine Ding auch noch weg. Das können Sie.

[Beifall bei der FDP]

Herr Sarrazin, da müssen Sie – bei aller Freundschaft und allem Respekt, den ich Ihnen entgegenbringe – überlegen, was Sie in diesem Senat zu suchen haben. Sie gehören dort nicht hin. Ich bin nicht dabei, Ihnen den Rücktritt nahe zu legen, denn alle anderen wären davor dran zurückzutreten. Sie sind der Letzte, der das müsste. Aber ich weiß nicht, was Sie noch vorhaben. Es bringt ein schlechtes Karma, diesem Senat anzugehören.

[Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU]

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Für die PDS hat der Abgeordnete Wechselberg das Wort. – Bitte sehr!

[Dr. Steffel (CDU): Um Gottes willen!]

Wenn wir also darüber reden, warum das Land Berlin jetzt einen Nachtragshaushalt machen muss – was übrigens auch andere Bundesländer müssen, beispielsweise Brandenburg –, dann vor allem vor dem Hintergrund, dass uns die Steuereinnahmen in einem Maß eingebrochen sind, wie wir das, als wir den Doppelhaushalt aufgestellt haben, den es nun zu korrigieren gilt, nicht geahnt haben. Und obwohl wir diesen Doppelhaushalt bereits nach der Steuerschätzung vom September aufgestellt haben und dort bereits einen Abschlag vornehmen konnten, mussten wir feststellen, dass noch einmal weitergehende Steuermindereinnahmen zu erwarten sind. In Zahlen gefasst: Im Haushaltsjahr 2002 hatte das Bundesland Berlin nahezu 700 Millionen € Steuermindereinnahmen zu verkraften, im Haushaltsjahr 2003 471 Millionen €, und für die folgenden Jahre geht der Finanzsenator davon aus, dass es

Es lohnt sich manchmal, dem Finanzsenator zuzuhören. Berlin hat das Problem, dass wir 25 % mehr Einnahmen pro Kopf der Bevölkerung haben, aber dass wir 50 % pro Kopf mehr ausgeben als der Rest der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Wir müssen ran an die Berliner Hausaufgaben, wir müssen Strukturen verändern. Das bedeutet eben auch harte Einschnitte. Dazu ist diese Landesregierung bereit, und genau das werden wir auch machen!